Urteil des FG Düsseldorf vom 21.09.2004
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Finanzgericht Düsseldorf, 9 K 1073/04 H(L)
Datum:
21.09.2004
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 1073/04 H(L)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin stellte ihren beiden Geschäftsführern in den Streitjahren 2000 bis 2003
jeweils firmeneigene Kraftfahrzeuge auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Zur
Ermittlung der auf Privatfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
entfallenden Nutzungsanteile führten die Arbeitnehmer Aufzeichnungen mit Hilfe der
Tabellenkalkulationssoftware Microsoft Excel. Sie erfassten in den Tabellenblättern
jeweils zeilenweise für jede Fahrt den Wochentag mit Datum, den Anlass der Fahrt -
aufgeteilt nach den Kategorien privat, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und
geschäftlich - mit der jeweils zurückgelegten Streckenlänge und dem am Ende der Fahrt
sich ergebenden Kilometerstand. Dabei wurden vereinzelt Fahrten mit der einfachen
Fahrtstrecke erfasst, andere hingegen mit der summierten Strecke für Hin- und
Rückfahrt, ohne dass dies unmittelbar aus den Aufzeichnungen kenntlich wäre. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der jeweiligen Tabellenblätter, die sich bei
den Akten befinden, sowie der vorgelegten Excel-Dateien Bezug genommen. Die den
nachträglich erstellten Aufzeichnungen zu Grunde liegenden Originalaufzeichnungen,
wie etwa Terminkalender, wurden vernichtet.
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Bei den Lohnabrechnungen berücksichtigte die Klägerin die geldwerten Vorteile in
Höhe der durch die Aufzeichnungen ermittelten privat veranlassten Kosten. Im Rahmen
einer Lohnsteueraußenprüfung für die Streitjahre erkannte der Beklagte - anders als in
den Vorjahren - die Aufzeichnungen nicht als ordnungsgemäße Fahrtenbücher an und
ermittelte den geldwerten Vorteil nach der 1 %-Regelung. Mit Haftungsbescheid vom 1.
Oktober 2003 nahm der Beklagte die Klägerin für Lohnsteuer i.H.v. 11.330,31 EUR und
Solidarzuschlag von 632,17 EUR in Anspruch. Die Klägerin erhob am 3. November
2003 Einspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der Gesetzgeber für
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2003 Einspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der Gesetzgeber für
die Ermittlung des geldwerten Vorteils anhand der tatsächlichen Kosten nicht mehr
verlange, als ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Ein solches läge vor, wenn es
inhaltlich richtig sei. Hilfsaufzeichnungen seien nicht aufbewahrungspflichtig. Die
Fahrtenbücher seien durch ihre Arbeitnehmer fortlaufend und zeitnah geführt worden.
Es sei kein gesetzliches Erfordernis, dass ein Fahrtenbuch so geführt werde, dass eine
Manipulation ausgeschlossen sei. Auch bei Fahrtenbüchern in Papierform seien
nachträgliche Änderungen möglich. Außerdem seien die Fahrtenbücher in Gestalt der
Excel-Dateien in den Vorjahren anerkannt worden. Soweit einzelne Aufzeichnungen als
unvollständig bemängelt würden, sei dies nicht zutreffend. Allerdings seien teilweise
Hin- und Rückfahrten in einer Fahrt erfasst worden. Mit Einspruchsentscheidung vom
11. Februar 2004 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die
elektronischen Aufzeichnungen seien nicht als ordnungsgemäße Fahrtenbücher
anzuerkennen. Für die Führung elektronischer Fahrtenbücher sei zu verlangen, dass
nachträgliche Änderungen technisch ausgeschlossen oder zumindest dokumentiert
seien. Wenn kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorliege, sei die inhaltliche
Richtigkeit der Aufzeichnungen nicht mehr zu prüfen, sondern der Nutzungsanteil nach
der 1 % - Regelung zu schätzen.
Die Klägerin hat am 24. Februar 2004 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr
bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt sie vor, mit
ordnungsgemäß könne nur ein inhaltlich richtiges Fahrtenbuch gemeint sein. Eine
bestimmte Form habe der Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Manipulationen seien
immer möglich und sei es durch die Verwendung zweier identischer Programme.
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Die Klägerin beantragt,
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den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 1. Oktober 2003 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2004 aufzuheben,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und
bestreitet die Richtigkeit der Aufzeichnungen.
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Der Senat hat im Verfahren 9 V 387/04 mit Beschluss vom 19. Februar 2004 einen
Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Dieser Beschluss ist mit
Entscheidung des BFH vom 26. April 2004 aufgehoben worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten - auch in 9 V 387/04 - sowie der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten
Bezug genommen; alle Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet. Der Haftungsbescheid vom 1. Oktober 2003 in der Gestalt
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der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2004 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte hat zu Recht den geldwerten Vorteil durch die Gestellung von
Firmenfahrzeugen gem. §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr.4 EStG mit pro Monat 1 % des
inländischen Listenpreises des jeweiligen Fahrzeugs ermittelt und der Lohnsteuer
unterworfen (§ 8 Abs. 1 EStG). Die Arbeitnehmer haben keine ordnungsgemäßen
Fahrtenbücher i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr.4 Satz 3 EStG geführt, weil die Aufzeichnung der
Fahrten mit der Tabellenkalkulationssoftware den Anforderungen an derartige
Fahrtenbüchern nicht entspricht.
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Wie der Senat bereits in seinem Beschluss im Verfahren 9 V 387/04 vom 19. Februar
2004 dargelegt hat, enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung, unter welchen
Voraussetzungen ein Fahrtenbuch als ordnungsgemäß anzuerkennen ist. Welche
Anforderungen im Einzelnen an den Inhalt solcher Aufzeichnungen gestellt werden
müssen ist ebenso unerheblich, wie die Entscheidung der Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen derartige Aufzeichnungen nachträglich zeitnah erstellt werden dürfen.
Jedenfalls erfüllt die nachträgliche Erfassung von Fahrten in einer
Standardtabellenkalkulationssoftware, wie dem verwendeten Microsoft Excel, die eine
nachträgliche Änderung weder verhindert noch hinreichend dokumentiert, nicht die
Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch (ebenso: FG Baden-
Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2002, 2 K 235/00, EFG 2002, 667; Nds. FG, Urteil
vom 5. Mai 2004, 2 K 636/01, n.v.). Wegen der weiteren Begründung wird zwecks
Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Beschlusses vom 19. Februar
2004 im Verfahren gleichen Rubrums 9 V 387/04 Bezug genommen. Auch nach
erneuter Überprüfung besteht keine Veranlassung von dieser Begründung
abzuweichen. Ergänzend ist lediglich auf zweierlei hinzuweisen: zum einen ergibt sich
nach Ansicht des Senats bereits aus dem gesetzlichen Bezeichnung der zu führenden
Aufzeichnungen als "Fahrtenbuch", dass die Aufzeichnungen fortlaufend und nicht in
der Weise erfolgen dürfen, dass sie nachträglich beliebig, d.h. ohne dass die
Änderungen erkennbar wären, abänderbar sind. Zum anderen kommt es - entgegen der
Auffassung der Klägerin - auch nicht ausschließlich auf die inhaltliche Richtigkeit
etwaiger Aufzeichnungen an. Könnte der Steuerpflichtige den Nachweis des
Nutzungsanteils der Privatfahren durch beliebige Aufzeichnungen oder andere
Beweismittel führen, wäre das Erfordernis des Führens eines ordnungsgemäßen
Fahrtenbuches eine sinnlose Förmelei. Im Übrigen hat der Beklagte zu Recht Zweifel an
der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen. Bereits der Umstand, dass nicht alle
Fahrten einzeln aufgezeichnet wurden, sondern - wie die Klägerin einräumt - gewisse
Fahrten mit Hin- und Rückfahrten in einer Fahrt zusammengefasst wurden, begründet
derartige Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der Aufzeichnungen.
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Da somit keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3
EStG vorliegen, hat der Beklagte den Nutzungsvorteil zu Recht anhand der 1 % -
Regelung ermittelt. Der Senat folgt nicht der Auffassung, wonach lediglich dann, wenn
überhaupt keine Aufzeichnungen geführt wurden, die 1 % -Regelung anzuwenden ist, in
allen übrigen Fällen der Nutzungsvorteil indes geschätzt werden muss (so wohl Kanzler
in FR 2000, S. 398). Die dieser Ansicht zu Grunde liegende Annahme, § 6 Abs.1 Nr. 4
Satz 3 EStG stelle eine Ausnahme zu der generellen Aufzeichnungspflicht der
Entnahmen dar (§ 4 Abs. 4a Satz 7 EStG) ist auf Grund des Wortlauts und der
systematischen Stellung der Vorschrift eher fern liegend. Nach dem Wortlaut des § 6
Abs. 1 Satz 3 EStG ist die Berücksichtigung des Nutzungsvorteils anhand der
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tatsächlichen Aufwendungen unter Nachweis durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
eindeutig eine Ausnahme zu der pauschalen Nutzungsbewertung anhand der 1 % -
Regelung. Ein anderes Verständnis entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der
Norm. Die Typisierung will erkennbar im Interesse einer gleichmäßigen und einfachen
Handhabung eine Schätzung anhand anderer Maßstäbe als der 1 % - Regelung
ausschließen.
Da im Übrigen auch keine Bedenken gegen die Höhe der ermittelten
Lohnsteuerhaftungsbeträge und gegen die Inanspruchnahme der Klägerin als
Arbeitgeberin gem. 42d Abs. 1 EStG bestehen, war die Klage mit der gesetzlichen
Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
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Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Satz 2 FGO zugelassen, da eine
Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheint.
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