Urteil des FG Düsseldorf vom 14.08.2007

FG Düsseldorf: gewinnausschüttung, eigenkapital, kapitalgesellschaft, verrechnung, stadt, körperschaft, bilanz, hinzurechnung, auflage, unterliegen

Finanzgericht Düsseldorf, 6 K 3202/04 F
Datum:
14.08.2007
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 3202/04 F
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1
Die Klägerin ist eine GmbH, die den Handel mit Erzeugnissen aller Art, insbesondere
Stahlerzeugnissen, betreibt. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr zum 30.09.
Alleingesellschafterin der Klägerin ist die "J" S.A. Luxemburg.
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Eine Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 02.01.2002 beschloss eine
Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 in Höhe von 341.580,00 DM
(174.647,08 Euro). Nach den Angaben der Klägerin in der entsprechenden
Kapitalertragsteueranmeldung ist die Auszahlung am 09.01.2002 erfolgt.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25.03.2002 zwischen der Klägerin, der Firma
"T-GmbH", einer ebenfalls 100 %-igen Tochtergesellschaft der "J" S.A. und der "E" S.A.,
wurde die Verschmelzung der "T-GmbH" durch Aufnahme in der Weise beschlossen,
dass diese ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung
ohne Abwicklung gemäß § 2 Nr. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG) auf die Klägerin gegen
Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch
Aufnahme) zum Stichtag 30.09.2001 übertrug. In § 1 Abs. 3 des Vertrages war
ausdrücklich geregelt, dass die Übernahme des Vermögens der "T-GmbH" im
Innenverhältnis mit Wirkung zum Ablauf des 30.09.2001 erfolgen sollte und vom
01.10.2001 an alle Handlungen und Geschäfte der "T-GmbH" als für Rechnung der
Klägerin vorgenommen gelten sollten. Gemäß § 2 Abs. 1 des Verschmelzungsvertrages
gewährte die Klägerin der "J" S.A. als Gegenleistung für die Übertragung des
Vermögens einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 25.000,00 Euro (Erhöhung des
Stammkapitals von bislang 1.022.800,00 Euro auf 1.047.800,00 Euro).
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In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2001 erklärte die Klägerin zwar die
Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr mit dem Betrag von 341.580,00 DM, nicht
aber den Tatbestand der Verschmelzung.
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Das Finanzamt "C-Stadt" (FA) setzte daraufhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) die Körperschaftsteuer 2001 unter
Berücksichtigung eines Minderungsbetrages aus der Gewinnausschüttung unter
Berücksichtigung der zum 30.09.2001 festgestellten Teilbeträge des verwendbaren
Eigenkapitals fest (EK 45: 74.080,00 DM; EK 40: 211.268,00 DM).
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Mit der Vorlage der Steuererklärungen für das Folgejahr 2002 beantragte die Klägerin
mit Schreiben vom 10.06.2003 "von Amts wegen die Verschmelzung mit der "T-GmbH"
bezüglich des steuerlichen Einlagekontos zu berücksichtigen".
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Das FA änderte daraufhin den Bescheid über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Körperschaftsteuergesetz a. F. (KStG) zum
30.09.2001 in der Weise, dass es die für die "T-GmbH" zu diesem Stichtag festgestellten
Teilbeträge (EK 40: ./. 176.706,00 DM; EK 02: ./. 725.256,00 DM; EK 03: ./. 3,00 DM;
EK 04: 1.087.043,00 DM) mit den für die Klägerin erklärten Teilbeträgen saldierte.
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Gegen diese Feststellungen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage, nachdem der
Einspruch insoweit erfolglos geblieben ist. Die Klägerin ist der Auffassung, das FA habe
durch die Saldierung der Eigenkapitalbestände zum 30.09.2001 der zeitlich vor der
Verschmelzung beschlossenen offenen Gewinnausschüttung der Klägerin nachträglich
die Grundlage entzogen. Statt einer Körperschaftsteuerminderung aus dem
Ausschüttungstatbestand in Höhe von 55.532,00 DM (erster
Körperschaftsteuerbescheid vom 23.09.2002) habe sich durch die Änderung vom
17.10.2003 per Saldo eine Körperschaftsteuererhöhung von 64.016,00 DM ergeben.
Unter Berücksichtigung der vorliegend gegebenen Zeitfolge zwischen dem
Ausschüttungsbeschluss und der nachfolgenden Verschmelzung dürfe eine
Hinzurechnung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals der verschmolzenen
Gesellschaft erst nach der Herstellung der Ausschüttungsbelastung durch die
vollzogene Ausschüttung vorgenommen werden. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung
beruft sich die Klägerin auf Widmann (Umwandlungssteuergesetz, § 12 Rn. 111), der
die Auffassung vertrete, der Negativbetrag beim vollbelasteten verwendbaren
Eigenkapital der Überträgerin führe nicht zur Verrechnung mit den mit
Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträgen der Übernehmerin. Auf der Grundlage
dieser Auffassung sei die Verrechnung infolge der Verschmelzung erst nach der
Abbildung der vollzogenen offenen Gewinnausschüttung in den nachrichtlichen
Angaben des Feststellungsbescheides zum 30.09.2001 abzubilden (auf die Darstellung
der Klägerin in der Klagebegründung vom 14.06.2004, Blatt 7, wird im Einzelnen Bezug
genommen).
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Mit Schreiben vom 17.04.2007 hat der Vorsitzende des Senat die Beteiligten u. a. darauf
hingewiesen, dass die Ermittlung der Körperschaftsteuerminderungs-, -
erhöhungsbeträge zweifelhaft sei, soweit sich eine Körperschaftsteuererhöhung infolge
der Festschreibungsregelung gemäß § 28 Abs. 4 KStG a. F. ergeben habe. Auf den
Inhalt des Schreibens wird im Einzelnen Bezug genommen.
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Der Beklagte – als nunmehr örtlich zuständiges Finanzamt hat daraufhin u. a. einen
Änderungsbescheid zur Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47
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Abs. 1 KStG a. F. zum 30.09.2001 erteilt, in dem – bei geänderten Anfangsbeständen
infolge eines geänderten Bescheids zum 30.09.2000 vom 11.05.2007 – die Saldierung
mit den bezeichneten – für die "T-GmbH" zum 30.09.2001 festgestellten – Teilbeträgen
weiterhin ausgewiesen ist. Im nachrichtlichen Teil ergibt sich nunmehr die Ermittlung
einer Körperschaftsteuerminderung von insgesamt 22.462,00 DM (festgesetzte
Körperschaftsteuerminderung gemäß Körperschaftsteuerbescheid für 2001 vom
11.05.2007).
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 47 KStG a.F. zum 30.09.2001 vom 11.05.2007 dahingehend zu ändern,
dass bei der Feststellung die Zurechnung des verwendbaren Eigenkapitals der
übertragenden Gesellschaft erst nach der Berücksichtigung der
Körperschaftsteuerminderung/-erhöhung bei der Klägerin als übernehmende
Gesellschaft erfolgt;
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hilfsweise,
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die Revision zuzulassen.
15
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist weiterhin der Auffassung, dass auch negative Teilbeträge des verwendbaren
Eigenkapitals der Übernehmerin mit positiven Teilbeträgen der Überträgerin bei der
Verschmelzung zusammenzufassen seien.
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Der Beklagte beruft sich im Übrigen auf das Schreiben des Bundesministers der
Finanzen vom 25.03.1998 zu Zweifels- und Auslegungsfragen zum
Umwandlungssteuergesetz (Bundessteuerblatt – BStBl. – I 1998, 268) sowie auf die
Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 27.05.2004.
19
Das Gericht hat den Beteiligten mit Schreiben vom 15.06.2007 mitgeteilt, dass es von
einem Beteiligtenwechsel auf der Seite des beklagten Finanzamts ausgeht, da aufgrund
der geänderten örtlichen Zuständigkeit nunmehr das beklagte Finanzamt "C2-Stadt" den
Änderungsbescheid vom 11.05.2007 erlassen hat.
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid zur Feststellung des verwendbaren
Eigenkapitals der Klägerin zum 30.09.2001 zutreffend eine Saldierung der
Eigenkapitalbestände der Klägerin mit den für die "T-GmbH" zum 30.09.2001
festgestellten Beständen vorgenommen und dabei insbesondere auch den positiven
Teilbetrag der Klägerin im EK 40 (+ 196.595 DM) mit dem negativen für die "T-GmbH"
festgestellten Teilbetrag im EK 40 (./. 176.706 DM) verrechnet.
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Gemäß § 38 Satz 1 KStG a.F. war für den Fall der Verschmelzung zweier
Kapitalgesellschaften bestimmt, dass die nach den §§ 30 – 37 KStG a.F. ermittelten
Eigenkapitalanteile der übertragenen Kapitalgesellschaft den entsprechenden
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Teilbeträgen der übernehmenden Körperschaft hinzuzurechnen sind.
Die mit dem notariell beurkundetem Betrag vom 25.03.2002 vereinbarte Verschmelzung
der "T-GmbH" auf die Klägerin, die nach § 1 Satz 3 des Vertrages mit Wirkung zum
Ablauf des 30.09.2001 erfolgen sollte, hatte somit zu Folge, dass zu diesem
Übertragungsstichtag die "Hinzurechung" der Eigenkapitalanteile der übertragenden
Kapitalgesellschaft bei der Klägerin als übernehmender Kapitalgesellschaft
vorzunehmen war.
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Nach § 2 Abs. 1 Umwandlungssteuergesetz – UmwStG – ist das Vermögen der
übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob dieses
Vermögen mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde
liegt (steuerrechtlicher Übertragungsstichtag), auf die Übernehmerin übergegangen ist;
es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine gesetzliche Fiktion, nach der unabhängig
vom Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensübergangs auf den übernehmenden
Rechtsträger grundsätzlich der Stichtag der der Umwandlung zugrunde liegenden
Bilanz der steuerlich maßgebliche Übertragungsstichtag sein soll (vgl. BFHUrteil vom
22.09.1999 II R 33/97, BFHE 189, 533, Bundesteuerblatt – BStBl. – II 2000, 2; FG Berlin,
Urteil vom 28.07.2003 – 8 K 8565/00, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG –
2004, 70, rechtskräftig, mit Anmerkung Trossen).
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Dies hat zur Folge, dass auch negative Eigenkapitalbestände bei der übertragenden
Kapitalgesellschaft mit positiven Eigenkapitalbeständen bei der übernehmenden
Kapitalgesellschaft zum Übertragungsstichtag zu verrechnen sind (vgl. Dötsch in
Dötsch, Jost, Pung, Witt, Die Körperschaftsteuer, § 38 KStG a.F. Rdnr. 24; Danelsing in
Blümich, EStG – KStG – GewStG und Nebengesetze, § 38 KStG a.F. Rdnr. 28 f.).
Soweit demgegenüber Widmann (in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Lfg 11/03, §
12 UmwStG, Tz. 111), Sagasser (in Sagasser, Buhla, Brünger, Umwandlungen,
3. Auflage, L Rdnr. 43) und Streck (KStG 5. Auflage § 38 Tz. 5) die Auffassung vertreten,
ein Negativbetrag beim vollbelasteten Eigenkapital bei der übertragenden Gesellschaft
führe nicht zur Verrechnung mit dem maßgebenden für die übernehmende Gesellschaft
festgestellten Teilbetrag, vielmehr führe die Hinzurechnung gemäß § 38 Abs. 1 KStG
a.F. lediglich dazu, dass die Übernehmerin den negativen Betrag zu übernehmen und
so fortzuführen habe, als sei er bei ihr angefallen, folgt der Senat dem nicht.
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Soweit Widmann (a.a.O.) darauf abstellt, es sei zu berücksichtigen, dass nicht
abziehbare Ausgaben im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F. den Negativbestand
verursacht hätten, ist dieser Entstehungsgrund für die Frage der Verrechnung im
Zeitpunkt des Übertragungsstichtags nicht maßgeblich. Denn dieser Umstand kann
systematisch nicht dazu führen, für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der
Verschmelzung im Eigenkapital der übernehmenden Kapitalgesellschaft für das mit
Körperschaftsteuer belastete Eigenkapital (hier EK 40) einen positiven und einen
weiteren negativen Teil getrennt fortzuführen. Denn gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F.
sind lediglich einheitliche Einkommensteile, die nach dem 31.12.1993 der
Körperschaftsteuer ungemildert unterliegen, festzustellen. Da die Verschmelzung auf
den Übertragungsstichtag 30.09.2001 wirkt, sind damit auch einheitlich die
Eigenkapitalbestände der übertragenden Gesellschaft und der Klägerin in der Weise
zusammenzuführen, dass die für die "T-GmbH" festgestellten negativen Kapitalanteile
gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 KStG a.F. mit dem positiven Eigenkapital der Klägerin auf den
Stichtag zu saldieren sind.
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Soweit die Klägerin geltend macht, die Körperschaftsteuerminderung infolge der im
Januar 2002 vollzogenen offenen Gewinnausschüttung sei vor dieser Verrechnung der
Eigenkapitalbestände vorzunehmen, ist dies abzulehnen.
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Die Gewinnausschüttung, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften
entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für das Wirtschaftsjahr 2000/2001
beruhte, war mit dem verwendbaren Eigenkapital zum Schluss des letzten vor dem
Gewinnverteilungsbeschluss abgelaufenen Wirtschaftsjahres zu verrechnen (§ 28 Abs.
2 Satz 1 KStG a.F.). Dies war das festgestellte Eigenkapital zum 30.09.2001. Die
entsprechende Ermittlung der Körperschaftsteuerminderungs, erhöhungsbeträge war
allerdings nicht Gegenstand der verbindlichen Regelung des im Klageverfahren
angefochtenen Feststellungsbescheids gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. auf den
30.09.2001. Die Ermittlung erfolgt vielmehr im sog. nachrichtlichen Teil und führte zur
verbindlichen Feststellung der Körperschaftsteuerminderungsbeträge im zuletzt
maßgebenden Feststellungsbescheid vom 11.05.2007 gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 d KStG
a.F. Es ist deshalb nicht zulässig, für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung aus
der im Januar 2002 und damit noch vor Abschluss des Verschmelzungsvertrages vom
25.03.2002 abgeflossenen Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 für
Zwecke der Ermittlung der Körperschaftsteuerminderung, erhöhung einen
"Zwischenstand" der Bestände des verwendbaren Eigenkapitals vor Verrechnung des
Eigenkapitals der übertragenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft
festzustellen.
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Auf den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2
Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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