Urteil des FG Düsseldorf vom 28.09.2007

FG Düsseldorf: see, berechnung der steuer, stadt, flagge, begriff, portugal, norwegen, abnutzung, boot, soldat

Finanzgericht Düsseldorf, 18 K 638/06 E
Datum:
28.09.2007
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 638/06 E
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 18.4.2001 in der Gestalt der
Einspruchesentscheidung vom 19.10.2001, zuletzt geändert durch den
Bescheid vom 27.9.2007, wird dahin abgeändert, dass zusätzliche
Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 228 DM als
Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger
Arbeit berücksichtigt werden. Die Berechnung der Steuer wird dem
Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur
Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger diente im Streitjahr 2000 wie in dem vorangegangenen Jahr als Soldat bei
der Bundesmarine. Er war in den Kasernen in "Q-Stadt" und später in "L-Stadt"
beschäftigt, wo er die Manövereinsätze auf See vor- und nachzubereiten sowie
verschiedene weitere Aufgaben zu übernehmen hatte.
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Außerdem wurde der Kläger an 130 Tagen auf einem Flugkörperschnellboot für
mehrere Einsätze, die jeweils nicht mehr als drei Monate andauerten, eingesetzt. Im
Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden: Das Boot befand sich an 21 Tagen, alle davon
nach dem 1.4.2000, in Auslandshäfen; davon sieben Tage in Schweden, sechs Tage in
Norwegen, sechs Tage in Frankreich und zwei Tage in Portugal ("M-Stadt"). Das Boot
befand sich an 83 Tagen auf See, auf den Beginn und das Ende der jeweiligen Einsätze
entfallen weitere 26 Tage.
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Für die mit dem Schnellboot gefahrenen Einsätze machte der Kläger ursprünglich
Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 9.685 DM geltend. Der Beklagte
berücksichtigte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben waren noch vorweggenommene
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aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben waren noch vorweggenommene
Werbungskosten bzw. Sonderausgaben im Zusammenhang mit Fahrten zu
Universitäten bzw. Wirtschaftsakademien, Absetzung für Abnutzung für einen PC sowie
pauschale Telefonkosten streitig. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Der Senat wies im ersten Rechtszug die Klage mit Urteil vom 6.6.2003 (18 K 6417/01 E,
EFG 2004, 1822) ab. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob mit Urteil vom 16.11.2005 (VI R
12/04, BFHE 212, 64, BStBl. II 2006, 267) die Entscheidung auf. Er entschied, dass ein
Soldat der Bundesmarine für die ersten drei Monate jedes vorübergehenden Einsatzes
an Bord eines Schiffes Verpflegungsmehraufwendungen wegen Auswärtstätigkeit
geltend machen könne. Die Sache wurde zur weiteren Aufklärung hins. der Dauer der
einzelnen Einsätze zur See und zur Höhe des Verpflegungsmehraufwandes zurück
verwiesen. Der BFH übertrug dem Senat auch die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens.
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Streitig ist im zweiten Rechtszug noch die Höhe der Pauschbeträge für die 83 Tage, an
denen sich das Schnellboot auf See befand. Hins. der 21 Tage, an denen sich das
Schnellboot in Auslandshäfen befand, gehen die Beteiligten einvernehmlich von der
Berücksichtigung des jeweiligen Auslandspauschbetrages aus. Hins. der 26 Tage zu
Beginn und Ende der Einsätze war eine Ermittlung der Dauer der Auswärtstätigkeit nicht
mehr möglich; die Beteiligten haben sich insoweit darauf verständigt, für jeweils 13
Tage die Inlandspauschalen für eine mindestens acht- bzw. 14-stündige Abwesenheit
anzusetzen.
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Der Kläger ist der Auffassung, für die 83 Tage auf See sei gem. R 39 Abs. 3 S. 4 Nr. 2
LStR das für Luxemburg geltende Tagegeld anzusetzen, da es sich um eine
Auslandsdienstreise gehandelt habe. Insgesamt ergeben sich nach der Berechnung des
Klägers Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 8.224 DM.
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Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid am 26.08.2004 und am 27.09.2007
geändert. Mit dem letzten Änderungsbescheid hat der Beklagte
Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 5.900 DM berücksichtigt. In der mündlichen
Verhandlung vom 01.05.2007 hat der Kläger sein Klagebegehren insoweit
eingeschränkt, als er nicht mehr die Berücksichtigung von vorweggenommenen
Werbungskosten bzw. Sonderausgaben im Zusammenhang mit Fahrten zu
Universitäten bzw. Wirtschaftsakademien (1.196 DM), Absetzung für Abnutzung für
einen PC (800 DM) sowie pauschale Telefonkosten (50 DM) beantragt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 in Form des zuletzt geänderten
Bescheids vom 27.09.2007 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche
Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 2.324 DM als Werbungskosten bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Ansatz gebracht
werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Finanzamt ist der Auffassung, hins. der 83 Tage auf See fehle es an einer
Auslandstätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Tätigkeit an Bord eines die deutsche Flagge führenden Schiffes stelle eine Tätigkeit
im Inland dar.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet. Nach der Teilabhilfe ist der angefochtene
Einkommensteuerbescheid 2000 (nur) noch insoweit rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten, als das Finanzamt nicht die Erhöhung der
Auslandspauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand, die zum 01.04.2000 erfolgt ist,
berücksichtigt hat.
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1. Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Werbungskostenabzug für
Verpflegungsmehraufwand anlässlich seiner Einsätze auf See und in den
ausländischen Häfen gem. § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 und 4 EStG zu.
Verpflegungsmehraufwendungen können danach berücksichtigt werden, wenn ein
Steuerpflichtiger vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner
dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig wird. Bei einem
Marinesoldaten wie dem Kläger liegt der Tätigkeitsmittelpunkt in seinem Stützpunkt an
Land, wenn er diesem Stützpunkt dauerhaft zugeordnet ist und zwischen den Einsätzen
zur See dort regelmäßig tätig wird.
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2. Der Abzug beschränkt sich gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 EStG bei einer
längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstelle auf die ersten
drei Monate. Keiner der Einsätze des Klägers im Streitjahr dauerte länger als drei
Monate.
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3. Hinsicht der Höhe der Pauschbeträge ist wie folgt zu differenzieren:
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aa) Hinsichtlich der 21 Tage, an denen das Schiff in Auslandshäfen lag, ist das
Tagegeld für das Land des Auslandshafens anzusetzen. Davon gehen auch die
Beteiligten übereinstimmend aus. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit
nicht nur an Bord des Schnellbootes, sondern zumindest auch im ausländischen Hafen
ausgeübt wurde, sodass insoweit von einer Tätigkeit im Ausland im Sinne des § 4 Abs.
5 S. 1 Nr. 5 S. 4 EStG auszugehen ist. Damit ist insoweit das für den Hafenort
maßgebende Tagegeld anzusetzen (so auch R 39 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 LStR).
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bb) Für die 26 Tage zum jeweiligen Beginn und Ende der Einsätze sind schon deshalb
die Inlandspauschbeträge anzusetzen, weil insoweit der Heimathafen des Schnellboots
ausschlaggebend ist. Insoweit ließ sich jedoch die Dauer der Abwesenheit nicht mehr
genau feststellen. Die Beteiligten haben sich insoweit auf die Berücksichtigung von
jeweils 13 Inlands-Pauschbeträgen nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 Buchstaben b) und c)
EStG für eine mehr als 8- bzw. 14-stündige Abwesenheit vom Tätigkeitsmittelpunkt
verständigt.
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cc) Streitig blieb die Höhe des für die verbleibenden 83 Tage auf See anzusetzenden
Tagegeldes. Insoweit verweist der Kläger auf R 39 Abs. 3 S. 4 LStR, der zu Folge bei
Schiffsreisen außer für die Tage der Ein- und Ausschiffung das Luxemburger Tagegeld
anzusetzen ist. Der Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die Tätigkeit
auf einem die deutsche Flagge führenden Schiff insoweit eine Tätigkeit im Inland
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darstelle.
Der Senat ist der Auffassung, dass die Tätigkeit auf einem Schnellboot der Marine
steuerlich eine Tätigkeit im Inland darstellt. Die Berücksichtigung der
Auslandspauschbeträge nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 4 EStG setzt tatbestandlich
voraus, dass eine "Tätigkeit im Ausland" vorliegt. Wann eine Tätigkeit im Ausland in
diesem Sinne vorliegt, ist gesetzlich nicht definiert. Die Vorschrift knüpft jedoch nicht an
die Merkmale einer Auslandsdienstreise an (vgl. § 14 Abs. 1 des
Bundesreisekostengesetzes sowie § 4 der Auslandsreisekostenverordnung;
Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuerrecht, § 4 EStG Rn. 1381).
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Die Bedeutung des Begriff der "Tätigkeit im Ausland" muss im Zusammenhang mit
anderen Vorschriften gesehen werden. Der Bundesfinanzhof hat mehrfach entschieden,
dass Schiffe auf hoher See völkerrechtlich als "schwimmender Gebietsteil" des Landes
anzusehen sind, dessen Flagge sie führen (Urteile vom 05.10.1977 I R 250/75, BFHE
123, 341, BStBl. II 1978, 50, 51 m.w.N.; vom 12.11.1986 I R 38/83, BFHE 148, 289,
BStBl. II 1987, 377; vom 05.02.1992 I R 9/90, BFHE 167, 109, BStBl. II 1992, 607; vom
27.11.1992 VI R 95/90, BFH/NV 1993, 365; vom 07.05.1993 VI R 98/92, BFH/NV 1994,
91; vom 19.03.1997 I R 37/96, BFH/NV 1997, 666). Nicht zum Inland gehören deutsche
Handelsschiffe in fremden Hoheitsgewässern. Deutsche Kriegsschiffe gehören
demgegenüber völkerrechtlich immer zum Inland (Piltz, IWB Fach 3 Gruppe 3 S. 683,
685, vgl. auch Art. 32 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom
10.12.1982, BGBl. II 1994, 1798, zur Immunität von Kriegs- und anderen Staatsschiffen).
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Diese völkerrechtliche Betrachtungsweise ist insb. ausschlaggebend, soweit es darum
geht, ob eine Tätigkeit im Inland bzw. in einem Abkommensstaat ausgeübt wird (vgl. z.B.
§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Im Streitfall geht es demgegenüber nicht um die
Einkunftsabgrenzung. Der Senat hält es dennoch für geboten, den Begriff der Tätigkeit
im Inland bzw. Ausland steuerlich einheitlich auszulegen. Die Regeln des Völkerrechts
sind daher für die steuerliche Frage, wo eine Tätigkeit ausgeübt wird, maßgeblich, auch
wenn es um den Ansatz von Auslands- oder Inlandspauschbeträgen nach § 4 Abs. 5
S.1 Nr. 5 S. 2 oder 4 EStG geht (vgl. auch Fissenewert HFR 2006, 350). Zwingende
Gründe, warum für die Frage des Verpflegungsmehraufwandes der Begriff des Tätigkeit
im Inland bzw. Ausland anders ausgelegt verwendet werden müsste, etwa
entsprechend der Definition der Auslandsdienstreise, sind nicht ersichtlich. Auch unter
Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Vorschrift dürfte nicht mehr für den Ansatz
des Luxemburger Tagegeldes (vgl. R 39 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 LStR) als für den Ansatz der
Inlandspauschalen sprechen, um den Verpflegungs-Mehraufwand an Bord eines
deutschen Schiffes typisierend angemessen zu berücksichtigen. R 39 Abs. 3 LStR ist
somit im Streitfall nicht einschlägig, weil es für die streitigen Tage an einer Tätigkeit im
Ausland fehlt.
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Eine genaue Ermittlung der Zeiten, an denen sich das Schnellboot in fremden
Hoheitsgewässern bzw. auf hoher See aufgehalten hat, war nicht möglich. Nach der
Rechtsauffassung des Senats kommt es bei einem Kriegsschiff jedoch nicht auf die
genaue Feststellung des Aufenthalts auf hoher See bzw. in fremden Küstengewässern
an, weil die Tätigkeit auf einem Kriegsschiff auch in fremden Hoheitsgewässern
steuerlich als Tätigkeit im Inland zu behandeln ist (vgl. Piltz a.a.O.).
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4. Hinsichtlich der Höhe des Verpflegungsmehraufwandes ergibt sich damit folgende
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Berechnung (in DM):
Anzahl der Tage Pauschbetrag
Beginn und Ende der
13
10
130,00
Einsätze
13
20
260,00
Auslandshäfen
Schweden
7
96
672,00
Norwegen
6
108
648,00
Frankreich
6
78
468,00
Portugal/ Lissabon 2
66
132,00
Tage auf See
83
46
3.818,00
Summen
130
6.128,00
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Der Beklagte hat die Erhöhung der Auslandspauschalen ab dem 01.04.2000 nicht
berücksichtigt und deshalb den Verpflegungsmehraufwand mit 5.900 DM beziffert. Somit
sind weitere Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 228 DM zu berücksichtigen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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