Urteil des FG Düsseldorf vom 14.03.2017

FG Düsseldorf (zahlungsmittel, kläger, zweck, ware, begründung, abschrift, freibetrag, höhe, umsatzsteuer, veranlagung)

Finanzgericht Düsseldorf, XV (X) 39/74 UM
Datum:
31.01.1977
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
XV. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
XV (X) 39/74 UM
Tenor:
„Auszugsweise Abschrift der Begründung der Entscheidung (Urteil) des
Finanzgerichts Düsseldorf vom 31.01.1977, Az. XV (X) 39/74 UM.
"Auszugsweise Abschrift der Begründung der Entscheidung (Urteil) des Finanzgerichts
Düsseldorf vom 31.01.1977, Az. XV (X) 39/74 UM.
1
G r ü n d e :
2
Streitig ist, ob der Umsatz von Münzen, die noch gesetzliche Zahlungsmittel sind, nach
§ 4 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz – UStG – steuerbefreit ist.
3
Der Kläger ist Münzhändler. Im Streitjahr hat er neben dem An- und Verkauf von
Medaillen und numismatischer Literatur auch den An- und Verkauf von Münzen
betrieben.
4
In der Umsatzsteuererklärung von 1970, die der Beklagte in vollem Umfang der
Veranlagung zugrunde gelegt hatte, erklärte er die Besteuerungsgrundlagen wie folgt:
5
Steuerbare Umsätze 43.146,-- DM
6
./. steuerfreie Umsätze (gültige Zahlungsmittel) 18.551,-- DM
7
zu versteuern 24.595,-- DM
8
Umsatzsteuer (4 %) 983,80 DM.
9
Gegen den Umsatzsteuerbescheid hat der Kläger Einspruch eingelegt, weil er bei der
Berechnung der Besteuerungsgrundlagen vergessen hatte, den Freibetrag gem. § 19
Abs. 2 UStG in Höhe von 12.000,-- DM abzuziehen.
10
Der Beklagte teilte ihm daraufhin mit, daß der Freibetrag zwar berücksichtigt werden
könne, gleichzeitig aber eine Überprüfung der Veranlagung nach § 248 Abs. 2
Reichsabgabenordung – AO – a.F. ergeben habe, daß ihm – dem Kläger – zu Unrecht
11
die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 UStG gewährt worden sei.
Gegen den geänderten Bescheid hat der Kläger Klage erhoben.
12
Er trägt vor: Die Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln seien steuerfrei. Da keine
Bank und kein Händler in der ganzen Bundesrepublik Mehrwertsteuer für solche
Umsätze in Rechnung stelle, weigere er sich, diese zu bezahlen.
13
Der Kläger beantragt sinngemäß,
14
Umsatzsteuerfreiheit für gesetzliche Zahlungsmittel in Höhe von 18.551,-- DM im
Jahre 1970 zu gewähren.
15
Der Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Er ist der Auffassung, § 4 Nr. 8 UStG sei nicht anwendbar, da die streitigen Münzen
nicht als Geldsorte, sondern als Ware gehandelt worden seien.
18
Die Klage ist nicht begründet.
19
Nach § 4 Nr. 8 UStG werden u.a. die Umsätze gesetzlicher Zahlungsmittel von der
Umsatzsteuer befreit ohne Rücksicht darauf, ob es sich um in- oder ausländische
Zahlungsmittel handelt. Der Beklagte hat zu Recht bei der Überprüfung des gesamten
Steuerbescheides im Einspruchsverfahren nach § 248 Abs. 2 AO die Anwendung dieser
Befreiungsvorschrift versagt; denn nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift sind nur die
Umsätze von solchen gesetzlichen Zahlungsmitteln befreit, die als Geldsorte und nicht
als Ware gehandelt werden.
20
Es ist streitig, inwieweit § 4 Nr. 8 UStG auf die Umsätze von Münzen, die gesetzliche
Zahlungsmittel sind, angewendet werden kann. In der Literatur wird – soweit ersichtlich
– nur von Eckart-Weiß, Komm. zum UStG, 7. Aufl. § 4 Nr. 8 Tz 79-83 die Auffassung
vertreten, daß Münzen selbst dann ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel
nicht verlieren, wenn sie – wie es beispielsweise bei den 5 DM-Silbermünzen heute
vorkommt – für Sammlerzwecke in einer besonders sorgfältigen Fertigung von der durch
den Bundesminister der Finanzen – BdF – geschaffenen Zentralstelle für
Sammlermünzen zum erhöhten Preis bezogen werden. Nach dieser Meinung kommt es
auf den objektiven Zweck als Geldmittel und nicht auf die subjektiven Motive des
steuerpflichtigen Händlers wegen der jederzeit wieder abänderbaren Verwendung an.
Eine ähnliche Auffassung vertritt der BdF (Erlaß vom 28.6.1955 – IV A 2-S 4138 – 11/55
–, USt-Kartei § 4 F 4139 K 55, gerichtet an den Bundesverband des privaten
Bankgewerbes e.V. in Köln) "vorbehaltlich anderer Entscheidungen der
Rechtmittelbehörden." Obwohl nach Auffassung des Senats in der Beurteilung des
Umsatzes von Münzen und gültigen Briefmarken kein Unterschied bestehen kann,
vertritt der BdF im Hinblick auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs – RFH –
(Urteil des RFH vom 31.10.1941 V 152/41 in Reichssteuerblatt – RStBl – 1942, 285) die
Auffassung, daß § 4 Nr. 8 UStG auf die Lieferung gültiger Postwertzeichen, die als
Sammlermarken verkauft werden, keine Anwendung findet.
21
Die Grundsätze dieser Entscheidung sind aber auch hier anwendbar. Bereits in früheren
22
Entscheidungen hat der RFH (vgl. Urteile vom 4.10.1921 V A 107, 108/21, in RStBl
1921, 407 und vom 10.4.1929 V A 601/28 in RStBl 1929, 374) eine subjektive auf den
Willen der Parteien abgestellte Auslegung der jeweiligen Steuerbefreiungsvorschrift
betrieben und die Steuerfreiheit für den Fall versagt, wenn gültige Gold- und
Silbermünzen nicht als Geldsorten, sondern wegen ihres Gold- oder Silbergehaltes (z.B.
in Inflationszeiten) oder wegen ihres Sammelwertes gehandelt werden (vgl. Hartmann-
Metzenmacher, UStG, Komm., 6. Aufl., § 4 Nr. 8 Rdnr. 57, 59; ferner Paulick in der
Deutschen Steuerzeitung 1941, S. 549 unter 6).
In Übereinstimmung mit die Rechtsprechung faßt der erkennende Senat die
Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG dahingehend auf, daß Steuerfreiheit nur dann
gegeben ist, wenn die Münzen ebenso wie die Briefmarken – zu dem ihnen in der
Hauptsache zugeordneten Zweck, also als Geldmittel bzw. zum Freimachen von
Postsendungen erworben werden. Dieser Zweck wird von Münzhändlern und Sammlern
nicht angestrebt. Bei den vom Kläger verkauften Münzen handelt es sich, auch wenn sie
zur Bezahlung von Ware verwendet werden können, nach Ansicht und Auffassung der
Beteiligten nicht mehr um gesetzliche Zahlungsmittel im engeren Sinne der
Befreiungsvorschrift. Die Absicht ist darauf gerichtet, die Münzen zu einem
Handelsobjekt zu machen. Die Münzen haben damit ihre Eigenschaft als gesetzliche
Zahlungsmittel verloren und sind Gegenstände einer Sammlertätigkeit, die für den
Erwerber, was grundsätzlich schon wegen der branchenüblichen
Kalkulationsaufschläge (so vor allem Paulick in der Deutschen Steuerzeitung 1941
a.a.O.) in dem Aufgeld zum Ausdruck kommt, einen höheren Wert besitzen und von ihm
nicht zu dem Zweck erworben werden, dem Münzen dienen sollen. Die
Verkehrsanschauung behandelt diese Münzen nicht anders, als außer Kurs gesetzte
Münzen. Die Klage war daher abzuweisen.
23
Ob die übrigen Darlegungen des Klägers zur Begründung evtl. Billigkeitsmaßnahmen
geeignet sind, konnte in diesem Verfahren nicht geprüft werden.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
25
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Steuerpflicht solcher Umsätze
wegen der im Geschäftsleben offensichtlich unklaren Handhabung unter dem
Gesichtspunkt der Rechtsklarheit grundsätzliche Bedeutung beimißt.
26