Urteil des FG Düsseldorf vom 16.10.2009

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Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 2291/08 Verk
Datum:
16.10.2009
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 2291/08 Verk
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob der Kläger nach Freigabe eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Kraftfahrzeugsteuer
als Masseverbindlichkeit schuldet.
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Der Kläger ist Treuhänder über das Vermögen der Frau A. (Insolvenzschuldnerin). Auf
den Namen der Insolvenzschuldnerin ist seit dem 09. Oktober 2006 ein
Personenkraftwagen (Pkw) mit dem Kennzeichen XXXXX zugelassen. Nachdem das
Amtsgericht A-Stadt am 31. Juli 2007 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet
und den Kläger zum Treuhänder ernannt hatte, erließ der Beklagte (das Finanzamt -FA-)
gegenüber dem Kläger am 02. April 2008 einen Steuerbescheid, mit dem er die
Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug ab dem 31. Juli 2007 auf jährlich 108 Euro
festsetzte. Mit Schreiben vom 08. April 2008 teilte der Kläger der Zulassungsbehörde
mit, dass er das Fahrzeug am 08. April 2008 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben
habe. Das sich anschließende Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
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Zur Begründung seiner Klage, mit der der Kläger die Änderung des angefochtenen
Kraftfahrzeugsteuerbescheides ab dem Tag der Freigabe begehrt, führt der Kläger im
Wesentlichen aus, der Bundesfinanzhof (BFH) habe in einer Entscheidung aus dem
Jahr 2004 festgestellt, dass die Kraftfahrzeugsteuer vom Gemeinschuldner zu tragen
sei, wenn das Fahrzeug freigegeben werde. Dies sei am 08. April 2008 geschehen. Das
BFH-Urteil zum Verfahren IX R 4/07 sei dahin zu verstehen, dass durch eine Anzeige
der Freigabe an das Straßenverkehrsamt die Steuerpflicht beendet werde. Die
Freigabemitteilung stelle eine solche Veräußerungsanzeige dar. Er habe dem
Straßenverkehrsamt A-Stadt "diese Veräußerungsanzeige" zugeleitet.
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Im Übrigen verstoße die BFH-Rechtsprechung gegen die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH habe in der Entscheidung zum Verfahren IX ZR
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84/07 zutreffend entschieden, dass der Treuhänder durch eine Insolvenz nicht
automatisch den Besitz an der Sache erlange, vielmehr müsse er sich die tatsächliche
Herrschaft über sie aneignen. Er – der Kläger – habe sich den Besitz an dem in Rede
stehenden Kfz aber nie angeeignet. Des Weiteren sei die Haltereigenschaft nicht von
der Insolvenzschuldnerin auf ihn übergegangen, was er der Zulassungsbehörde auch
angezeigt habe. Darüber hinaus sei das Insolvenzverfahren massearm. Er habe
inzwischen dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit mitgeteilt. Ein
Zahlungsbescheid sei deshalb nicht mehr zulässig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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unter Änderung des Bescheides vom 02. April 2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2008 ihm gegenüber als Treuhänder über
das Vermögen der Frau A. die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem
Kennzeichen XXXXX nur für die Zeit vom 31. Juli 2007 bis 08. April 2008
festzusetzen.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt es vor,
mit der Insolvenzeröffnung werde der Insolvenzverwalter automatisch Schuldner der
Kraftfahrzeugsteuer. Die auf ihn übergegangene Steuerpflicht könne er nur durch
Abmeldung des Fahrzeugs beenden. Ob der Kläger das Kfz der Insolvenzschuldnerin
zur Masse habe ziehen können, sei unbeachtlich. Das Steuerrecht knüpfe
ausschließlich an die Haltereigenschaft an. Diese sei nach der Insolvenzordnung (InsO)
auf den Verwalter übergegangen.
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Mit Beschluss vom 31. August 2009 ist das Verfahren dem Berichterstatter als
Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht entscheidet nach § 94a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne
mündliche Verhandlung.
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Die Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das FA die Kraftfahrzeugsteuer für das auf die
Insolvenzschuldnerin zugelassene Kfz für die Zeit ab dem Tag der Insolvenzeröffnung
gegenüber dem Kläger als Treuhänder festgesetzt.
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1. Die Kraftfahrzeugsteuer ist für den in Rede stehenden Pkw auch für die Zeit ab der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Die Steuerpflicht dauert nach § 5 Abs. 1
Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG), solange das Fahrzeug zum Verkehr
zugelassen ist. Steuerschuldner ist die Insolvenzschuldnerin als die Person, für die das
Kfz zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG). Dies wird vom Kläger auch nicht in
Abrede gestellt.
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2. Entgegen der Ansicht des Klägers hat er die Kraftfahrzeugsteuer, die für den Pkw ab
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, als Treuhänder über das Vermögen
der Insolvenzschuldnerin nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) aus
der Insolvenzmasse zu begleichen.
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Während des Insolvenzverfahrens sind die steuerlichen Pflichten des
Insolvenzschuldners vom Treuhänder zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht (§ 34
Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31. Juli 2007
ging das Recht der Insolvenzschuldnerin, das zur Masse gehörende Vermögen zu
verwalten, auf den Kläger als Treuhänder über (§ 80 Abs. 1 i.V.m. § 313 Abs. 1 InsO).
Das Insolvenzverfahren erfasst nach § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem
Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört. Nach der
Rechtsprechung des BFH gehört zur Insolvenzmasse auch die Rechtsposition als
Halter des Fahrzeugs (BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 4/07, Sammlung der
Entscheidungen des BFH -BFHE- 218, 435, unter III.2.b der Gründe). Diese
Rechtsposition ist Teil der Masse und unterliegt der Verwaltung durch den Treuhänder.
Somit stellt die Kraftfahrzeugsteuer, die ohne ein Tun oder Unterlassen allein durch das
Halten des Fahrzeugs kraft Gesetzes entsteht, eine Verbindlichkeit dar, die durch die
Verwaltung der Insolvenzmasse begründet wird (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Altern. InsO).
Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt sich das Gericht an (zustimmend
auch: Sterzinger, Deutsches Steuerrecht 2008, 1672, 1673; Johannes/Roth, Umsatz-
und Verkehrssteuerrecht 2008, 278, 282).
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Demzufolge ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger tatsächlich – wie er meint – mangels
Inbesitznahme des Fahrzeugs keine Berechtigung besaß, über die Nutzung des Pkw zu
verfügen. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass die Rechtsposition der
Insolvenzschuldnerin als Halterin des Fahrzeugs Teil der Insolvenzmasse geworden ist.
Dies führt nicht dazu, dass die Haltereigenschaft von der Insolvenzschuldnerin auf den
Kläger als Treuhänder übergeht. Halter des Pkw war auch nach Insolvenzeröffnung
allein die Insolvenzschuldnerin, da das Kfz weiterhin für sie zum Verkehr zugelassen
war.
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Der BFH hat zwar im Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03 (Bundessteuerblatt -
BStBl- II 2005, 309) in nicht entscheidungserheblicher Weise (im dortigen Fall war das
Fahrzeug nicht vom Insolvenzverwalter freigegeben worden) ausgeführt, die Steuer sei
vom Schuldner aus dem insolvenzfreien Vermögen oder Erwerb zu tragen, wenn dem
Schuldner das Kfz freigegeben werde. Daran anknüpfend hat der BFH jedoch in
mehreren Verfahren, in denen die Inanspruchnahme für Kraftfahrzeugsteuer trotz
Freigabe des Fahrzeugs streitig war, entschieden, dass sich durch die
insolvenzrechtliche Freigabe die Halterzuordnung des Fahrzeugs nicht ändert (BFH in
BFHE 218, 435, unter III.2.b dd (3) der Gründe). Der Insolvenzverwalter müsse die
Kraftfahrzeugsteuer aus der Insolvenzmasse unbeschadet einer Freigabe des
Fahrzeugs bezahlen, bis das Fahrzeug verkehrsrechtlich ab- oder umgemeldet werde
(BFH-Urteile vom 16. Oktober 2007 IX R 25/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2008, 250, unter II.1. der Gründe; IX R 29/07,
BFH/NV 2008, 251, unter II.1. der Gründe). Daraus ergibt sich, dass die vom Kläger der
Zulassungsstelle mit Schreiben vom 08. April 2008 angezeigte Freigabe des Pkw der
Insolvenzschuldnerin aus der Masse einer Um- oder Abmeldung des Fahrzeugs nicht
gleichsteht.
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Ferner führt die vom Kläger angeführte Massearmut zu keinem anderen Ergebnis. Auch
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wenn ein Insolvenzverwalter die Unzulänglichkeit der Masse anzeigt, ist die
Finanzbehörde nicht gehindert, ihm gegenüber die nach Insolvenzeröffnung
entstandene Kraftfahrzeugsteuer durch Steuerbescheid festzusetzen. Das bei
angezeigter Masseunzulänglichkeit bestehende Vollstreckungsverbot schränkt lediglich
die Befugnis der Behörde ein, den Verwaltungsakt zu vollstrecken, nicht aber ihn zu
erlassen (BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 58/06, BStBl II 2008, 322).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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