Urteil des FG Düsseldorf vom 27.03.2007

FG Düsseldorf: rückstellung, eintragung im handelsregister, aufwand, verlustvortrag, stammkapital, wichtiger grund, wertberichtigung, einkünfte, vergleich, gesellschafterversammlung

Finanzgericht Düsseldorf, 3 K 4024/05 F
Datum:
27.03.2007
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 4024/05 F
Tenor:
Der Bescheid für 1998 über die gesonderte und einheitliche Feststellung
der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vom 19.7.2004 wird dahingehend
geändert, dass die Einkünfte (Verlust) mit ./. 11.240.342 DM festgestellt
werden. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
1. Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der U GmbH
3
Mit Gesellschaftsvertrag vom 22.12.1983 (Einlegeblatt Nr. 1 Vertragsakte - VA- der
Klägerin) wurde die U- GmbH mit einem Stammkapital von 150.000 DM gegründet, das
zu gleichen Teilen von den 3 Gesellschaftern übernommen wurde.
4
Das Stammkapital wurde im Jahr 1989 auf 1.500.000 DM (Nr. 2 VA) und im Jahr 1993
auf 3.000.000 DM (Nr. 3 VA) erhöht. Alleingesellschafterin der U - GmbH war im Jahr
1997 die U KG (Nr.4 VA). Im Jahr 1997 wurde das Stammkapital der U - GmbH auf
8.000.000 DM (Nr. 4 VA) erhöht, Alleingesellschafterin blieb die U KG. Im Jahr 1998
wurde das Stammkapital auf 10.000.000 DM (Nr. 5 VA) erhöht. Die U KG war daran mit
9.999.500 DM und die GmbH mit 500 DM beteiligt (Bl. 6 VA) . Am 16.12.1998 wurde das
Stammkapital der U-GmbH auf 14.000.000 DM (Bl. 7 VA) erhöht. Der neue Anteil wurde
in voller Höhe von der U KG übernommen. Am gleichen Tag wurde mit Rückwirkung
zum 1.1.1998 zwischen der U - GmbH und der U KG ein Ergebnisabführungsvertrag (Bl.
8 VA) abgeschlossen, der am 12.1.1999 ins Handelsregister eingetragen wurde, um
zwischen beiden Gesellschaften eine körperschaftsteuerliche Organschaft zu
begründen. In dem Vertrag, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird,
heißt es unter anderem:
5
.......
6
§ 2
7
Gewinnabführung
8
.......
9
Abzuführen ist - vorbehaltlich der Bildung oder Auflösung von Rücklagen nach Absatz 2
- der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen
etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr........
10
Die Bilanz der U - GmbH wies zum 1.1.1998 einen Verlustvortrag von 5.567.000 DM
aus. Im Jahr 1998 erwirtschaftete die U - GmbH einen Verlust (vor Berücksichtigung der
Organschaft) von 2.615.000 DM.
11
Am 23. 9.1999 wurde die Umwandlung (Einlegeblatt 1 Feststellungsakte - F- Akte- der
Klägerin) der U KG in die U GmbH & Co KG (im folgenden Klägerin), die Klägerin
dieses Verfahrens, ins Handelsregister eingetragen.
12
Im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus
Gewerbebetrieb der Klägerin für das Jahr 1998 wurde unter anderem der Verlust der U -
GmbH aus dem Jahr 1998 in Höhe von 2.605.639 DM als Ergebnisübernahme infolge
des Organschaftsverhältnisses MIT der U - GmbH gewinnmindernd berücksichtigt. Der
gem. § 164 Abgabenordnung - AO - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende
Bescheid wurde in der Folgezeit mehrfach aus hier nicht streitigen Gründen geändert.
13
Im Jahr 1999 erzielte die U- GmbH einen Gewinn von 2.756.632 DM (vor
Berücksichtigung der Organschaft). Ausweislich des am 12.5.2000 unterschriebenen
Jahresabschlusses betrug der Jahresüberschuss der U- GmbH laut Gewinn- und
Verlustrechnung im Jahr 1999 DM 0, weil aufgrund des Gewinnabführungsvertrages mit
der Klägerin ein Betrag von 2.756.632 DM "abgeführt worden war". Ausweislich eines
Schreibens der steuerlichen Berater der Klägerin vom 15.10.2004 (siehe Bl. 16 Ordner
Einspruchsverfahren der Klägerin) wurde die Gewinnabführung so umgesetzt, dass der
Betrag von 2.756.632 DM zum 31.12.1999 dem Verrechnungskonto der Klägerin bei der
U - GmbH gutgeschrieben wurde. In der am 12.5.2000 unterschriebenen Bilanz für das
Jahr 1999 wies dieses Konto allerdings auch nach der Gutschrift noch ein Soll von
1.841.695,57 DM aus, weshalb ein entsprechender Betrag in der Bilanz der U -GmbH im
Rahmen der Position "Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen" erfasst
wurde. Laut Bilanz der U - GmbH bestanden demgegenüber am 31.12.1999 keine
Verbindlichkeiten der U - GmbH gegenüber der Klägerin.
14
Mit Geschäftsanteilskauf - und Abtretungsvertrag vom 22.8.2000 verkaufte und übertrug
die Klägerin zunächst einen Geschäftanteil im Wert von 500 DM an die U GmbH (Bl. 9
VA). Am Stammkapital der U - GmbH war die Klägerin danach mit Geschäftsanteilen
von 13.999.000 DM (98,8 %) und die U GmbH mit Geschäftanteilen von 1000 DM (0,2
%) beteiligt. Mit demselben Vertrag veräußerte und übertrug die Klägerin Anteile am
Stammkapital der U - GmbH im Wert von 6.999.500 DM an die A GmbH (Bl. 10 VA).
Nach dieser Veräußerung waren die A GmbH und die Klägerin jeweils mit
Geschäftsanteilen von 6.999.500 ( je 49,9 %) und die U GmbH mit Geschäftsanteilen
15
von 1000 DM (0,2%) an der U - GmbH beteiligt. Alle Veräußerungen und Übertragungen
erfolgten mit Wirkung zum 1.1.2000.
In dem Vertrag (Bl. 10 VA, Seite 28) heißt es unter anderem:
16
Ab dem Stichtag stehen der Käuferin alle mit dem verkauften Geschäftsanteil
verbundenen Rechte, insbesondere Gewinnbezugsrechte zu. Ein etwaiger Gewinn des
Geschäftsjahres 1999 (bis zum 31.12.1999) oder ein etwaiger noch nicht
ausgeschütteter Gewinn früherer Geschäftsjahre steht allein der Verkäuferin zu.
17
Mit dem Vertrag vom 22.8.2000 ( Bl. 11 VA, Seite 83) wurde außerdem die U - GmbH mit
Rückwirkung zum 1.1.2000 in die U GmbH & Co KG (im folgenden U) umgewandelt.
Komplementärin war die UV GmbH mit einer Beteiligung von 500 DM am
Gesellschaftskapital, Kommanditisten waren die Klägerin und die A GmbH mit einer
Kommanditeinlage in Höhe von je 4.000.000 DM. Die Hafteinlagen wurden erbracht
durch Verrechnung mit dem Eigenkapital der U - GmbH auf den 31.12.1999 vor
Umwandlung. Der die Kommanditeinlagen übersteigende Teil des Eigenkapitals der U-
GmbH auf den 31.12.1999 sollte den in der U geführten variablen Kapitalkonten der
Gesellschafter (A GmbH, Klägerin, UV GmbH) im Verhältnis ihrer Beteiligungen
gutgeschrieben werden (Bl. 12 VA).
18
Am 25. 8. 2000 (Bl. 1 Ordner Rechtsbehelfsverfahren der Klägerin) hielt die U eine
Gesellschafterversammlung ab, in der beschlossen wurde, dass der Jahresabschluss
und der Lagebericht in der vorgelegten Form (Anm.: in der Fassung vom 12.5.2000)
festgestellt und das Jahresergebnis von der Klägerin übernommen werde. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung Bezug genommen.
19
Am 30.8.2000 wurde der Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der U
gekündigt (Eintragung im Handelsregister am 12.9.2000).
20
Am 27.8.2001 führten die Gesellschafter der U eine Gesellschafterversammlung durch.
In dem Protokoll, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es unter
anderem:
21
Im Frühjahr 2000 ist der gesamte im Geschäftsjahr 1999 bei der U GmbH angefallene
Gewinn an die damalige Alleingesellschafterin U GmbH & Co KG ausgeschüttet
worden. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass die U GmbH & Co KG 50 % der
Anteile an der U GmbH an die A GmbH veräußern würde und im Zusammenhang mit
der Veräußerung die U GmbH mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum 1.1.2000 in eine
Kommanditgesellschaft unter der Firma U GmbH & Co KG mit einem im Verhältnis zur U
GmbH um 6 Mio. DM reduzierten Gesellschaftskapital (Kommanditkapital) umgewandelt
werden würde. Im Unternehmenskaufvertrag ist zwischen der U GmbH & Co KG und der
A vereinbart worden, dass der Gewinn für das Geschäftsjahr 1999 im Innenverhältnis
allein der U GmbH & Co KG zusteht...........
22
Für den Fall, dass die U GmbH & Co KG verpflichtet gewesen sein sollte, den an sie
ausgeschütteten Gewinn der U GmbH zurückzuzahlen, ist dieser etwaige Anspruch
durch den auf den 1. 1. 2000 rückwirkend erfolgten Formwechsel in eine
Kommanditgesellschaft unter gleichzeitiger Herabsetzung des Haftkapitals um 6 Mio.
DM auf 8 Mio. DM Festkommanditkapital und wegen der fristlosen Beendigung des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages obsolet geworden.
23
Sollte dies nicht der Fall sein, sind sich sämtliche Gesellschafter der U GmbH & Co KG
darüber einig, dass aufgrund der im Unternehmenskaufvertrag getroffenen
Vereinbarung, dass der Gewinn des Geschäftsjahres 1999 allein der U GmbH & Co KG
zusteht, ein eventuell von der U GmbH & Co KG zurückgezahlter Betrag anschließend
sofort an die U GmbH & Co KG von der U GmbH & Co KG zurückzuzahlen ist.
24
Die Gesellschafter stellen fest, dass demgemäss einer etwa bestehenden Forderung der
U GmbH & Co KG auf Rückzahlung des im Jahre 2000 .......ausgezahlten
Gewinns.......der Anspruch der U GmbH & Co KG auf diesen Gewinn aus dem
Unternehmenskaufvertrag entgegensteht. Sie beschließen daher, dass ein evtl.
Rückzahlungsanspruch .............nicht geltend gemacht wird......
25
Anlässlich einer am 8.10.2001 begonnenen Außenprüfung bei der U ging der Prüfer
davon aus, dass die Organschaft wegen der dem Ergebnisabführungsvertrag
widersprechenden Verwendung des Gewinns nicht durchgeführt worden sei und
deswegen für die Jahre 1999 und 1998 nicht anerkannt werden könne. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 21.10.2003 Bezug genommen.
26
Die steuerlichen Berater der U beantragten mit Schreiben vom 10.5.2004 die
Berichtigung der Bilanz der U auf den 31.12.1999. Sie reichten dazu das Protokoll einer
Gesellschafterversammlung der U vom 7.4.2004 zu den Akten, auf das wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird und in dem es unter anderem heißt:
27
..... Der Jahresabschluss der U GmbH & Co KG, vormals U GmbH, für das Geschäftsjahr
1999 wird hiermit gem. Anlage A 1 dahingehend berichtigt, dass der Jahresüberschuss
in Höhe von 2.756.632,33 DM mit dem bestehenden Verlustvortrag zum 1.1.1999 in
Höhe von 5.566.773,95 DM verrechnet wird. Der verbleibende Verlust von 2.810.141,62
DM wird auf neue Rechnung vorgetragen. Der Gesellschafterbeschluss vom 27.8.2001
wird durch die vorgenannten Beschlüsse nicht berührt, sondern bleibt inhaltlich
vollständig bestehen und wird hiermit bestätigt.....
28
Die steuerlichen Berater legten außerdem eine von der ursprünglichen Bilanz auf den
31.12.1999 insoweit abweichende Bilanz vor, als nunmehr unter der Position
Eigenkapital der Jahresüberschuss nicht mehr mit 0 DM, sondern mit 2.756.632 DM
ausgewiesen war. Der Bilanzposten "Forderungen gegenüber verbundenen
Unternehmen" war um den Betrag von 2.756.632 DM erhöht worden.
29
Der Beklagte folgte hingegen den Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht und erließ
am 17.5.2004 geänderte Bescheide für die U für die Jahre 1998 und 1999, in denen die
Organschaft nicht mehr berücksichtigt und das Ergebnis der Jahre 1998 und 1999 als
eigenes Einkommen der U besteuert wurde. Die Steuererklärungen für diese Jahre
waren von der U im Jahr 1999 für 1998 und im Jahr 2000 für das Jahr 1999 abgegeben
worden. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob U gegen die Bescheide Klage (6
K 208/06), die mit Schriftsatz vom 11.4.2006 zurückgenommen wurde. Das Verfahren
wurde mit Beschluss vom 18.4.2006 eingestellt.
30
Der Beklagte berichtigte außerdem, - neben anderen Bescheiden - auch die Bescheide
über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns der Klägerin für die
Jahre 1998 und 1999 durch Bescheide vom 19.7.2004 und machte dort ebenfalls die
bisher erfolgte Berücksichtigung des Organschaftsverhältnisses mit U rückgängig.
31
Gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns für
das Jahr 1998 wurde im Zeitpunkt des Ergehens der Änderungsbescheide aus hier
nicht streitigen Gründen bereits ein Einspruchsverfahren geführt.
Gegen den Änderungsbescheid vom 19.7.2004 trugen die steuerlichen Berater der
Klägerin hinsichtlich des Sachverhaltes Organschaft unter Bezugnahme auf ihr
Vorbringen zum Antrag auf Berichtigung der Bilanz der U auf den 31.12.1999 und im
Einspruchsverfahren gegen die geänderten Bescheide gegenüber der U vor:
32
Das Organschaftsverhältnis sei anzuerkennen, denn der Ergebnisabführungsvertrag sei
ordnungsgemäß durchgeführt worden.
33
Der Jahresüberschuss sei aufgrund eines Buchungsfehlers in der Bilanz der U nicht mit
dem Verlustvortrag verrechnet worden. Der Buchungsfehler sei damit zu erklären, dass
in dem Anteilskaufvertrag bestimmt worden sei, dass das Ergebnis des Jahres 1999 im
Innenverhältnis allein der Klägerin zustehen sollte, die Käuferin A hingegen an der
durch den Gewinn des Jahres 1999 verursachten Verringerung des Verlustvortrages
nicht partizipieren sollte. Bei der Kaufpreisfindung sei das um den ungeschmälerten
Verlustvortrag verminderte Eigenkapital der U berücksichtigt worden. Zwischen den
Vertragsparteien hätte Einigkeit darüber bestanden, dass die Käuferin entweder einen
höheren Kaufpreis zahlen oder der Klägerin allein die Entnahme des Gewinns des
Jahres 1999 gestatten müsse. Die Käuferin habe sich für die zweite Variante
entschieden.
34
Diese Entscheidung sei bei Aufstellung der Bilanz für das Jahr 1999 bereits bekannt
gewesen, denn die Kaufvertragsverhandlungen seien seit Anfang des Jahres 1999
geführt worden. Irrtümlicherweise sei das Recht der Klägerin zur Entnahme des
Gewinns bereits in den Jahresabschluss auf den 31.12.1999 eingeflossen.
35
Richtigerweise hätte erst in der Eröffnungsbilanz der U zum 1.1.2000 eine Forderung
der Klägerin gegen U in Höhe des Gewinns des Jahres 1999 erfasst werden dürfen.
36
Die unrichtige Buchung verstoße gegen zwingende Bilanzierungsvorschriften, denn
nach § 301 Aktiengesetz - AktG -, der nach h. M. auch für die GmbH Anwendung finde,
dürfe ein Jahresüberschuss so lange ausschließlich gegen Verlustvortrag gebucht
werden, bis der Vortrag aufgezehrt sei.
37
Dieser unrichtige Bilanzansatz sei zu berichtigen gewesen. Entsprechend sei eine
geänderte Bilanz für U eingereicht worden. Die aufgrund der unrichtigen Bilanz
gegenüber U ergangenen Steuerbescheide seien unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
erlassen worden und hätten deshalb im Zeitpunkt des Antrages auf Bilanzänderung
noch berichtigt werden können.
38
Bauvorhaben L KG
39
Die Klägerin hatte am 16.12.1998 auch mit der X GmbH ( im folgenden X GmbH) einen
Ergebnisabführungsvertrag mit Rückwirkung zum 1.1.1998 abgeschlossen.
40
Die X GmbH führte für die L GmbH & Co KG (im folgenden L KG) mehrere Bauvorhaben
durch.
41
Wegen aller Bauvorhaben bestanden zwischen der X GmbH und der L KG im Jahre
1998 Streitigkeiten. Die zu diesem Zeitpunkt noch offenen Restforderungen aus den
Bauvorhaben in Höhe von 1.080.346,99 DM brutto und in Höhe von 860.569,45 DM
brutto hatte die X GmbH im Jahre 1998 klageweise geltend gemacht. Wegen der
Restforderungen der X GmbH aus dem Bauvorhaben in Höhe von 828.128,22 DM brutto
und von 2.141.814,41 DM brutto waren im Jahr 1998 Beweissicherungsverfahren von
der L KG angestrengt worden. Alle Verfahren dauerten am 31.12.1998 noch an, die L
KG hatte in beiden Klageverfahren Abweisung der Klage beantragt und dies zum Teil
mit Baumängeln, zum Teil aber auch mit der Aufrechnungsmöglichkeit aufgrund eigener
Gegenansprüche begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderungen
(Bl. 100 ff GA) Bezug genommen.
42
In der Bilanz der X GmbH zum 31.12.1998 wurden die bereits zum 31.12.1997
gebildeten Einzelwertberichtigungen der Forderungen gegen die L KG aus den
Bauvorhaben beibehalten. Weitere Einzelwertberichtigungen der gegen die L KG aus
diesen Bauvorhaben bestehenden Forderungen erfolgten nicht.
43
Am 11.12.2000 schlossen die X GmbH und die XB GmbH auf der einen Seite und die L
KG und die D GmbH & Co KG hinsichtlich diverser Bauvorhaben "zur Beilegung aller ...
Differenzen und Streitpunkte" einen Vergleich, wobei sich die L KG und die D GmbH &
Co KG zur Zahlung eines Bruttobetrags von 2.600.000 DM verpflichteten, wodurch alle
Ansprüche der XB GmbH und der X GmbH aus der Abwicklung der Bauvorhaben und
alle etwaigen Gegenansprüche der L KG und der D GmbH & Co KG gleich aus
welchem Rechtsgrund, insbesondere Ansprüche auf Gewährleistung und/oder
Schadensersatz abschließend abgegolten sein sollten. Wegen der Einzelheiten wird auf
die Vereinbarung Bezug genommen (Einlegeblatt 1 Schnellhefter Schriftverkehr
zwischen Beklagtem und Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung). Die X
GmbH und die XB GmbH vereinbarten am 10.12.2000, dass die X GmbH von den 2,6
Mio. DM brutto 341.194,62 DM erhalten sollte und der Restbetrag an die XB GmbH
fließen sollte (Einlegeblatt 2 Schnellhefter Schriftverkehr zwischen Beklagtem und
Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung). In der Bilanz auf den 31.12.2000
buchte die X GmbH die nach Verrechnung mit der Zahlung von 341.194,62
verbliebenen Restforderungen gegen die L KG aus.
44
Im Einspruchsverfahren, in dessen Verlauf der zuletzt geänderte Feststellungsbescheid
für 1998 vom 19.07.2004 erging, beantragte die Klägerin erstmals, den Verlust aus der
organschaftlich veranlassten Übernahme des Ergebnisses der X GmbH um
1.978.425,52 DM zu erhöhen, weil die Forderungen der X GmbH gegen die L KG bereits
zum 31.12.1998 um weitere 1.978.425,52 DM abzuschreiben gewesen seien. Die X
GmbH sei bei Aufstellung ihrer Bilanz zum 31.12.1998 am 30.06.1999 nach den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung bei den Forderungen gegen die L KG zu
einer deutlichen Erhöhung der Einzelwertberichtigungen verpflichtet gewesen, was im
Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft bei der Gewinnfeststellung der
Klägerin für 1998 zu berücksichtigen sei.
45
Gemäß § 253 Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) und dem Vorsichtigkeitsprinzip des §
252 Abs. 1 Nr. 4 HGB hätten für die Forderungen niedrigere Werte angesetzt werden
müssen. Der Bilanzansatz der Forderungen zum 31.12.1998 sei nicht nur objektiv,
sondern auch subjektiv falsch gewesen, weshalb es sich um eine Bilanzberichtigung
und nicht nur um eine Bilanzänderung handele. Von den offenen Forderungen von
4.270.312,24 DM seien im Jahr 2000 nur 296.690,97 DM gezahlt worden, ein Indiz
46
dafür, dass zum 31.12.1998 eine weitere Wertberichtigung in Höhe von ca. 2 Mio. DM
hätte vorgenommen werden müssen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt die Klägerin zur Begründung ihrer Klage
vor:
47
Zu 1) Sachverhalt Organschaftsverhältnis zu U
48
Die Verbuchung des Gewinns auf dem Verrechnungskonto der Klägerin verstoße gegen
die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, weil der Gewinn zwingend zunächst
gegen den Verlustvortrag hätte gebucht werden müssen (Hinweis auf § 301 AktG).
49
Diese Buchung beruhe auf einer falschen Umsetzung der Klausel in dem
Anteilsverkaufs- und Übertragungsvertrag, derzufolge die Klägerin im Innenverhältnis
allein den Gewinn des Jahres 1999 habe erhalten sollen. Richtigerweise hätte diese
Vereinbarung erst zum 1.1.2000 umgesetzt werden dürfen, indem von dem nach der
Kapitalherabsetzung und unter Berücksichtigung der Hafteinlagen bei der GmbH & Co
KG verbleibenden Kapital (14.000.000 Stammkapital ./. Ergebnisse der Vorjahre bis
einschließlich 1998 = 11.189.858 DM ./. 8.000.000 DM Kommanditeinlagen) in Höhe
von 3.189.858 DM zunächst ein Betrag in Höhe des Gewinns des Jahres 1999 dem
variablen Kapitalkonto der Klägerin in der U zugeschrieben worden wäre bzw. eine
Darlehensforderung der Klägerin gegen die U in entsprechender Höhe erfasst worden
wäre; nur der danach noch verbleibende Restbetrag aus der Kapitalherabsetzung hätte
auf die Klägerin und die A GmbH verteilt werden dürfen.
50
Der gerügte Verstoß könne frühestens im Jahr 2000 im Rahmen der
Abschlussbuchungen erfolgt sein. Ein Verstoß in diesem Jahr sei aber wegen der
ohnehin zum 1.1.2000 erfolgten Kündigung des Organschaftsverhältnisses ohne
Belang.
51
Dass die Körperschaftsteuerfestsetzung der U für das Jahr 1999 bestandskräftig sei,
dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Verfahrenshandlungen der U könnten nicht dazu
führen, dass sie ihren Anspruch auf Anerkennung des Organschaftsverhältnisses nicht
durchsetzen könne, anderenfalls liege ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz
vor. Sie hätte die gegenüber U ergangenen Körperschaftsteuerfestsetzungen nicht
anfechten können. U hätte die Körperschaftsteuerfestsetzung für das Jahr 1998
ebenfalls nicht anfechten können, weil die Steuer auf 0 DM gelautet habe. Die
Klagerücknahme sei wohl erfolgt, um der Klageabweisung zuvor zu kommen.
Außerdem sei es sehr wohl möglich, den Veranlagungen eines Jahres unterschiedliche
Bilanzen zugrunde zu legen: Es sei anerkannt, dass der Einkommensteuerveranlagung
und der Gewerbesteuerveranlagung desselben Jahres verschiedene Bilanzen zugrunde
gelegt werden könnten.
52
Bauvorhaben L KG
53
Wie die zu den Akten gereichte Forderungsaufstellung (Bl 75 GA) zeige, hätten zum
31.12.1998 gegen die L KG Bruttoforderungen vor Wertberichtigung in Höhe von
4.910.859 DM bestanden. Die Bauvorhaben seien in Höhe von 285.523 DM und in
Höhe von 269.737 DM bestritten worden, wie die jeweiligen Klageerwiderungen (Bl.100
ff GA - 119 GA - und Bl. 126 ff GA - 135 - GA ) zeigten. In dieser Höhe seien, - nach
Berücksichtigung der bereits in der Bilanz zum 31.12.1997 erfolgten - weitere
54
Einzelwertberichtigungen vorzunehmen. Bezüglich der Bauvorhaben habe die
Auftraggeberin mit Schreiben vom 14.4.1997,16.4.1997 und 1.8.1997 die
Generalübernehmerverträge gekündigt. Für das Bauvorhaben sei zu diesem Zeitpunkt
nach Berücksichtigung bereits geleisteter Abschlagszahlungen noch ein Betrag von
828.128,22 DM offen gewesen, hinsichtlich eines weiteren Bauvorhabens seien noch
2.141.814,41 DM offen gewesen. Diese Rechnungsbeträge seien in der Folgezeit nicht
bezahlt worden, vielmehr hätten die Auftragnehmer im Rahmen der Klageverfahren
wegen der Bauvorhaben sogar Gegenforderungen von zunächst 700.000 DM und
später 900.000 DM zur Fertigstellung der Objekte geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 8.2.1999 (Bl. 182 GA) hätten die von der Klägerin mit der Beurteilung
der Chancen und Risiken eines Klageverfahrens gegen die L KG beauftragten Anwälte,
die auch später den Vergleich ausgehandelt hätten, mitgeteilt, dass von den
Forderungen gegenüber der L in Höhe von 5,54 Mio. DM am Ende nicht viel übrig übrig
bleiben werde, für das Objekt sei maximal ein Wert von 500.000 DM realisierbar.
55
Aus dem vorstehend Gesagten ergebe sich, dass die Restforderungen bez. des
Bauvorhabens auf einen Betrag von 500.000 DM abzuschreiben gewesen seien, was
nach Berücksichtigung der bereits in der Bilanz zum 31.12.1997 erfolgten
Einzelwertberichtigung zu einem zusätzlichen Aufwand in Höhe von 2.159.942 DM
führe.
56
Im Jahresabschluss des Jahres 1998 seien für die Mängelbeseitigung an den Objekten
1.028.000 DM in eine Rücklage eingestellt worden. Davon sei auf das Bauvorhaben ein
Betrag von 657.000 DM entfallen, der allerdings, wie alle Rückstellungen, von der
Betriebsprüfung pauschal um 10 % gekürzt worden sei. Der Rückstellungsbetrag für das
Objekt habe sich daher auf 591.300 DM reduziert. Aus den Klagerwiderungen bez. der
Objekte ergebe sich, dass die Rückstellung für die Mängelbeseitigung mit 591.300 DM
erheblich zu niedrig bemessen und mit 960.000 DM anzusetzen sei, was zu einer
weiteren Aufwandserhöhung um 368.700 DM führe.
57
Im Ergebnis sei daher in der X GmbH ein zusätzlicher Aufwand von 2.851.902 DM zu
berücksichtigen, der den der Klägerin zum 31.12.1998 zuzurechnenden Verlust der X
GmbH von bisher 6.802.214 DM auf 9.654.116 DM erhöhe.
58
Die Teilwertabschreibung sei ebenso wie die Zuführung zur Rückstellung zwingend
erforderlich gewesen, Umstände, aufgrund derer mit dem vollständigen Eingang der
Forderungen gegen die L KG hätte gerechnet werden können, hätten nicht vorgelegen.
59
Die Klägerin beantragt,
60
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte
aus Gewerbebetrieb für das 1998 vom 19.7.2004 dahingehend zu ändern, dass
ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 15.363.688 DM (9.654.116 DM
Verlustübernahme Organschaft X GmbH + 2.605.639 DM Verlustübernahme
Organschaft U und 3.103.933 eigener Verlust der Klägerin) einheitlich und
gesondert festgestellt wird.
61
Der Beklagte beantragt,
62
die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin mehr als einen zusätzlichen Verlust
63
in Höhe von 102.800 DM begehrt.
Zur Begründung trägt er vor:
64
Das Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und U sei nicht anzuerkennen, da
der Ergebnisabführungsvertrag wegen der Abführung des vollen Gewinns für 1999 an
die Klägerin tatsächlich nicht durchgeführt worden sei. Dem Antrag auf Berichtigung der
Bilanz der U GmbH zum 31.12.1999 könne nicht gefolgt werden, da kein
Bilanzierungsfehler vorgelegen habe. Aus dem Protokoll der
Gesellschafterversammlung vom 25.08.2000 ergebe sich der Beschluss, dass das
Jahresergebnis 1999 von der Klägerin übernommen werde, was auch erfolgt sei. Ob die
Gewinnabführung bewusst oder versehentlich und ob sie nur im Innenverhältnis erfolgt
sei, sei ebenso bedeutungslos wie die Frage, ob der Beschluss vom 25.08.2000 ein
Gewinnverwendungsbeschluss sei. Eine etwaige Rückzahlung des Jahresergebnisses
wäre als Einlage zu behandeln. Wenn die Klägerin ausführe, dass bei Verrechnung des
Jahresüberschusses 1999 mit den Verlustvorträgen der Kaufpreis für den Anteilsverkauf
hätte entsprechend höher ausfallen müssen, was aber habe vermieden werden sollen,
so sei die Vereinbarung im Anteilskaufvertrag vom 22.08.2000 über die Verwendung
des Jahresüberschusses 1999 Bestandteil der Kaufpreisfindung gewesen, weshalb von
einer versehentlichen Fehlbuchung bei Erstellung des Jahresabschlusses nicht die
Rede sein könne.
65
In der Bilanz der X GmbH zum 31.12.1998 könnten für die Forderungen gegen die L KG
aus den Bauvorhaben keine höheren Einzelwertberichtigungen als die bereits
angesetzten vorgenommen werden. Eine solche Bilanzänderung sei nicht zulässig. Die
Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung lägen nicht vor, da die Bilanz zum
31.12.1998 subjektiv richtig war, weil diese den zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung
bestehenden Erkenntnismöglichkeiten entsprochen habe; eine Bilanz sei bereits dann
richtig, wenn sie subjektiv richtig sei. Die Umstände, die zu einer anderen Bewertung
der Forderungen geführt hätten, seien erst mit dem Vergleich vom 11.12.2000 nach
Einreichung der Bilanz beim Beklagten am 03.11.1999 bekannt geworden.
66
Die Wertminderung in Höhe von 540.000 DM sei bereits geschätzt worden. Aus den von
der Klägerin vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass sie nach dem
Niederstwertprinzip des § 253 Abs. 3 HGB verpflichtet gewesen wäre, die Forderungen
in der Bilanz zum 31.12.1998 in ihrem Wert noch einmal zu berichtigen. Es habe zwar
Rechtsstreitigkeiten mit der L KG über die Höhe der zu zahlenden Vergütung für die
Bauvorhaben gegeben, genaue Erkenntnisse über die zu erwartenden Kürzungen der
Vergütungen hätten aber bis zur Aufstellung der Bilanz der X GmbH zum 31.12.1998
nicht vorgelegen.
67
An der pauschal durch die Betriebsprüfung vorgenommenen Kürzung der Rückstellung
werde nicht mehr festgehalten, diese sei rückgängig zu machen.
68
Das Gericht hat folgende Akten beigezogen bzw. folgende Unterlagen sind zum
Klageverfahren vorgelegt worden:
69
1 Brauner Schnellhefter Pappe "Antrag auf AdV der Klägerin v. 21.7.06 +
Einspruchsverfahren hierzu"
70
1 Ordner Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt für Groß- und
71
Konzernbetriebsprüfung
1 Ordner Rechtsbehelfsverfahren Klägerin Einspruchsverfahren wegen einheitlicher und
gesonderter Feststellung der Einkünfte 1998
72
3 Ordner Unterlagen zum Einspruch der Klägerin gegen Umsatzsteuer 1997- 1999
73
1 Schnellhefter Rechtsbehelfsverfahren der Klägerin wegen Umsatzsteuer 1997
74
1 Schnellhefter Rechtsbehelfsverfahren der Klägerin wegen Umsatzsteuer 1998
75
1 Schnellhefter Rechtsbehelfsverfahren der Klägerin wegen Umsatzsteuer 1999
76
Die Umsatzsteuerakte der Klägerin für die Jahre 1997 bis 1999
77
1 blauer Ordner Änderungsantrag der Klägerin nach § 164 AO für Umsatzssteuer der
Klägerin 1997 - 2000
78
Die Akte über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Klägerin für die Jahre
1997 bis 1999
79
Drei Bände Vertragsakten der Klägerin
80
Die Steuerakten der U (Körperschaftsteuerakte 1984- 1999; Akte Feststellung des
verwendbaren Eigenkapitals ab 1994; Gewerbesteuer 1995 bis 1999, Vermögensteuer
ab 1984, Bilanzakte 1994 bis 1998 und 2000, Vertragsakte und Betriebsprüfungsakte)
81
Jahresabschluss der U auf den 31.12.1999
82
Schnellhefter Antrag der U auf Berichtigung der Bilanz zum 31.12.1999
83
2 Ordner Rechtsbehelfsverfahren der U wegen Körperschaftsteuer 1995 bis 1999,
Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals 1995 bis 1999, Gewerbesteuer 1997 und
Verlustfeststellung zur Gewerbesteuer 1997 bis 1999
84
Gerichtsakte Klageverfahren der U (6 K 208/06)
85
Jahresabschlüsse der X GmbH für die Jahre 1997 bis 1999
86
Außenprüfungsakte der X GmbH
87
3 blaue Schnellhefter Schriftverkehr der Klägerin betreffend zivilrechtliche Streitigkeiten
mit Auftraggebern
88
1 grüner Schnellhefter mit Vergleichsvereinbarung und weiterem Schriftverkehr der
Klägerin betreffend zivilrechtliche Streitigkeiten mit Auftraggebern
89
Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind für die Klägerin auch die Gesellschafter
erschienen. Ein Gesellschafter hat für die Klägerin ergänzend vorgetragen. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 27.3.2003 Bezug genommen.
90
II.
91
Die Klage hat hinsichtlich des Sachverhaltes Organschaftsverhältnis zwischen der
Klägerin und U keinen und hinsichtlich des Sachverhaltes Bauvorhaben L KG nur zum
Teil Erfolg.
92
1. Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und U
93
Zu Recht hat es der Beklagte abgelehnt, das Ergebnis der U aus dem Jahr 1998 im
Rahmen der Einkommensermittlung der Klägerin zu berücksichtigen, denn entgegen
der Ansicht der Klägerin sind die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen
Organschaft zwischen der Klägerin und U nicht erfüllt.
94
Gem. § 14 Körperschaftsteuergesetz in der in den Jahren 1998 und 1999
anzuwendenden Fassung (im folgenden KStG) ist das Einkommen einer
Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen, wenn die in § 14 KStG aufgestellten
Erfordernisse erfüllt sind, wobei abweichend von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG unter den
weiteren in § 17 KStG genannten Tatbestandsmerkmalen auch eine GmbH als
Organgesellschaft in Betracht kommt.
95
Streitig ist allein die Frage, ob dem Erfordernis der tatsächlichen Durchführung des
Ergebnisabführungsvertrages (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 und Satz 2 KStG) genügt worden
ist; alle anderen Voraussetzungen für die Annahme einer körperschaftsteuerlichen
Organschaft zwischen der Klägerin und der U liegen vor.
96
Die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG sind aber nicht erfüllt, denn der
Gewinnabführungsvertrag, der im Jahr 1998 mit Rückwirkung für das Wirtschaftsjahr
1998 abgeschlossen wurde, ist bereits für das Jahr 1999 nicht durchgeführt worden und
es bestand nicht in diesem Jahr, sondern erst im Jahr 2000 die Möglichkeit zu einer
unschädlichen vorzeitigen Beendigung des Vertrages durch Kündigung aus einem
wichtigen Grund (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG).
97
Der Ergebnisabführungsvertrag vom 16.12.1998 ist für das Jahr 1999 nicht der
Vereinbarung entsprechend durchgeführt worden. In der Urkunde heißt es dazu, dass
der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen
etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, abzuführen ist. Aufgrund dieser, § 301
Aktiengesetz nachempfunden Regelung hätte, wie auch zwischen den Beteiligten
unstreitig ist, kein Gewinn abgeführt werden dürfen, denn aus vororganschaftlicher Zeit
bestand noch ein den Jahresüberschuss des Jahres 1999 von 2.756.632 DM
übersteigender Verlustvortrag in Höhe von 5.567.000 DM, mit dem der
Jahresüberschuss vorrangig zu verrechnen gewesen wäre.
98
In dem am 12.5.2000 unterschriebenen Jahresabschluss für das Jahr 1999 ist aber
durch den Ausweis eines Jahresüberschusses von 0 DM dokumentiert, dass der
eigentliche Jahresüberschuss in Höhe von 2.756.632 DM mit Wirkung zum 31.12.1999
an die Klägerin abgeführt worden ist, indem der Betrag von 2.756.632 DM dem
Verrechnungskonto der Klägerin in der U gutgeschrieben und bei der Ermittlung der
Höhe des Saldos dieses Kontos bereits zum 31.12.1999 berücksichtigt worden war.
Diese Handhabung ist auch von dem steuerlichen Berater der Klägerin im Schriftsatz
vom 15.10.2004 im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid über die einheitliche und
gesonderte Feststellung der Einkünfte der Klägerin für das Jahr 1998 und schließlich
99
dadurch bestätigt worden, dass die eingereichte berichtigte Bilanz für das Jahr 1999, in
der ein Jahresüberschuss von 2.756.632 DM ausgewiesen ist, eine um 2.756.632 DM
höhere Forderung der U gegen die Klägerin aufgrund des Bestandes des
Verrechnungskontos aufweist.
Da das Verrechnungskonto der Klägerin in der U auch nach der - im Jahresabschluss
vom 12.5.2000 - vorgenommenen Gutschrift kein Guthaben der Klägerin, sondern nach
wie vor eine Verbindlichkeit gegenüber der U auswies, wurde durch diese Buchung der
Jahresüberschuss auch tatsächlich sofort abgeführt. Etwas anderes könnte allenfalls
dann gelten, wenn und soweit die Gutschrift des Jahresüberschusses zu einem
Guthaben der Klägerin geführt hätte, weil man in diesem Fall daran denken könnte, die
Gewinnabführung erst mit der tatsächlichen Entnahme des Geldes aus der U als
vertragswidrig durchgeführt anzusehen (vgl. zu diesem Problemkreis Sterner in
Hermann/Heuer/Raupach - HHR- KStG § 14 Rz, 204, Stichwort " Verrechnung auf
laufendem Konto).
100
Soweit die Klägerin einwendet, die Gutschrift könne erst im Rahmen der
Abschlussbuchungen im Jahr 2000 erfolgt sein und dass ein Verstoss gegen den
Ergebnisabführungsvertrag nur in den Jahren 1998 und 1999 schädlich, im Jahr 2000
hingegen wegen der erfolgten Kündigung unschädlich sei, rechtfertigt dies keine andere
Beurteilung des Sachverhaltes. Ob ein Ergebnisabführungsvertrag ordnungsgemäß
durchgeführt worden ist, ist anhand eines Vergleiches zwischen der vertraglich
geschuldeten und der für dieses Jahr tatsächlich vorgenommenen Gewinnverwendung
festzustellen. Es ist hingegen unerheblich, ob der Verstoß gegen die
Ergebnisabführungsverpflichtung buchhalterisch noch in der letzten Sekunde des
Wirtschaftsjahres, dessen Gewinnverwendung dem Ergebnisabführungsvertrag
widerspricht, umgesetzt wird, oder ob die schädlichen Buchungen erst nach Ablauf des
Wirtschaftsjahres erfolgen. In beiden Fällen ist der Ergebnisabführungsvertrag für dieses
Jahr nicht durchgeführt worden.
101
Der Verstoß gegen den Ergebnisabführungsvertrag kann nicht dadurch geheilt werden,
dass nunmehr in der Bilanz der U die dem Ergebnisabführungsvertrag entspechenden
Buchungen nachgeholt werden. In diesem Zusammenhang kommt es auf die zwischen
den Beteiligten erörterte Frage, ob eine Berichtigung wegen eines möglicherweise
bewussten Verstoßes gegen den Ergebnisabführungsvertrag ausgeschlossen ist, nicht
an. Eine berichtigte Bilanz kann der Besteuerung nämlich nur dann zugrunde gelegt
werden, wenn die aufgrund der ursprünglichen Bilanz ergangenen Steuerbescheide
noch änderbar sind. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist ist eine Bilanzberichtigung zu
diesem Stichtag zugunsten wie auch zuungunsten des Steuerpflichtigen grundsätzlich
ausgeschlossen (Heinicke in Schmidt, 24. Auflage 2005, § 4 Rz. 684).
102
Für die Körperschaftsteuerfestsetzung der U für das Jahr 1999 ist
Festsetzungsverjährung eingetreten.
103
Die Körperschaftsteuererklärung der U für das Jahr 1999 wurde im Jahr 2000
eingereicht, so dass gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung - AO- mit Ablauf des
Jahres 2000 die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO begann, die
regulär mit Ablauf des Jahres 2004 geendet hätte. Die in den Jahren 2001 bis 2003
durchgeführte Betriebsprüfung führte allerdings gem. § 171 Abs. 4 AO zu einer
Ablaufhemmung, bis der aufgrund der Außenprüfung erlassene
Körperschaftsteuerbescheid gegenüber U für das Jahr 1999 vom 17.5.2004
104
unanfechtbar geworden war. Durch die Rücknahme der zunächst gegen den
Körperschaftsteuerbescheid erhobenen Klage ist Unanfechtbarkeit eingetreten.
Eine weitere Ablaufhemmung zugunsten der U ist nicht einschlägig. Zwar hat der
steuerliche Berater der U am 10.5.2004 einen "Antrag" auf Berichtigung der Bilanz für
das Jahr 1999 gestellt und gem. § 171 Abs. 3 AO läuft die Festsetzungsfrist nicht ab,
bevor über einen außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellten Antrag
auf Änderung einer Steuerfestsetzung unanfechtbar entschieden worden ist. Es ist aber
zweifelhaft, ob § 171 Abs. 3 AO überhaupt einschlägig ist. Im Zeitpunkt des Einganges
des Antrages lagen nur Steuerbescheide vor, die erklärungsgemäß ergangen waren
und dem entsprachen, was U auch unter Berücksichtigung der berichtigten Bilanz
anstrebte. Insofern konnte der "Antrag" auf Bilanzänderung schon begrifflich nicht mit
dem Ziel gestellt worden sein, die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des zu
diesem Zeitpunkt gültigen Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 1999 zu
erreichen.
105
Sollte, - trotz der oben aufgeführten Zweifel - § 171 Abs. 3 AO unter dem Gesichtspunkt
anwendbar sein, dass auch ein vorsorglich für den Fall gestellter "Antrag", dass der
Beklagte einen geänderten Bescheid unter Berücksichtigung der Auffassung der
Betriebsprüfung erläßt, die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, so ist über diesen
Antrag jedenfalls unanfechtbar entschieden worden: Der Beklagte hat trotz des Antrages
vom 10.5.2004 am 17.5.2004 einen Bescheid für das Jahr 1999 ohne Berücksichtigung
der berichtigten Bilanz erlassen. In dem sich daran anschließenden
Einspruchsverfahren hat es der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom
13.12.2005 ausdrücklich abgelehnt, den korrigierten Jahresabschluss zu
berücksichtigen, obwohl der steuerliche Bevollmächtigte der U den Einspruch gerade
mit dem Anspruch auf Berücksichtigung des korrigierten Abschlusses begründet hatte
(vergleiche Schreiben zur Einspruchsbegründung vom 27.7.2004 und vom 6.9.2004).
Durch die beiden Entscheidungen hat der Beklagte klar und eindeutig zum Ausdruck
gebracht, dass er trotz des "Antrages auf Bilanzberichtigung" den korrigierten
Jahresabschluss der Besteuerung nicht zugrunde legen will, einer weiteren, dritten
Ablehnung des Antrages bedurfte es insoweit nicht. Die ablehnenden Entscheidungen
sind unanfechtbar (siehe oben die Ausführungen zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4
AO).
106
Da die berichtigte Bilanz der Besteuerung der U nicht zugrunde gelegt werden kann, ist
die in dem (korrigierten) Jahresabschluss vorgenommene Rückgängigmachung der
Gewinnausschüttung unbeachtlich. Der Ergebnisabführungsvertrag wurde daher für das
Jahr 1999 und damit das zweite Jahr seines Bestehens nicht mehr durchgeführt
(Verstoß gegen § 14 Abs.1 Nr. 3 Satz 1 KStG).
107
Ein wichtiger Grund, der bereits für dieses Jahr die (unschädliche) Kündigung des
Ergebnisabführungsvertrages gestattet hätte (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG), lag
nicht vor, sondern entstand erst für das Jahr 2000 durch die Anteilsveräußerung und
Übertragung.
108
Da der Ergebnisabführungsvertrag weniger als fünf Jahre durchgeführt worden ist, ist
die Organschaft insgesamt und damit auch für das Streitjahr 1998 nicht anzuerkennen,
zumal auch für dieses Jahr im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung gegenüber U
unabänderbar (bestandskräftig und festsetzungsverjährt entsprechend den
Ausführungen zum Jahr 1999) vom Nichtbestehen eines Organschaftsverhältnisses zur
109
Klägerin ausgegangen worden ist.
Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der gegenüber der Klägerin ergangene Bescheid
für das Jahr 1998 noch änderbar ist. Zwar hat der Bundesfinanzhof im Urteil vom 28.
Januar 2004 (I R 84/03, Bundessteuerblatt - BStBl. II 2004, 539) ausgeführt, dass über
die Höhe des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens allein in der
Steuerfestsetzung gegenüber dem Organträger entschieden wird und die
Steuerfestsetzung gegenüber der Organgesellschaft insoweit nicht als
Grundlagenbescheid im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO anzusehen ist,
weil beide trotz bestehender Organschaft selbständige Besteuerungssubjekte bleiben.
Der Senat hält diese Grundsätze aber auf den vorstehenden Fall für nicht übertragbar,
weil die Frage, ob ein Organschaftsverhältnis zu verneinen ist, weil der
Ergebnisabführungsvertrag tatsächlich nicht durchgeführt worden ist, für alle an dem
Organschaftsverhältnis Beteiligten nur einheitlich entschieden werden kann.
110
In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die berichtigte Bilanz der U im
Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Klägerin berücksichtigt
werden könnte, wenn eine entsprechende Anpassung der Steuerbescheide der U nach
§ 174 AO möglich wäre. Da für die Steuerfestsetzungen der Jahre 1998 und 1999
gegenüber U Festsetzungsverjährung eingetreten ist, kommt deren Beiladung nach §
174 Abs. 5 AO nicht in Betracht (Tipke/Kruse § 174 Rz. 57), so dass eine Änderung der
Körperschaftsteuerbescheide nach § 174 AO nicht möglich ist.
111
Die Bedenken der Klägerin, es verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, wenn ihr
aufgrund von Handlungen der U die Möglichkeit zur Geltendmachung des
Organschaftsverhältnisses verwehrt werde, teilt der Senat nicht. Art. 19 Abs. 4
Grundgesetz gewährt Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Rechte der
Klägerin sind aber nicht durch einen Akt hoheitlicher Gewalt, sondern dadurch
beeinträchtigt, dass U sich aus Gründen, die das Gericht nicht kennt, dazu entschlossen
hat, das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses nicht mehr geltend zu machen. Die
Frage, ob U dazu berechtigt war, ist vor den Zivilgerichten zu klären. Eine allgemeine
Regel, dass das Steuerrecht im Falle fehlender oder verweigerter Mitwirkung eines
Dritten gleichwohl dem Steuerpflichtigen die Erlangung der von ihm reklamierten
Vorteile ermöglichen muss, existiert nicht. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass
es in solchen Fällen Sache des Steuerpflichtigen ist, die erforderliche Mitwirkung
herbeizuführen und er, wenn ihm dies nicht gelingt, den Vorteil nicht geltend machen
kann (vgl. z. B. die Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - ,
nach der der Steuerpflichtige den Vorteil des Realsplittings nur bekommt, wenn der
geschiedene Ehepartner in Gestalt seiner Zustimmung mitwirkt).
112
Den Einwand der Klägerin, U habe jedenfalls die Bestandskraft der
Körperschaftsteuerfestsetzung des Jahres 1998 selbst nicht verhindern können, macht
sich der Senat nicht zu eigen. Grundsätzlich besteht auch ein Rechtsschutzinteresse an
einer Anfechtung eines Bescheides über eine Körperschaftsteuerfestsetzung von 0 DM,
weil der Bescheid insoweit Grundlagenbescheid für eine Vielzahl von Folgebescheiden
ist (vgl. § 47 KStG), vorausgesetzt allerdings, es wird geltend gemacht, der Bescheid sei
falsch. Speziell im Streitfall bestünde außerdem ein zusätzliches Rechtsschutzinteresse
an der Anfechtung des auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheides, weil das
Bestehen eines Organschaftsverhältnisses behauptet und von der Finanzverwaltung
bestritten worden war.
113
Die Behauptung, U habe die Klage zurückgenommen, um einer Abweisung als
unzulässig zuvor zu kommen, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Den
beigezogenen Klageakten lässt sich weder ein entsprechender Hinweis des Gerichts
entnehmen noch ist eine derartige Überlegung in dem Schriftsatz, mit dem die
Klagerücknahme erklärt wurde, zum Ausdruck gekommen. Die Klägerin hat nicht
dargelegt, worauf sie ihre "Erkenntnisse" stützt. Hinzukommt, dass aufgrund der von der
Klägerin vermutete Motivlage jedenfalls kein Anlass bestanden hätte, auch die Klage
gegen die Körperschaftsteuerfestsetzung des Jahres 1999 zurückzunehmen. Dass dies
erfolgt ist, spricht dafür, dass andere Gründe für die Klagerücknahme der U
entscheidend waren.
114
2. Bauvorhaben L KG
115
Die Klage hat insoweit Erfolg, als der der Klägerin aufgrund des zwischen ihr und der X
GmbH unstreitig bestehenden Organschaftsverhältnisses bisher zugerechnete Verlust
von 6.802.214 DM um 1.334.195 DM auf den Betrag von 8.136.409 DM zu erhöhen ist.
116
Es handelt sich insoweit um zusätzlichen Aufwand der U für das zum 31.12.1998
endende Wirtschaftsjahr, bedingt durch eine Erhöhung der Rückstellung für
Nachbesserungsleistungen (102.080 DM) sowie eine Erhöhung der
Einzelwertberichtigung der Forderungen aus den Bauprojekten.
117
Dieser zusätzliche Aufwand wirkt sich unmittelbar auf den Gewinn der Klägerin aus, und
zwar ungeachtet der Frage, ob die Bilanz der X GmbH auf den 31.12.1998 noch
berichtigt werden könnte. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. Januar
2004 I R 84/03, BStBl. II 2004,539), der der Senat folgt, hat die Einkommensermittlung
bei der Organgesellschaft keine Bindungswirkung für die Ermittlung des Einkommens
der Organträgerin. Der Senat versteht diese Rechtsprechung so, dass im Falle des
Bestehens eines Organschaftsverhältnisses eine eigenständige Ermittlung des
zutreffenden und der Organträgerin zuzurechnenden Einkommens der
Organgesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens der Organträgerin stattzufinden
hat.
118
a) Rückstellungen
119
Es ist ein zusätzlicher Betrag von 102.800 DM zu berücksichtigen, weil der Beklagte an
der pauschalen 10 %-igen Kürzung der Rückstellung für Nachlaufarbeiten nicht mehr
festhält, soweit die Rückstellung für die Bauobjekte gebildet worden war (nach Angaben
der Klägerin in Höhe von 1.028.000 DM).
120
Eine weitere Erhöhung der in der Bilanz der X GmbH auf den 31.12.1998 wegen
drohender Nachbesserungsverpflichtungen gebuchten Rückstellung ist allerdings nicht
vorzunehmen.
121
Gem. § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Jahr 1998
anzuwendenden Fassung hatte die X GmbH in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen
anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung auszuweisen ist. Gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind unter anderem
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Entsprechend sind
Rückstellungen für das Risiko künftiger Erlösschmälerungen durch kostenlose
Nacharbeiten, Ersatzlieferungen oder Schadenersatzleistungen zu buchen (BFH- Urteil
122
vom 30. Juni 1983 IV R 41/81, BStBl. II 1984,263).
Die X GmbH hatte in ihrer Bilanz auf den 31.12.1998 wegen ihrer
Nachbesserungsverpflichtungen bereits eine Rückstellung für "Nachlaufkosten" in Höhe
von 2.483.000 DM gebildet. Darin war nach dem insoweit unwidersprochenen
Vorbringen der Klägerin ein Betrag von 1.028.000 DM enthalten, der für die
Bauvorhaben berücksichtigt worden war.
123
Dass tatsächlich mehr als die von der X - GmbH in die Bilanz für die Bauprojekte
eingestellten 657.000 DM bzw. wie die Klägerin vorträgt, diesbezüglich sogar 960.000
DM in die Rücklage hätten eingebucht werden müssen, vermag der Senat aus den
vorgelegten Unterlagen nicht zu erkennen. Weder anhand der zu den Akten gereichten
umfangreichen Mängellisten noch anhand des Schriftverkehrs zwischen den
Rechtsanwälten der X GmbH /Klägerin und deren Auftraggebern lassen sich konkrete
Anhaltspunkt dafür entnehmen, mit welchem Wert etwa noch zu erbingende
Nachbesserungsarbeiten anzusetzen gewesen wären. Soweit die Klägerin auf die
Klagerwiderungen bez. des Objektes vom 21.10.1998 verweist, räumt selbst der
Verfasser der Klageerwiderung ein, dass es sich bei den 960.000 DM um einen
geschätzten Betrag handelt, der allerdings nicht näher spezifiziert wird. Der Senat geht
deshalb davon aus, dass die Schätzung nicht an den tatsächlichen Kosten orientiert,
sondern von der Motivation getragen war, einen Gegenanspruch in der Höhe zu
konstruieren, die erforderlich war, um gegen den der X GmbH verbliebenen und
"zugestandenen" restlichen Werklohnanspruch aus dem Objekt in voller Höhe
aufrechnen zu können.
124
Sonstige Unterlagen, die einen sicheren Schluss darauf zulassen, dass die X GmbH
eine höhere Rückstellung als die eingebuchten 657.000 DM hätte bilden müssen, hat
die Klägerin nicht vorgelegt. Dies geht nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen, denen
zufolge jede Partei für die ihr günstigen Umstände darlegungs- und nachweispflichtig ist
(Seer in Tipke/Kruse § 96 FGO Rz. 83 m.w.N.), zu Lasten der Klägerin, da sie sich
insoweit auf das Vorliegen eines ihre Einkünfte mindernden Sachverhaltes beruft.
125
Da der Beklagte an der von der Betriebsprüfung vorgenommenen pauschalen Kürzung
der Rückstellung für Nachlaufkosten, soweit sie auf die Bauobjekte entfällt, nicht mehr
festhält und einer Erhöhung der diesbezüglichen Rückstellung um 102.800 DM
zugestimmt hat, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob auch eine Rückstellung in
Höhe von nur 591.300 DM für andere Objekte zutreffend gewesen wäre.
126
b) Wertberichtigung
127
Es ist ein zusätzlicher Aufwand in Höhe von 1.232.115 DM zu berücksichtigen, weil die
X GmbH insoweit in ihrer Bilanz auf den 31.12.1998 eine höhere Einzelwertberichtigung
ihrer Forderungen gegenüber der L KG aus den Objekten hätte vornehmen müssen.
128
aa) Wertberichtigung dem Grunde nach
129
Aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung folgte für die X GmbH die
Verpflichtung, auch ihre Geldforderungen gegen die L KG als Teil ihres
Umlaufvermögens (§ 266 Abs. 2 HGB Punkt B. II.1 im Gliederungsschema dieser
Vorschrift) in der Bilanz auszuweisen. Geldforderungen sind zwar in der Handelsbilanz
und der Steuerbilanz grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten (vgl. §
130
253 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die grundsätzlich ihrem Nennwert
entsprechen. Ist der Teilwert einer Forderung aber niedriger, weil es zweifelhaft ist, ob
die Forderung erfüllt wird, ist in Befolgung des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips
(§ 253 Abs. 3 Satz 2 HGB) zwingend auf den niedrigeren Wert abzuschreiben. Dieser
Wert ist wegen der in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG getroffenen Anordnung, das für den
Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das nach den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist, auch
für die Steuerbilanz verbindlich (Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die
Steuerbilanz).
Sind Forderungen mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden
Ausfallrisiko behaftet, ist dem im Wege der Einzelwertberichtigung Rechnung zu tragen.
Zweifelhafte Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen,
uneinbringliche sind abzuschreiben. Ein wegen Ausfallrisikos unter ihrem Nennwert
liegender Teilwert kann im allgemeinen nur im Wege der Schätzung ermittelt werden.
Dabei kommt dem Ermessen des Kaufmann besondere Bedeutung zu. Maßgebend ist,
ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus
den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Annahme eines teilweisen
Forderungsausfalles herleiten darf. Die Schätzung muss eine objektive Grundlage in
den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen finden, wobei bis zum Tag der
Erstellung der Bilanz erlangte wertaufhellende Kenntnisse über den der Forderung am
Bilanzstichtag beizulegendem Wert zu berücksichtigen sind (vgl. zu den
Voraussetzungen einer Einzelwertberichtigung BFH - Urteil vom 20. August 2003 I R
49/02, BStBl. II 2003,941 mit weiteren Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur).
131
Bei Aufstellung der Bilanz für das Jahr 1998 am 30.4.1999 waren Umstände bekannt,
die den Schluss zuließen, dass die Forderungen aus den Bauvorhaben mit einem über
das allgemeine Kreditrisiko hinausgehendem Risiko behaftet waren, denn die L KG
hatte trotz klageweiser Geltendmachung die Forderungen aus den Bauvorhaben nicht
gezahlt. Die Restforderungen aus den Bauvorhaben waren ebenfalls trotz bereits am
13.2.1998 erstellter Schlussrechnung bis zum 31.12.1998 nicht beglichen worden,
sondern die Zahlung vollständig mit Blick auf die eingeleiteten
Beweissicherungsverfahren verweigert worden. Diesen Risiken war im Wege der
Einzelwertberichtigung Rechnung zu tragen.
132
Die X GmbH hat in der Bilanz auf den 31.12.1998 nur die bereits in der Bilanz auf den
31.12.1997 gebildeten Wertberichtigungen für die Objekte beibehalten. Anders als der
Beklagte ist der Senat davon überzeugt, dass auf Grund der weiteren, nach Aufstellung
der Bilanz 1997 und bis zur Aufstellung der Bilanz für das Jahr 1998 bekannt
gewordenen Fakten zusätzliche Einzelwertberichtigungen notwendig gewesen wären.
133
Dies folgt für alle Bauobjekte daraus, dass der Anwalt, der von der Geschäftsführung der
U Gruppe mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der gerichtlichen Durchsetzung der
Werklohnforderungen beauftragt war, in seiner vor Aufstellung der Bilanz abgegebenen
Stellungnahme vom 8.2.1999 mitgeteilt hatte, dass aus dem Komplex L allenfalls 20 - 25
% der Forderungen und für ein anderes Bauvorhaben sogar nur ein Betrag von 500.000
realisiert werden könnte.
134
Unter Einbeziehung der Klageerwiderungen hätte ein Kaufmann deshalb die
Forderungen aus den Projekten bei Beachtung des Vorsichtigkeitsprinzips von § 252
Abs. 1 Nr. 4 HGB höchstens noch mit dem Wert angesetzten dürfen, den die L KG als
135
Werklohn zu zahlen bereit war.
Für die Bauvorhaben, aus denen noch Forderungen in Höhe von 2.969.942 DM brutto
offen waren, hätte ein Kaufmann aufgrund des anwaltlichen Schreibens und der - wie
auch der spätere Vergleich bestätigt - bereits am 30.4.1999 verfahrenen und
unüberschaubaren Rechtslage unter Berücksichtigung des Vorsichtigkeitsprinzips einen
deutlich niedrigeren Wert als 2.659.942 DM brutto ansetzen müssen.
136
bb) Wertberichtigungen der Höhe nach
137
Es ergibt sich infolge der für das Jahr 1998 zusätzlich vorzunehmenden
Einzelwertberichtigung ein Aufwand von 87.555 DM.
138
Das Gericht orientiert sich insoweit an dem unter Berücksichtigung des
Vorsichtigkeitsprinzips höchst möglichen Wertansatz der Forderung. Zwar hat der
Kaufmann insoweit ein Ermessen, auch einen niedrigeren Wert anzusetzen. Es ist aber
nicht mehr aufklärbar, ob die X GmbH für ihre Werklohnforderungen, hätte sie sich mit
der Frage der Wertberichtigung befasst, auch einen unter dem höchst möglichen
liegenden Wert gewählt hätte. Dies geht zu Lasten der Klägerin, da sie für die für sie
günstigen Umstände nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig
ist.
139
Der zusätzliche Wertberichtigungsbedarf ist wie folgt zu berechnen:
140
Die L KG hat in der Klageerwiderung die Forderung nur insoweit bestritten, wie mehr als
der Betrag von 810.609 DM brutto geltend gemacht wird. Dies entspricht bei einem
Umsatzsteuersatz von 15 % (vgl. Aufstellung Bl. 76 GA) einem Nettobetrag von 704.877
DM. Die Forderung der X GmbH betrug 1.080.346 DM brutto und 939.432 DM netto.
Dieser Betrag wäre um 234.555 DM auf 704.877 DM wertzuberichtigen gewesen. Unter
Berücksichtigung der bereits auf den 31.12.1997 erfolgten Einzelwertberichtigung von
147.000 DM ergibt sich für das Jahr 1998 ein zusätzlicher Aufwand von 87.555 DM (=
234.555 DM - 147.000 DM).
141
Weiteres Objekt
142
Für das weitere Objekt gilt zur Höhe des Wertansatzes und zur Berechnung der
Wertberichtigung das oben Gesagte sinngemäß. Es ergibt sich aus der
Wertberichtigung ein zusätzlicher Aufwand in Höhe von 163.281 DM, der wie folgt
ermittelt wurde:
143
Die X GmbH hat eine Bruttoforderung von 860.569 DM geltend gemacht, was einem
Nettobetrag von 748.321 DM entspricht (Aufstellung Bl.76 GA). Die L KG hat davon
575.046 DM brutto "anerkannt", was einem Nettobetrag von 500.040 DM entspricht. Die
Nettoforderung der X -GmbH wäre daher von 748.321 DM um 248.281 DM auf 500.040
DM netto wertzuberichtigen gewesen. Abzüglich der bereits auf den 31.12.1997
vorgenommenen Einzelwertberichtigung in Höhe von 85.000 DM verbleibt ein Aufwand
von 163.281 DM.
144
Hinsichtlich der weiteren Objekte hat das Gericht keinen Anhaltspunkt dafür, welches
der höchst mögliche zulässige Bilanzansatz gewesen wäre. Der Senat geht, entgegen
der Auffassung der Klägerin nicht davon aus, dass insoweit auf den vom Anwalt in dem
145
Schreiben vom 8.2.1999 genannten Wert von 500.000 DM abgestellt werden kann. Aus
dem Schreiben ergibt sich nämlich, dass der Anwalt nur sehr grob und überschlägig
geschätzt hat, was dadurch bestätigt wird, dass bei dem später zwischen der X GmbH
und der L KG geschlossenen Vergleich mehr als das doppelte dessen, was der Anwalt
in seinem Schreiben in Aussicht gestellt hatte, erzielt werden konnte. Fakten, die
belegen, dass im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Jahr 1998 tatsächlich nur ein
Oberwert von 500.000 DM realistisch war, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Insbesondere kann aus der späteren Aufteilung der Vergleichssumme zwischen der X
GmbH und der XB GmbH nicht geschlossen werden, dass die L KG für alle
Bauvorhaben der X GmbH nur 341.194,62 DM brutto gezahlt hätte. Der Vergleich selbst
enthält keine Aufschlüsselung darüber, welche Vergütung auf welches Bauvorhaben
entfällt. Die Kriterien, nach denen die X GmbH und die XB GmbH die Summe aufgeteilt
haben, sind nicht dargelegt worden. Da die Gesellschaften unter einheitlicher
Geschäftsführung standen, zum Teil Gesellschafteridentität bestand und beide
Gesellschaften zum U Konzern gehörten, ist nicht auszuschließen, dass andere
Kriterien als die Höhe der jeweils erbrachten Bauleistungen für die Aufteilung
maßgeblich waren.
Der Senat schätzt deshalb griffweise, dass in der Bilanz auf den 31.12.1998 ein Ansatz
der Forderungen aus den Objekten mit 50 % ihres Wertes noch zulässig gewesen wäre.
146
Der zusätzliche Aufwand ist wie folgt zu berechnen:
147
Nettoforderungen laut Aufstellung (Bl. 76 GA) 2.582.558 DM
148
davon 50 % = 1.291.279 DM
149
abzüglich bereits erfolgter Wertberichtigung in Höhe von 310.000 DM
150
verbleibt: 981.279 DM
151
Kosten
152
Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin insgesamt aufzuerlegen. Soweit sie
hinsichtlich der Einzelwertberichtigungen zum Teil obsiegt hat, ist dies auf erst im
Klageverfahren vorgelegte Unterlagen zurückzuführen, so dass ihr die Kosten gem. §
135 Abs. 1, 137 Finanzgerichtsordnung - FGO -aufzuerlegen waren. Soweit sie
hinsichtlich der Erhöhung der Rückstellung zum Teil obsiegt hat, waren ihr die Kosten
gem. § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO aufzuerlegen, da der Beklagte nur
hinsichtlich 1,87 % der gesamten von der Klägerin geltend gemachten Erhöhung des
einheitlich und gesondert festzustellenden Verlustes aus Gewerbebetrieb nachgegeben
hat und damit nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen ist.
153
Revision
154
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da höchstrichterlich nicht geklärt
ist, ob sich ein Organträger auch dann auf das Bestehen eines körperschaftsteuerlichen
Organschaftsverhältnisses berufen kann, wenn im Rahmen der Steuerfestsetzung der
Organgesellschaft das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses verneint wurde und
der Steuerbescheid der Organgesellschaft wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung
nicht mehr geändert werden kann.
155