Urteil des FG Düsseldorf vom 07.12.2010

FG Düsseldorf (usa, einkünfte, betriebsstätte, kläger, mittelpunkt der lebensinteressen, gesellschafter, oecd, personengesellschaft, steuerrecht, tätigkeit)

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 1214/06 E
Datum:
07.12.2010
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 1214/06 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger. Er verfügte im Streitjahr 1999 über
einen Wohnsitz in den USA. Während seiner Aufenthalte im Inland nutzte er die im
Eigentum seiner Ehefrau stehende Wohnung in Z-Stadt. Der Kläger war von 1981 bis
zum 9. Juni 1998 persönlich haftender Gesellschafter der B KGaA (im Folgenden
KGaA). Die KGaA ist aus der Umwandlung der Kommanditgesellschaft B in eine
Kommanditgesellschaft auf Aktien, eingetragen am 13. Juni 1985 in das Handelsregister
des Amtsgerichts, hervorgegangen. Durch Beschluss der Hauptversammlung vom
2. Juni 1999 ist die Firma in B Kommanditgesellschaft auf Aktien geändert worden. Die
KGaA hat ihren Sitz in Z-Stadt und verfügt über mehrere Niederlassungen im Inland.
Darüber hinaus bestehen Tochterunternehmen in Luxemburg und in den Niederlanden.
Nach seinem Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter übernahm der
Kläger ein Aufsichtsratsmandat bei der KGaA. Im Streitjahr erhielt er aufgrund einer
zunächst in 1981 und 1983 geschlossenen Vereinbarung sowie einer am 18. Februar
1986 geschlossenen Nachtragsvereinbarung (sowie weiterer Nachtragsvereinbarungen
aus den Jahren 1987 und 1997) eine Pension von 1.042.344 DM. Diese setzte sich
gemäß eines Schreibens der KGaA vom 13. März 2000 aus dem "Ruhegehalt" in Höhe
von 528.000 DM und der – allerdings nicht näher erläuterten – "Auszahlung der
Altersrente" im Jahr 1999 in Höhe von 514.344 DM zusammen.
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In den USA erklärte der Kläger ausweislich seiner für das Streitjahr 1999 vorgelegten
Steuererklärungen u.a. folgende Besteuerungsgrundlagen (in USD):
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Pensions and annuities
Taxable Amount
4
Pensions and annuities
1999
Taxable Amount
1999
B KGaA
287.582
B AG
280.144
Lebensversicherung
393.096
Total pensions and annuities
(16a)
961.096
438.447
Unter Inanspruchnahme eines "Foreign Tax Credits" von 535.511 USD (1999) beliefen
sich das in den USA zu versteuernde Einkommen von 1.950.179 USD (1999) und die
festgesetzte US-amerikanische Einkommensteuer auf 140.716 USD (1999).
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Im Rahmen seiner im Dezember 2000 beim Beklagten (dem Finanzamt --FA--)
abgegebenen Einkommensteuererklärung zur beschränkten Steuerpflicht machte der
Kläger geltend, dass eine Steuerpflicht der – nach deutschem Steuerrecht als Einkünfte
aus Gewerbebetrieb gem. § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehenden –
Pensionszahlung in der BRD nicht bestehe. Auf die Ausführungen in der Anlage zur
Steuererklärung für das Streitjahr wird Bezug genommen. Das FA wich im
Einkommensteuererstbescheid vom 19. Juni 2002, der unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gem. § 164 der Abgabenordnung (AO) erging, in mehreren Punkten von
der Erklärung des Klägers ab. Zunächst sah es den Kläger als unbeschränkt
steuerpflichtig an, da im Streitjahr ein Wohnsitz in der BRD bestanden habe. Des
Weiteren behandelte das FA die Pensionszahlung in Höhe von 1.042.344 DM als
steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die festgesetzte Einkommensteuer
belief sich auf 505.199,84 EUR. Insoweit vertrat das FA die Auffassung, dass die
Pension auch für Abkommenszwecke nicht in Einkünfte gem. Art. 18 des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer
Steuern vom 29. August 1989 --DBA-USA 1989-- (Bundesgesetzblatt II 1991, 355) i.d.F.
vor Inkrafttreten des Protokolls vom 1. Juni 2006 zur Änderung des am 29. August 1989
unterzeichneten DBA USA (künftig DBA USA) umzuqualifizieren, sondern als Einkünfte
im Sinne des Art. 7 DBA USA zu behandeln seien, für die das Besteuerungsrecht der
BRD zustünde.
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Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass
das FA die Pensionszahlungen zu Unrecht als im Inland steuerpflichtig angesehen
habe. Dies führe zu einer Doppelbesteuerung, da die betreffenden Einkünfte – wie sich
aus den vorgelegten Steuererklärungen ergebe – bereits in den USA versteuert worden
seien. Die USA gingen davon aus, dass ihnen das volle Besteuerungsrecht zustehe.
Dies treffe aus folgenden Gründen zu: Der Kläger verfüge über ein großes Anwesen in
USA. Dort halte er sich den wesentlichen Teil des Jahres über auf. Die in Z-Stadt
belegene Wohnung gehöre seiner Frau und stelle nicht den Mittelpunkt der
Lebensinteressen dar. Sie werde nur im Zusammenhang mit dem Aufsichtsratsmandat
und den davor oder danach liegenden Reisetagen sowie mit den sonstigen Tätigkeiten,
die der Kläger in der BRD erledige, genutzt. Beide Kinder würden nicht mehr bei den
Eltern wohnen. Treffpunkt für die Familie sei das Haus in USA oder ein weiteres Haus in
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Frankreich. Den wesentlichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit führe der Kläger von den
USA her aus. Dort verfüge er über ein Büro, das in seinem Haus belegen sei. Da
aufgrund der dargestellten Umstände der Mittelpunkt der Lebensinteressen in den USA
liege, sei gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA USA von einer Ansässigkeit in den USA
auszugehen. Die Pensionszahlungen erhalte der Kläger aufgrund einer gesonderten
schuldrechtlichen Vereinbarung mit der KGaA. Aufgrund einer bindenden
Verständigung mit der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 25. Januar/31. Januar 1995 seien
entsprechende Pensionsansprüche bei der KGaA weder in der Gesamthandsbilanz
noch in der Sonderbilanz des Klägers aktiviert worden, da auf das Zuflussprinzip gem. §
11 EStG abgestellt worden sei. In diesem Zusammenhang sei die Steuerbilanz der
KGaA auf den 31. Dezember 1994 berichtigt worden, was infolge der Auflösung der
gebildeten Pensionsrückstellungen zu einer Steuernachzahlung von ca. 10 Mio. DM
geführt habe. Nach nationalem Steuerrecht seien die Pensionszahlungen als Einkünfte
aus Gewerbebetrieb gem. §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 24 Nr. 2 EStG anzusehen.
Allerdings komme es auf diese nationale Sichtweise nicht an, denn die Regelungen des
DBA USA hätten Vorrang vor dem nationalen Steuerrecht. Gemäß Art. 18 DBA USA
stehe das Besteuerungsrechts für die Pensionseinkünfte dementsprechend den USA
als Wohnsitzstaat zu. Denn es handle sich um ein Ruhegehalt für frühere
unselbständige Arbeit. Auf die Generalklausel des Art. 3 Abs. 2 DBA USA könne nicht
zurückgegriffen werden, da zum Begriff der Pension im Art. 18 DBA USA spezielle
Auslegungsregeln und Begriffsdefinitionen vorhanden seien. Dass es sich um Einkünfte
aus einer früheren unselbständigen Tätigkeit handle, ergebe sich aus Art. 15 DBA USA,
der inhaltlich weitgehend mit Art. 15 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA)
übereinstimme. Unter die Definition des OECD-MA würden alle Bezüge leitender
Angestellter und damit auch die Bezüge von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern
fallen. Dies gelte auch für die Geschäftsführer von Personengesellschaften, die zugleich
Gesellschafter der Personengesellschaft seien. Vergütungen, die die
Personengesellschaft für eine unselbständige Arbeit zahle, seien daher immer dann,
wenn die betreffende Person – wie hier – für ihre Geschäftsführertätigkeit ein
besonderes Gehalt erhalte, dem Art. 15 OECD-MA zuzuordnen. Die von Wassermeyer
(in Debatin/Wassermeyer, Kommentar zu allen deutschen
Doppelbesteuerungsabkommen, OECD-MA, Art. 18 Rn. 26) dargestellten
Einschränkungen würden dagegen bei einer Personengesellschaft im Unterschied zu
einem Einzelgewerbetreibenden nicht greifen, denn vorliegend werde gerade kein
Gewinn vorab gezahlt. Die Tatsache, dass die Pension im Zusammenhang mit dem
Dienstvertrag und nicht mit anderen Leistungen stehe, folge aus § 7 Abs. 1 des
Dienstvertrages, wonach die KGaA dem Kläger in besonderer Vereinbarung eine
Versorgung zusage. Weiterhin folge dies aus § 1 der Pensionsregelung, woraus sich
ergebe, dass hinsichtlich des Beginns der Pension ausschließlich darauf abgestellt
werde, wann der mit KGaA abgeschlossene Tätigkeitsvertrag beendet werde.
Eine Einschränkung des Besteuerungsrechts der USA ergebe sich auch nicht aus dem
Umstand, dass die Einkünfte nach nationalem Recht als solche aus gewerblicher
Tätigkeit anzusehen seien. Zwar gelte das Mitunternehmerkonzept grds. auch auf der
Abkommensebene, sofern die Mitunternehmerschaft nicht als solche
abkommensberechtigt sei. Jeder einzelne Mitunternehmer erziele dann
Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 DBA USA. Gem. Art. 7 Abs. 6 DBA USA sei
die Rechtsfolge des jeweils spezielleren Artikels jedoch vor der des allgemeinen
Unternehmergewinn-Artikels anzuwenden. Art. 18 DBA USA sei daher als lex specialis
gegenüber Art. 7 DBA anzusehen. Auch die nationale Einordnung der Sondervergütung
als gewerbliche Einkünfte könne vorliegend keine andere Besteuerungsfolge
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herbeiführen. In ständiger Rechtsprechung habe der Bundesfinanzhof (BFH) sogar für
Zinsen, für die – anders als hier – eine Rückfallklausel nach DBA USA auf gewerbliche
Einkünfte bestehe, entschieden, dass die nationale Einordnung der Einkünfte für
Abkommenszwecke nicht aufrecht erhalten werden könne. Dabei habe der BFH
ausschließlich auf eine zivilrechtliche Beurteilung abgestellt und ausgeführt, dass für
Zwecke der Abkommensanwendung die Einkünfte jeweils nach ihrem wirtschaftlichen
Gehalt zu beurteilen seien. Sondervergütungen seien daher immer dann, wenn sie auch
die Voraussetzungen einer anderen abkommensrechtlichen Einkunftsart erfüllen
würden, losgelöst vom Gewinnanteil des Personengesellschafters unter die jeweilige
Spezialvorschrift des DBA zu fassen. Ein deutsches Besteuerungsrecht scheide mithin
vorliegend aus.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger eine
Einkommensteuererklärung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ein, in der er
nunmehr – wie das FA – davon ausging, dass er aufgrund eines Wohnsitzes in der BRD
auch dort ansässig gewesen sei. Die doppelte Ansässigkeit in den USA und in der BRD
sei jedoch gem. Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA USA dahingehend aufzulösen, dass eine
vorrangige Ansässigkeit in den USA bestehe, da dort der Mittelpunkt seiner
Lebensinteressen läge. Abgesehen davon sei jedoch weiterhin davon auszugehen,
dass die Pension allein in den USA steuerpflichtig sei. Des Weiteren beantragte der
Kläger im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Einleitung eines
Verständigungsverfahrens gem. Art. 25 DBA USA.
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Das FA erließ am 28. Februar 2005 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten
Einkommensteuerbescheid, in dem es die Einkommensteuer auf 505.293,92 EUR
festsetzte. Weitere Änderungsbescheide datiert vom 27. Juli 2005 und vom 30. Januar
2006. Die zuletzt festgesetzte Einkommensteuer belief sich auf 611.903 EUR.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 1. März 2006 wies das FA den Einspruch des Klägers
als unbegründet zurück und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Gem.
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG seien die Vergütungen, die ein persönlich haftender
Gesellschafter einer KGaA erhalte, Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dies gelte auch für
Vergütungen, die als nachträgliche Einkünfte gem. § 24 Nr. 2 EStG bezogen würden.
Art. 7 DBA USA enthalte für den Ausdruck "gewerbliche Gewinne" nur insoweit eine
Definition, als Vermietungs- und Lizenzeinkünfte betroffen seien. Im Übrigen werde der
Ausdruck nicht definiert. Gem. Art. 3 Abs. 2 DBA USA komme aber jedem nicht im
Abkommen definierten Ausdruck die Bedeutung zu, die ihm nach dem nationalen Recht
des Anwendestaats zukomme. Als Ansässigkeitsstaat einer Personengesellschaft gelte
der Staat, in dem diese ihre Geschäftsleitung habe, mit der Maßgabe, dass die von
dieser bezogenen Einkünfte in diesem Staat wie Einkünfte dort Ansässiger besteuert
würden (Art. 4 Abs. 1b DBA USA). In Art. 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 DBA USA
sei geregelt, dass "gewerbliche Gewinne" in dem Staat zu besteuern seien, in dem eine
Betriebsstätte existiere. Der Zusatz "gewerblich" verweise auf den im deutschen
Steuerrecht verwendeten Terminus der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Was
abkommensrechtlich zu den gewerblichen Gewinnen zu rechnen sei, bestimmte sich
daher, soweit die BRD das Abkommen anwende, nach den Vorschriften des EStG. Der
Gewinnanteil eines Gesellschafters einer Personengesellschaft falle daher unter Art. 7
DBA USA, wenn er bei dem betreffenden Gesellschafter nach deutschem Steuerrecht
zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führe. Das Abkommen gehe insoweit implizit davon
aus, dass die Vertragsstaaten für die Einkünftequalifikation auf ihre nationales
Steuerrecht zurückgreifen würden und etwaige Doppel- oder Nichtbesteuerungen im
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Verständigungsverfahren oder aufgrund der Sonderregelung in Prot. Nr. 21 zu
beseitigen seien. Aus Sicht der BRD als Anwendestaat erziele der Komplementär einer
KGaA auch abkommensrechtlich höchstpersönlich einen Unternehmensgewinn.
Gehörten zu den gewerblichen Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln des
Abkommens behandelt würden, würden gem. Art. 7 Abs. 6 DBA USA die Bestimmungen
jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt. Damit bleibe eine
Besteuerung im Quellenstaat auch dann zulässig, wenn die Einkünfte von einem
Unternehmen im anderen Staat bezogen würden und der Quellenstaat mangels
Betriebsstätte nicht nach Art. 7 DBA USA besteuern dürfe. Art. 15 DBA USA regle die
Besteuerung von Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen und besage, dass
Ruhegehälter im Zusammenhang mit einer solchen Tätigkeit unter Art. 18 DBA USA
fallen würden. Gem. Art. 18 DBA USA seien sie im Wohnsitzstaat zu besteuern. Der
Artikel gelte aber nicht für Ruhegehälter, die Gewerbetreibende nach ihrem Eintritt in
den Ruhestand erzielen würden. Dies treffe auch im Streitfall zu. Bei den
Pensionszahlungen handle es sich um gewerbliche Gewinne im Sinne des Art. 7 Abs. 1
und 2 DBA USA, nicht aber um Ruhegehälter im Sinne des Art. 18 Abs. 1 DBA USA
i.V.m. Art. 15 Abs. 1 DBA USA. Der Kläger sei als deutscher Unternehmer im Sinne der
Art. 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 DBA USA anzusehen, da er bis zum Eintritt
in den Ruhestand unstreitig über einen Hauptwohnsitz in der BRD verfügt habe. Dort
habe auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen gelegen. Das Unternehmen sei ferner
ausschließlich in der BRD betrieben worden und habe insbesondere keine
Betriebsstätte in den USA unterhalten. Entgegen der Auffassung des Klägers enthalte
Art. 18 DBA USA keine Definition des Pensionsbegriffs, die Vorrang vor der Auslegung
des Begriffs des gewerblichen Gewinns nach innerstaatlichem Recht entfalte. Es gebe
auch keine Anhaltspunkte im Abkommen dafür, dass der Ausdruck "Ruhegehalt" gem.
Art. 18 DBA USA als Einnahmen aus Versorgungsleistungen auszulegen sei. Vielmehr
sei darin ausdrücklich geregelt, dass nur solche Ruhegehälter und ähnliche
Vergütungen unter diesen Artikel des DBA USA fallen würden, die im Zusammenhang
mit einer zuvor ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit stünden. Die Pension des
Klägers stünde aber gerade nicht im Zusammenhang mit einer früher ausgeübten
unselbständigen Tätigkeit.
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Der Kläger hält an seiner im
Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führt ergänzend aus: Der
Dissens zwischen Kläger und FA könne dahingehend zusammen gefasst werden, dass
das FA alleine aufgrund der seiner Auffassung nach fehlenden Definition des Begriffs
"gewerbliche Gewinne" einen uneingeschränkten Rückgriff auf nationales Recht unter
Negierung der Funktion des Art. 18 Abs. 1 DBA USA annehme. Der Kläger gehe
dagegen anhand der in der Rechtsprechung und der Literatur dargestellten Kriterien
davon aus, dass es zur Anwendung des Art. 18 DBA USA keiner Definition des Begriffs
der "gewerblichen Einkünfte" bedürfe, da Art. 7 DBA USA wegen der Regelung des Art.
7 Abs. 6 DBA USA nach Eingreifen der spezielleren Regelung des Art. 18 DBA USA
keine Funktion mehr entfalte. Das FA bleibe in seinen bisherigen Äußerungen ferner die
Antwort schuldig, um welche Betriebsstätte es sich den handeln solle, diejenige der
KGaA oder diejenige des Klägers als deren Komplementär. Nach Prüfung der
Auffassung des FA sei hierzu in rechtlicher Hinsicht Folgendes auszuführen: In Bezug
auf die im Streitfall geleistete Pensionszahlung sei unstreitig, dass es sich nicht um
einen Vorabgewinn handle, der in der Tat nach Art. 7 DBA USA beim Komplementär zu
erfassen wäre. Liege – wie hier – jedoch eine schuldrechtlich gesonderte Vereinbarung
vor, sei diese vorrangig nach der für sie bei isolierter Betrachtungsweise einschlägigen
Vorschrift zu beurteilen. Dementsprechend würden Tätigkeitsvergütungen dem Art 15
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DBA USA und darauf aufbauend den Ruhegehaltsvergütungen gem. Art. 18 DBA USA
unterfallen. Wenn sich das FA insoweit für seine Auffassung auf Wolff (in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O, Art. 7 DBA USA Rz. 123) berufe, gehe dies fehl. Wolff
verweise an der angegebenen Stelle auf die Kommentierung zum OECD-MA Art. 7 Rz.
155. Zum Komplementär einer KGaA führe Wolff lediglich aus, dass die Ausführungen
in der Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA Rzn. 115 bis 158 gelten würden. Die vom FA
zitierte Rn. 155 behandle den Ergebnisanteil der KGaA im Allgemeinen. In der
folgenden Rz. 156 nehme Wolff dann Stellung zu Sondervergütungen und führe aus,
dass eine Vergütung dann, wenn sie schuldrechtlichen Charakter habe, vorrangig nach
der für sie bei isolierter Betrachtungsweise einschlägigen Vorschrift des OECD-MA zu
behandeln sei. Diese Auffassung stützte vollumfänglich die vom Kläger vertretene
Auffassung. Zudem verkenne das FA in der Einspruchsentscheidung den
Gesamtzusammenhang der Regelungen des Abkommens. Nach herrschender
Auffassung, die auch vom Bundesminister der Finanzen (BMF) vertreten werde, seien
auch nach der Neufassung des DBA USA die Spezialregelungen des Art. 18 DBA USA
vorrangig vor Art. 7 DBA USA anzuwenden. Ein Rückgriffsmöglichkeit auf das nationale
Steuerrecht aufgrund einer fehlenden Definition in Art. 7 DBA USA sei nicht gegeben,
da die Definition sämtlicher für die Abkommensbesteuerung relevanter Kriterien,
insbesondere der Begriff des Ruhegeldes, aus dem Abkommen ableitbar seien.
Insoweit seien vor allem Art. 7 Abs. 5 und 6 DBA USA von Bedeutung. Nach Art. 7 Abs.
5 DBA USA umfassten die der Betriebsstätte zuzurechnenden gewerblichen Gewinne
nur die Gewinne aus dem Vermögen oder der Tätigkeit der Betriebsstätte. Insoweit
müsse zunächst geprüft werden, auf welche Betriebsstätte abzustellen sei, die der
KGaA oder diejenige des Klägers. Hier könne es sich nur um die Betriebsstätte des
Klägers handeln. Art. 7 Abs. 6 DBA USA führe nunmehr aus, dass soweit zu den
gewerblichen Gewinnen Einkünfte gehören würden, die in anderen Artikeln des
Abkommens behandelt werden, diese Bestimmungen durch Art. 7 DBA USA nicht
berührt würden. Auch das neue DBA USA beinhalte daher das Prinzip des Vorrangs der
spezielleren Einkunftsart. Die Rechtsfolgen dieser Spezialvorschriften gingen daher der
Rechtsfolge des Art. 7 DBA USA vor, soweit nicht im Einzelfall eine Rückverweisung
erfolge, was hier aber nicht der Fall sei. Der DBA-Text unterscheide auch nicht danach,
ob eine ausländische oder eine inländische Personengesellschaft vorliege. Es dürften
daher keine Einkünfte nur wegen des im deutschen Steuerrecht geltenden
Subsidiaritätsprinzips gegenüber den gewerblichen Einkünften auch im
abkommensrechtlichen Sinne als Unternehmensgewinne behandelt werden. Dies
bedeute nichts anderes, als dass zunächst vorrangig auf die Definition der
Spezialartikel, dann auf Art. 7 DBA USA und schließlich, soweit kein
abkommensrechtlicher Inhalt feststellbar sei, in Anwendung von Art. 3 Abs. 2 DBA USA
auf nationales Steuerrecht zurückgegriffen werden dürfe. Soweit das FA ausführe, Art.
18 DBA USA beinhalte keine Definition des Begriffs "Ruhegehalt", sei dies
unzutreffend. Vielmehr spreche die Vorschrift eindeutig von Ruhegehältern aus früherer
unselbständiger Arbeit. Diese Regelung entspreche dem OECD-MA. Hierunter seien
Einnahmen, die nach Eintritt in den Ruhestand geleistet werden und die zwar nicht
ausschließlich, aber doch in erster Linie der Versorgung des Empfängers dienen, zu
verstehen. Diese Voraussetzungen würden die Zahlungen an den Kläger erfüllen.
Soweit es um den Begriff der "früheren nichtselbständigen Arbeit" gehe, sei auf die
Ausführungen zu Art. 15 OECD-MA zurückzugreifen. Organe von
Personengesellschaften könnten danach abkommensrechtlich entweder
nichtselbständig oder als Mitunternehmer tätig werden. Bezögen sie ein besonderes
Gehalt für die Geschäftsführertätigkeit, falle dieses nach Ansicht der Literatur unter Art.
15 DBA USA. Der in Art. 18 DBA USA verwendete Begriff der unselbständigen Arbeit
entspreche daher dem des Art. 15 DBA USA und nicht dem des nationalen
Steuerrechts. Da bei Organen von Personengesellschaften – wie ausgeführt – die
gesonderte schuldrechtliche Vereinbarung unter Art. 15 DBA USA falle, komme es nicht
darauf an, dass es sich im nationalen Steuerrecht aufgrund der gewerblichen Prägung
nicht um Einkünfte gem. § 19 EStG, sondern um solche gem. § 15 EStG handle.
Im Rahmen des Klageverfahrens hat das FA den Kläger darauf hingewiesen, dass das
Bundeszentralamt Anfang 2006 ein Verständigungsverfahren eingeleitet habe.
Daraufhin hat der Kläger zunächst beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung im
Verständigungsverfahren auszusetzen. Mit Schriftsätzen vom 13. Juni 2008, vom 22.
Oktober 2008 und vom 17. Februar 2009 setzte sich der Kläger mit dem BFH-Urteil vom
17. Oktober 2007 I R 5/06 (Sammlung der Entscheidungen des BFH --BFHE-- 219, 518,
Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2009, 356) auseinander und vertrat die Auffassung, dass
die gleichen Grundsätze auch im Streitfall anwendbar seien. Das Verfahren sei daher
nunmehr fortzusetzen. Mit Schriftsätzen vom 26. März 2010 und vom 31. August 2010
führt der Kläger schließlich ergänzend aus, dass sich durch die Einfügung des § 50d
Abs. 10 EStG keine Änderung der Rechtsfolge ergebe. Die Vorschrift erfasse
nachträgliche Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht (Hinweis auf
das Urteil des Finanzgerichts --FG-- Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2009 10 K
3312/08, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 238). Ferner sei in dieser
Vorschrift nicht die Zuordnung der Vergütung zu einer inländischen Betriebsstätte
geregelt. Wenn der BFH für den Fall von Darlehenszinsen eine Zugehörigkeit zur
deutschen Betriebsstätte verneint habe, müsse dies erst recht gelten, wenn der
ausländische Gesellschafter aus der früheren Betriebsstätte ausgeschieden sei.
Schließlich verstoße § 50d Abs. 10 EStG gegen das Rückwirkungsverbot.
13
Der Kläger beantragt sinngemäß,
14
den Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 30. Januar 2006 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 1. März 2006 dahingehend abzuändern, dass die
Einkommensteuer in Anwendung von Art. 18 Abs. 1 DBA USA ohne die seitens der
B KGaA in 1999 enthaltenen Pensionszahlungen von DM 1.042.344 DM
festgesetzt wird, hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen,
sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig
zu erklären.
15
Das FA beantragt,
16
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
17
Das FA hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Es
führt ergänzend aus, dass im vorliegenden Fall eine Pension zu beurteilen sei, die ein
früherer persönlich haftender Gesellschafter von einer KGaA bezogen habe. Es handle
sich um eine nachträgliche Vergütung für die frühere Stellung als Mitunternehmer der
inländischen Gesellschaft, die unstreitig der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sei.
Auf die Frage, ob der Pensionsanspruch als solcher nach dem Wegzug des
Berechtigten noch einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden könne, komme
es danach nicht mehr an.
18
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19
Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
Der Einkommensteuerbescheid vom 30. Januar 2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 1. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten. Das FA durfte die hier fraglichen Pensionszahlungen an den Kläger
der deutschen Besteuerung unterwerfen. Ob es sich abkommensrechtlich um originär
gewerbliche Einkünfte im Sinne des Art. 7 DBA USA oder um "Ruhegehälter oder
ähnliche Vergütungen" im Sinne des Art. 18 DBA USA handelt (vgl. I.), kann im
Ergebnis dahingestellt bleiben. Denn gem. § 50d Abs. 10 EStG und Art. 7 Abs. 1 Satz 2
DBA USA steht das Besteuerungsrecht Deutschland zu (vgl. II.).
21
I. Abkommensrechtlich unterfallen die Pensionseinkünfte des in den USA als ansässig
geltenden Klägers (Art. 4 Abs. 2 lit. A DBA USA) zunächst Art. 7 DBA USA. Gem. Art. 7
Abs. 1 Satz 1 DBA USA können gewerbliche Gewinne eines Unternehmens eines
Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt
seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus.
Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so können die gewerblichen
Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit,
als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA
USA). Der Ausdruck "gewerbliche Gewinne eines Unternehmens" ist im DBA-USA nicht
definiert. Daher ist er für Zwecke der deutschen Besteuerung gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-
USA nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts auszulegen, sofern nicht der
Abkommenszusammenhang eine andere Deutung erfordert oder die zuständigen
Behörden sich nach Art. 25 DBA-USA auf eine gemeinsame Auslegung geeinigt haben
(vgl. BFH-Urteil vom 28. April 2010 I R 81/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 2010, 1550). Wie der Gewinn eines
Unternehmens zu ermitteln ist, richtet sich daher nach dem Recht des jeweiligen
Anwendestaats, im Streitfall also nach Maßgabe des EStG (vgl. etwa Wassermeyer,
Internationales Steuerrecht --IStR-- 2010, 37, 37).
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Nach deutschem Einkommensteuerrecht handelt es sich bei den hier maßgeblichen
Pensionseinkünften, und zwar sowohl bei der laufenden Zahlung als auch bei der
etwaigen (Einmal-)Auszahlung der Altersrente, um eine Sondervergütung im Sinne des
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz, Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG. Der
Gesamtgewinnanteil des Mitunternehmers bzw. des persönlich haftenden
Gesellschafters einer KGaA, der nicht zwingend Mitunternehmer sein muss, aber in
jedem Fall wie ein solcher behandelt wird (im Folgenden wird daher aus
Vereinfachungsgründen i.d.R. vom Mitunternehmer gesprochen), ergibt sich aus seinem
Anteil am Gesamthandsgewinn und dem Gewinn aus dem Sonderbereich. In Bezug auf
den Sonderbereich werden durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG bestimmte
Vergütungen, die ihrem Wesen nach grds. einer anderen Einkunftsart zuzuordnen sein
könnten (z.B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit), in Einkünfte aus Gewerbebetrieb
umqualifiziert und dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zugeordnet. Der Kläger war
zwar zum Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr persönlich haftender Gesellschafter einer
KGaA. § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG sieht jedoch vor, dass dann, wenn der persönlich
haftende Gesellschafter während seiner Zugehörigkeit KGaA Leistungen erbracht hat
und hierfür (erst) nach Beendigung seiner Tätigkeit eine Gegenleistung erhält, die
daraus resultierenden nachträglichen Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG wie
Sondervergütungen behandelt werden.
23
Diese Einkünftequalifizierung gilt zunächst auch auf Abkommensebene fort. Der Begriff
24
des gewerblichen Gewinns im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA umfasst nach
zutreffender Auffassung sowohl den Gewinnanteil aus dem Hauptbereich als auch
etwaige Sondervergütungen (vgl. Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 7
OECD-MA Rn. 109 und 355 bzw. 356, so wohl auch die Rechtsprechung des BFH, vgl.
BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 74/09, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010,
2450; offen gelassen allerdings noch im BFH-Urteil vom 17. Oktober 2007 I R 5/06,
BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356 unter II.1.b) bb)). Dieser Qualifizierung steht auch
nicht entgegen, dass es sich vorliegend um nachträgliche Einkünfte handelt. Da sich im
Wege einer abkommensautonomen Auslegung der Vorschrift keine Anhaltspunkte dafür
ergeben, ob Art. 7 DBA USA nur gegenwärtige oder auch nachträglich erzielte
"gewerbliche Gewinne" umfasst, ist zur Klärung dieser Frage ebenfalls auf das
nationale Steuerrecht zurückzugreifen. Die nach deutschem Einkommensteuerrecht
gegebene Zuordnung derartiger Vergütungen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
gilt daher gleichermaßen für Art. 7 DBA USA.
b) Allerdings ordnet Art. 7 Abs. 6 DBA USA eine vorrangige Zuordnung der
gewerblichen Gewinne zu einer ggf. vorliegenden spezielleren abkommensrechtlichen
Einkunftsart an. Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des BFH greift dieser
Spezialitätenvorrang auch bei Sondervergütungen (so zunächst die Rechtsprechung
des BFH in den sog. Outbound-Fällen, vgl. grundlegend BFH-Urteil 27. Februar 1991 I
R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444, seither ständige Rechtsprechung, vgl. etwa
BFH-Urteile vom 14. Juli 1993 I R 71/92, BFHE 172, 422, BStBI II 1994, 91; vom 21. Juli
1999 I R 71/98, BFHE 190, 111, BStBl II 2000, 336; vom 16. Oktober 2002 I R 17/01,
BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631; vom 9. August 2006, II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326
sowie BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 47/05, BFH/NV 2007, 831. Diese
Rechtsprechung hat der BFH in späteren Entscheidungen dann auch auf die sog.
Inbound-Fälle übertragen, vgl. etwa BFH-Urteile vom 17. Oktober 2007 I R 5/06, BFHE
219, 518, BStBl II 2009, 356; vom 8. September 2010 I R 74/09, DStR 2010, 2450. A.A.
ist seit langem die Finanzverwaltung, vgl. etwa Tz. 1.2.3. des BMF-Schreibens vom 24.
Dezember 1999 IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl I 1999, 1076, sog. Betriebsstätten-
Verwaltungsgrundsätze, vgl. ferner BMF-Schreiben vom 16. April 2010 IV B 2 – S
1300/09/10003, BStBl I 2010, 354, Tz. 5.1). Als speziellere Einkunftsart kommt
vorliegend Art. 18 DBA USA in Betracht. Danach können Ruhegehälter und ähnliche
Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für frühere
unselbständige Arbeit als Nutzungsberechtigter bezieht, nur in diesem Staat besteuert
werden. Das Merkmal der "unselbständigen Arbeit" im Sinne des Art. 18 DBA USA
entspricht der gleichlautenden Formulierung des Art. 15 DBA USA. Nach herrschender
Auffassung, der sich der Senat anschließt, kann daher für die Frage, wie die frühere
unselbständige Arbeit, für deren Ausübung das Ruhegehalt gezahlt wird, zu
qualifizieren ist, auf die Begriffsbestimmung des Art. 15 DBA USA zurückgegriffen
werden (vgl. Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 18 OECD-MA Rn. 26).
Im Rahmen der Auslegung des Art. 15 OECD-MA vertritt die ganz herrschende
Literaturauffassung wiederum die Ansicht, dass jedenfalls bei gesondert vereinbarten
Geschäftsführungsvergütungen, die der Mitunternehmer einer Personengesellschaft
bezieht, eine "unselbständige Arbeit" im Sinne der Vorschrift vorliegt (so etwa
Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 7 OECD-MA Rn. 156 und Art. 15
OECD-MA Rn. 65 und 66; allgemein für Gesellschafter einer Personengesellschaft
Eimermann, in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 15 DBA USA Rn. 13; Prokisch, in
Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 5. Aufl., Art. 15 OECD-MA
Rn. 30; für eine generelle Zuordnung zu Art. 15 OECD-MA bei Existenz eines
Dienstverhältnisses Ostendorf, Behandlung von Sondervergütungen der
25
Mitunternehmer im internationalen Steuerrecht, Berlin 1994, 154 f. m.w.N). Gleiches
dürfte auch für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA gelten.
Konsequenterweise sind nach dieser Auffassung die für die frühere
Geschäftsführungstätigkeit gezahlten Ruhegehälter Art. 18 DBA USA zuzuordnen.
Der Senat hält diese Sichtweise allerdings für fraglich. Weder Art. 15 DBA USA noch
Art. 18 DBA USA beinhalten eine Definition des Begriffs der "unselbständigen Arbeit".
Eine abkommensautonome Auslegung der Art. 15 und 18 DBA USA in Bezug auf die
Fragestellung, wie die Tätigkeitsvergütung des vollhaftenden Gesellschafters einer
KGaA zu qualifizieren ist, ist unergiebig, denn allein aus der Abgrenzung der
Normbereiche von Art. 7 DBA USA und Art. 15 bzw. 18 DBA USA ergeben sich für die
Lösung dieser Frage keine Anhaltspunkte. Zwar teilt der Senat die in der Literatur
vertretene Auffassung, dass davon auszugehen ist, dass den Abkommen ein
gemeinsames Grundverständnis für eine typisch unselbständige Tätigkeit zugrunde liegt
(vgl. etwa Ostendorf, a.a.O., 154; Prokisch, in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 15 OECD-MA
Rn. 27 ff.). Auch wenn man eine solche Typik zugrunde legt, erscheint es aber nicht
zwingend, die hier streitigen Einkünfte als solche aus unselbständiger Arbeit zu
qualifizieren. Dem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA kann, auch wenn er
einen "Anstellungsvertrag" abgeschlossen hat, nicht sachlogisch eine
arbeitnehmerähnliche Stellung zugemessen werden. Die Problematik wird bereits daran
ersichtlich, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft in den jeweiligen
Steuerrechtsordnungen höchst unterschiedlich behandelt werden. Im US-
amerikanischen Steuerrecht werden diese beispielsweise nicht als Arbeitnehmer
angesehen, wohl aber abkommensrechtlich als solche behandelt (vgl. Eimermann, in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 15 DBA USA Rn. 13). In der Schweiz wird die dem
Gesellschafter einer Personengesellschaft zustehende Tätigkeitsvergütung zusammen
mit dem Gewinnanteil als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit angesehen, während
im Bereich der übrigen Sondervergütungen Rechtsgeschäfte zwischen
Personengesellschaft und Gesellschafter anerkannt werden (vgl. Buciek, in
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland –
Schweiz, Art. 7 DBA Schweiz Anm. 64). Auch in der deutschen Rechtsordnung ist die
Qualifizierung uneinheitlich. Während das Steuerrecht von Einkünften aus
Gewerbebetrieb ausgeht, kann der Gesellschafter-Geschäftsführer im
Sozialversicherungsrecht entweder als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer oder als
selbständig Tätiger einzustufen sein (vgl. Brand, in Westermann, Handbuch der
Personengesellschaften, § 3 Rn. 220 ff.). Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) wird der Gesellschafter, der kraft seiner Stellung in der
Personengesellschaft die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Handlungen
vornimmt, also etwa der Komplementär einer KG, in bestimmten Bereichen des
Sozialversicherungsrechts regelmäßig nicht als unselbständig Tätiger angesehen (vgl.
BSG-Urteil vom 5. November 1980 11 RA 80/79, BSGE 50, 284; vgl. zur ähnlich
gelagerten Problematik des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH Seer, in
Festschrift Lang, Köln 2010, 655, 669 ff.). Gleiches dürfte für den persönlich haftenden
Gesellschafter einer KGaA gelten. Nach Auffassung des Senats spricht daher Vieles
dafür, jedenfalls in den Grenzfällen der unselbständigen Tätigkeit, die sich einer
typisierenden Einordnung entziehen, gem. Art. 3 Abs. 2 DBA USA auf das
innerstaatliche Recht zurückzugreifen (so wohl auch Eimermann, in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 15 DBA USA Rn. 11; Prokisch, in Vogel/Lehner,
a.a.O., Art. 15 OECD-MA Rn. 27 a.E.; Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, a.a.O.,
Art. 15 OECD-MA Rn. 53, 63 und 65). Da die Tätigkeitsvergütung des persönlich
haftenden Gesellschafters einer KGaA steuerrechtlich § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2.
26
Halbsatz EStG unterfällt, würde es sich mithin um gewerbliche Einkünfte handeln (vgl.
den ähnlich gelagerten Fall des FG Münster im Urteil vom 18. Januar 1989 VII 4874/86
F, EFG 1989, 294). Ob in diesem Fall die Abkommenssystematik eine hiervon
abweichende Auslegung und eine Zuordnung zu Art. 15 OECD-MA verlangt (vgl.
Prokisch, in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 15 OECD-MA Rn. 30), erscheint dem Senat vor
dem Hintergrund, dass bei typisierender Betrachtung die Annahme eines
unselbständiges Arbeitsverhältnisses gerade nicht zwingend ist, zumindest fraglich.
II. Im Ergebnis konnte die Streitfrage vorliegend allerdings dahingestellt bleiben. Denn
selbst wenn es sich vorliegend bei isoliert abkommensrechtlicher Betrachtung um
Einkünfte im Sinne des Art. 18 DBA USA handelt, greift vorliegend § 50d Abs. 10 EStG.
Aus dessen Anwendung folgt, dass die hier maßgeblichen Pensionseinkünfte als
gewerbliche Gewinne im Sinne des Art. 7 DBA USA zu behandeln sind. Das
Besteuerungsrecht hierfür steht, da sie einer im Inland belegenen Betriebsstätte
zuzuordnen sind, gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 DBA USA Deutschland
zu.
27
1. Mit der Einfügung des § 50d Abs. 10 EStG durch das Jahressteuergesetzes 2009 vom
19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des
BFH reagiert, dass Sondervergütungen in den sog. Inbound-Fällen im Wege einer
abkommensautonomen Auslegung den spezielleren Einkunftsarten des jeweils
einschlägigen DBA zuzuordnen sind. Nach der neu eingefügten Vorschrift gelten
Vergütungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 zweiter Halbsatz und
Nummer 3 zweiter Halbsatz EStG, wenn auf diese die Vorschriften eines Abkommens
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind und das Abkommen – wie
vorliegend das DBA USA – keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche
Regelung enthält, für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als
Unternehmensgewinne. Für Abkommenszwecke ist daher auf Sondervergütungen
nunmehr ausschließlich Art. 7 OECD-MA – bzw. vorliegend Art. 7 DBA USA –
anwendbar. Dem steht im Streitfall auch nicht der Umstand entgegen, dass Art. 7 DBA
USA nicht die Formulierung "Unternehmensgewinne", sondern "gewerbliche Gewinne"
beinhaltet. Nach dem Sinn und Zweck des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG ist der zu eng
gefasste Begriff der "Unternehmensgewinne" weit auszulegen, und zwar in dem Sinne,
dass eine Zuordnung zu der im jeweils anwendbaren DBA dem Art. 7 OECD-MA
entsprechenden Vorschrift erfolgt. Der Begriff umfasst daher auch die in bestimmten
(insbesondere älteren) DBA verwendete Begrifflichkeit des "gewerblichen Gewinns"
(gl.A. etwa FG München, Urteil vom 30. Juli 2009 1 K 1816/09, EFG 2009, 1954;
Günkel/Lieber, Die Unternehmensbesteuerung --Ubg-- 2009, 301, 304; Lieber, in
Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteeurgesetz/Körperschaftsteuergesetz,
Jahreskommentierung 2009, § 50d EStG Anm. J 08-5; offen gelassen vom BFH im Urteil
vom 8. September 2010 I R 74/09, DStR 2010, 2450).
28
2. Im Streitfall ist die Vorschrift des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG einschlägig, denn § 52
Abs. 59a Satz 8 EStG bestimmt, dass sie in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen
zur Anwendung kommt. In dieser rückwirkenden Anwendungsregelung liegt nach
Auffassung des Senats – trotz gewisser Bedenken – kein Verstoß gegen den
rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Rückwirkungsverbot). Der Senat
schließt sich insoweit der Auffassung des FG München im Urteil vom 30. Juli 2009 1 K
1816/09 (EFG 2009, 1954) an. Der Senat teilt insbesondere die Auffassung des FG
München, dass es sich zwar um eine "echte" Rückwirkung handelt, dass diese aber
verfassungsrechtlich (ausnahmsweise) gerechtfertigt ist. Ein Verstoß gegen das
29
Rückwirkungsverbot liegt steuerrechtlich vor, wenn der Gesetzgeber an bereits
abgeschlossene Tatbestände nachträglich ungünstigere Rechtsfolgen knüpft als
diejenigen, von denen der Steuerpflichtige bei seinen Dispositionen ausgehen durfte;
dabei kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Betroffenen und
ihre individuelle Situation an, sondern allein darauf, ob die Rechtslage, auf die sich der
Steuerpflichtige beruft, bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der
betroffenen Personengruppe zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 1/04,
BFHE 213, 38, BStBl II 2006, 549 mit umfangreichen Nachweisen). Schutzwürdiges
Vertrauen kann u.a. dann nicht entstehen, wenn das geltende Recht unklar oder
verworren ist oder wenn der Steuergesetzgeber durch ein rückwirkendes Gesetz
lediglich eine in der Vergangenheit herrschende Rechtspraxis kodifiziert, um so einer
zwischenzeitlich erfolgten Rechtsprechungsänderung entgegenzuwirken (vgl. BFH-
Urteil vom 14. März 2006 I R 1/04, BFHE 213, 38, BStBl II 2006, 549). Das FG München
verweist nach Auffassung des Senats zutreffend darauf, dass die abkommensrechtliche
Zuordnung von Sondervergütungen seit langem in hohem Maße unklar war, so dass der
Steuerpflichtige kein verfassungsrechtlich schutzwürdiges Vertrauen bilden konnte (so
auch Frotscher, IStR 2009, 866; a.A. etwa Hils, DStR 2009, 888, 891; Günkel/Lieber,
Ubg 2009, 301, 303). Dem lässt sich wohl auch nicht entgegengehalten, dass die
Rechtslage für das Fachschrifttum und den BFH schon immer klar gewesen sei (dieser
Auffassung etwa Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301, 303). Diese Argumentation lässt außer
Betracht, dass in der Zeit vor dem BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 I R 15/89 (BFHE
164, 38, BStBl II 1991, 444) sowohl die Rechtsprechung als auch die wohl
vorherrschende Meinung im Schrifttum jahrzehntelang die Auffassung vertreten hatten,
dass Sondervergütungen abkommensrechtlich ausschließlich den
"Unternehmensgewinnen" zuzuordnen sind (vgl. etwa RFH-Urteile vom 28. Juli 1937 VI
A 432/37, Reichssteuerblatt --RStBl-- 1938, 851; vom 30. November 1938 I 42/38, RStBl
1939, 544; BFH-Urteil vom 29. Januar 1964 I 153/61 S, BStBl III 1964, 165; Debatin,
Betriebs-Berater --BB-- 1992, 1181, 1184; Piltz, Die Personengesellschaft im
internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1981, 101 f.
und 159 ff., Schlütter, DStJG-Band 8, 231). Der Wandel der Rechtsprechung durch das
BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 ist im Fachschrifttum auch keineswegs ohne Kritik
geblieben (vgl. etwa Debatin, BB 1992, 1181, 1185 ff.;
Wirtschaft --RIW-- 1991, 1024 ff.). Die Finanzverwaltung hat sie zwar im Outbound-Fall,
nicht aber im Inbound-Fall angewandt (vgl. Krabbe, Finanz-Rundschau --FR-- 2001,
129, 129). Die "Unsicherheit" der Rechtslage betrifft daher nach Ansicht des Senats den
gesamten Zeitraum seit der Rechtsprechungsänderung und der seither im Inbound-Fall
bestehenden Kontroverse zwischen BFH und Finanzverwaltung, jedenfalls aber das
Streitjahr 1999, da vor Abschluss dieses Veranlagungszeitraums die Finanzverwaltung
ihre gegenteilige Auffassung im BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999 (BStBl I 1999,
1076) niedergelegt hatte. Hinzu kommt, dass die Rechtslage nach wie vor nicht als
gesichert angesehen werden kann. Die neuere Rechtsprechung des BFH zur
abkommensrechtlichen Behandlung von Einkünften aus dem Sonderbereich wird in der
Literatur mit Recht als zum Teil als in sich widersprüchlich kritisiert (vgl. etwa Blumers,
Der Betrieb --DB-- 2008, 1765 ff.). So neigt der BFH im Zusammenhang mit der
Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen offenbar dazu, die
Betriebsstättenzuordnung über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA nach rein rechtlichen und
gerade nicht nach funktionalen Gesichtspunkten vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom
18. Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771 und aus der neueren
Rechtsprechung BFH-Urteil vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II
2009, 414, in der der BFH die Frage, ob eine vorrangige Zuordnung nach funktionalen
Gesichtspunkten erfolgen muss, ausdrücklich offen gelassen hat). Darüber hinaus
scheidet ein Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz im Streitfall auch deshalb
aus, weil die maßgebliche Disposition, also der Abschluss der Pensionsvereinbarung
sowie sämtlicher Nachtragsvereinbarungen mit Ausnahme der Nachtragsvereinbarung
aus dem Jahr 1997, vor dem Zeitpunkt der Änderung der Rechtsprechung durch das
Urteil vom 27. Februar 1991 erfolgte. Der Kläger konnte zum Dispositionszeitpunkt
daher gerade nicht darauf vertrauen, dass bei einer Verlegung seines Wohnsitzes in die
USA eine Freistellung der Pensionseinkünfte im Inland erfolgen würde. Im Übrigen ist
auch weder vorgetragen noch ersichtlich und auch nicht plausibel, dass der Kläger die
Pensionsvereinbarung nicht oder nicht in der geschehenen Weise abgeschlossen hätte,
wenn er bereits seinerzeit von einer gegenteiligen Rechtsauffassung ausgegangen
wäre.
3. Die Anwendung des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG wird nach Auffassung des Senats
auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich vorliegend um nachträgliche
Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG handelt. § 50d Abs. 10 EStG ist
insoweit analog anwendbar (gl.A. Frotscher, Kommentar zum EStG, § 50d Rn. 266; a.A.
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Oktober 2009 10 K 3312/08, EFG 2010, 238). Das
FG Baden-Württemberg verweist zutreffend darauf, dass § 50d Abs. 10 EStG seinem
Wortlaut nach ausdrücklich nur Vergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2.
Halbsatz und Nr. 3 2. Halbsatz EStG betrifft und keinen Verweis auf Vergütungen
beinhaltet, die – wie hier – als nachträgliche Einkünfte (§ 24 Nr. 2 EStG) bezogen
werden. Nach der zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG ergangenen
Rechtsprechung des BFH ist der Tatbestand dieser Vorschriften nur erfüllt, wenn
derjenige, der eine Vergütung bezieht, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Vergütung als
Aufwand in der Handels- und Steuerbilanz der Gesellschaft in Erscheinung tritt,
unmittelbar oder mittelbar (noch) Gesellschafter (Mitunternehmer) der
Personengesellschaft ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 24.11.1983 IV R 14/83, BFHE 139,
549, BStBl II 1984, 431). Erst mit der Einfügung des § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG durch
Artikel 7 Nr. 6 lit. a des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985
(BStBl I S. 735) hat der Gesetzgeber die nachträglichen Einkünfte den laufenden
Sondervergütungen gleichgestellt. Bis dato ging der BFH (lediglich) davon aus, dass die
als Vergütung für die Tätigkeit des Gesellschafters als Geschäftsführer gewährten
Versorgungsleistungen zu den nachträglichen gewerblichen Einkünften nach § 24 Nr. 2
EStG gehören.
30
An die in puncto Wortlautauslegung zutreffende Feststellung des FG Baden-
Württemberg schließt sich jedoch die Frage an, ob die Regelung des § 50d Abs. 10
EStG insoweit ggf. eine Regelungslücke aufweist, die im Wege eines
Analogieschlusses zu schließen ist. Durch eine Analogie wird die für einen Tatbestand
im Gesetz angeordnete Rechtsfolge auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm
ähnlichen Tatbestand übertragen. Diese Form der gesetzesimmanenten
Rechtsfortbildung dient der Ausfüllung von Gesetzeslücken. Sie setzt also voraus, dass
eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes besteht (vgl. Larenz, Methodenlehre
der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, 373). Eine Gesetzeslücke liegt dann vor, wenn
der bloße Wortlaut des Gesetzes, gemessen an dessen eigener Absicht und der ihm
innewohnenden Teleologie unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist und seine
Ergänzung auch nicht einer vom Gesetzgeber bewusst gewollten Beschränkung auf
bestimmte Tatbestände entspricht (vgl. Larenz, a.a.O, 373 ff; ebenso die ständige
Rechtsprechung des BFH, vgl. etwa BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 VIII R 25/94, BFHE
178, 418, BStBl II 1996, 684). Eine solche Lücke darf von den Gerichten im Wege der
Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen
31
lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht
erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn denn bedacht hätte (vgl. aus der
jüngeren Zeit etwa den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September
2008 2 B 43/08, abrufbar in juris). Die Übertragung der Rechtsfolge ist bei der Analogie
letztlich deshalb gerechtfertigt, weil beide Tatbestände infolge ihrer Rechtsähnlichkeit
auch gleich bewertet und behandelt werden müssen (Larenz, a.a.O., 381).
Entscheidende Bedeutung kommt daher insoweit dem Gesetzestelos zu.
Nach Ansicht des Senats spricht der Sinn und Zweck des § 50d Abs. 10 EStG für eine
Einbeziehung nachträglich bezogener Sondervergütungen. Das vom Gesetzgeber mit
dieser Vorschrift verfolgte Ziel bestand offenkundig darin, entgegen der Rechtsprechung
des BFH die Sondervergütungen im Inbound-Fall der deutschen Besteuerung zu
unterwerfen. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/11108, S. 28 f.) heißt es zur
Begründung (auszugsweise):
32
Das hätte für das deutsche Steuerrecht zur Folge, dass die Vergütungen, die der
Gesellschafter (Mitunternehmer und persönlich haftender Gesellschafter der KGaA)
von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die
Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern als
Gewinnanteil bezieht, regelmäßig nicht mehr besteuert werden, wenn der
Gesellschafter in einem DBA-Staat ansässig ist. Die Behandlung der
Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte ist ein tragender Grundsatz der
Besteuerung von Mitunternehmerschaften im deutschen Steuerrecht und führt zur
Gleichbehandlung von Einzelunternehmern und Gesellschaftern von
Mitunternehmerschaften. Das Ergebnis der Anwendung dieses Grundsatzes ist,
dass der Mitunternehmer nicht nur in Bezug auf seinen Gewinnanteil, sondern auch
in Bezug auf die Sondervergütungen einheitlich gewerbliche Einkünfte erzielt und
die Sondervergütungen damit Teil des Gewerbeertrages sind. Zur Wahrung der
Einheitlichkeit der Besteuerung inländischer und ausländischer Gesellschafter ist
es daher unumgänglich, eine DBA-Anwendungsregelung zu schaffen, die
anordnet, dass die genannten Vergütungen für Zwecke der DBA-Anwendung den
Unternehmensgewinnen zuzuordnen sind.
33
Die maßgebliche Erwägung, dass die Behandlung der Sondervergütungen als
gewerbliche Einkünfte ein tragender Grundsatz der Besteuerung der
Mitunternehmerschaften sei und dies jedenfalls im Inbound-Fall eine Besteuerung im
Inland rechtfertige, trifft gleichermaßen auf laufende wie auch auf nachträgliche
Sondervergütungen zu. Gegen die Gleichbehandlung spricht auch nicht der Umstand,
dass nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG i.d.R. nicht
gewerbesteuerpflichtig sind. Bei der Einfügung des § 50d Abs. 10 EStG kam es dem
Gesetzgeber ersichtlich allein auf die Sicherung des deutschen Besteuerungssubstrats
an. Ob eine Gleichstellung auch im Rahmen der Gewerbesteuer gerechtfertigt ist, ist
eine Frage der Auslegung des § 7 Satz 6 des Gewerbesteuergesetzes n.F., die hier
nicht entscheidungserheblich ist.
34
Einer Analogie steht des Weiteren auch nicht entgegen, dass nachträgliche Einkünfte
erst durch das "Steuerbereinigungsgesetz 1986" in die Einkünfte des Mitunternehmers
einbezogen wurden und sich vor diesem Zeitpunkt die Hinzurechnungsvorschrift für
Mitunternehmervergütungen jahrzehntelang auf die Bezüge der "Noch-Gesellschafter"
beschränkte (so das FG Baden-Württemberg im Urteil vom 9. Oktober 2009 10 K
3312/08, EFG 2010, 238 ). Aus Sicht des Senats spricht dieses Argument vielmehr
35
umgekehrt für die hier vertretene Auffassung, da seit der Einfügung des § 15 Abs. 1 Satz
2 EStG die Einbeziehung nachträglicher Einkünfte in die Sondervergütungen gerade
den Regelfall bildet, so dass es naheliegt, dass es sich bei der fehlenden Einbeziehung
solcher Einkünfte in den § 50d Abs. 10 EStG lediglich um eine planwidrige
Regelungslücke handelt.
Soweit das FG Baden-Württemberg darauf verweist, dass in den DBA, die bereits
spezielle Regelungen über die Zurechnungen von Sondervergütungen enthalten, auf
die Einbeziehung nachträglicher Einkünfte verzichtet worden sei (Hinweis auf Art. 7
Abs. 7 DBA-Schweiz oder Art. 7 Abs. 6 DBA-Kasachstan), kann der Senat dem nicht
folgen. Soweit ersichtlich wird etwa auch zum DBA-Schweiz die Auffassung vertreten,
dass ein Ruhegehalt, das der frühere Gesellschafter einer Personengesellschaft von der
Gesellschaft bezieht, zwar abkommensrechtlich eigentlich nach Art. 18 DBA zu
behandeln sei, da es sich um eine Sondervergütung handle, aber im Ergebnis Art. 7
Abs. 7 DBA greife und eine Zuordnung zu den Unternehmensgewinnen erfolge (vgl.
Buciek, in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 7 DBA Schweiz Anm. 859).
36
Die hier vertretene Auslegung verstößt auch nicht gegen ein (etwaiges)
steuerrechtliches Analogieverbot. Insoweit wird auf die Begründung des BFH-Urteils
vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79 (BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221) Bezug
genommen.
37
4. Der Senat hat des Weiteren auch keine Zweifel daran, dass die Anwendung des
§ 50d Abs. 10 EStG im Streitfall mit der Verfassung vereinbar ist. Bei der Vorschrift des §
50d Abs. 10 EStG handelt es sich um ein Gesetz, das einen grenzüberschreitenden
Sachverhalt uniliteral abweichend von den Bestimmungen eines diesen Fall regelnden
DBA, also eines bilateralen völkerrechtlichen Vertrags, regelt (sog. Treaty Override). Der
Gesetzgeber konnte den von ihm mit der Einfügung des § 50d Abs. 10 EStG
angestrebten Gesetzeszweck nur durch einen Treaty Override erreichen. Denn der BFH
hatte mit Urteil vom 17. Oktober 2007 I R 5/06 (BStBl II 2009, 356) die Vorschriften des
DBA auf Grund anerkannter Auslegungsmethoden bindend in dem Sinne ausgelegt,
dass Sondervergütungen den speziellen DBA-Einkunftsvorschriften zuzuordnen sind
und – jedenfalls in Bezug auf Zinsen – die Rückfallklausel des Zinsartikels im Regelfall
nicht erfüllt sind (wie hier etwa Frotscher, IStR 2009, 593, 597; Günkel/Lieber, Ubg,
2009, 301, 306; Klein, in Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 50d Abs. 10 EStG Anm.
131; Jansen/Weismann, IStR 2010, 596, 598; Lange, GmbH-Steuerberater --GmbH-StB-
- 2009, 128; Schmidt, IStR 2010, 413, 430; a.A. FG München, Urteil vom 30. Juli 2009 1
K 1816/09, EFG 2009, 1954; Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109, 111). Zwar
verstößt der in dem Treaty Override liegende Vertragsbruch gegen das Völkerrecht. Ein
Verstoß gegen Verfassungsrecht liegt dagegen nach Ansicht des Senats nicht vor. Die
Art. 25 des Grundgesetzes (GG) und Art. 59 GG werden durch ein Treaty Override nicht
verletzt (vgl. die eingehende Begründung von Seer, in IStR 1997, 481 ff.; vgl. ferner
Frotscher, in FS für Harald Schaumburg, 2009, 687, BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R
120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129). Auch ein Verstoß gegen § 2 AO i.V.m. Art.
59 GG ist nicht gegeben. Gem. § 2 AO gehen DBA als Verträge mit anderen Staaten im
Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG über die Besteuerung, soweit sie unmittelbar
anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor. Hierdurch
wird jedoch kein Vorrang gegenüber nachfolgend verabschiedeten Bundesgesetzen
begründet (vgl. Frotscher, a.a.O, 700 ff.; Seer, IStR 1997, 481, 484). Spätere speziellere
Regelungen gehen daher der übernommenen Vertragsnorm vor, wenn ein
gesetzgeberischer Wille zur Abkommensverdrängung feststellbar ist (so die
38
Rechtsprechung des BFH und die herrschende Literaturauffassung, vgl. etwa BFH-
Urteil vom 13. Juli 1994 I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129). Mit der
Einfügung des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG hat der Gesetzgeber seinen Willen zur
Verdrängung des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips für Sondervergütungen
objektiv klar und zweifelsfrei deutlich gemacht. Denn das Spezialitätsprinzip des Art. 7
Abs. 7 OECD-MA (im Streitfall gem. Art. 7 Abs. 6 DBA USA) wird für alle DBA, die nicht
ohnehin Sonderregelungen für Sondervergütungen beinhalten, außer Kraft gesetzt. Ob
dem Gesetzgeber "subjektiv" bewusst gewesen ist, dass es sich um ein Treaty Override
handelt (nach Auffassung des Finanzausschusses soll es sich um eine bloße "DBA-
Anwendungsregelung" handeln, vgl. den Bericht des Finanzausschusses in BT-Drucks.
16/11108, 28 ff.), ist aus Sicht des Senats unbeachtlich. Maßgeblich ist allein der im
Gesetz objektiv erkennbare Wille zur Abkommensverdrängung (so zutreffend bereits zu
§ 20 Abs. 2 AStG Seer, IStR 1997, 481, 486). Dies gilt umso mehr, als es offenbar in
"subjektiver" Hinsicht auf Seiten des Gesetzgebers eine Tendenz gibt, in
Gesetzesbegründungen das Vorliegen eines Treaty Overrides "abzustreiten" (vgl. etwa
zur Vorschrift des § 20 Abs. 2 AStG Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des
StÄndG 1992 in BT-Drucks. 12/1506, 163, 181; vgl. zudem die Ausführungen von
Gosch, IStR 2008, 413, 416 zu § 50d Abs. 9 EStG). Der Senat teilt weder die von einer
im Vordringen befindlichen Auffassung vertretene Ansicht, dass der Bruch von
Völkervertragsrecht nach Maßgabe des Rechtsstaatsprinzips einer besonderen
Rechtfertigung bedarf, noch dass hieraus gar die Nichtigkeit eines Treaty Overrides folgt
(vgl. etwa Vogel, in Vogel/Lehner, a.a.O., Einl. Rz. 193 ff., insb. Rn. 205; vgl. ferner die
Nachweise bei Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 599 und Gosch, IStR 2008, 413,
419; diese Bedenken aufgreifend nunmehr auch BFH im Beschluss vom 19. Mai 2010 I
B 191/09, BFH/NV 2010, 1554). Aus der von den Vertretern dieser Auffassung
angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Oktober
2004 2 BvR 1481/04 (Sammlung der Entscheidungen des BVerfG --BVerfGE-- 111, 307)
ist ein entsprechender "Umkehrschluss" in dem Sinne, dass das allgemeinen Prinzip
der "Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes" die Zulässigkeit eines Treaty
Overrides einschränke, nicht zu entnehmen (so zutreffend Birk, in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO, FGO, § 2 AO Anm. 3b; Brombach-
Krüger, Ubg 2008, 324, 329; Bron, IStR 2007, 431, 434; Frotscher, a.a.O, 687, 698 f. und
704 f.).
Auch der von Teilen der Literatur gerügte Verstoß des § 50d Abs. 10 EStG gegen
Individualgrundrechte (vgl. Frotscher, IStR 2009, 593, 599 f., Jansen/Weidmann, IStR
2010, 596, 603) ist nach Auffassung des Senats jedenfalls im Streitfall nicht gegeben.
Ein Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG scheidet aus. Nach früher
gefestigter Rechtsprechung des BVerfG, die der Erste Senat nach wie vor vertritt, ist die
Auferlegung einer Steuer grundsätzlich nicht an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist, sofern
sie keine erdrosselnde Wirkung entfaltet (vgl. BVerfGE 14, 221, 119; 19, 119, 128 f.; 95,
267, 301; 105, 17, 32). Nach der Auffassung des Zweiten Senats fällt die
Steuerbelastung jedenfalls dann als rechtfertigungsbedürftige Inhalts- und
Schrankenbestimmung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie, wenn der
Steuerzugriff tatbestandlich an das Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen
anknüpft und so den privaten Nutzen der erworbenen Rechtspositionen zugunsten der
Allgemeinheit einschränkt (vgl. BVerfGE 115, 97, 111 f.). Nach beiden Auffassungen
verstößt eine ggf. aus § 50d Abs. 10 EStG resultierende Doppelbesteuerung im Streitfall
– wie sich bereits aus einer überschlägigen Berechnung ergibt – nicht gegen Art. 14 GG.
Zunächst einmal ist bereits fraglich, ob es vorliegend im Ergebnis überhaupt zu einer
Doppelbesteuerung kommen wird. Der Senat hält die von Wolff vertretene Auffassung
39
für zutreffend, dass die USA auch im Falle einer abkommenswidrigen Besteuerung
durch die BRD zur Vornahme einer Anrechnung der deutschen Einkommensteuer
verpflichtet sind (vgl. Wolff in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 7 DBA USA Rn. 100,
Art. 23 DBA USA Rn. 30 f., so im Ergebnis auch die Auffassung der Finanzverwaltung,
wonach die Beseitigung der Doppelbesteuerung dem Ansässigkeitsstaat obliegt, vgl.
hierzu BMF-Schreiben vom 16. April 2010, a.a.O, Tzn. 5.1 und 4.1.3.3.1). Selbst wenn
es aber zu einer Doppelbesteuerung käme, wäre vorliegend das Grundrecht aus Art. 14
GG nicht verletzt. Zwar ergibt sich eine Steuerbelastung von 62%, wenn man die in
Deutschland festgesetzte Einkommensteuer von 1.196.779 DM und die US-
amerikanische Einkommensteuer von 140.716 USD (was bei Anwendung des auch
vom Kläger zugrunde gelegten Umrechnungskurses von ca. 1:1,835 einem Betrag von
258.214 DM entspricht) addiert und ins Verhältnis zum in Deutschland angesetzten zu
versteuernden Einkommen von 2.314.518 DM setzt. In die Bemessungsgrundlage sind
jedoch darüber hinaus auch die Einkünfte einzubeziehen, die der Kläger nur in der US-
amerikanischen Steuererklärung, nicht aber in der deutschen
Einkommensteuererklärung erklärt hat (dort erklärtes "taxable income" 1.950.170 USD =
ca. 3.574.600 DM). So sind beispielsweise in den USA Dividendeneinkünfte ("ordinary
dividends") in Höhe von 666.033 USD in die Einkommensberechnung eingegangen, die
nicht in der deutschen Bemessungsgrundlage enthalten sind und bei deren
Einbeziehung sich nur noch eine Steuerbelastung von ca. 41% ergibt.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG liegt nicht vor. Der
allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich
und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für
den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. etwa BVerfGE 120, 1, 29). Im Bereich
des Steuerrechts hat der Gesetzgeber grundsätzlich einen weit reichenden
Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für
die Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 93, 121, 135; 107, 27, 47). Eine
Ungleichbehandlung liegt im Streitfall nach Maßgabe dieser Grundsätze nicht vor.
Durch das Treaty Override des § 50d Abs. 10 EStG werden alle Gesellschafter einer
Personengesellschaft, die in In- oder Outbound-Fällen Sondervergütungen beziehen
und sich damit in einer vergleichbaren Lage befinden, nach den gleichen Grundsätzen
behandelt. Auf eine Ungleichbehandlung gegenüber solchen Gesellschaftern, die im
gleichen Staat ansässig sind, aber andere Einkünfte als Sondervergütungen beziehen,
kommt es nach Auffassung des Senats nicht an (a.A. Frotscher, Kommentar zum EStG,
§ 50d Rn. 250 ff.). Selbst wenn jedoch ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 3 GG
vorliegen sollte, wäre ein solcher jedenfalls gerechtfertigt. In der vorliegenden
Konstellation ist dem Gesetzgeber einer weiter Entscheidungsspielraum zuzugestehen,
so dass der Eingriff am Maßstab des Willkürverbots zu messen wäre. Eine evidente
Unsachlichkeit des Treaty Overrides ist aber keineswegs erkennbar, zumal die
Zuordnung zu den "gewerblichen Gewinnen" der deutschen Rechtslage entspricht,
wonach Sondervergütungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert werden.
40
Schließlich verstößt § 50d Abs. 10 EStG auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Nach
Auffassung des Senats kann aus dem in dem Treaty Override liegenden Verstoß gegen
Völkerrecht kein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit abgeleitet werden.
Der darin liegende "Teilwiderruf" einer völkerrechtlichen Regelung kann nicht über den
Umweg des Art. 2 GG individualschützenden Charakter erlangen. Selbst wenn man
jedoch dieser Auffassung nicht folgen wollte, fehlt es im Streitfall jedenfalls an einer
41
konkreten Verletzung der Grundrechte des Klägers. § 50d Abs. 10 EStG wirkt sich im
Streitfall, wie bereits im Zusammenhang mit Art. 14 GG dargestellt wurde, nicht
unverhältnismäßig aus. Auch ein Verstoß gegen eine schutzwürdige Vertrauensposition
des Klägers liegt nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG kann der
Bürger grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber
Steuervergünstigungen und steuerliche Freiräume aufrechterhält sowie von der
Erhebung zusätzlicher Steuern absieht (vgl. etwa BVerfGE 68, 287 ff.). Dieser Grundsatz
greift auch in den Fällen eines Treaty Overrides. Völkerrechtlich ist der Staat zur
Beseitigung einer Doppelbesteuerung nicht verpflichtet (vgl. Lang, in Tipke/Lang,
Steuerrecht, 20. Aufl., § 2 Rn. 41). Es kann daher auch kein subjektiv-öffentlicher
Anspruch des einzelnen auf Aufrechterhaltung der ihm günstigen Regelungen eines
DBA bestehen.
5. Für die als gewerbliche Gewinne im Sinne des Art. 7 DBA USA zu qualifizierenden
Pensionszahlungen steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu, da sie der
inländischen Betriebsstätte der KGaA zuzuordnen sind (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA USA).
42
a) Eine Personengesellschaft wird für Zwecke der Anwendung des Art. 7 Abs. 1 Satz 1
1. Halbsatz DBA USA zunächst als Unternehmen desjenigen Staates behandelt, in dem
der Gesellschafter, um dessen Besteuerung es jeweils geht, ansässig ist (vgl. allgemein
hierzu etwa BFH-Urteile vom 26. Februar 1992 I R 85/91, BFHE 168, 52, BStBl II 1992,
937; vom 17. Oktober 1990 I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211). Ist der
Gesellschafter z.B. – wie hier – in den USA ansässig, handelt es sich um ein US-
amerikanisches Unternehmen. Die gleichen Grundsätze greifen auch im Falle einer
KGaA, soweit es um ihr Verhältnis zum persönlich haftenden Gesellschafter geht.
Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei der KGaA dem Grund nach um eine
juristische Person handelt, ist diese in Bezug auf ihr Verhältnis zum persönlich
haftenden Gesellschafter abkommensrechtlich als Personengesellschaft zu behandeln
(vgl. die Begründung im BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 16/89, BFHE 163, 38,
BStBl II 1991, 211 betreffend das DBA Schweiz; gl.A. Piltz/Wassermeyer, in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 7 OECD-MA Rn. 151 und 156; a.A. Wolff, in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 7 DBA USA Rn. 122). Die Grundregel des Art. 7 Abs.
1 Satz 1, 1. Halbsatz DBA USA, wonach dem Ansässigkeitsstaat das
Besteuerungsrecht zusteht, wird allerdings insoweit durch Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 2.
Halbsatz, Satz 2 DBA USA durchbrochen, als Einkünfte einer inländischen
Betriebsstätte zuzurechnen sind. Insoweit gilt bei Personengesellschaften der
Grundsatz, dass die Betriebsstätte einer Personengesellschaft dem im anderen
Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter eine eigene Betriebsstätte vermittelt (vgl. etwa
BFH-Urteile vom 10. Juli 2002 I R 71/01, BFHE 200, 184, BStBl II 2003, 191; vom 18.
Dezember 2002 I R 92/01, BFHE 201, 447, BFH/NV 2003, 964; vom 17. Oktober 2007 I
R 5/06, BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356, letztere Entscheidung zum DBA USA 1989).
Das Besteuerungsrecht der BRD hängt daher davon ab, ob eine Zuordnung der
fraglichen Einkünfte zu dieser Betriebsstätte vorzunehmen ist.
43
b) Nach der Rechtsprechung des BFH können einer Betriebsstätte die Gewinne
zugerechnet werden, die durch ihre Tätigkeit oder ihre Vermögenswerte wirtschaftlich
verursacht wurden, sog. Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (vgl. etwa BFH-
Urteile vom 8. September 2010 I R 74/09, DStR 2010, 2450; vom 20. Juli 1988 I R 49/84,
BFHE 154, 465, BStBl II 1989, 140, Hemmelrath, in Vogel/Lehner, a.a.O, Art. 7 OECD-
MA Rn. 42). Nach der neueren BFH-Rechtsprechung kann für die Frage der Zuordnung
zu einer Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA auf die Rechtsprechung zu
44
den abkommensrechtlichen Betriebsstättenvorbehalten zurückgegriffen werden, und
zwar ungeachtet des Umstandes, dass diese in der Regel – ebenso wie vorliegend Art.
7 Abs. 1 Satz 2 DBA USA – nicht von einer "tatsächlichen Zugehörigkeit", sondern nur
von "Zugehörigkeit" sprechen (vgl. BFH-Urteile vom 8 September 2010 I R 74/09,
abrufbar in juris; vom 17. Oktober 2007 I R 5/06, BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356
m.w.N.; BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 47/05, BFHE 216, 276, BStBl II
2009, 766). Danach bedarf es – über die rechtliche Zuordnung hinaus – eines sachlich-
funktionalen (tatsächlichen) Zusammenhangs der Sondervergütung mit der
Betriebsstätte. Einen solchen Zusammenhang hat der BFH in Bezug auf
Sondervergütungen in Gestalt von Zinsen oder Lizenzgebühren regelmäßig mit der
Begründung verneint, dass eine Forderung nur dann tatsächlich zur Betriebsstätte
gehören könne, wenn sie aus der Sicht derselben einen Aktivposten bilde, was bei
Forderungen des Gesellschafters gegen die Personengesellschaft nicht der Fall sei (vgl.
etwa BFH-Urteil vom 17. Oktober 2007 I R 5/06, BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356
m.w.N.; BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 47/05, BFHE 216, 276, BStBl II
2009, 766).
c) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung geht die vorherrschende
Literaturauffassung davon aus, dass der Gesetzgeber das mit § 50d Abs. 10 EStG
verfolgte Ziel, die BFH-Rechtsprechung zu den "Inbound-Fällen" auszuhebeln, verfehlt
habe. Denn § 50 d Abs. 10 EStG nehme lediglich in rechtlicher Hinsicht eine
Umqualifizierung von anderen Einkünften in gewerbliche Einkünfte vor. Das
Besteuerungsrecht der BRD hänge darüber hinaus aber gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2
OECD-MA von der weiteren Frage ab, ob für den Gesellschafter im Inland eine
Betriebstätte bestehe und die Vergütungen tatsächlich dieser deutschen Betriebstätte
zuzurechnen seien. § 50d Abs. 10 EStG enthalte insoweit jedoch gerade keine
Anordnung dahingehend, dass die als Unternehmensgewinne zu qualifizierenden
Sondervergütungen auch funktional der durch die Personengesellschaft vermittelten
Betriebstätte i.S.d. Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA zuzurechnen seien. Eine solche
Sichtweise sei auch nicht von dem Wortlaut der Fiktion des § 50d Abs. 10 EStG gedeckt
(vgl. etwa Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109, 113; Hils, DStR 2009, 888, 891;
Lange, GmbH-StB 2009, 128 134; Lieber, in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.,
Jahreskommentierung 2009, § 50d EStG Anm. J 08-5; Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423,
425; Meretzki, IStR 2009, 217, 219; Schmidt, IStR 2010, 413, 430; grds. auch
Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301, 304, siehe aber unten; a.A. Frotscher, IStR 2009, 593;
595; zustimmend Mitschke, DB 2010, 303, 304). Der herrschenden Meinung hat sich
nunmehr auch der BFH angeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R
74/09, DStR 2010, 2450).
45
d) Der Senat vermag sich dieser Auffassung, die im Ergebnis zu einem (weitgehenden)
Leerlaufen des § 50d Abs. 10 EStG führen würde, nicht anzuschließen. Der
herrschenden Auffassung ist darin beizupflichten, dass § 50d Abs. 10 EStG keine
ausdrückliche Regelung in Bezug auf die Frage der Betriebsstättenzuordnung trifft.
Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Auslegung nach dem Sinn und Zweck
des Gesetzes sprechen jedoch dafür, dass es dem Gesetzgeber bei der Einfügung der
Vorschrift darauf ankam, der BRD das Steuersubstrat für Sondervergütungen in den
Inbound-Fällen zu erhalten. Konkreter Anlass für die Einfügung der Norm war, wie sich
explizit dem Bericht des Finanzausschusses (als "Teilorgan" der gesetzgeberischen
Willensbildung, vgl. Larenz, a.a.O., 329) entnehmen lässt, die vom BFH im Urteil vom
17. Oktober 2007 I R 5/06 vorgenommene abkommensautonome Auslegung im
Inbound-Fall, als deren Konsequenz Deutschland – vorbehaltlich ausdrücklicher
46
Regelungen in einem DBA – jedenfalls das Besteuerungsrecht für einen großen Teil der
Sondervergütungen verloren hätte. Bei § 50d Abs. 10 EStG handelt es sich daher
offenkundig um ein "Nichtanwendungsgesetz" gegenüber der BFH-Rechtsprechung.
Nach Auffassung des Senats gebietet die historisch-teleologische Auslegung der
Vorschrift eine von der herrschenden Meinung abweichende Auslegung der Vorschrift
dahingehend, dass diese nicht nur eine Umqualifizierung der Sondervergütungen in
Einkünfte gem. Art. 7 OECD-MA beinhaltet, sondern auch die vom Gesetzgeber
gewollte Betriebsstättenzuordnung umfasst (im Ergebnis gl.A etwa Frotscher,
Kommentar zum EStG, § 50d Rn. 283). Ansatzpunkt hierfür ist das Tatbestandsmerkmal
der "Unternehmensgewinne". Dieser – nicht legal definierte – Begriff ist im Wege einer
extensiven Wortlautauslegung dahingehend auszulegen, dass Sondervergütungen für
Zwecke der Anwendung des Abkommens als Einkünfte im Sinne des Art. 7 OECD-MA
der durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte gelten, und zwar
derjenigen, bei der auch der Gewinnanteil zu versteuern ist oder – wenn kein solcher
existiert – zu versteuern wäre.
Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht die in der Gesetzesbegründung
verwendete Formulierung entgegen, dass Deutschland das Besteuerungsrecht (nur)
zustehe, "wenn die Sondervergütungen (...) der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen
sind". Hieraus ist nicht zu folgern, dass der Gesetzgeber auch nach der Einfügung des §
50d Abs. 10 EStG davon ausging, dass eine Prüfung der funktionalen Zuordnung zur
Betriebsstätte erfolgen muss. Die betreffenden Ausführungen sind nach Ansicht des
Senats vielmehr darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber von einer anderen
Wirkungsweise des § 50d Abs. 10 EStG ausgeht, als diesem von der herrschenden
Auffassung beigemessen wird. Nach letztgenannter Auffassung sind die
Sondervergütungen getrennt vom Gewinnanteil zu betrachten und daher gesondert auf
ihre Betriebsstättenzugehörigkeit zu prüfen. Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung
des § 50d Abs. 10 EStG dagegen, wie sich dem Gesamtzusammenhang der
Gesetzesbegründung, insbesondere den Ausführungen zur "Einheitlichkeit" der
gewerblichen Einkünfte in Bezug auf den Gewinnanteil und die Sondervergütung
entnehmen lässt, wohl davon aus, dass es sich bei beiden um eine Einheit handelt.
Diese Einheit wird technisch durch die Ausschaltung des Spezialitätenvorrangs gem.
Art. 7 Abs. 7 OECD-MA bewerkstelligt, wodurch eine Herauslösung der
Sondervergütungen aus dem Gesamtgewinnanteil verhindert wird. Damit bleibt kein
Raum für eine "isolierte" Prüfung, welcher Betriebsstätte eine im Gesamtgewinn
enthaltene Sondervergütung zuzuordnen ist. Der Gesamtgewinn aus Haupt- und
Sonderbereich wird vielmehr einheitlich der Betriebsstätte zugeordnet, in der auch der
Gewinnanteil aus dem Hauptbereich zu besteuern ist, also regelmäßig der durch die
Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte. Vorbild für die Wirkungsweise des §
50d Abs. 10 EStG ist daher wohl die Regelung des Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA Schweiz.
Durch diese abkommensrechtliche Spezialvorschrift wird für die Sondervergütungen der
Spezialitätenvorrang anderer abkommensrechtlicher Einkunftsarten gem. Art. 7 Abs. 8
DBA Schweiz ausgeschaltet. Da Deutschland die Sondervergütungen gem. § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG als gewerbliche Einkünfte behandelt, werden dementsprechend gem.
Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA Schweiz bei einer im Inland belegenen Betriebsstätte der
Personengesellschaft der Anteil am Gewinn des Hauptbereichs und die
Sondervergütungen als einheitlicher Teil des dem Gesellschafter zuzurechnenden
Betriebsstättengewinns angesehen. Die in der Gesetzesbegründung angesprochene
Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte bezieht sich daher nach Ansicht des
Senats auf die funktionale (und nicht nur rechtliche) Zuordnung der unternehmerischen
"Hauptbereichstätigkeit" der Personengesellschaft und steht der hier vertretenen
47
Auslegung nicht entgegen.
Zu dem gleichen Ergebnis käme man schließlich auch dann, wenn man in der hier
vertretenen Auslegung eine Überschreitung der Wortsinngrenze sähe. Führt die
wortlautgetreue Auslegung des Gesetzes zu einem sinnwidrigen Ergebnis, weil der
Gesetzeswortlaut im klaren Widerspruch zum Gesetzeszweck steht, sind die Gerichte
nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer (gesetzeswortlaut-
)abändernden Rechtsfortbildung berufen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 17. Mai 2006 X R
43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868). Dies kann etwa im Wege einer
teleologischen Extension geschehen, in deren Rahmen der gesetzliche Tatbestand um
ein fehlendes Merkmal ergänzt werden kann (vgl. hierzu Drüen, in Tipke/Kruse,
Kommentar zur AO, FGO, § 4 AO Rn. 382). Die für eine teleologische Extension
erforderliche (planwidrige) Regelungslücke liegt vor. Die Vorschrift des § 50d Abs. 10
EStG enthält für die Frage der Betriebsstättenzuordnung, die nach dem Grundgedanken
und dem System des Gesetzes hätte mitgeregelt werden müssen, keine Regelung und
ist damit – gemessen an ihrem Zweck – unvollständig und ergänzungsbedürftig.
48
f) Selbst wenn man aber der vom Senat vertretenen Auffassung in Bezug auf die
Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG nicht folgt, liegt das Besteuerungsrecht für die hier
fraglichen Pensionseinkünfte gleichwohl gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA USA bei der
BRD. Denn eine Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte ergibt sich im Streitfall
auch unmittelbar aus abkommensrechtlichen Grundsätzen.
49
(1) Nach der wohl herrschenden Auffassung – der der Senat sich anschließt – sind
Sondervergütungen für selbständig ausgeübte Tätigkeiten abkommensrechtlich der
durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zuzurechnen, wenn und
soweit die Tätigkeit in dieser Betriebsstätte ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli
2002 I R 71/01, BFHE 200, 184, BStBl II 2003, 191; Urteil des FG Bremen vom 7. April
2004 2 K 30/03, abrufbar in juris; so - jedenfalls im Ergebnis - auch Günkel/Lieber, Ubg
2009, 301, 305; KB, IStR 2003, 108; Lieber, in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.,
Jahreskommentierung 2009, § 50d Anm. J 08-5; Salzmann, IWB Fach 3 Gruppe 3, 1539,
1552; a.A. offenbar Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423, 425). Erledigt der Mitunternehmer
die Geschäftsführungsaufgaben von mehreren Betriebsstätten aus, ist ggf. eine
verursachungsgerechte Aufteilung der Sondervergütungen auf diese vorzunehmen (vgl.
BFH-Urteil vom 10. Juli 2002 I R 71/01, BFHE 200, 184, BStBl II 2003, 191). Soweit der
Mitunternehmer die Tätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung außerhalb einer ihm
zuzurechnenden Betriebsstätte der Personengesellschaft ausübt, kann hierdurch ggf.
eine weitere Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft entstehen, der die
Tätigkeitsvergütung zuzurechnen ist (so wohl auch BFH-Urteil vom 10. Juli 2002 I R
71/01, BFHE 200, 184, BStBl II 2003, 191, wobei der BFH ggf. auch von der
Begründung einer Mitunternehmerbetriebsstätte ausgegangen sein könnte, s.u.).
50
Handelt es sich – wie hier – um eine nachträgliche Tätigkeitsvergütung im Sinne des
§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG, ist für die abkommensrechtliche
Betriebsstättenzuordnung nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit darauf
abzustellen, in welcher Betriebsstätte diese "erdient" wurde. Denn für die Zuordnung
nachträglicher Einkünfte kann es allein auf die Leistung des Mitunternehmers während
der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Personengesellschaft ankommen. Insoweit kommen
abkommensrechtlich letztlich die gleichen veranlassungsorientierten Grundsätze wie im
deutschen Einkommensteuerrecht zum Tragen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 I
R 99/08, BFH/NV 2010, 346 zur vergleichbaren Problematik der Besteuerung von stillen
51
Reserven einer früher im Inland ausgeübten Tätigkeit). Für das deutsche
Einkommensteuerrecht hat die Rechtsprechung in dem vergleichbaren Fall, dass ein
beschränkt Steuerpflichtiger nach Ausscheiden aus der Gesellschaft eine betriebliche
Versorgungsrente erhält, eine wesentliche Verknüpfung der nachträglichen Einkünfte
mit der inländischen Betriebsstätte explizit bejaht (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 I
415/61 U, BStBl III 1964, 551; vgl. ferner auch RFH-Urteil vom 9. März 1932 VI A
1848/31, RStBl 1932, 513).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die hier maßgebliche Tätigkeitsvergütung der
Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Z-Stadt zuzuordnen. Die Pensionszahlung ist durch
die vom Kläger bis zu seiner Pensionierung ausgeübte Geschäftsführungstätigkeit
veranlasst, die der der Kläger in der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Z-Stadt ausgeübt
hat. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass hierfür andere Betriebsstätten zur
Verfügung gestanden hätten. Hiervon sind in der mündlichen Verhandlung
übereinstimmend auch der Klägervertreter und die Beklagtenvertreterin ausgegangen.
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(2) Vor diesem Hintergrund kam im Streitfall auch keine Zuordnung der
Pensionseinkünfte zu einer etwaigen Mitunternehmerbetriebsstätte (vgl. etwa
Wassermeyer, IStR 2010, 37, 41) in den USA in Betracht. Es kann dahinstehen, ob der
Kläger bereits während seiner Gesellschafterstellung als persönlich haftender
Gesellschafter der KGaA dort im eigenen Haus über einen Büroraum und damit über
eine feste Geschäftseinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 DBA USA verfügte. Eine
Zuordnung zu dieser Betriebsstätte scheidet schon deshalb aus, weil die
Geschäftsführungstätigkeit während dieser Zeit nicht von den USA aus ausgeübt
worden ist.
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Nichts anderes würde auch dann gelten, wenn man nicht der hier vertretenen
Auffassung folgen würde, dass für nachträglich bezogene Tätigkeitsvergütungen die
Verhältnisse in den Jahren des "Erdienens", sondern im jeweiligen
Besteuerungszeitraum maßgeblich sind. Nach seinem Ausscheiden aus der KGaA war
der Kläger nicht mehr mit Geschäftsführungsaufgaben betraut und entfaltete daher keine
aktive Geschäftstätigkeit in diesem Sinne mehr. Durch die bloße Empfangnahme der
Pension kann in den USA keine Mitunternehmerbetriebsstätte begründet werden.
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III. Der Senat musste das Verfahren vorliegend nicht gem. § 74 FGO wegen eines
vorgreiflichen Feststellungsverfahrens aussetzen. Die Einkünfte eines persönlich
haftenden Gesellschafters einer KGaA sind nicht einheitlich und gesondert gem. § 180
Abs. 1 Nr. 2 lit. a AO festzustellen (vgl. RFH-Urteil vom 4. Dezember 1929 VI A 1843/29,
RStBl 1930, 345; Beschluss des FG Hamburg vom 14. November 2002 V 231/99, EFG
2003, 711; Urteil des FG München vom 16. Januar 2003 7 K 5340/01, EFG 2003, 670;
Rätke, in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O. § 15 EStG Anm. 115; offen gelassen vom
BFH im Urteil vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881; a.A.
Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 180 AO Rn. 176), und zwar auch dann
nicht, wenn – wie im Streitfall – mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden
sind (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 14. November 2002 V 231/99, EFG 2003,
711, a.A. Kunz, in Beermann, Kommentar zur AO, FGO, § 180 An Rn. 32 unter Hinweis
auf das BFH-Urteil vom 21. Juli 1967 VI 270/65, n.v.). Die Grundsätze des BFH-
Beschlusses vom 25. Januar 1994 VIII B 111/93 (BFHE 173, 170, BStBl II 1994, 455),
wonach nachträgliche (Pensions-)Einkünfte des ehemaligen Mitunternehmers oder
seines Rechtsnachfolgers im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG in die gesonderte und
einheitliche Feststellung einzubeziehen sind, greifen daher im Streitfall nicht.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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V. Die Revision war gem. § 115 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die Streitsache
hat grundsätzliche Bedeutung. Darüber hinaus ist der Senat von der Rechtsprechung
des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 74/09, DStR 2010, 2450) und der
Rechtsprechung des FG Baden-Württemberg (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg
vom 9. Oktober 2009 10 K 3312/08, EFG 2010, 238) abgewichen
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