Urteil des FG Düsseldorf vom 23.07.2004

FG Düsseldorf (evangelische kirche, kirche, einkommen, begründung, festsetzung, bemessungsgrundlage, ehemann, einkünfte, einspruch, ehegatte)

Finanzgericht Düsseldorf, 1 K 5497/03 Ki
Datum:
23.07.2004
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 5497/03 Ki
Tenor:
Unter Änderung des Bescheides über die Festsetzung des besonderen
Kirchgeldes 2002 vom 15.07.2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 08.09.2003 wird das Kirchgeld 2002 auf
390 EUR herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
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Streitig ist die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe.
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Die Klägerin ist seit dem 15.09.2002 verheiratet; die Eheleute wurden zur
Einkommensteuer 2002 antragsgemäß zusammenveranlagt. Die Klägerin erzielte im
Streitjahr Einkünfte von 7.438 EUR; die Einkünfte ihres Ehemannes beliefen sich auf
159.402 EUR.
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Die Klägerin war bis zum 06.11.2002 Mitglied der Evangelischen Kirche; ihr Ehemann
gehört keiner Kirche an.
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Mit Bescheid vom 15.07.2003 setzte das Finanzamt A-Stadt gegenüber der Klägerin für
die Monate Januar bis November ein evangelisches Kirchgeld von 1.430 EUR fest.
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Hiergegen legten die Klägerin und ihr Ehemann Einspruch ein mit der Begründung, die
Voraussetzungen für die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes seien im Streitjahr
nur für die Monate September (Begründung der glaubensverschiedenen Ehe) bis
November (Kirchenaustritt der Klägerin) erfüllt gewesen. Zudem dürfe als
Bemessungsgrundlage nur die Hälfte des gemeinsamen Einkommens zugrunde gelegt
werden. Insgesamt reduziere sich das Kirchgeld 2002 damit auf 147,27 EUR.
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Mit Entscheidung vom 08.09.2003 verwarf der Beklagte den Einspruch des Ehemanns
mangels eigener Rechtsverletzung als unzulässig. Den Einspruch der Klägerin wies er
als unbegründet zurück. Maßstab sei das gesamte Jahreseinkommen der Eheleute, die
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trotz Heirat erst im September 2002 bereits für den ganzen Veranlagungszeitraum den
Splittingvorteil in Anspruch genommen hätten; angesichts des Kirchenaustritts der
Klägerin im November sei das Kirchgeld mit 11/12 der Jahresschuld anzusetzen.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2004 hat der Beklagte erklärt, den
Kirchgeldbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit er sich
dem Rechtsschein nach gegen den Ehemann richte. Nachdem das Gericht das
Verfahren des Ehemanns abgetrennt hatte, haben die Beteiligten des abgetrennten
Verfahrens den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Die Klägerin macht weiterhin geltend, das Kirchgeld sei nur für die Monate September
bis November des Streitjahres, somit in Höhe von 3/12 von 1.560 EUR (390 EUR)
festzusetzen; in den übrigen Monaten hätten die Voraussetzungen für die
Kirchgelderhebung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 des Kirchensteuergesetzes NW (KiStG)
nicht vorgelegen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Änderung des Bescheides über die Festsetzung des besonderen
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Kirchgeldes 2002 vom 15.07.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
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vom 08.09.2003 das Kirchgeld 2002 auf 390 EUR herabzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, die Klage sei aus den in der Einspruchsentscheidung aufgeführten
Gründen unbegründet. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten mit der Wahl der
Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer erklärt, ein gemeinsames Einkommen zu
haben, das hier als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung des besonderen
Kirchgeldes diene; eine individuelle Aufteilung des Einkommens auf die beiden
Ehegatten wie bei einer getrennten Veranlagung sei nicht möglich.
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Die Klage ist begründet.
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Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, §
100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-. Das besondere Kirchgeld ist
antragsgemäß nur für die Monate September bis November (390 EUR) festzusetzen.
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Mit der Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG hat der Landesgesetzgeber die Kirchen
ermächtigt, im Rahmen ihres Rechts zur Erhebung von Kirchensteuern aufgrund
eigener, staatlich anzuerkennender Steuerordnungen (vgl. §§ 1, 16 Abs. 1 KiStG) von
Steuerpflichtigen, deren Ehegatte nicht kirchensteuerpflichtig ist – d.h. von einem
Kirchenangehörigen, der in glaubensverschiedener Ehe lebt, vgl. § 7 Abs. 1 KiStG - ein
besonderes Kirchgeld zu erheben. Von dieser Ermächtigung haben die Evangelische
Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische
Landeskirche mit der von ihnen erlassenen Kirchensteuerordnung zum 01.01.2001
Gebrauch gemacht. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 KiStO ist Bemessungsgrundlage für das
besondere Kirchgeld das zu versteuernde Einkommen der Ehegatten, das sich bei
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entsprechender Anwendung des § 51 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergibt.
Das besondere Kirchgeld wird gemäß § 11 Abs. 2 KiStO nach Maßgabe einer
Steuertabelle erhoben. Staffelung und Bemessungsgrundlage des Kirchgeldes sind für
den Beklagten in dem Kirchensteuerbeschluss vom 18.12.2000 bestimmt. Nach dem
dort festgelegten Staffeltarif beträgt bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen
zwischen 150.000 EUR und 174.999 EUR das besondere Kirchgeld jährlich 1.560
EUR. Die Bestimmungen über das besondere Kirchgeld sind, wie der Senat bereits
mehrfach entschieden hat (etwa mit Urteil vom 18.06.2004 1 K 6487/02 Ki),
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und ziehen auch nicht etwa
unzulässigerweise den nicht der Kirche angehörenden
Ehegatten zur Besteuerung des Kirchenmitgliedes heran.
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Im vorliegenden Fall ist das besondere Kirchgeld allerdings nicht mit dem Jahresbetrag
und auch nicht mit 11/12, sondern lediglich mit 3/12, d.s. 390 EUR, festzusetzen.
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Nach den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. 7 Abs. 1 KiStG, 6 Abs. 1 Nr. 5
i.V.m. 8 Abs. 1 KiStO und des Kirchensteuerbeschlusses des Beklagten wird ein
besonderes Kirchgeld von Kirchensteuerpflichtigen erhoben, deren Ehegatte keiner
steuerberechtigten Kirche angehört, mithin von Kirchenmitgliedern, die in
glaubensverschiedener Ehe leben. Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin im
Streitjahr nur für die Monate September bis November. Im Zeitraum vor September 2002
war sie noch nicht verheiratet, lebte somit nicht in glaubensverschiedener Ehe; im
Dezember war sie nach ihrem Austritt nicht mehr Kirchenmitglied.
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Eine Erhebung des besonderen Kirchgeldes bereits für den Zeitraum Januar bis August,
mithin schon vor Begründung der glaubensverschiedenen Ehe, ist nach den
Tatbestandsvoraussetzungen nicht gerechtfertigt; sie genügt nicht dem Grundsatz der
Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Nach diesem Grundsatz, der sich aus dem
Rechtsstaatsprinzip ableitet, dürfen Steuern nur erhoben werden, wenn der Tatbestand
verwirklicht ist, an den das Gesetz – bzw. hier der staatlich anerkannte
Kirchensteuerbeschluss (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.12.1965 1
BvR 606/60, Bundessteuerblatt I 1966, 196) - die Steuerpflicht knüpft (vgl. Tipke/Kruse,
AO und FGO, § 3 AO Tz. 33 ff.).
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Eine Ausdehnung des Erhebungszeitraums auf die Zeit vor Begründung der
glaubensverschiedenen Ehe kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin
- trotz Eheschließung erst im September - bei der Einkommensteuerveranlagung den
Splittingtarif bereits für das gesamte Streitjahr hat in Anspruch nehmen können. Denn
die Möglichkeit, für den ganzen Veranlagungszeitraum eine Zusammenveranlagung
nach § 26 b EStG zu wählen und die Einkommensteuer nach der Splitting-Tabelle
gemäß § 32 a Abs. 5 EStG berechnen zu lassen, besteht nach der Regelung des § 26
Abs. 1 Satz 1 EStG schon dann, wenn die Ehe zu irgendeinem Zeitpunkt im
Veranlagungszeitraum bestanden hat und die Eheleute nicht dauernd getrennt gelebt
haben. Die Durchführung einer Zusammenveranlagung mit Splittingtarif für das gesamte
Jahreseinkommen beider Ehegatten trotz Bestehens der Ehe nur während eines Teils
des Veranlagungszeitraums ist somit ausdrücklich gesetzlich geregelt; mit dieser
Bestimmung hat der Gesetzgeber Eheleute für Zwecke der Einkommensbesteuerung
begünstigt. Eine vergleichbare gesetzliche Regelung zur Erhebung des besonderen
Kirchgeldes besteht demgegenüber nicht; die kirchensteuerrechtlichen Bestimmungen
stellen insoweit allein auf das Bestehen einer glaubensverschiedenen Ehe ab, ohne
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aber festzulegen, dass bei Bestehen der Ehe nur während eines Teils des
Veranlagungszeitraums das besondere Kirchgeld gleichwohl für das gesamte Jahr
erhoben werden kann. Ebenso wenig enthält das Kirchensteuerrecht hierzu eine
Verweisung auf die einkommensteuerrechtlichen Regelungen. Eine - für den
Kirchensteuerpflichtigen nachteilige - entsprechende Anwendung des § 26 EStG im
Sinne einer Erstreckung der Kirchgelderhebung auf den gesamten Zeitraum der
Zusammenveranlagung ohne kirchensteuerrechtliche Grundlage scheidet nach dem
Rechtsstaatsprinzip aus. Sie widerspräche auch dem Gedanken der
Kirchgelderhebung, den Lebensführungsaufwand des in glaubensverschiedener Ehe
lebenden Kirchenangehörigen zu erfassen, der sich durch das Einkommen des
Ehegatten, mit dem er in einer Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs lebt, erhöht
hat (vgl. etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 22.01.2002 I B 18/01,
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV- 2002,
674); eine derartige Erhöhung des Lebensführungsaufwands der Klägerin mit der
Eheschließung im September 2002 kann nicht für die Monate Januar bis August 2002
zurückwirken.
Allerdings war die Klägerin auch schon vor ihrer Eheschließung Kirchenmitglied und
damit kirchensteuerpflichtig, § 3 KiStG. Für den Zeitraum Januar bis August 2002 kam
eine Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer in Betracht, vgl. §§
4 Abs 1 Nr. 1 a KiStG, 6 Abs. 1 Nr. 1 a KiStO; die Zuschlagsteuer beträgt hier 0 EUR.
Weil in diesem Teil des Veranlagungszeitraums die im September 2002 geschlossene
glaubensverschiedene Ehe der Klägerin noch nicht berücksichtigt werden darf, ist für
die Berechnung der Zuschlagsteuer allein auf das Einkommen der Klägerin selbst
abzustellen. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides 2002 vom 15.07.2003
unterschritt das anteilige zu versteuernde Einkommen der Klägerin für die Monate
Januar bis August (unter Berücksichtigung der auf sie entfallenden Einkünfte,
Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen) den Grundfreibetrag, der
bezogen auf das Streitjahr für die Grundtabelle 7.205 EUR betrug.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der FGO.
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