Urteil des FG Düsseldorf vom 26.10.2006

FG Düsseldorf: einkünfte, gesellschafter, darlehen, erlass, personengesellschaft, steuerfestsetzung, beherrschende stellung, rechtskraft, betriebsgesellschaft, besitz

Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 3205/05 G,F
Datum:
26.10.2006
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 3205/05 G,F
Tenor:
Die Bescheide über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 1995 und 1996 vom 03.08.2004 in der
Fassung der Änderungsbescheide vom 01.03.2005 sowie der
Einspruchsentscheidung vom 27.06.2005 werden dahingehend
abgeändert, dass der laufende Gewinn um die Zinserlöse in Höhe von
148.500 DM im Jahr 1995 und 115.980 DM im Jahr 1996, unter
Hinzurechnung der jeweils anteilig aufzulösenden
Gewerbesteuerrückstellungen, vermindert festgestellt wird.
Die Neuberechnung der festzustellenden Besteuerungsgrundlagen wird
dem Beklagten aufgegeben.
Die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1995 und 1996 vom
03.08.2004 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 06.05.2005
sowie der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2005 werden
aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 64 %, der Beklagte zu
36 %, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
die diese selbst tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob Mieterlöse einer Grundstücks-GbR aufgrund von Änderungsvorschriften
der Abgabenordnung (AO) noch bei den gewerblichen Einkünften der GbR erfasst
werden konnten und ob bei den gewerblichen Einkünften der GbR auch Zinseinkünfte
aus Darlehen zu erfassen sind, die die Gesellschafter im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung einer Vertriebs-GmbH gewährt haben.
2
Die seit dem Jahr tätige GmbH Co. KG (im Folgenden KG) stellt in ihrem Unternehmen
Textilprodukte ( ) her. Kapitalmäßig beteiligt an der KG waren die T-GmbH als
Komplementärin mit einem Stammkapital von 20.000 DM sowie als Kommanditisten
Herr D.S. mit 400.000 DM, Frau N. S. mit 360.000 DM sowie Frau E. S. und Frau F. Z.
mit jeweils 120.000 DM. Nach dem Tod von N. S. am 27.07.1994 ging ihr
Gesellschaftsanteil zu je 1/3 auf ihre Kinder - die übrigen drei Kommanditisten - über,
die nunmehr zu 520.000 DM (D. S., Beigeladener zu 1.) sowie jeweils 240.000 DM (E.
S. und F. Z., Beigeladene zu 2. und 3.) an der KG beteiligt waren.
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Zuvor, im Jahr 1992, gründeten die Kommanditisten der Klägerin die V-GmbH, an der
sie im Verhältnis ihrer KG-Gewinnbeteiligung (52 % - 24 % - 24 %) beteiligt waren.
Unternehmensgegenstand der V-GmbH (im Folgenden Vertriebs-GmbH) war der
Vertrieb der Erzeugnisse der KG sowie in geringem Umfang auch der Vertrieb von
Fremdprodukten. Geschäftsführer war u. a. der Beigeladene zu 1.. Die Betriebsstätte der
Komplementärin, der KG sowie auch der Vertriebs-GmbH befindet sich auf dem
Grundstück X- Str. 1 in X-Stadt. Dieses Grundstück steht seit dem 01.01.1983 im
Eigentum der Klägerin, einer Grundstücksverwaltungs-GbR. Gesellschafter der Klägerin
sind die Kommanditisten der KG. Das Beteiligungsverhältnis entspricht dem Verhältnis
der Kommanditeinlagen. Das Grundstück wird sowohl der KG als auch der Vertriebs-
GmbH gegen Entgelt zur Nutzung überlassen. Hinsichtlich der Vertriebs-GmbH erfolgte
die Zahlung einer Miete nach Aktenlage erst aufgrund eines im Jahr 1996 mit Wirkung
vom Januar 1996 mit der GbR geschlossenen Mietvertrages.
4
In den Bilanzen der KG trafen die Prozessbevollmächtigten der KG die Feststellung,
dass das Grundstück nach steuerrechtlichen Vorschriften zum notwendigen
Betriebsvermögen der Gesellschaft gehöre. Die Mieterlöse der Klägerin (1995: 474.914
DM, 1996: 524.720 DM, 1997: 538.368 DM) wurden als Einnahmen im
Sonderbetriebsvermögen bei der Gewinnfeststellung der KG erklärt und berücksichtigt.
5
Im Rahmen einer bei der KG für die Jahre 1990 bis 1994 durchgeführten steuerlichen
Außenprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht für die KG vom 29.05.1996) vertrat der
Betriebsprüfer unter Textziffer 21 des Prüfungsberichts die Auffassung, dass die Anteile
an der Vertriebs-GmbH notwendiges Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten der
KG darstellten.
6
Die Gewinnausschüttungen der Vertriebs-GmbH für 1993 und (vorab) für 1994 in Höhe
von insgesamt 1.875.000 DM wurden deren Gesellschaftern am 15.12.1994 auf einem
mit 8 % verzinslichen Darlehnskonto gutgeschrieben. Schriftliche Vereinbarungen über
diese der Vertriebs-GmbH gewährten Darlehen wurden nicht getroffen.
7
Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ergaben sich in den Folgejahren die
8
nachfolgenden Darlehensstände:
1995
1.529.750 DM
1996
1.345.730 DM
1997
1.453.388 DM
1998
651.313 DM
1999
./. 335.645 DM
9
Zu den Einzelheiten der Darlehenstilgungen wird auf die von der KG vorgelegte
Aufstellung (vgl. Bl. 35 der Gerichtsakte 11 K 3126/01 F) Bezug genommen.
10
Für die Jahre 1995 und 1996 wurden die gewerblichen Einkünfte der KG zunächst
erklärungsgemäß jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgestellt. Nachdem
im Rahmen eines Einkommensteuerverfahrens eines der Kommanditisten der KG die
Zinseinnahmen aus der Darlehensgewährung an die Vertriebs-GmbH als Einkünfte aus
Kapitalvermögen erklärt worden waren, forderte der Beklagte die KG im März 1998 auf,
die im Jahr 1996 insgesamt von der Vertriebs-GmbH gezahlten Zinsen mitzuteilen. Es
sei beabsichtigt, den Feststellungsbescheid 1996 entsprechend zu berichtigen und die
Zinszahlungen bei den Einkünften der KG festzustellen. Auf Grund der Mitteilung der
KG, dass sich der Gesamtbetrag der im Jahr 1996 von der Vertriebs-GmbH geleisteten
Zinszahlungen auf 115.980 DM belaufen habe, erließ der Beklagte am 31.03.1998 für
1996 einen entsprechenden Änderungsbescheid unter Aufrechterhaltung des
Vorbehalts der Nachprüfung. Im Rahmen der Erklärung zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung der gewerblichen Einkünfte der KG für 1997 erklärte diese
von der Vertriebs-GmbH vereinnahmte Zinsen in Höhe von insgesamt 107.658 DM, die
im Feststellungsbescheid 1997 vom 02.11.1998 entsprechend berücksichtigt wurden.
Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
11
Eine im Jahr 1999 bei der KG für die Jahre 1995 bis 1997 durchgeführte steuerliche
Außenprüfung traf im Prüfungsbericht vom 20.10.1999 zu den Zinserträgen unter
Textziffer 15 die Feststellung, dass die entsprechenden Zinserträge in den Jahren 1996
und 1997 zutreffend im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb der KG angesetzt worden seien. Im Jahr 1995 seien die
entsprechenden Zinsen in Höhe von insgesamt 148.500 DM bei den Beteiligten als
Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt worden. Dieser Betrag müsse bei der
einheitlichen Gewinnfeststellung der KG für 1995 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
angesetzt werden. Zur Ermittlung der im Jahr 1995 von der Vertriebs-GmbH gezahlten
Darlehenszinsen wird auf Blatt 118 der BP-Handakte die KG betreffend Bezug
genommen.
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Auf der Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung ergingen für die Jahre 1995
bis 1997 am 12.01.2000 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte
Feststellungsbescheide.
13
Die hiergegen gerichteten Einsprüche begründete die Klägerin wie folgt: Die
Einsprüche richteten sich gegen die Zurechnung der Zinsen für die
14
Darlehensgewährungen zu ihren gewerblichen Einkünften. Da die
Darlehensgewährung nicht an die Beteiligungsdauer bei der Vertriebs-GmbH gebunden
und ein fremdüblicher Zinssatz von 8 % vereinbart worden sei, handele es sich bei den
gewährten Darlehen um austauschbare Fremddarlehen, die nicht dem
Betriebsvermögen der Kommanditisten zugerechnet werden könnten. Es werde deshalb
beantragt, die berücksichtigten Sonderbetriebseinnahmen entsprechend nicht mehr als
Gewinn der KG zu erfassen.
Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Er wies darauf hin, dass die
Darlehensgewährung durch den gewerblichen Betrieb der KG veranlasst gewesen sei.
Die der Vertriebs-GmbH gewährten Darlehen seien wie auch die Anteile der
Kommanditisten an dieser Gesellschaft notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen
gewesen. Es seien zumindest solche Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Begründung
und Stärkung der Beteiligung eingesetzt worden seien. Von einer überwiegend privaten
Veranlassung der Darlehenshingabe könne nicht ausgegangen werden. Bereits wegen
fehlender Vorlage entsprechender Vertragsunterlagen sei festzuhalten, dass nach den
Grundsätzen des Fremdvergleiches kein ersetzbares oder austauschbares Darlehen
vorliege. Der Umstand der Vereinbarung eines marktüblichen Zinssatzes sowie die
fehlende Laufzeitbeschränkung des Darlehens änderten hieran nichts. Vielmehr gebe
es im Streitfall Abläufe, die marktunüblich seien. Besonders auffällig sei dabei die
Zinshöhe der einzelnen Jahre und die enorme, in einem Jahr jedoch unterbrochene
Rückführung des Darlehens bis zu einer Höhe von 0 DM im Jahr 1999. Im Übrigen
würden im Darlehensgeschäft mit Kreditinstituten regelmäßig eindeutige schriftliche
Vereinbarungen (auch zu Sondertilgungen, Vorfälligkeitszinsen etc.) getroffen, die den
Banken Planungssicherheit bei der Kapitalmenge gäben. Hierdurch werde offenkundig,
dass die Darlehensgewährung im Streitfall der wirtschaftlichen Stärkung und
Verflechtung der Unternehmen zu dienen bestimmt gewesen sei und private
Erwägungen nach einer günstigen, gegebenenfalls langfristigen Kapitalanlage
zumindest eindeutig im Hindergrund gestanden hätten.
15
Im anschließenden Klageverfahren 11 K 3126/01 F, zu dem die Beigeladenen
gleichfalls bereits nach § 60 Abs. 3 FGO beigeladen worden waren, vertrat die KG die
Auffassung, dass zwar wegen der personellen und sachlichen Verflechtung wohl die
Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu bejahen seien und der Beklagte aus
diesem Grund die Beteiligung an der Vertriebs-GmbH als Sonderbetriebsvermögen II
der Kommanditisten erfasst habe. Demgegenüber könnten die Darlehen nicht dem
Sonderbetriebsvermögen II zugeordnet werden, weil die Darlehen nicht aus
betrieblichen Gründen gewährt worden seien. Die Darlehen seien nach den
gesetzlichen Regelungen des BGB von beiden Seiten kurzfristig kündbar gewesen,
sodass keine Bindung an die Dauer der Beteiligung der Gesellschafter bestanden habe.
Des Weiteren sei auch ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Entstehen der
Betriebsaufspaltung nicht feststellbar. Die Vertriebs-GmbH sei bereits 3 Jahre vor der
Darlehensgewährung gegründet worden, sodass die Darlehensgewährung Ende 1994
nicht mehr im Zusammenhang mit dem Beginn dieser Betriebsaufspaltung erfolgt sei.
Der vereinbarte Zinssatz von 8 % p. a. entspreche dem, was auch zwischen fremden
Dritten als üblicher Zinssatz vereinbart worden wäre. Allerdings sei zu berücksichtigen,
dass ein Bankdarlehen sicherlich zu einem etwas günstigeren Zinssatz hätte erlangt
werden können, wenn Sicherheiten gestellt worden wären. Wegen der erheblichen
Höhe der Zinsen sei die Vertriebs-GmbH bemüht gewesen, das Darlehen baldmöglichst
zurückzuzahlen. Daher sei die hohe Rückführung des Darlehens nicht ungewöhnlich.
Die Vertriebs-GmbH hätte vielmehr zu gleichen Bedingungen ein jederzeit
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rückzahlbares Bankdarlehen in Anspruch nehmen können. Da es sich im vorliegenden
Fall um private Darlehensgeber gehandelt habe, sei ein Vergleich zu einem
marktüblichen Ablauf bei einer Kreditgewährung durch eine Bank nicht zulässig.
Mit Urteil vom 02.04.2004 (EFG 2004, 942 mit Anmerkung von Trossen) hat der Senat
der Klage der KG stattgegeben, die diese in der mündlichen Verhandlung noch um die
der Höhe nach unstreitigen Mieterlöse der Klägerin aus der Grundstücksüberlassung an
die KG sowie an die Vertriebs-GmbH betragsmäßig erweitert hatte.
17
Der Senat hat zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund der bestehenden
Betriebsaufspaltung die Klägerin mit der Grundstücksüberlassung eigene gewerbliche
Einkünfte erzielt habe und auch die Beteiligung der Beigeladenen an der
Vertriebsgesellschaft notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen der Beigeladenen im
Rahmen der Besitzgesellschaft geworden sei. Daher wären auch die
Darlehensforderungen, sofern ihre Gewährung - was für die Entscheidung letztlich
dahinstehen könne - betriebsbezogen erfolgt sei, dem Sonderbetriebsvermögen II der
Gesellschafter der Grundstücks-GbR zuzuordnen. Auch die Zinszahlungen seien somit
allenfalls im Rahmen der Gewinnfeststellung der Grundstücks-GbR zu berücksichtigen.
18
Das Urteil des Senats ist nach Rücknahme der vom Beklagten eingelegten Revision
(BFH VIII R 33/04) seit dem 12.08.2004 rechtskräftig.
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Bereits am 03.08.2004 hatte der Beklagte erstmalige Feststellungs- und
Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1995 bis 1997 gegenüber der Klägerin
erlassen, jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung sowie bei den
Feststellungsbescheiden unter Hinweis auf §§ 174 Abs. 3, 181 Abs. 1 i. V. m. 171 Abs.3
a AO.
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Im Einspruchsverfahren änderte der Beklagte am 01.03.2005 (Gewinnfeststellung) bzw.
am 06.05.2005 (Gewerbesteuer, über die Stadt X bekannt gegeben) diese Bescheide
nach § 164 Abs. 2 AO und reduzierte den Gewinn bzw. den Gewerbeertrag um bislang
nicht mindernd berücksichtigte Gewerbesteuerrückstellungen. Im Einzelnen wurden
nunmehr festgestellt gewerbliche Einkünfte in Höhe von 528.306 DM für 1995, 542.475
DM für 1996 sowie 546.841 DM für 1997. Die Gewerbesteuermessbeträge wurden
festgesetzt auf 11.051,57 EUR für 1995, 11.412,03 EUR für 1996 sowie 11.524,52 EUR
für 1997.
21
Die am 26.08.2004 eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin dahingehend, dass
die Festsetzungsfrist für die Jahre 1995 und 1996 bereits abgelaufen sei. Für 1997
ergebe sich die Rechtswidrigkeit daraus, dass durch den Erlass der Bescheide
gegenüber der Klägerin die widerstreitende Steuerfestsetzung erst herbeigeführt worden
sei. Denn zu diesem Zeitpunkt sei der betreffende Sachverhalt noch im Rahmen der KG
besteuert gewesen. Eine Doppelberücksichtigung solle durch § 174 AO gerade
vermieden werden.
22
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2005 als
unbegründet zurück. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Mieterlöse nicht zum
Sonderbereich bei der KG sondern zur betrieblichen Sphäre der Klägerin zu rechnen
seien, sie seien daher als gewerbliche Einkünfte/Gewerbeertrag bei der Klägerin zu
erfassen. Diejenigen Wirtschaftsgüter, die eine gewerblich tätige oder gewerblich
geprägte Personengesellschaft an eine ganz oder teilweise personenidentische
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Schwestergesellschaft vermiete, gehörten zum Betriebsvermögen der vermietenden und
nicht der nutzenden Gesellschaft. Die Vermietung des Firmengrundstücks an die beiden
aufgespaltenen Betriebsgesellschaften (Produktions- und Vertriebsgesellschaft) stelle
eine eigenbetriebliche Nutzung der Klägerin dar.
Auch die Zinsen aus den der Vertriebs-GmbH gewährten Darlehen seien gewerbliche
Einkünfte/Gewerbeertrag der Klägerin, da sie zum Sonderbetriebsvermögen II der
Beigeladenen bei der Klägerin zu rechnen seien. Aufgrund der Darlehenskonditionen
sei davon auszugehen, dass für die Darlehenshingabe nicht lediglich private
Erwägungen maßgebend gewesen seien. Hierfür spreche das Fehlen einer schriftlichen
Vereinbarung, das Fehlen von Sicherheiten sowie die unregelmäßige
Rückführungspraxis des Darlehens. Dies rechtfertige den Schluss, dass die Darlehen
auf der Betriebsaufspaltung beruht hätten und dazu gedient hätten, die beherrschende
Stellung der Beigeladenen in den beiden Betriebsgesellschaften zu stärken.
24
Verfahrensrechtlich sei der Erlass der angefochtenen Bescheide zulässig gewesen.
Rechtsgrundlage sei § 174 Abs. 3 AO. Der maßgebliche Sachverhalt, bewusster
Nichtansatz bei der Klägerin in der Annahme, der Sachverhalt sei bei der KG zu
erfassen, sei für die Klägerin erkennbar gewesen, da er auf Grundlage deren eigener
Erklärungen erfolgt sei. Unerheblich sei, ob im Zeitpunkt des Erlasses der
angefochtenen Bescheide der unrichtige Bescheid bereits aufgehoben oder berichtigt
gewesen sei bzw. ob diesbezüglich Rechtskraft eingetreten sei.
25
Auch die Feststellungsfrist sei eingehalten worden. Zwar sei die reguläre
Feststellungsfrist gemäß §§ 181 Abs. 1, 170 Abs. 2 Nr. 1, 169 Abs. 2 Nr. 2 AO für 1995
am 31.12.2002 und für 1996 am 31.12.2003 abgelaufen. Allerdings sei bis zum Ablauf
der für die andere Feststellung/Festsetzung geltenden Frist (für die KG) eine Korrektur
möglich, da aufgrund des noch anhängigen Klageverfahrens gemäß § 171 Abs. 3 a und
§ 181 AO für die Gewinnfeststellung der KG noch die Ablaufhemmung bestand.
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Für 1997 sei die reguläre Feststellungs-/Festsetzungsfrist erst nach Erlass der
angefochtenen Bescheide am 31.12.2004 abgelaufen.
27
Darüber hinaus sei auch die Änderungsregelung des § 174 Abs. 4 AO anwendbar.
28
Die Klägerin hat am 28.07.2005 Klage erhoben. Zur Begründung erneuert und vertieft
sie ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Die Voraussetzungen des § 174 Abs.
3 AO hätten nicht vorgelegen. Von einem bewussten Nichtansatz des Sachverhalts bei
der Klägerin könne keine Rede sein. Vielmehr habe sich die Möglichkeit der Erfassung
bei der Klägerin erst im März 2004 aufgrund eines Hinweises des Gerichts im dem die
KG betreffenden Klageverfahren ergeben. Bis zu diesem Zeitpunkt habe auf Seiten des
Beklagten keinerlei Zweifel daran bestanden, dass der Sachverhalt bei der KG zu
besteuern sei. Eine fehlerhafte Annahme habe daher auch nie für die Klägerin
erkennbar sein können. Ferner sei festzuhalten, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt
selbst eine steuerliche Bewertung zu dem Sachverhalt gegenüber dem Beklagten
abgegeben habe. Die Annahme des Beklagten beruhe insoweit auf einer unzulässigen
Gleichsetzung der KG mit der Klägerin.
29
Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO scheitere bereits daran, dass die möglicherweise
zu ziehenden Folgen bereits vor Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung im
Klageverfahren der KG gezogen worden seien, es daher am Tatbestandsmerkmal
30
"nachträglich" fehle.
Da der Sachverhalt auch in den Gewerbesteuermessbetragsbescheiden der KG
besteuert gewesen sei, bezögen sich die Ausführungen zu den Änderungsvorschriften
in gleicher Weise auf die angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsbescheide.
31
Zur Frage der Fremdüblichkeit der Darlehenskonditionen sei darauf hinzuweisen, dass
die hohen Rückführungen nicht unüblich gewesen seien. Die Darlehensnehmerin hätte
auch bei einem fremden Dritten ebenfalls hohe Sondertilgungen ohne
Vorfälligkeitsentschädigungen vereinbart, zumal wegen der geltenden gesetzlichen
Kündigungsfrist von drei Monaten ohnehin von beiden Teilen eine kurzfristige
Rückführung hätte bewirkt werden können.
32
Die Klägerin beantragt,
33
die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für
1995 - 1997 vom 03.08.2004 sowie die Änderungsbescheide vom 01.03.2005, und
die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1995 - 1997 vom 03.08.2004 sowie
die Änderungsbescheide vom 06.05.2005, sämtliche Bescheide in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 27.06.2005, aufzuheben,
34
hilfsweise,
35
die Revision zuzulassen,
36
sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig
zu erklären.
37
Der Beklagte beantragt,
38
die Klage abzuweisen.
39
Er weist zur Begründung darauf hin, dass nach geltender BFH-Rechtsprechung (Urteil
vom 21.02.1989, BFH/NV 1989, 687) die Annahme der Nichtberücksichtigung eines
Sachverhaltes für den Steuerpflichtigen bereits dann erkennbar sei, wenn das
Finanzamt durch eigenes Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst worden sei, den
Sachverhalt nicht bei ihm, sondern bei einem anderen steuerlich zu erfassen.
40
Der Erlass der Bescheide vor Rücknahme der Revision sei notwendig gewesen, da
nach § 174 Abs. 3 Satz 2 AO die Nachholung der Steuerfestsetzung innerhalb der durch
das Revisionsverfahren noch gehemmten Festsetzungsfrist für die KG habe erfolgen
müssen. Diese zeitliche Abfolge sei jedoch auch für die Anwendung des § 174 Abs. 4
AO nicht schädlich.
41
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
42
Aus den beigezogenen Steuerakten der KG lässt sich entnehmen, dass am 10.03.2005
auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 GewStG geänderte Bescheide an die Stadt X
versandt worden sind, in denen die Änderungen aus dem Urteil des 02.04.2004 auch für
die Gewerbesteuer gezogen wurden. Die Änderungsbescheide wurden unter dem
Datum des 06.05.2005 über die Stadt X bekannt gegeben.
43
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte des laufenden Verfahrens, des abgeschlossenen Verfahrens 11 K 3126/01
F sowie der beigezogenen Steuerakten des Beklagten - die Klägerin, die T- GmbH
sowie die KG betreffend - Bezug genommen.
44
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
45
Die Klage ist teilweise begründet.
46
Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 1995 und 1996 vom 03.08.2004 in der Fassung der
Änderungsbescheide vom 01.03.2005 sowie der Einspruchsentscheidung vom
27.06.2005 sind in der tenorierten Höhe rechtswidrig und daher insoweit abzuändern (§
100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die
Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1995 und 1996 vom 03.08.2004 in der
Fassung der Änderungsbescheide vom 06.05.2005 sowie der Einspruchsentscheidung
vom 27.06.2005 sind rechtswidrig, verletzen die Klägerin in ihren Rechten und waren
daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Übrigen sind die angefochtenen
Bescheide rechtmäßig.
47
Der Beklagte konnte die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1995 bis 1997 -
1995 und 1996 allerdings nur teilweise - und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid
für 1997 in verfahrensrechtlich zulässigerweise noch im August 2004 erlassen. Für den
Erlass der Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1995 und 1996 fehlte es
demgegenüber an einer die Festsetzungsverjährung durchbrechenden
Änderungsvorschrift nach der Abgabenordnung (AO).
48
1.)
49
Für das Streitjahr 1997 konnten die Bescheide noch erlassen werden, da die reguläre
Feststellungs-/Festsetzungsfrist am 03.08.2004, dem Tag des erstmaligen
Bescheiderlasses, noch nicht abgelaufen war. Denn die Feststellungs-/Festsetzungsfrist
lief gemäß §§ 181 Abs. 1, 170 Abs. 2 Nr. 1, 169 Abs. 2 Nr. 2 AO für dieses Streitjahr erst
am 31.12.2004 ab.
50
2.)
51
Die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1995 und 1996
konnten nur hinsichtlich der Mieterlöse auf der Grundlage des § 174 Abs. 3 AO erlassen
werden. Demgegenüber fehlt es in Bezug auf die Zinserlöse an einer Rechtsgrundlage.
52
a)
53
Nach § 174 Abs. 3 Satz 1 AO kann das Finanzamt eine Steuerfestsetzung nachholen
aufheben oder ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid
erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen
Bescheid zu berücksichtigen sei und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt. Der
Anwendungsbereich dieser Vorschrift umfasst zum einen, wie sich aus dem Wortlaut
("nachholen") ergibt, auch den Fall einer erstmaligen Steuerfestsetzung. Zum anderen
erlaubt er auch die Festsetzung gegenüber einem Steuerpflichtigen, wenn der
54
alternative ("andere") Steuerbescheid einen anderen Steuerpflichtigen betrifft (vgl. BFH-
Urteil vom 29.10.1991 VIII R 2/86, BFHE 167, 316, BStBl II 1992, 832). Soweit die
Nichtberücksichtigung wegen der Erfassung in einem anderen Steuerbescheid oder bei
einem anderen Steuerpflichtigen für den Steuerpflichtigen, auf den sich die neue,
nachgeholte Steuerfestsetzung bezieht, erkennbar gewesen sein muss, setzt dies nicht
einen ausdrücklichen Hinweis des Finanzamtes voraus, sie kann auch aufgrund des
gesamten Sachverhaltsverlaufs für den Steuerpflichtigen erkennbar sein (vgl. BFH-
Beschluss vom 15.10.1998 IV B 15/98, BFH/NV 1999, 449). Insbesondere kann eine
Erkennbarkeit auch dann gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige durch sein eigenes
Verhalten das Finanzamt dazu veranlasst hat, einen bestimmten Sachverhalt nicht bei
ihm, sondern bei einem anderen zu erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 21.02.1989 IX R
67/84, BFH/NV 1989, 687).
aa)
55
Hiervon ausgehend lagen die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die
Gewinnfeststellungsbescheide nur in Bezug auf die Mieterlöse vor. Der Beklagte hat die
Erfassung der Mieterlöse nicht bei der Klägerin durchgeführt, sondern angenommen,
dass der Sachverhalt der Grundstücksüberlassung steuerlich bei der KG zu erfassen
sei. Diese Annahme hat sich später, aufgrund des Urteils des Senats vom 02.04.2004 in
dem Klageverfahren der KG (11 K 3126/01 F) als unrichtig herausgestellt. Die Erfassung
der Mieterlöse der Klägerin im Sonderbereich bei der KG stellt auch einen Sachverhalt
dar, der einer Änderung nach § 174 Abs. 3 AO zugänglich ist. Denn dieser Sachverhalt
wurde bei der Klägerin unberücksichtigt gelassen. Es liegt damit kein Fall vor, in dem
eine Berücksichtigung des Sachverhalts bei der Klägerin zwar erfolgt wäre, jedoch
entgegen der Rechtslage lediglich falsch gewürdigt worden wäre (vgl. dazu
Kruse/Loose, in Tipke/Kruse, AO - FGO, § 174 Rn. 29).
56
bb)
57
Dieser Sachverhalt war auch für die Klägerin erkennbar. Denn die Berücksichtigung der
Mieterlöse der Klägerin bei der KG und die Nichtberücksichtigung bei der Klägerin
selbst beruhte auf den Angaben und Unterlagen, die die KG im Rahmen ihrer
Steuererklärungen abgegeben bzw. vorgelegt hat. So wurden die Mieterlöse in den
Streitjahren in Sonderbilanzberichten der Klägerin erfasst und bei der KG erklärt (vgl.
"Berichte zur Sonderbilanz der S-Grundstücksverwaltungsgesellschaft"). Diese
steuerliche Zuordnung zum Sonderbereich bei der KG hat auch in den Abschlüssen der
KG ihren Niederschlag gefunden. So heißt es auf S. 3 des Berichtes zum
Jahresabschluss zum 31.12.1995, dass das seit 1983 im Eigentum der Klägerin
stehende Betriebsgrundstück nach steuerrechtlichen Vorschriften zum notwendigen
Betriebsvermögen der Gesellschaft gehöre. Indem der Beklagte sich diese Annahme zu
eigen gemacht hat, war für die Klägerin auch erkennbar, dass die unstreitig ihr
zugeflossenen Mieterlöse nicht bei ihr sondern wegen der erklärten steuerlichen
Zuordnung zur KG dort besteuert werden sollten.
58
Zu Unrecht weist die Klägerin darauf hin, dass nicht sie, sondern die KG die
entsprechenden Erklärungen beim Beklagten eingereicht hat. Maßgeblich ist, dass
zwischen der Klägerin und der KG hinsichtlich der beteiligten Gesellschafter - den
Beigeladenen - Personenidentität bestand. Da die Beigeladenen die klagende GbR
selbst dem Sonderbereich der KG zugeordnet hatten und offensichtlich war, dass die
Einnahmen der Klägerin jedenfalls einmal - alternativ hier oder dort - der Besteuerung
59
zu unterwerfen waren, ist die daraus folgende "Erkennbarkeit" i. S. d. § 174 Abs. 3 Satz
1 AO den Beigeladenen auch in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Klägerin
zuzurechnen. Die Beigeladenen würden sich in Widerspruch zu ihrem eigenen
vorausgegangen Verhalten setzen, wenn sie sich gegenüber der hier angefochtenen
ausschließlichen Erfassung der Einkünfte bei der Klägerin auf ihr Vertrauen in die -
gegenüber der klagenden GbR - abgelaufenen Feststellungs-/Festsetzungsfrist berufen
würden (vgl. BFH-Urteil vom 21.02.1989 IX R 67/84, BFH/NV 1989, 687).
Die von der Klägerin hervorgehobene rechtliche Selbstständigkeit gegenüber der KG
wird im Übrigen auch den Besonderheiten des Feststellungsverfahrens nicht gerecht.
Denn Beteiligte des Verfahrens der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung
sind jeweils die hier personenidentischen Gesellschafter. Da in
Feststellungsbescheiden nur die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, führt die
in § 181 Abs. 1 Satz 1 AO angeordnete sinngemäße Anwendung der Vorschriften über
Steuerbescheide dazu, dass an die Stelle des Steuerschuldners der
Feststellungsbeteiligte als Inhaltsadressat tritt. Dies wiederum führt dazu, dass auch im
Bereich der Änderungsvorschrift des § 174 AO im Klageverfahren einer
Personengesellschaft die Gesellschafter nicht "Dritte" i. S. d. § 174 Abs. 5 AO sind (vgl.
BFH-Urteil vom 15.06.2004 VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914). Übertragen
auf die Frage der "Erkennbarkeit" im Anwendungsbereich des § 174 Abs. 3 AO lässt
sich daraus ableiten, dass sich bei den hier personenidentischen Gesellschaftern die
Beigeladenen den für sie aus der Besteuerung der KG erkennbaren Sachverhalt auch
als Gesellschafter der Klägerin zurechnen lassen müssen.
60
b)
61
Im Gegensatz dazu lag die für eine nachgeholte Steuerfestsetzung notwendige
"Erkennbarkeit" für den Sachverhalt der Zinserlöse nicht vor. Die Zinserlöse wurden
zunächst von den Beigeladenen im Rahmen der Einkommensteuer als Einkünfte aus
Kapitalvermögen erklärt. Aufgrund der durchgeführten Außenprüfungen gelangte der
Beklagte dann zu der Auffassung, dass die der Vertriebs-GmbH gewährten Darlehen
notwendiges Sonderbetriebsvermögen II der Beigeladenen bei der KG gewesen seien.
In diesem Zusammenhang war somit für die Beigeladenen lediglich erkennbar, dass die
Besteuerung nicht bei ihnen im Rahmen der Einkommensteuer erfolgt ist, da die
Darlehen der KG zugeordnet wurden. Es fehlt somit - im Gegensatz zu den Mieterlösen -
an dem erkennbaren Bezug zur Klägerin. Die Möglichkeit, dass auch die Zinserlöse im
Rahmen der Gewinnfeststellung der Klägerin zu erfassen sein könnten, ergab sich somit
erstmals aus dem Urteil des Senats vom 02.04.2004.
62
Der Hinweis des Beklagten auf Schriftverkehr anlässlich der Außenprüfung im Jahr
1996 führt letztlich zu keiner abweichenden Bewertung. Gegenstand des Schriftverkehrs
war, dass nach Auffassung des Beklagten wegen der Zuordnung der GmbH-Anteile zum
Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der KG auch die Zinserlöse dem
gewerblichen Bereich zuzuordnen waren. Zur Erläuterung übermittelte der Beklagte der
KG auch entsprechende BFH-Urteile, die sich mit Fällen einer Betriebsaufspaltung
befassten. Die Schlussfolgerung, dass damit der Bezug zur Klägerin als mögliches
alternatives Zuordnungsobjekt der Zinserlöse hinreichend "erkennbar" geworden ist,
vermag der Senat nicht zu ziehen. Denn sie beruht im Wesentlichen auf der heutigen,
rechtlich zutreffenden Behandlung der Klägerin als steuerlich selbstständig zu
erfassendes Steuersubjekt. Zum damaligen Zeitpunkt der Nichtberücksichtigung der
Zinserlöse bei der Klägerin war dies jedoch nicht Gegenstand der Erörterungen
63
zwischen den Beteiligten. Der Unterschied zu den Mieterlösen liegt somit entscheidend
darin, dass es sich bei den Mieterlösen erkennbar um eigengewerbliche Einkünfte der
Klägerin gehandelt hat, die aufgrund eigener Erklärung durch den Beklagten falsch
zugeordnet wurden. Demgegenüber lagen in Bezug auf die Zinserlöse Einkünfte der
Gesellschafter vor, deren mögliche alternative Zuordnung zum steuerlichen Bereich der
Klägerin nicht ohne weitere Zwischenschritte zu ermitteln war.
Einer weitergehenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Erkennbarkeit"
dahingehend, dass alleine die auf der Hand liegende Tatsache, dass die Zinseinkünfte
jedenfalls in einem der Steuerrechtsverhältnisse der Gesellschafter der Klägerin zu
berücksichtigen waren, bereits die erkennbare Nichtberücksichtigung bei der Klägerin
rechtfertigen könnte, kann der Senat nicht folgen. Denn das Tatbestandsmerkmal der
Erkennbarkeit hat im Rahmen der vom Gesetzgeber durch § 174 Abs. 3 AO eröffneten
Zulässigkeit einer Durchbrechung der Bestandskraft bzw. Festsetzungsfrist eine den
Anwendungsbereich der Norm begrenzende Funktion. Diese würde bei der vorstehend
skizzierten Auslegung letztlich leer laufen.
64
c)
65
Der Erlass der somit hinsichtlich der Mieterlöse grundsätzlich zulässigen, nachgeholten
Gewinnfeststellungsbescheide ist unter Beachtung des § 174 Abs. 3 Satz 2 AO erfolgt.
Hiernach ist die Nachholung nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere
Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. Sie ist nur zulässig bis zum Ablauf der
Festsetzungsfrist derjenigen Steuer, bei der der Sachverhalt nach der zunächst
geäußerten Auffassung hätte berücksichtigt werden sollen. Entgegen der von der
Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung kommt es nicht auf die
für die zu ändernde oder nachzuholende Steuerfestsetzung geltende Frist an (vgl. FG-
Münster, Urteil vom 29.01.1997 8 K 6290/94 E, EFG 1997, 852; Kruse/Loose, in
Tipke/Kruse, AO - FGO, § 174 Rn. 37; Rüsken, in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 174 Rn. 48;
von Wedelstädt, in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, AO §
174 Rn. 90). Nichts anderes ergibt sich auch aus den von der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung angeführten Stimmen aus der Literatur (vgl. Demuth, KÖSDI
2006, 15215; von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO - FGO, § 174 Rn. 215).
66
Die Festsetzungsfrist für die andere, gegenüber der KG ergangene Steuerfestsetzung
war im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide am 03.08.2004 noch nicht
abgelaufen. Zwar wäre die reguläre Feststellungsfrist gemäß §§ 181 Abs. 1, 170 Abs. 2
Nr. 1, 169 Abs. 2 Nr. 2 AO für 1995 am 31.12.2002 und für 1996 am 31.12.2003
abgelaufen. Allerdings ist diese Feststellungs-/Festsetzungsfrist aufgrund des im
Erlasszeitpunkt noch anhängigen Klageverfahrens der KG (11 K 3126/01 F) gemäß §
171 Abs. 3 a und § 181 AO noch gehemmt gewesen.
67
d)
68
Die Anwendung des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO in Bezug auf die
Gewinnfeststellungsbescheide 1995 und 1996 scheitert letztlich auch nicht daran, dass
die gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheide noch zu einem Zeitpunkt ergangen
sind, zu dem das die KG betreffende Urteil 11 K 3126/01 F noch nicht rechtskräftig war.
Denn im Unterschied zu der Korrekturvorschrift des § 174 Abs. 4 AO, der die
Neufestsetzung erst "nachträglich", d. h. nach Rechtskraft eines aufhebenden oder
ändernden Urteils zulässt (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt 1.e.bb), sowie BFH-
69
Urteil vom 15.06.2004 VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914), steht der
Wortlaut der Regelung des § 174 Abs. 3 AO einer vorherigen Neufestsetzung nicht
entgegen (vgl. Kruse/Loose, in Tipke/Kruse, AO - FGO, § 174 Rn. 37). Denn dort setzt
die Vorschrift lediglich voraus, dass sich die ursprüngliche Annahme, hier der
steuerlichen Erfassung bei der KG, später als unrichtig herausgestellt haben muss. Dies
schließt es nicht aus, dass die unrichtige Annahme bereits in Steuerbescheiden ihren
Niederschlag gefunden haben kann und dass diese Bescheide im Erlasszeitpunkt des
nachzuholenden Bescheides noch nicht (rechtskräftig) aufgehoben waren.
e)
70
Soweit die Zinserlöse betroffen sind, kann der Erlass der Gewinnfeststellungsbescheide
auch nicht auf die Regelung des § 174 Abs. 4 AO gestützt werden.
71
aa)
72
Nach dieser Vorschrift können aus einem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder
Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen
werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ein
Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag
des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder
geändert wird. Irrige Beurteilung eines Sachverhaltes bedeutet, dass sich die
Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes, den die Finanzbehörde sowohl der
Besteuerung in dem zugunsten des Steuerpflichtigen geänderten als auch in einem
anderen Steuerbescheid zugrunde gelegt hat, nachträglich als unrichtig erweist.
Unerheblich ist, ob der Irrtum die tatsächlichen Voraussetzungen des Vorliegens eines
bestimmten Sachverhaltes betrifft - z.B. die Frage, ob und in welchem
Besteuerungsabschnitt ein bestimmter Sachverhalt eingetreten ist - oder die rechtliche
Beurteilung des Sachverhaltes (vgl. BFH-Urteile vom 18.02.1997 VIII R 54/95, BFHE
183, 6, BStBl II 1997, 647 und vom 10.05.1995 IX R 68/93, BFH/NV 1995, 1056).
73
Gemäß § 174 Abs. 4 Satz 2 AO ist die "nachträgliche" Umsetzung der richtigen
steuerlichen Behandlung eines Sachverhaltes auch dann vorzunehmen, wenn der
Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert worden ist.
74
bb)
75
Höchstrichterlich ist noch nicht entschieden, ob bei einer Änderung aufgrund eines
Urteils aus dem Merkmal "nachträglich" ein Erlass erst nach Rechtskraft zwingend
abzuleiten ist. Wie sich aus dem oben zitierten Urteil des BFH vom 15.06.2004 (VIII R
7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914) ergibt, soll die Jahresfrist des § 174 Abs. 4
Satz 3 AO für die steuerlichen Folgerungen erst mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils
beginnen. Auch wenn dieser Entscheidung damit eine andere Rechtsfrage zu Grunde
lag, lässt sich nach Auffassung des Senates hieraus gleichwohl ableiten, dass das
Tatbestandsmerkmal "nachträglich" auch für den Fall einer Änderung durch Urteil den
frühesten Zeitpunkt des Erlasses der steuerlichen Folgerungen in Form neuer
Bescheide festlegt. Damit ist bei einer Änderung aufgrund Urteils der Neuerlass erst
nach der Rechtskraft der Entscheidung zulässig, da erst zu diesem Zeitpunkt eine
rechtsgestaltende Änderung des Bescheides durch das Gericht erfolgt ist. Auch die
finanzgerichtliche Rechtsprechung stützt dieses Ergebnis. Dort wurde bisher schon
vertreten, dass aus dem Wortlaut der Norm ("nachträglich") folge, dass erst nach
76
tatsächlich erfolgter Änderung eines unrichtigen Bescheides ein neuer Bescheid
erlassen werden kann (vgl. FG-Düsseldorf, Urteile vom 30.10.2003 15 K 7289/00 F,
EFG 2004, 160 und vom 13.01.1999 7 K 7/95 E, EFG 1999, 638).
Für die hier vertretene Auslegung der Norm spricht zum einen, dass die
rechtsgestaltende Wirkung (mit der Folge der Vollstreckbarkeit) eines Urteils erst mit
dessen Rechtskraft eintritt und dem Urteil auch erst zu diesem Zeitpunkt eine mit der
Bekanntgabe eines Steuerbescheides durch die Finanzbehörde vergleichbare Wirkung
zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2004 VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004,
914). Auch der Sinn und Zweck der Änderungsvorschrift des § 174 AO legt eine solches
Verständnis nahe. Denn die Änderungsvorschrift soll immer erst dann eingreifen, wenn
eine widerstreitende Behandlung eines Sachverhalts vorliegt. Der hier die Änderung
bzw. den erstmaligen Erlass auslösende negative Widerstreit in Form der doppelten
Nichtberücksichtung des Sachverhaltes "Zinserlöse" ist aber erst mit Rechtskraft des
Urteils eingetreten. Im Übrigen hat der Gesetzgeber der Finanzbehörde in § 174 Abs. 4
AO eine Frist von einem Jahr eingeräumt, die richtigen Folgerungen aus der Änderung
des unrichtigen Bescheides zu ziehen. Damit besteht für die Umsetzung der
Änderungen auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO auch keine Notwendigkeit, bereits
vor rechtskräftigem Abschluss eines Klageverfahrens tätig zu werden.
77
cc)
78
Hiervon ausgehend scheitert eine Anwendung dieser Vorschrift somit daran, dass der
Beklagte die richtige Auswertung des Sachverhalts durch den Erlass der angefochtenen
Bescheide gegenüber der Klägerin nicht nachträglich gezogen hat. Die Bescheide
gegenüber der Klägerin wurden bereits am 03.08.2004 erlassen, bevor das
Klageverfahren 11 K 3126/01 F durch Rücknahme der vom Beklagten eingelegten
Revision am 12.08.2004 rechtskräftig abgeschlossen worden ist.
79
3.
80
Die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1995 und 1996 konnten weder nach §
174 Abs. 3 noch nach § 174 Abs. 4 AO erlassen werden.
81
a)
82
Die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO scheitert daran, dass die Festsetzungsfrist in
Bezug auf die Gewerbesteuer bereits abgelaufen war.
83
Die gemäß § 171 Abs. 3 a und § 181 AO eingetretene Hemmung bezog sich nur auf das
Gewinnfeststellungsverfahren der KG. Da gegen die
Gewerbesteuermessbetragsbescheide seitens der KG keine Klage angestrengt worden
war, ist bezüglich dieser Steuerart keine Hemmung der Festsetzungsfrist eingetreten.
Diese war vielmehr zu den oben bereits genannten Zeitpunkten zum 31.12.2002 und
31.12.2003 abgelaufen. Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1995 und 1996
konnten daher nicht mehr ergehen.
84
Eine Auslegung dahingehend, dass die Hemmungswirkung der Gewinnfeststellung
wegen der Anknüpfung des Gewerbeertrages an die festgestellten gewerblichen
Einkünfte auch auf die Gewerbesteuer erstreckt werden könnte, ist dem Gesetz nicht zu
entnehmen. Auch aus der eigenständigen Änderungsregelung des § 35 b Abs. 1 Satz 1
85
des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ergibt sich trotz einer entsprechenden
Anwendung des § 171 Abs. 10 AO nichts Abweichendes. Denn nach dem Wortlaut des
§ 35 b Abs. 1 Satz 1 GewStG eröffnet diese Regelung nur die Möglichkeit der Änderung
eines bereits erlassenen Bescheides, nicht jedoch eine erstmalige Festsetzung. Zudem
fehlt es bei Erlass eines erstmaligen Feststellungsbescheides auch insoweit bereits an
dem Tatbestandsmerkmal der Änderung.
b)
86
Die Gewerbesteuermessbetragsbescheide konnten auch nicht auf der Grundlage des §
174 Abs. 4 AO erlassen werden.
87
Es kann hier zunächst offen bleiben, ob der Änderungstatbestand des § 174 Abs. 4 Satz
1 AO (Änderung aufgrund eines Rechtsbehelfs) auch hinsichtlich der nach § 35 b Abs. 1
GewStG von Amts wegen erfolgten Änderung der gegenüber der KG ergangenen
Bescheide vorliegt. Denn jedenfalls fehlte es auch hier an der Nachträglichkeit der
steuerlich gezogenen richtigen Folgerungen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der
erstmaligen Gewerbesteuermessbetragsbescheide am 03.08.2004 waren die
gegenüber der KG bestehenden Messbetragsbescheide noch nicht geändert. Diese
Änderung erfolgte erst am 06.05.2005. Der Beklagte hat daher die neuen Bescheide
gegenüber der Klägerin nicht nachträglich i. S. d. § 174 Abs. 4 AO erlassen. Er hat
vielmehr steuerliche Folgerungen bereits zu einem Zeitpunkt gezogen, in dem ein
negativer Widerstreit im Sinne einer doppelten Nichtberücksichtigung eines zu
besteuernden Sachverhaltes noch gar nicht vorlag.
88
Im Übrigen scheitert der Erlass der erstmaligen Messbetragsbescheide für 1995 und
1996 auch an der Regelung des § 174 Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 AO. Hiernach gilt Abs. 4
dieser Regelung Dritten gegenüber nur dann, wenn sie an dem Verfahren, das zur
Aufhebung oder zur Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt
waren. Anders als bei den Gewinnfeststellungsbescheiden, bei denen - wie zuvor
dargelegt - auf die Feststellungsbeteiligten abzustellen ist, ist die Klägerin für die
Gewerbesteuer als Betriebssteuer eigenständiges Steuersubjekt. Als solche "Dritte" war
die Klägerin an dem Klageverfahren 11 K 3126/01 F nicht beteiligt.
Gewerbesteuermessbetragsbescheide ihr gegenüber konnten daher auf der Grundlage
des § 174 Abs. 4, 5 AO nicht erlassen werden.
89
4.
90
Soweit die Gewinnfeststellungsbescheide 1995 bis 1997 sowie der
Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 1997 zulässigerweise noch erlassen werden
konnte, sind sie auch im Übrigen materiell rechtmäßig.
91
Der Beklagte hat zu Recht die der Klägerin in diesen Streitjahren zugeflossenen
Mieterlöse sowie die den Beigeladenen als Gesellschaftern im Jahr 1997
zugeflossenen Zinseinnahmen aus der Darlehensgewährung an die Vertriebs-GmbH
bei der Ermittlung der Einkünfte bzw. des Gewerbeertrages der Klägerin berücksichtigt.
92
a)
93
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den
Einkünften aus Gewerbebetrieb einer Personengesellschaft und damit auch zum
94
Gewerbeertrag nach § 7 GewStG dieser Gesellschaft zum einen die aus dem
Gesamthandsbereich auf die Mitunternehmer entfallenden Gewinnanteile aus der
eigenen betrieblichen Tätigkeit der Gesellschaft; zum anderen zählen dazu auch
diejenigen Vergütungen, die die Gesellschafter für die Hingabe von Darlehen oder die
Überlassung von Wirtschaftsgütern erhalten haben. Hierzu zählen u. a. auch diejenigen
Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des
Gesellschafters an der Personengesellschaft eingesetzt werden (sog.
Sonderbetriebsvermögen II, vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2000 IV R 73/99, BFHE 193, 354,
BStBl II 2001, 335 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BFH).
b)
95
Bei den der Klägerin in den Streitjahren zugeflossenen Mieterlösen aus der
Überlassung des Grundstücks X-Str. 1 handelt es sich hiernach um eigenbetriebliche
Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb.
96
Zwischen der Klägerin auf der einen Seite und der KG sowie der Vertriebs-GmbH auf
der anderen Seite bestand in den Streitjahren eine Betriebsaufspaltung.
97
Nach ständiger Rechtsprechung wird eine grundsätzlich als Vermietung und
Verpachtung anzusehende Tätigkeit als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert, wenn sie im
Rahmen des Rechtsinstituts der Betriebsaufspaltung erfolgt. Eine Betriebsaufspaltung
liegt vor, wenn einer Betriebsgesellschaft von einer Besitzgesellschaft wesentliche
Betriebsgrundlagen entgeltlich oder unentgeltlich - jedenfalls bei Überlassung an eine
Betriebskapitalgesellschaft - zur Nutzung überlassen werden - sachliche Verflechtung -
und wenn die die Besitzgesellschaft beherrschenden Gesellschafter auch in der
Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen können - personelle Verflechtung - (vgl. z.
B. BFH-Urteile vom 26.01.1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455; vom
25.08.1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23; Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, §
15 Rn. 808 ff., 823).
98
In den Streitjahren waren diese Voraussetzungen zwischen der Klägerin und den zwei
Betriebsgesellschaften durch die Überlassung des Firmengrundstücks X-Str. 1 als
wesentlicher Betriebsgrundlage beider Gesellschaften (sachliche Verflechtung) und der
bestehenden Beteiligtenidentität (personelle Verflechtung) gegeben.
99
Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, die vom
Betriebszweck gefordert werden und für die Betriebsführung besonderes Gewicht
besitzen. Maßgebend ist allein die funktionale Bedeutung des überlassenen
Wirtschaftsgutes für das Betriebsunternehmen (vgl. Reiß, in: Kirchhof, EStG
Kompaktkommentar, 5. Aufl. 2005, § 15 Rn. 95).
100
Während der Charakter der Betriebsstätte als wesentliche Betriebsgrundlage für die KG
als Produktionsbetrieb auf der Hand liegt, ist er auch hinsichtlich der
Vertriebsgesellschaft gegeben. Dies folgt aus der besonderen geschäftlichen
Beziehung der Vertriebsgesellschaft zur KG. Dadurch, dass die Vertriebsgesellschaft im
Wesentlichen die Produkte der KG vertreibt, sind die überlassenen Räumlichkeiten auf
dem gemeinsamen Betriebsgrundstück X-Str. 1 von seiner konkreten Lage her in
besonderer Weise geeignet, auch den Betriebszweck der Vertriebsgesellschaft zu
fördern und daher für die Vertriebsgesellschaft von besonderem Gewicht.
101
Die Betriebsaufspaltung bestand auch in Bezug auf die Vertriebs-GmbH bereits im Jahr
1995, obwohl nach Aktenlage in diesem Jahr an die GbR noch kein Nutzungsentgelt für
die Überlassung der Räumlichkeiten im Gebäudekomplex X-Str. 1 gezahlt worden ist.
Denn die für die Zuordnung der gewerblichen Einkünfte bei der Besitzgesellschaft
erforderliche Gewinnerzielungsabsicht lag zum einen aufgrund der entgeltlichen
Vermietung an die KG vor, zum anderen ergab sie sich aus der Austauschbarkeit von
Nutzungsentgelten und den zu erwartenden Einkünften aus der Beteiligung an der
Betriebs-GmbH (vgl. Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 15 Rn. 809).
102
Diese Betriebsaufspaltung hat zur Folge, dass die der Klägerin durch die
Grundstücksüberlassung an die beiden Betriebsgesellschaften zufließenden Einkünfte
als deren gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sind.
103
c)
104
Der Beklagte hat auch die den Beigeladenen als Gesellschaftern zugeflossenen
Zinseinnahmen aus den der Vertriebs-GmbH gewährten Darlehen zutreffend als
gewerbliche Einkünfte bzw. Gewerbeertrag der Klägerin erfasst. Die
Darlehensforderungen waren, da die Darlehensgewährung gesellschaftlich veranlasst
war, dem Sonderbetriebsvermögen II der beigeladenen Gesellschafter der Klägerin
zuzuordnen (vgl. BFH-Urteile vom 10.11.1994 IV R 15/93, BFHE 176, 535, BStBl II
1995, 452; vom 19.10.2000 IV R 73/99, BFHE 193, 354, BStBl II 2001, 335). Die
Zinszahlungen waren daher als gewerbliche Einkünfte bei der Klägerin zu erfassen.
105
aa)
106
Die neben der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung zur KG zwischen der Klägerin
und der Vertriebs-GmbH bestehende kapitalistische Betriebsaufspaltung hat zur Folge,
dass die Beteiligung der Besitzgesellschafter an der Vertriebsgesellschaft notwendiges
Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter der Klägerin, den Beigeladenen,
geworden war (vgl. BFH-Urteile vom 14.09.1999 III R 47/98, BFHE 190, 315, BStBl II
2000, 255; vom 12.02.1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723). Die
Darlehensgewährung an die Vertriebs-GmbH diente damit sowohl der Erhaltung und
Stärkung der im Sonderbetriebsvermögen II der Beigeladenen bei der GbR befindlichen
GmbH-Anteile als auch der Beteiligung der Beigeladenen an der Klägerin als
Besitzunternehmen selbst. Der Sachverhalt unterscheidet sich damit von der
Konstellation, in der ein Gesellschafter im Rahmen einer rein mitunternehmerischen
Betriebsaufspaltung der Betriebspersonengesellschaft Wirtschaftsgüter unmittelbar zur
Nutzung überlässt. Hier soll nach Rechtsprechung des BFH die Zuordnung des
Wirtschaftsgutes zum Sonderbetriebsvermögen I des Gesellschafters bei der
Betriebspersonengesellschaft Vorrang vor der Zuordnung zum Sondervermögen II bei
der Besitz-Personengesellschaft haben (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2005 IV 59/04,
BFHE 210, 415, BStBl II 2005, 830).
107
bb)
108
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 07.03.1978 VIII R 38/74, BFHE
124, 533, BStBl II 1978, 378), der sich der Senat anschließt, gehört im Falle einer
kapitalistischen Betriebsaufspaltung - wie sie im Streitfall vorliegt - die
Darlehensforderung des Besitzunternehmens gegen die Betriebsgesellschaft zum
notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens, wenn das Darlehen dazu
109
dient, die Vermögens- und Ertragslage der Betriebsgesellschaft zu verbessern und
damit zugleich den Wert der Beteiligung des Besitzunternehmens an der
Betriebsgesellschaft zu erhalten oder zu erhöhen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn
die Darlehensaufnahme durch die Betriebsgesellschaft zur Verbesserung ihrer
Vermögens- und Ertragslage weder notwendig noch zweckmäßig war, sondern
festgestellt werden kann, dass für die Darlehenshingabe lediglich private Erwägungen,
z.B. der Wunsch nach einer günstigen Kapitalanlage maßgebend waren. Mit Urteil vom
10.11.1994 IV R 15/93 (BFHE 176, 535, BStBl II 1995, 452) hat der BFH entschieden,
dass auch ein Darlehen, das die Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft der
Betriebs-GmbH gewähren, jedenfalls dann zu dem Sonderbetriebsvermögen II der
Gesellschafter bei der Besitz-Personengesellschaft gehört, wenn das Darlehen nicht
marktüblichen Bedingungen entspricht. In Folgeentscheidungen vom 13.10.1998 VIII R
46 /95 (BFHE 187, 425, BStBl II 1999, 357) und vom 10.06.1999 IV R 21/98 (BFHE 189,
117, BStBl II 1999, 715) hat sich der BFH generell zu den Kriterien geäußert, nach
denen zu beurteilen sein soll, ob der Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft mit
der entgeltlichen Überlassung eines Wirtschaftsgutes an die Betriebs-GmbH seine
eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt oder damit seine Beteiligung an der Besitz-
Personengesellschaft stärkt. Die Beurteilung richtet sich hiernach nach den
Gesamtumständen des einzelnen Falles. Als ein wesentliches Kriterium dafür, dass die
Nutzungsüberlassung durch die betrieblichen Interessen der Besitz-
Personengesellschaft veranlasst ist, hat der BFH auch in diesen Urteilen das Fehlen
fremdüblicher Nutzungsbedingungen angesehen. Des Weiteren hat er darauf
hingewiesen, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss des
Nutzungsvertrages und der Begründung der Betriebsaufspaltung ein Indiz dafür sei,
dass die Nutzungsüberlassung durch die wirtschaftlichen Interessen des
Besitzunternehmens bestimmt sei.
cc)
110
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass der Darlehensgewährung nicht lediglich
private Erwägungen, z. B. der Wunsch nach einer günstigen Kapitalanlage, zu Grunde
lagen, sondern diese aus gesellschaftlichem Interesse erfolgt ist. Hierfür spricht
zunächst, dass die Darlehen ohne jegliche schriftliche Vereinbarungen getroffen worden
sind. Eine Fremdüblichkeit dürfte jedoch zumindest schriftliche Vereinbarungen
insbesondere über Laufzeit, Tilgungsmodalitäten und ggf. Sicherheiten voraussetzen.
Dies gilt auch für die Darlehensgewährung verbundener Unternehmen. Der Hinweis der
Klägerin, dass die mangels schriftlicher Vereinbarungen geltenden Regelungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches ausreichend seien, rechtfertigt keine abweichende
Bewertung. Aus Sicht der Vertriebs-GmbH bestand Veranlassung, die Frage der
Laufzeit und der Kündigungsfrist weitergehend zu regeln, da eine dreimonatige
Kündigungsfrist nach BGB angesichts der Darlehenssumme in Höhe von 1.875.000 DM
eine verlässliche Finanzplanung beeinträchtigte. Auch der Umstand, dass die
Darlehenshingabe im Dezember 1994 in Höhe der für 1993 und 1994 (vorab)
ausgeschütteten Beträge erfolgte, spricht dafür, dass Körperschaftssteuerguthaben
realisiert werden sollte, ohne der Vertriebs-GmbH Liquidität zu entziehen. Die darin
liegende Stabilisierung der Vermögens- und Ertragslage der Vertriebs-GmbH erfolgte
damit aus Sicht der Beigeladenen mit dem Ziel, den Wert ihrer Beteiligungen an der
GmbH und an der Besitzgesellschaft zu erhalten. Des Weiteren spricht auch die
unregelmäßige Tilgung - z. B. Tilgungsaussetzung im Jahr 1997 - dafür, dass die
Rückführung des Darlehens flexibel an die aktuelle Geschäftslage der Vertriebs-GmbH
angepasst werden sollte und damit eindeutig den Interessen der beiden verbundenen
111
Gesellschaften dienen sollte. Bei einem aus den vorstehenden Gründen bestehenden
gesellschaftlichen Bezug der Darlehensgewährung führt es nicht zu einer
abweichenden Bewertung, dass die Darlehensgewährung nicht im unmittelbaren
Zusammenhang mit der Betriebsaufspaltung im Dezember 1992 erfolgt ist und ein
fremdüblicher Zinssatz vereinbart war.
d)
112
Rechtsfehler hinsichtlich der Höhe der festgestellten Einkünfte bzw. der Ermittlung des
Gewerbeertrages sind nicht ersichtlich; Einwände wurden insoweit von der Klägerin
auch nicht geltend gemacht.
113
5.
114
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Es entsprach nicht der
Billigkeit im Sinne des § 139 Abs. 4 FGO, die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zum Teil einer unterliegenden Partei aufzuerlegen, da die Beigeladenen
keine Anträge gestellt haben und sich daher nicht selbst dem Risiko des
Prozessausganges (vgl. § 135 Abs. 3 FGO) ausgesetzt haben.
115
6.
116
Die Übertragung der Neuberechnung der festzustellenden Einkünfte auf den Beklagten
beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
117
7.
118
Der verbundene Beschluss nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO bedarf keiner Begründung (§
128 Abs. 4 FGO i. V. m. § 113 Abs. 2 Satz 1 FGO).
119
8.
120
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts
zuzulassen.
121