Urteil des FG Düsseldorf vom 04.10.2006

FG Düsseldorf: treu und glauben, erlass, zusage, einkünfte, festsetzungsverjährung, dispositionen, einspruch, behörde, zukunft, bindungswirkung

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 391/06 F
Datum:
04.10.2006
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 391/06 F
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
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Gemäß der im Jahr 2000 von der Klägerin eingereichten Einkommensteuererklärung
1999 hatte der Beklagte die Veranlagung durchgeführt und den
Einkommensteuerbescheid 1999 vom 23.11.2000 erlassen. Dieser setzte bei einem
Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 33.339,-- DM eine Einkommensteuer von 0,--
DM fest. Einen Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 Einkommensteuergesetz – EStG –
aus ihrer Beteiligung an der "G" GmbH (GmbH) in "I" hatte die Klägerin für das Streitjahr
nicht erklärt. Der Einkommensteuerbescheid 1999 wurde bestandskräftig.
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Mit Einreichung der Einkommensteuererklärung 2000 begehrte die Klägerin nunmehr
erstmalig die Anerkennung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG in Höhe von
106.917,-- DM (später dann in Höhe von 151.197,09 DM) aus vorgenannter GmbH. Der
Beklagte erkannte den Verlust jedoch nicht für das Veranlagungsjahr 2000 an, da
seines Erachtens nach dieser Verlust bereits im Veranlagungsjahr 1999 entstanden und
folglich für dieses Jahr steuerlich festzustellen war. Der hiergegen gerichtete Einspruch
blieb ohne Erfolg; gegen die abweisende Einspruchsentscheidung vom 29.10.2004
erhob die Klägerin Klage, die beim erkennenden Senat unter dem Az: 13 K 6500/04 E
anhängig ist. Im Rahmen dieses Klageverfahrens führte der Beklagte in seinem
Schreiben vom 08.06.2005 u.a. wie folgt aus: Der Klägervertreter räumt nunmehr ein,
dass ein Veräußerungsverlust im Veranlagungszeitraum 1999 zu berücksichtigen ist.
Dazu ist im Rahmen einer zu beantragenden und auch durchzuführenden gesonderten
Verlustfeststellung zum 31.12.1999 noch Gelegenheit, da für die nachfolgenden
Veranlagungszeiträume noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Eine Klage
gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 begründet das allerdings nicht.
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Unter Bezugnahme auf dieses Beklagtenschreiben beantragte die Klägerin den Erlass
eines Verlustfeststellungsbescheides auf den 31.12.1999. Mit Verfügung vom 18.
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11.2005 lehnte der Beklagte den Antrag jedoch mit der Begründung ab, dass wegen des
Ablaufs der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1999 eine erstmalige
Feststellung eines Verlustes im Verlustentstehungsjahr nicht mehr in Betracht komme.
Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Gegen die abweisende
Einspruchsentscheidung vom 30.12.2005 richtet sich die Klage, mit der die Klägerin
vorträgt:
Mit Schreiben vom 08.06.2005 habe der Beklagte eine schriftliche Zusage gegeben,
dass er auf ihren, der Klägerin, Antrag hin einen Verlustfeststellungsbescheid zum 31.
12.1999 erlassen werde. Daran sei das Finanzamt nunmehr gebunden. Aus dem vom
Beklagten benannten Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH – vom 16.11.2000, XI R 28/99
(Bundessteuerblatt – BStBl – II 2001, 303) ergebe sich nichts gegenteiliges. Im Übrigen
hätte das Finanzamt auch ohne Antrag den Einkommensteuerbescheid 1999 gemäß §
173 Abgabenordnung – AO – in 2004 ändern und den verbleibenden Verlust feststellen
müssen.
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Die Klägerin beantragt, den Beklagten dahingehend zu verurteilen, dass die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und der Verlustfeststellungsbescheid auf den
31.12.1999 zu erlassen ist.
6
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, dass der steuerliche Berater der Klägerin zur Sicherung
des Rechtsschutzes seiner Mandantin spätestens nach Kenntnis der
Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 2000, folglich noch vor Ablauf der
Verjährungsfrist in 2004 für die Einkommensteuer 1999, wenn auch ggf. nur vorsorglich,
die Verlustfeststellung auf den 31.12.1999 hätte beantragen müssen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet.
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Die Klage ist unbegründet.
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Zu Recht hat der Beklagte den Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides auf den
31.12.1999 abgelehnt, da wegen Verjährung der Einkommensteuer 1999 eine
Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 1999 nicht mehr in Betracht kommt und
eine rechtsverbindliche Zusage auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides auf den
31. 12.1999 sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 08.06.2005 nicht ergibt.
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Im Streitfall kann der erkennende Senat letztlich dahin gestellt sein lassen, ob der
Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG aus der Beteiligung der Klägerin an der "G" GmbH
statt im Veranlagungsjahr 2000 bereits im Streitjahr 1999 zu erfassen gewesen wäre.
Denn schon aus Verjährungsgründen kann der Klage auch bei Unterstellung der
Entstehung des Auflösungsverlustes in 1999 nicht stattgegeben werden.
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Die vierjährige Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1999 endete mit Ablauf des
31.12.2004, da die entsprechende Einkommensteuererklärung 1999 im Jahr 2000 von
der Klägerin beim Beklagten eingereicht worden war (§§ 169 Abs. 2 Nr.2, 170 Abs. 2 Nr.
1 AO) und der hierauf erlassene Einkommensteuerbescheid 1999 vom 23.11.2000
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bestandskräftig wurde. Eine Aufhebung oder Änderung des
Einkommensteuerbescheides 1999 vom 23.11.2000 war somit ab dem Jahr 2005
wegen Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Da nach zutreffender,
höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch Voraussetzung für den erstmaligen Erlass
eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 3
Satz 4 im Verlustentstehungsjahr ist, dass der zugrundeliegende – bisher keinen Verlust
ausweisende – Einkommensteuerbescheid noch entsprechend geändert werden kann,
kommt im Streitfall der erstmalige Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides für das
Verlustentstehungsjahr 1999 nicht mehr in Betracht. Nichts anderes folgt aus dem
Umstand, dass der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 23.11.2000 bei dem
Gesamtbetrag der Einkünfte von 33.339,-- DM eine Einkommensteuer von 0,-- DM
ausweist und somit innerhalb der Festsetzungsfrist eine Änderung des
Steuerbescheides allein mangels steuerlicher Auswirkung voraussichtlich unterblieben
wäre. Denn auch § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG setzt die Änderungsmöglichkeit des
Einkommensteuerbescheides voraus, die im Falle der Verjährung jedoch nicht mehr
gegeben ist (vgl. hierzu Bundesfinanzhof - BFH – Urteil vom 9. Dezember 1998, XI R
62/97, Bundessteuerblatt – BStBl – II- 2000, 3).
Im Übrigen leitet die Klägerin aus dem Schreiben des Beklagten vom 08.06.2005 zu
Unrecht eine bindende Zusage auf Erlass des begehrten
Verlustfeststellungsbescheides zum 31.12.1999 ab. Grundsätzlich ist nach ständiger
Rechtsprechung des BFH eine Finanzbehörde an Erklärungen außerhalb eines
förmlichen Bescheides vielmehr nicht gebunden. Eine Ausnahme von diesem
Grundsatz besteht nach Treu und Glauben nur dann, wenn entweder eine – hier
offensichtlich nicht in Betracht kommende – "tatsächliche Verständigung" getroffen
worden ist oder die Behörde dem Steuerpflichtigen eine bestimmte Sachbehandlung
verbindlich zugesagt hat. Eine solche verbindliche Zusage kann sich einmal aber nur
auf die Behandlung eines in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhaltes beziehen und
zum anderen setzt die Bindungswirkung einer Zusage voraus, dass der Steuerpflichtige
auf die Erklärung der Behörde vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen
hat (vgl. z. B. BFH Urteil vom 31. März 2004, I R 71/03, BStBl II 2004, 742). Beide
Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Denn der hier maßgebliche
Sachverhalt der Verlustentstehung 1999 liegt bereits lange in der Vergangenheit und
zudem sind keinerlei Dispositionen der Klägerin erkennbar und wurden von ihr auch
nicht vorgetragen, die sie im Vertrauen auf die Aussage des Beklagten in seinem
Schreiben vom 08.06.2005 getroffen hätte. Insbesondere hat die Klägerin auch keinen
verfahrensrechtlichen Besitzstand im Rahmen des Klageverfahren unter dem Az: 13 K
6500/04 E wegen des Jahres 2000 aufgegeben, denn die Klägerin hat die Klage trotz
des vg. Schreibens in gleicher Weise wie bisher fortgeführt (vgl. BFH Urteil vom
29.10.1987, X R 1/80, BStBl II 1988, 121). Ob anders zu entscheiden gewesen wäre,
wenn die Klägerin im Hinblick auf das Schreiben vom 08.06. 2005 die Klage unter dem
Az: 13 K 6500/04 E wegen des Jahres 2000 zurückgenommen hätte, braucht hier aber
nicht weiter ausgeführt zu werden, da ein derartiger Sachverhalt im Streitfall nicht
vorliegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.
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