Urteil des FG Düsseldorf vom 23.11.2010

FG Düsseldorf (bekanntgabe, kläger, bevollmächtigung, stadt, vollmacht, nichtigkeit, geschäftsführer, verordnung, bemessungsgrundlage, wirkung)

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 7534/04 F
Datum:
23.11.2010
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 7534/04 F
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die geänderten Feststellungsbescheide
betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften
der Bauträgergemeinschaft „Q“, „M-Stadt“, „X-Straße 1 u.3 / B-Straße 2“
für 1998 und 1999 vom 9.12.2002 den Klägern nicht wirksam bekannt
gegeben wurden und damit unwirksam sind.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
T a t b e s t a n d
1
Die Kläger beteiligten sich im Streitjahr 1998 an der Erwerbergemeinschaft "Q" "M-
Stadt", "Q" (künftig "Q"). Gegenstand der Beteiligung war ein denkmalgeschütztes
Wohn- und Geschäftsgebäude aus 3 miteinander verbundenen Häusern, in dem sich
vormals 19 Wohnungen befunden hatten. Als Herausgeber des Prospektes,
Vertriebsbeauftragter, Geschäftsbesorger und Bauträger fungierte die Firma "C-GmbH"
aus "F-Stadt" (künftig "C"). Die "C" hatte das Grundstück in eigenem Namen und für
eigene Rechnung erworben. Zum Zeitpunkt des Ankaufs war das Grundstück ungeteilt.
Nach Erwerb plante die "C" die Modernisierung. Die noch zu modernisierenden
Wohnungen wurden sodann – noch vor Beginn der Sanierung – Kaufinteressenten
angeboten. Die gesamten Modernisierungsarbeiten wurden von der "C" im eigenen
Namen und auf eigene Rechnung für das Gesamtobjekt durchgeführt. Die Teilung
erfolgte während der Durchführung der Modernisierungsarbeiten. Bis zum
Eigentumsübergang bei Fertigstellung der Wohnungen (also nach Beendigung der
Modernisierungsarbeiten) leisteten die späteren Erwerber Anzahlungen auf die
Anschaffungskosten.
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Die Kläger und die anderen Zeichner schlossen mit der "C" am 9.12.1998 einen
notariellen Kaufvertrag über einen Miteigentumsanteil am Grundstück, verbunden mit
dem Sondereigentum an der "in diesem Gebäude durch Sanierungs- und
Erweiterungsmaßnahmen zu erstellenden Wohnung bzw. Geschäftseinheit" mit der
Nummer 45 im Dachgeschoss. Ferner schlossen sie mit der "C" einen
3
Geschäftsbesorgungsvertrag ab, in dem unter Punkt 5 Folgendes vereinbart wurde:
Vollmachten aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag
4
Der Käufer bevollmächtigt hiermit (...) sowie die "C" GmbH alleine
5
Zur Vertretung des Käufers im objektbezogenen finanzamtlichen
Anerkennungsverfahren für die gemeinschaftlichen Werbungskosten sowie der
Abschreibungsbemessungsgrundlage beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt
"E-Stadt". Hierzu gehören insbesondere die Abgabe von
Feststellungserklärungen, der Empfang von Feststellungsbescheiden, die
Vertretung des Käufers in der abschließenden ertragsteuerlichen Betriebsprüfung
nach Auflösung der Gemeinschaft anlässlich der der Bezugsfertigkeit des Objekts
sowie die Bereitstellung aller Unterlagen für die Finanzverwaltung einschließlich
der notwendigen Korrespondenzführung, soweit sich diese Aufgabe zwingend aus
den Regelungen der §§ 180 und 183 der Abgabenordnung (AO) ergeben.
6
7
Das Objekt umfasste nach Durchführung der geplanten Umbau- und
Sanierungsarbeiten 46 Wohnungen, 4 Ladenlokale und 1 Büro/Arztpraxis. Ausweislich
der im Prospekt dargestellten Baubeschreibung – auf die für die Einzelheiten Bezug
genommen wird – sollten u.a. folgende Arbeiten vorgenommen werden:
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Der rückwärtige Gebäudeteil wird entsprechend der Gesamtplanung komplett
abgebrochen und der Schutt beseitigt.
Ein neuer Dachstuhl wird in Holzkonstruktion als Mansarddach mit ca. 75 Grad
Dachneigung hergestellt.
Die Straßenfassade wird entsprechend dem Sanierungskonzept in Anlehnung an
die ursprüngliche Form hergerichtet.
Die Ergänzung von tragenden Innenwänden erfolgt entsprechend den statischen
Erfordernissen.
Neue Treppenhaus- und Wohnungstrennwände werden entsprechend den
statischen Möglichkeiten (...) errichtet.
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Baubeginn war der 18.3.1998. Die Wohneinheiten 1 bis 18 und die Läden 7001 und
7002 wurden bis zum 31.12.1998 fertig gestellt, die Wohneinheiten 19 bis 46 und die
Läden bzw. das Büro 7003 bis 7005 bis zum 31.3.1999.
11
Die Feststellungserklärungen für 1998 und 1999 wurden von der "C" erstellt und in
Vollmacht unterschrieben. Die "C" war auf dem Mantelbogen der
Feststellungserklärungen jeweils als gemeinsamer, von allen Beteiligten bestellter
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Empfangsbevollmächtigter bezeichnet. In Bezug auf die Dachgeschosswohnung
beantragte die "Q" eine Sonderabschreibung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des
Fördergebietsgesetzes (FördG) von 25%.
Am 28.11.2000 beantragte die "C" wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Einleitung
eines Insolvenzverfahrens. Der Rechtsanwalt "S" (Kanzlei "S") wurde am 28.11.2000
vom Amtsgericht "Y-Stadt" zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit
Verfahrenseröffnung am 1.2.2001 wurde er als endgültiger Insolvenzverwalter
eingesetzt.
13
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 24.6.1999 (1998) und am 17.4.2001
(1999) Feststellungsbescheide gemäß der Verordnung zu § 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO). Darin stellte das FA u.a. die Bemessungsgrundlagen der nach
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b FördG i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG berücksichtigungsfähigen
Sonderabschreibungen auf geleistete Anzahlungen in Höhe von 10.991.634 DM (1998)
und von 9.275.581 DM (1999) fest. Dabei wurde auch für die im Prospekt der "C" als
Neubau angebotenen Dachgeschosswohnungen eine Bemessungsgrundlage nach
dem FördG festgestellt, die eine 40%-ige Sonderabschreibung ermöglicht hätte. Die
Bekanntgabe des Feststellungsbescheides für 1998 erfolgte an die "C" z.Hd. Herrn "T".
Der Feststellungsbescheid für 1999 wurde an "S" als Insolvenzverwalter über das
Vermögen der "C" GmbH bekannt gegeben.
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Im Jahr 2002 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung "G-Stadt" eine
Betriebsprüfung (BP) bei der "Q" für die Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999 durch. In
dem BP-Bericht vom 11.4.2002, auf den Bezug genommen wird, heißt es
auszugsweise:
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Tz. 13
16
Die Anleger der WE 18 und 45 und der Gewerbeeinheiten 7003 und 7005 sind der
Gemeinschaft erst nach Sanierungsbeginn am 18.3.1998 beigetreten. Die
steuerlich zu berücksichtigenden Anzahlungen 1998 bzw. Anschaffungskosten
waren daher entsprechend zu kürzen. Bemessungsgrundlage sind die
Sanierungskosten des Gebäudes insgesamt.
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Kürzungen
18
WE 45 70,370% = 340.718,97 DM
19
Tz 17 Andere Wirtschaftsgüter (keine Sanierung)
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Die bisherigen Wohnungen sind durch die Baumaßnahmen untergegangen. Es
erfolgte innerhalb des Gebäudes eine vollständige Neuaufteilung. Die Wohnungen
05, 09, 13, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 27, 28, 30, 31, 32, 33, 40, 42, 44 wurden durch
eine neue Raumaufteilung der Gebäudegeschosse erstmalig geschaffen. Die WE
01, 02, 19 und 38 wurden aus bisherigen gewerblich genutzten Räumen gebildet.
Es wurde demnach keine Wohnung saniert, die den Anlegern zuzurechnen
gewesen wären. Durch die Neuerrichtung von Wänden, den Einbau von Bädern,
Fenstern, Installationen, Balkonen etc. sind die Neubauteile geprägegebend. Die
verwendeten Altteile sind wertmäßig untergeordnet.
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Aufgrund dieser Baumaßnahmen wurden im steuerlichen Sinne andere
Wirtschaftsgüter geschaffen, bei denen von einer Sanierung nicht auszugehen ist.
Es kommt daher, abweichend von der Feststellungserklärung, nur eine
Abschreibung in Höhe von 25% gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b und § 4 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 FördG für die geleisteten Anzahlungen 1997/1998 und die Restbeträge
1998 in Betracht.
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Der Dachstuhl des Hauses wurde abgerissen und völlig neu erstellt. Auf der
Grundfläche des Dachgeschosses wurden Wohnungen neu eingebaut. Die im
Dachgeschoss bisher vorhandene Wohnung ist durch diese Maßnahme vollständig
untergegangen. Die Dachgeschosswohnungen sind daher ebenfalls nicht als
sanierte Wohnungen zu betrachten. Es handelt sich vielmehr um neue
Wirtschaftsgüter, die bisher im Gebäude nicht bestanden haben. Es kommt auch in
diesen Fällen die geringere Abschreibung in Höhe von 25% gemäß § 4 Abs. 2 Satz
1 Nr. 3b und § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FördG für die geleisteten Anzahlungen 1997
und 1998 und die Restbeträge 1998 in Betracht. Durch die BP erfolgt keine
Änderung der Bemessungsgrundlagen, da in den Feststellungserklärungen bereits
richtig von neuen Wirtschaftsgütern ausgegangen worden ist.
23
Im BP-Bericht vom 11.4.2002 heißt es weiterhin: "Eine förmliche Schlussbesprechung
hat nicht stattgefunden, da der Insolvenzverwalter trotz wiederholter Aufforderung keine
Person benannt hat, die die Interessen der "C" und der Anleger in einer solchen
Besprechung wahrzunehmen berechtigt ist."
24
Mit Schreiben vom 6.12.2002 bat das FA um Klärung, ob aufgrund der zwischenzeitlich
von der "C" angemeldeten Insolvenz davon ausgegangen werden könne, dass die
Empfangsvollmacht aufrecht erhalten bleibe. Soweit einzelne Feststellungsbeteiligte
dem bisherigen Prozedere widersprechen würden, werde darum gebeten, diese zu
benennen und deren anderweitigen Empfangsbevollmächtigten anzugeben.
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Das FA gab die aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Feststellungsbescheide für
1997 bis 1999 am 9.12.2002 an Herrn "S" als Insolvenzverwalter für die Firma "C"
GmbH i.I. als Empfangsbevollmächtigte für die EWG "Q" "M-Stadt" mit Wirkung für und
gegen alle Feststellungsbeteiligte bekannt. In den Änderungsbescheiden wurden u.a.
folgende Feststellungen getroffen:
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1998
1999
Bemessungsgrundlage § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b, Satz 3
FördG (Anzahlung Sanierungskosten)
2.903.383,39
Bemessungsgrundlage § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b, Satz 2
Nr. 1 FördG (Anzahlung Gebäude-AK)
4.437.323,00
Altbausubstanz § 7 Abs. 4 EStG
603.013,09
476.699,31
Sanierungskosten § 7 Abs. 4 EStG
3.500.659,76 2.767.355,66
Gebäudeanschaffungskosten § 7 Abs. 4 EStG
2.841.757,66 7.355.986,09
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Die geänderten Feststellungsbescheide beinhalteten folgende Feststellungen
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betreffend die Bemessungsgrundlage der Sonder-AfA der Kläger:
Anzahlung Gebäudeanschaffungskosten § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b, Satz 2
Nr. 1 FördG 1998
122.175,54
Gebäudeanschaffungskosten § 7 Abs. 4 EStG 1999
484.179,49
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In der Bescheiderläuterung heißt es auszugsweise: "Die Zustellung erfolgt an Sie, weil
Sie Herrn "T" weder in Ihrem Schreiben vom 16.10.2001 noch im Rahmen der
abgeschlossenen Betriebsprüfung als Empfangbevollmächtigten benannt haben. Die
Feststellung nach der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO ist geboten, weil es sich bei dem
o.g. Projekt um ein Gesamtobjekt i.S.d. Tz. 2.1 des BMF-Schreibens vom 5.12.1990
(BStBl I 1990, 764) handelt (...)".
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Mit Schreiben vom 27.12.2002, eingegangen beim FA am 30.12.2002, legte der
Insolvenzverwalter der "C" Einspruch gegen die Feststellungsbescheide der "Q" für
1997 bis 1999 ein. Der Einspruch richtete sich gegen die Beurteilung des
Modernisierungsaufwands als Anschaffung eines anderen Wirtschaftsguts bei den von
dieser Umqualifizierung betroffenen Zeichnern. Nicht als Einspruchsführer aufgeführt
waren die Kläger. Der Antrag lautete dahingehend, die Modernisierungsmaßnahmen
bei allen Wohneinheiten als nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne des § 3 Satz 2
Nr. 3 FördG zu qualifizieren. Des Weiteren teilte der Insolvenzverwalter mit, dass er,
soweit die der "C" im Geschäftsbesorgungsvertrag eingeräumten Vollmachten nicht
ohnehin durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen sein sollten, die
Empfangsvollmacht gem. § 183 AO nach Eingang des Einspruchs niederlege. Mit
Einspruchsentscheidungen vom 2.2.2004 wies das FA diese Einsprüche als
unbegründet zurück. Nach Auffassung des FA belief sich die anzuerkennende
Sonderabschreibung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FördG lediglich auf 25%. Denn die
Kosten für die Modernisierungsarbeiten seien gem. § 3 Satz 1 FördG lediglich als Teil
der Anschaffungskosten für ein anderes Objekt begünstigt.
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Am 15.3.2004 ging das Einspruchsschreiben der Kläger beim FA ein. Diese wiesen das
FA darauf hin, dass den Klägern keine geänderten Feststellungsbescheide für 1998 und
1999 bekannt gegeben worden seien. Die betreffenden Feststellungsbescheide seien
ihnen vielmehr erst auf Anforderung vom 2.3.2004 von der insolventen "C" GmbH u. Co
"..." KG i.L. übersandt worden. Die Bekanntgabe sei an den Insolvenzverwalter erfolgt,
ohne dass die Kläger diesem eine Zustellvollmacht erteilt hätten. Den Klägern sei auch
nicht bekannt, dass sie der "C" eine entsprechende Zustellvollmacht erteilt hätten. Sollte
eine solche bestanden haben, sei die jedenfalls durch deren Insolvenz erloschen. Es
werde daher um Zustellung der Bescheide und des BP-Berichts gebeten. Soweit sich
das FA auf § 183 AO berufe, sei darauf hinzuweisen, dass diese Art der Bekanntgabe
gem. § 183 Abs. 2 AO nicht in Betracht komme, wenn sich die Gesellschaft in Insolvenz
befinde. Der Beteiligte werde im Konkurs der Gesellschaft nicht vom Konkursverwalter
vertreten. Im vorliegenden Fall sei zwar nicht die "Q", sondern die beauftragte Baufirma
in Konkurs gegangen. Zwischen beiden Fällen bestehe aber kein wirtschaftlicher
Unterschied.
32
Das FA teilte mit Schreiben vom 2.4.2004 mit, dass die Bekanntgabe ordnungsgemäß
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an den Insolvenzverwalter der "C" erfolgt sei. Die Feststellungsbeteiligten hätten der "C"
eine Empfangsvollmacht im Sinne des § 183 AO erteilt und dies bislang nicht
widerrufen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe keine Auswirkungen auf die
Wirksamkeit der Geschäftsbesorgungsverträge bzw. die Empfangsbevollmächtigung.
Gem. § 80 Abs. 1 InsO sei lediglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den
Insolvenzverwalter übergegangen. Die Empfangsbevollmächtigte befinde sich weiterhin
im Insolvenzverfahren und sei folglich rechtlich existent. Eine Gefährdung des
Informationsflusses zwischen der "C" und den Feststellungsbeteiligten in steuerlichen
Angelegenheiten sei nicht ersichtlich.
Das FA verwarf den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 6.5.2004
als unzulässig.
34
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Die Kläger halten an ihrer
Auffassung fest, dass die Feststellungsbescheide nicht an den Insolvenzverwalter,
sondern an die einzelnen Beteiligten hätten bekannt gegeben werden müssen. Gem.
§ 183 AO könne zwar an einen Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen
alle Feststellungsbeteiligten zugestellt werden. Dies gelte aber gem. § 183 Abs. 2 AO
dann nicht mehr, wenn die Gesellschaft oder Gemeinschaft nicht mehr bestehe. Hierzu
müsse nicht der "Wegfall" der Personengesellschaft eingetreten sein. Es reiche aus,
dass sich die tatsächliche Verbindung gelöst habe, was durch die Unterbrechung des
Informationsflusses indiziert werde. Die Aktenlage verdeutliche vorliegend, dass es
schon während der Betriebsprüfung große Kommunikationsprobleme zwischen der
Gesellschaft, dem Vertreter der Beteiligten und dem Insolvenzverwalter gegeben habe.
Es stelle daher einen schweren Verstoß gegen die Bekanntgaberegeln dar, dass die
Feststellungsbescheide an den Insolvenzverwalter bekannt gegeben worden seien.
Eine Bekanntgabe an den Insolvenzverwalter sei des Weiteren auch deshalb
unzulässig gewesen, da der Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Firma "C" durch die
Insolvenz gem. §§ 115 Abs. 2, 117 InsO erloschen sei, im Übrigen aber nichtig gewesen
sei. Der mit der "C" abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag verstoße nach der
zivilgerichtlichen Rechtsprechung gegen Art. 1 § 1 RBerG. Aus diesem Grund sei auch
die darauf basierende Vollmacht nichtig gem. § 134 BGB. Es sei ferner offensichtlich,
dass der Geschäftsbesorgungsvertrag auch gegen §§ 3 ff. StBerG verstoße, woraus
ebenfalls gem. § 134 BGB die Nichtigkeit folge. Damit sei eine ordentliche
Bevollmächtigung zur Entgegennahme der Feststellungsbescheide jedenfalls nicht
zustande gekommen. Habe die "C" GmbH ihrerseits eine steuerliche Vertretung
beauftragt, die Feststellungsbescheide entgegenzunehmen, sei die Beauftragung
wegen Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags ebenfalls nichtig.
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Die Kläger beantragen,
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festzustellen, dass die geänderten Feststellungsbescheide für 1998 und 1999 vom
9.12.2002 nicht wirksam bekannt gegeben worden und damit unwirksam sind
sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig
zu erklären.
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Das FA beantragt,
38
die Klage abzuweisen.
39
Die Bekanntgabe an den Insolvenzverwalter als Vertreter der "C" sei nicht zu
40
beanstanden. Insoweit werde auf den Beschluss des FG Düsseldorf vom 17.9.2004 13
V 4044/04 A (F) verwiesen, in dem das FG keine Zweifel an die wirksame Bekanntgabe
der Feststellungsbescheide geäußert habe. Im Übrigen sei die Bekanntgabe im vom
Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fall, der Anlass für das Urteil vom 18.9.2007 IX
R 31/05 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV--
2008, 762) gewesen sei, entsprechend der Bekanntgabe im hier zu entscheidenden Fall
erfolgt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41
Die zulässige Klage ist begründet.
42
I. Die vorliegend erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage im Sinne des § 41 Abs. 1 1.
Halbsatz 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist zulässig. Mit der
Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 1. Halbsatz 2. Alternative FGO kann, wie
vorliegend, nicht nur die Nichtigkeit, sondern – zur Beseitigung des Rechtsscheins der
wirksamen Bekanntgabe – auch die Unwirksamkeit eines Steuerverwaltungsakts wegen
fehlender oder fehlerhafter Bekanntgabe geltend gemacht werden (vgl. BFH-Beschluss
vom 9.9.1994 III B 29/94, BFH/NV 1995, 276). Die Kläger haben im Streitfall vor diesem
Hintergrund ein berechtigtes Interesse gem. § 41 Abs. 1 2. Halbsatz FGO an der
beantragten Feststellung, dass die geänderten Feststellungsbescheide für 1998 und
1999 ihnen gegenüber nicht wirksam bekannt gegeben wurden (vgl. zum berechtigten
Interesse BFH-Urteil vom 1.12.1988 V R 125/83, BFH/NV 1989, 523). Die
grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 41 Abs.2 Satz 1 FGO gilt
nicht für den Fall der Feststellung der Unwirksamkeit eines Steuerverwaltungsakts (§ 41
Abs. 2 Satz 2 FGO). Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist daher nicht
fristgebunden. Der Durchführung eines außergerichtliches Vorverfahren (§ 44 FGO)
bedarf es ebenfalls nicht (vgl. von Groll, in Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Aufl. § 41 Rn.
3 und 22).
43
II. Die Klage ist auch begründet.
44
Die geänderten Feststellungsbescheide für 1998 und 1999 vom 9.12.2002 sind, wie von
den Klägern im Ergebnis zutreffend geltend gemacht wurde, ihnen gegenüber nicht
ordnungsgemäß bekannt gegeben und damit nicht wirksam im Sinne des § 124 Abs. 1
Satz 1 AO geworden.
45
1. Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob die Firma "C" vom FA zutreffend als
Empfangsbevollmächtigter der Erwerbergemeinschaft angesehen wurde. Zwar ist der
"C" von den Feststellungsbeteiligten auf der Grundlage der abgeschlossenen
Geschäftsbesorgungsverträge eine Empfangsvollmacht eingeräumt worden (vgl. Rz.
5.2.2 zweiter Spiegelstrich des Geschäftsbesorgungsvertrags vom 7.12.1998). Diese
Vollmachtserteilung dürfte aber unwirksam gewesen sein. Wie der Bundesgerichtshof
(BGH) in seinem Urteil vom 14.5.2002 XI ZR 155/01 (Neue Juristische Wochenschrift --
NJW-- 2002, 2325) entschieden hat, bedarf derjenige, der ausschließlich oder
hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines
Bauträgermodells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 des
Rechtsberatungsgesetzes (RBerG). Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener
Geschäftsbesorgungsvertrag ist wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG
nichtig (§ 134 BGB). Die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags erfasst in diesem
Fall auch die der Geschäftsbesorgerin zur Ausführung des Vertrags erteilte Vollmacht. In
46
seinem Urteil vom 18.3.2003 XI ZR 188/02 (NJW 2003, 2088) hat der BGH diese
Rechtsprechung auf die im Rahmen von Bauherren- und Erwerbermodellen
abgeschlossenen Treuhänderverträge ausgedehnt. Nach Maßgabe dieser Grundsätze
ist folglich eine auf einem nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrag basierende
Bevollmächtigung ebenfalls als nichtig anzusehen. Dies gilt im Ergebnis auch für eine
auf dieser Grundlage erteilte Prozessvollmacht. Zwar ist eine Prozessvollmacht als
Verfahrenshandlung grds. von dem zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrag
unabhängig, d.h. mögliche Mängel des Grundgeschäftes schlagen auf die
Prozessvollmacht in der Regel nicht durch. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH
jedoch nicht bei einem Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG i.V.m. § 134 BGB.
Ein solcher Verstoß soll sich auch auf die prozessuale Vollmacht auswirken, weil
andernfalls Sinn und Zweck des gesetzlichen Verbots nicht zu erreichen wären (vgl.
etwa BGH-Urteil vom 14.5.2009 IX ZR 60/08, NJW-RR 2010, 67). Diese
Rechtsprechung des BGH ist nach Ansicht des Senats auch auf den hier vorliegenden
Fall einer Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten zu übertragen, bei der es sich
ebenfalls um eine Verfahrenshandlung handelt. Die Nichtigkeit der Empfangsvollmacht
dürfte im Streitfall im Übrigen nicht nur aus Art. 1 § 1 RBerG, sondern auch aus einem
Verstoß gegen die §§ 3 ff. StBerG folgen. Ein solcher Verstoß zieht nach
zivilgerichtlicher Rechtsprechung ebenfalls die Nichtigkeit von
Geschäftsbesorgungsvertrag und Vollmacht nach sich.
Eine Bekanntgabe an die "C" als Empfangsbevollmächtigte der Erwerbsgemeinschaft
hätte daher im Streitfall allenfalls nach den Grundsätzen der Bevollmächtigung kraft
Rechtsscheins erfolgen können. Trotz Unwirksamkeit der zugrunde liegenden
Vollmacht kann danach etwa ein durch den Bevollmächtigten abgeschlossener Vertrag
nach den Grundätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht wirksam sein. Wie der
BFH in seinem Urteil vom 25.9.1990 IX R 84/88 (Bundessteuerblatt --BStBl-- II 1991,
120) entschieden hat, liegt eine Bevollmächtigung nach Rechtsscheinsgrundsätzen
insbesondere bei Bauherrengemeinschaften nahe. Denn die Bauherren lassen sich
regelmäßig bei der Durchführung des Projekts durch mehrere Personen (Initiatoren)
vertreten, die häufig wirtschaftlich und personell miteinander verflochten sind. Tritt einer
der Initiatoren gegenüber dem FA wie ein Bevollmächtigter auf, verhandelt er z.B. mit
den Finanzbehörden in Angelegenheiten der Bauherrengemeinschaft, nimmt er
Verwaltungsakte für die Bauherrengemeinschaft entgegen, wirkt er bei der Abfassung
der Feststellungserklärungen mit und stellt er Anträge, so darf das FA regelmäßig aus
seinem Auftreten folgern, er sei bevollmächtigt, für die Bauherrengemeinschaft zu
handeln und Verwaltungsakte entgegenzunehmen (ebenso für den Fall der
Treuhandschaft BFH-Urteil vom 24.5.1977 IV R 47/76, BStBl II 1977, 737, 744; Urteil
des FG Nürnberg vom 25.3.1987 V 272/83, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG--
1987, 442 für eine Bauherrengemeinschaft). Es entspricht schließlich ebenfalls der
finanzgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht
auch im Rahmen des § 183 AO (und damit auch im Rahmen des hier einschlägigen § 6
der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO) zur Anwendung kommen (vgl. Schön, in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 183 AO Rn. 54 m.w.N.).
47
2. Ob im Streitfall wirksam nach den Grundsätzen der Rechtsscheinsvollmacht bekannt
gegeben wurde, kann allerdings im Ergebnis dahingestellt bleiben. Bestand eine solche
Rechtsscheinsvollmacht nicht, war die Bekanntgabe gegenüber den Klägern
unwirksam. Das FA hätte in diesem Fall, da kein gemeinsamer
Empfangsbevollmächtigter im Sinne des § 6 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO
vorhanden war, eine Einzelbekanntgabe vornehmen müssen. Unterstellt man dagegen,
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dass die "C" kraft Rechtsscheinsvollmacht wirksam als Empfangsbevollmächtigte
eingesetzt war, war die Bekanntgabe der geänderten Feststellungsbescheide vom
9.12.2002 jedenfalls insoweit fehlerhaft und damit ohne Wirkung für und gegen die
Beteiligten, als diese an den Insolvenzverwalter erfolgte (vgl. allgemein zu Fehlern der
Bekanntgabe an den gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten Söhn, in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 183 AO Rn. 64). Eine Bevollmächtigung
juristischer Personen ist, da diese geschäfts- und handlungsunfähig sind, in eine
Bevollmächtigung ihrer gesetzlichen Vertreter umzudeuten (vgl. Söhn, in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 80 AO Rn. 65). Gemeinsamer
Empfangsbevollmächtigter im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zu § 180
Abs. 2 AO war im Streitfall also der (bzw. die) Geschäftsführer der "C". Mit der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens ist zwar dessen Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende
Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter
übergegangen (§ 80 InsO). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der
Insolvenzverwalter aber nicht Vertreter des Schuldners, sondern Partei kraft Amtes (vgl.
BGH-Urteil vom 26.01.2006 IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260). Partei- und
Prozessfähigkeit des Schuldners bleiben von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
unberührt. Gleiches gilt für die Organstellung der Organe einer juristischen Person. Die
Organstellung des Geschäftsführers wird durch die Insolvenzeröffnung nicht tangiert.
Auch im Insolvenzverfahren ist der Geschäftsführer daher aufgrund seines
Dienstvertrages weiter tätig. Allerdings darf der Geschäftsführer aufgrund der
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters nur noch solche
Kompetenzen wahrnehmen, die nicht die Insolvenzmasse, sondern den insolvenzfreien
Bereich betreffen. Die Bevollmächtigung als Empfangsbevollmächtigter für einen Dritten
– hier die "Q" – betrifft den letztgenannten Bereich. Zutreffender Bekanntgabeadressat
und Empfänger der Feststellungsbescheide war demnach weiterhin der Geschäftsführer
der "C" und nicht der Insolvenzverwalter.
Der aus der unzutreffenden Adressierung resultierende Bekanntgabefehler ist auch
nicht geheilt worden.
49
a) Eine Heilung durch die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung
scheidet im Streitfall (anders als im Fall der übrigen Feststellungsbeteiligten) aus. Denn
eine solche ist von vornherein ausgeschlossen, wenn es sich – wie hier – um eine den
Rechtsbehelf als unzulässig verwerfende Einspruchsentscheidung handelt (vgl. BFH-
Urteil vom 25.1.1994 VIII R 45/92, BStBl II 1994, 603).
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b.) Der Bekanntgabemangel ist schließlich auch nicht dadurch geheilt worden, dass die
geänderten Feststellungsbescheide an den zutreffenden Empfänger weiter geleitet
wurden. Nach der Rechtsprechung des BFH gilt ein Verwaltungsakt, der mit einfachem
Brief einer nicht zur Empfangnahme berechtigten Person bekannt gegeben wurde, in
analoger Anwendung des § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (in der bis
zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in dem Zeitpunkt als bekannt gegeben, in dem
der richtige Empfänger den Bescheid erhält (vgl. BFH-Urteile vom 8.12.1988 IV R 24/87,
BStBl II 1989, 346, und vom 14.12.1989 III R 49/89, BFH/NV 1991, 288; vom 1.12.2004
II R 17/04, BStBl II 2005, 855). Empfangsberechtigter i.S. dieser Vorschrift ist dabei nicht
der materiell von dem Bescheid Betroffene, sondern derjenige, an den die Zustellung
des Bescheides nach dem Gesetz zu richten war, das heißt, im Falle des Vorliegens
einer Vollmacht der Bevollmächtigte (vgl. BFH-Urteil vom 9.12.1980 VIII R 122/78,
BFHE 132, 380, BStBl II 1981, 450; Urteil in EFG 1982, 216). Vorliegend wollte das FA
die geänderten Feststellungsbescheide mit Wirkung für und gegen alle
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Feststellungsbeteiligten an die "C" als (vermeintliche) Empfangsbevollmächtigte der "Q"
bekannt geben. Voraussetzung für eine Heilung durch Weiterleitung wäre daher im
Streitfall, dass der Bescheid vom Insolvenzverwalter als unzutreffendem Empfänger an
den Geschäftsführer der "C" als zutreffenden Empfangsberechtigten weiter geleitet
worden wäre. Dass dies der Fall war, ist für das FG aber nicht feststellbar. Die
telefonische Nachfrage des FG beim Insolvenzverwalter, ob die Feststellungsbescheide
seinerzeit an die "C" weiter geleitet worden seien, konnte die Bearbeiterin, die derzeit
noch für die "Restarbeiten" im Rahmen der Abwicklung des Insolvenzverfahrens
verantwortlich ist, nicht beantworten. Die Kläger selbst haben die betreffenden
Bescheide auf ihre Anfrage vom 2.3.2004 hin von der "C" GmbH und Co "..." KG i.I. und
nicht von der "C" zugesandt bekommen. Die Umstand, dass sich nicht nachweisen
lässt, ob die betreffenden Bescheide an den Geschäftsführer der "C" weiter geleitet
wurden, musste sich vorliegend zu Lasten des insoweit beweisbelasteten FA
auswirken.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 4
FGO.
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