Urteil des FG Düsseldorf vom 13.12.2005

FG Düsseldorf: unrichtigkeit, firma, stadt, akte, kennzahl, erlass, datum, form, dienstanweisung, steuer

Finanzgericht Düsseldorf, 17 K 1493/02 F
Datum:
13.12.2005
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 1493/02 F
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist im Rahmen einer doppelstöckigen gewerbesteuerlichen Organschaft
Organträgerin und war zugleich Organgesellschaft der Rechtsvorgängerin der
Beigeladenen, die für die Erträge der Organgesellschaft gewerbesteuerpflichtig war.
2
Die Klägerin reichte die Gewerbesteuererklärung 1995 beim Finanzamt A-Stadt ein. Die
Klägerin firmierte seinerzeit unter der Firma "C-FIRMA GmbH"; die betreffende
Steuernummer lautete xxx/yyyy/4794. Da die Klägerin mit inländischen Gesellschaften
in einem gewerbesteuerlichen Organkreis verbunden war, wies sie auf entsprechende
Gewerbeerträge der Organgesellschaften hin. In Zeile 45 des Erklärungsvordrucks
GewSt 1 A (Anlage K 3) war der Vermerk "siehe Anlage" eingetragen. In einer
separaten Anlage zur Gewerbesteuererklärung (Anlage K 3 a) waren diese
Organgesellschaften namentlich benannt. Teilweise wurde der jeweilige Gewerbeertrag
angegeben, teilweise war vermerkt: "von Amts wegen".
3
Der Beklagte erließ mit Datum vom 03.01.1997 einen Bescheid für 1995 über den
einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag (Bl. 25 d. Finanzgerichts - FG -Akte). Hierbei
ließ er den Gewerbeertrag der Organgesellschaften in vollem Umfang unberücksichtigt.
Dieser Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung. Der darin festgestellte Verlust für das Jahr 1995 betrug
5.174.366 DM. Ein in dem Bescheid genannter vortragsfähiger Gewerbeverlust zum
31.12.1994 in Höhe von 3.113.521 DM wirkte sich mangels eines positiven
Gewerbeertrages 1995 nicht aus. Dieser Bescheid wurde in der Folge aufgehoben, da
die Klägerin Organgesellschaft der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der C-FIRMA
XX GmbH, war.
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Mit Datum vom 06.01.1997 erließ der Beklagte einen Bescheid auf den 31.12.1995 über
die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (Bl. 26 d. FG-Akte).
Dieser ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO
ergangene Bescheid stellte einen nach § 10 a Gewerbesteuergesetz - GewStG -
vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 8.287.887 DM fest (Gewerbeverlust zum
31.12.1994 in Höhe von 3.113.521 DM zzgl. des durch Bescheid vom 03.01.1997
berechneten Gewerbeverlustes in Höhe von 5.174.366 DM).
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Mit Datum vom 17.02.1997 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid "über die
gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes" auf den 31.12.1995 (Bl.
27 d. FG-Akte). Er berücksichtigte einen Gewerbeertrag der Organgesellschaften in
Höhe eines Betrages von 5.321.944 DM, den er aus einer von der Klägerin beigefügten
Anlage zur Gewerbesteuererklärung entnahm. In dieser Anlage hatte die Klägerin die
bekannten Gewerbeerträge der Organgesellschaften (319.257 DM; ./. 80.848 DM;
1.140.414 DM; 3.943.121 DM) erfasst und zu den noch nicht bekannten
Gewerbeerträgen der C-FIRMA A-Stadt und der C-FIRMA Z-Team vermerkt "von Amts
wegen". Unter Berücksichtigung dieses Gewerbeertrages der Organgesellschaften in
Höhe von 5.321.944 DM gelangte der Beklagte für 1995 zu einem Gewerbeertrag vor
Verlustabzug in Höhe von 147.578 DM. In dieser Höhe wurde der auf den 31.12.1994
festgestellte Gewerbeverlust i.H.v. 3.113.521 DM angerechnet. Es verblieb ein
vortragsfähiger Gewerbeverlust zum 31.12.1995 i.H.v. 2.965.943 DM (Verlustvortrag
zum 31.12.1994 i.H.v. 3.113.521 DM abzüglich Gewerbeertrag 1995 i.H.v. 147.578 DM).
Der Bescheid ließ den Gewerbeertrag der C-FIRMA A-Stadt GmbH von 9.427.434 DM
und der C-FIRMA Z-Team von 28.294 DM (zusammen 9.455.728 DM) unberücksichtigt.
Für diese Gesellschaften lagen noch keine Mitteilungen vor. Der Bescheid erging unter
der Steuer-Nr. xxx/yyyy/4794. Der Bescheid erhielt den Vermerk: "Der Bescheid ist nach
§ 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben".
Ausweislich eines in der beigezogenen Steuerakte des Beklagten abgehefteten
Kontoabdrucks vom 23.01.1997 (14:15:54 Uhr) wurde im Sachbereich 30 die
Schlüsselzahl 24 ("Ist nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung
bleibt bestehen.") eingegeben. In der Prüfberechnung vom 23.01.1997 (14:15:33 Uhr)
findet sich bei der Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals keine
Aussage über einen Vorbehalt der Nachprüfung; bei der Wiedergabe des zu
erlassenden Bescheides auf den 31.12.1995 über die gesonderte Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist der Vermerk enthalten "Der Vorbehalt der
Nachprüfung wird aufgehoben". In den Steuerakten des Beklagten findet sich außerdem
eine Gewerbesteuerhinweismitteilung vom 29.01.1997 zur Verlustfeststellung ("Es
handelt sich um eine Verlustfeststellung für eine Organgesellschaft. Der Bescheid ist
dem Organträger als Steuerschuldner und der Organträgerin als Verfahrensbeteiligter
bekannt zu geben.") Auf dieser verfügte der Bearbeiter "Korrektur nicht erforderlich".
6
Der Beklagte erließ mit Datum vom 05.12.1997 einen weiteren Bescheid über die
gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995 (vgl.
Akte des Beklagten). Dieser Bescheid erging unter der Steuer-Nr. xxx/yyyy/4794. In
diesem Bescheid wurde der Gewerbeertrag der Organgesellschaften i.H.v. 14.809.841
DM berücksichtigt, der Gewerbeertrag vor Verlustabzug mit 9.635.475 DM ausgewiesen
und nach Anrechnung des Gewerbeverlustes zum 31.12.1994 von 3.113.521 DM der
Gewerbeertrag mit 6.521.954 DM angegeben. Es wurde festgestellt, dass eine
gesonderte Feststellung nach § 10 a GewStG nicht durchzuführen sei, weil ein
vortragsfähiger Verlust nicht bestehe. Der Bescheid trägt den Vermerk "Der Bescheid ist
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nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt bestehen." Der
Beklagte gab den Brief, adressiert an die C-FIRMA GmbH, A-Straße 9, A-Stadt zur Post.
Zu diesem Bescheid findet sich in der Steuerakte des Beklagten ein Kontoabdruck vom
13.11.1997. In diesem ist sowohl zum Sachbereich 30 als auch zum Sachbereich 37
("Verlustfeststellung") die Schlüsselzahl 24 angegeben. In der Prüfberechnung zum
Bescheid auf den 31.12.1995 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Verlustes heißt es: "Der Bescheid ist nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der
Nachprüfung bleibt bestehen."
Unter dem 25.09.2000 erließ der Beklagte einen weiteren Bescheid über die gesonderte
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995 (Bl. 28 d. FG-
Akte). Mit diesem Bescheid wurde den Feststellungen einer Betriebsprüfung für die
Jahre 1990 - 1994 Rechnung getragen, bei der sich ergeben hatte, dass der
Gewerbeverlust auf den 31.12.1994 nicht 3.113.521 DM, sondern 3.120.830 DM betrug.
Der Bescheid enthielt den Vermerk: "Der Bescheid ist nach § 164 Abs. 2 AO geändert.
Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben." In diesem Bescheid stellte der
Beklagte fest: "Eine gesonderte Feststellung nach § 10 a GewStG ist nicht
durchzuführen, weil ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht besteht". Nach
Anrechnung des Gewerbeverlustes zum 31.12.1994 i.H.v. nunmehr 3.120.830 DM
(zuvor: 3.113.521 DM) ergab sich ein verbleibender Gewerbeertrag i.H.v. 6.514.645 DM.
Der Gewerbeertrag vor Verlustabzug wurde mit 9.635.475 DM berechnet. In den
Feststellungsgrundlagen wurde der festgestellte Gewerbeverlust auf den 31.12.1994
i.H.v. 3.120.830 DM um einen entsprechenden Verlustabzug im Jahre 1995 in nämlicher
Höhe gemindert und ein verbleibender Betrag i.H.v. 0 DM ausgewiesen. Der Bescheid
erging zur Steuer-Nr. xxx/5807/0104. Es waren zwischenzeitlich die
Körperschaftsteuerfälle beim Beklagten von 500-Steuernr. auf 5000-Steuernr. umgestellt
worden. In einem Kontoabdruck vom 25.08.2000 (9:37:18 Uhr) ist im Sachbereich 30 die
Kennzahl 24 vermerkt. Die Prüfberechnung vom 28.08.2000 trifft bei der Ermittlung des
Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals keine Aussage über einen Vorbehalt der
Nachprüfung. Für den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Verlustes enthält die Prüfberechnung den Vermerk "Der Vorbehalt der Nachprüfung wird
aufgehoben." (9:33:33 Uhr).
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Die Bescheide vom 06.01.1997, 17.02.1997, 05.12.1997 und 25.09.2000 wurden an die
Klägerin gerichtet. Laut Aktenverfügung wurde der Bescheid vom 25.09.2000
inhaltsgleich auch der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bekannt gegeben. Dieser
Bescheid ist allerdings bei der Beigeladenen nicht auffindbar.
9
Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 25.09.2000 Einspruch ein und wandte sich
gegen die Ablehnung der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes.
10
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung
aus: Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf
den 31.12.1994 entfalte Bindungswirkung für den Bescheid auf den 31.12.1995. Der
Bescheid auf den 31.12.1995 sei dementsprechend nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu
ändern.
11
Die Klägerin hat hierauf Klage erhoben. Während des Klageverfahrens ist unter dem
Datum des 06.01.2005 ein weiterer Änderungsbescheid ergangen. Dieser wurde der
Klägerin und auch der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bekannt gegeben (vgl.
12
Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.07.2005).
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage ausgeführt: Soweit der Bescheid vom
25.09.2000 einen Verlustvortrag zum 31.12.1994 in Höhe von 3.120.830 DM statt zuvor
3.113.521 DM berücksichtige, sei diese Änderung punktuell nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO
zulässig (Differenz: 7.309 DM). Für eine weiter gehende Änderung gegenüber dem
Bescheid vom 17.02.1997 über einen Verlust von 2.965.943 DM fehle es aber an einer
Änderungsgrundlage.
13
Der Beklagte könne sich - so die Klägerin - nicht darauf berufen, dass der Bescheid vom
05.12.1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden habe. Diesen Bescheid
habe weder sie noch die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erhalten.
14
Der Beklagte könne die von ihm vorgenommene Änderung auch nicht darauf stützen,
dass er nach § 129 AO berechtigt sei, den Bescheid vom 17.02.1997 hinsichtlich der
Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gem. § 129 AO zu ändern und
dementsprechend eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO vorzunehmen.
15
Die Klägerin meint, der Bescheid vom 25.09.2000 könne sich nicht auf § 35 b Abs. 2
Satz 2 Gewerbesteuergesetz -GewStG - als Änderungsgrundlage stützen. § 35 b Abs. 2
Satz 2 GewStG solle eine Änderung des Verlustfeststellungsbescheides ermöglichen,
wenn und soweit sich die Besteuerungsgrundlagen ändern und deshalb der
Gewerbesteuermessbescheid für denselben Erhebungszeitraum zu erlassen,
aufzuheben oder zu ändern sei.
16
Im Streitfall - so die Klägerin - hätten sich keine "Besteuerungsgrundlagen" geändert.
Die Gewerbeerträge der Organgesellschaften seien keine Besteuerungsgrundlagen
i.S.d. § 35 b GewStG. Weder seien diese in dem nach § 7 GewStG
zugrundezulegenden Gewinn enthalten, noch finde eine Hinzurechnung oder Kürzung
nach §§ 8, 9 GewStG statt.
17
Es sei für die Klägerin kein "Gewerbesteuermessbescheid" wegen Änderung von
Besteuerungsgrundlagen zu ändern gewesen. In den bloßen Mitteilungen des
Finanzamtes betreffend die Höhe des Gewerbeertrags der Klägerin sei kein
Gewerbesteuermessbescheid in Form eines Feststellungsbescheids nach §§ 179 ff. AO
zu sehen. Ein Gewerbesteuermessbescheid werde nur gegenüber dem Organträger
erlassen.
18
Schließlich - so die Klägerin - fehle es auch an einer "Änderung" von
Besteuerungsgrundlagen, die in einem Gewerbesteuermessbescheid und dem
Verlustfeststellungsbescheid nachzuvollziehen sei. Wegen des Vortrags der Klägerin
zur Änderungsvorschrift des § 35 b GewStG im Einzelnen wird auf Bl. 97 ff der FG-Akte
Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
20
den Bescheid vom 25.09.2000 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom
06.01.2005 aufzuheben und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den
31.12.1995 unter Außerachtlassung der Gewerbeerträge der C-FIRMA A-Stadt
GmbH und der C-FIRMA Z-Team für das Jahr 1995 in Höhe von 9.455.728 DM
festzusetzen,
21
hilfsweise die Revision zuzulassen.
22
Der Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen.
24
Der Beklagte ist der Ansicht, der Bescheid vom 25.09.2000 könne sich auf § 129 AO als
Änderungsgrundlage stützen. Er behauptet, der Aufhebung des Vorbehalts der
Nachprüfung in dem Bescheid vom 17.02.1997 liege ein Irrtum des Sachbearbeiters
über den Programmablauf zu Grunde.
25
Werde eine Anweisung zu einem Gewerbesteuersignal (Gewerbesteuermessbescheid)
erteilt, reiche - so der Beklagte - die Eintragung im Sachbereich 30.10 aus. Die
Anwendung des Vorbehalts der Nachprüfung (Schlüsselzahl 24) werde dann
automatisch auch für den Verlustfeststellungsbescheid angewiesen. Erfolge eine
Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (Schlüsselzahl 25) werde auch der
Vorbehalt der Nachprüfung bei der Verlustfeststellung (Sachbereich 37.10) aufgehoben.
Eine Änderung mit den Schlüsselzahlen 24 und 25 sei dann nicht mehr möglich. Dies
würde zu einem Fehlerhinweis mit dem Wortlaut führen, eine Änderung könne nach §
164 Abs. 2 AO nicht erfolgen, da kein Vorbehalt der Nachprüfung gespeichert sei (so
genannter Vorschriftenmerker). Von diesem Verfahrensablauf sei sowohl die
Bearbeiterin ausgegangen, die den Bescheid vom 17.02.1997 erlassen habe, als auch
ihre Nachfolgerin, die den Bescheid vom 25.09.2000 veranlasst habe. Auch der
Bearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle sei nur dieser Programmablauf bekannt gewesen.
Der geschilderte Programmablauf lasse sich aus den Akten des Organträgers ersehen
(C-FIRMA XX GmbH; Steuer-Nr. uuu/0126). Dort habe die Eintragung beim Sachbereich
30.10 ausgereicht, um die gleiche Auswirkung beim Verlustfeststellungsbescheid zu
erzielen, da hier eine Änderung des Gewerbesteuermessbescheides angestoßen
worden sei.
26
Anders sei dagegen der Programmablauf bei einem Gewerbesteuerorgansignal
(Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals). Hier schlage eine Änderung
im Sachbereich 30.10 nicht auf den Verlustfeststellungsbescheid durch. Hier sei - da an
die Organgesellschaft ohnehin nur eine bloße Mitteilung über die Ermittlung des
Gewerbeertrags und des Gewerbekapital erfolge und kein verbindlicher Bescheid
ergehe - die Kennzahl 24 im Sachbereich 30.10 nicht einzutragen. Es sei eine
Anweisung im Sachbereich 37.10 vorzunehmen. Der Vorbehalt der Nachprüfung werde,
wenn er nicht ausdrücklich im Sachbereich 37.10. angewiesen werde, aufgehoben.
Dieses werde jedoch nicht im so genannten Vorschriftenmerker verzeichnet, sodass bei
einer weiteren Anweisung wieder eine Änderung des Verlustfeststellungsbescheides
nach § 164 Abs. 2 AO durchgeführt werden könne. Der Beklagte hat hierzu einen
Auszug aus der Dienstanweisung AdV vorgelegt. Wegen deren Inhalt wird auf Bl. 107
der FG-Akte Bezug genommen.
27
Der Beklagte weist darauf hin, dass für die Klägerin bis zum 31.12.1994 ein
Gewerbesteuersignal bestanden habe. Erst ab dem 01.01.1995 sei ein
Gewerbesteuerorgansignal zu setzen gewesen. Deshalb habe die Bearbeiterin (Frau M)
auch zuerst einen Gewerbesteuermessbescheid erlassen, der dann wieder aufgehoben
worden sei. Sie sei sich bei der anschließenden Änderung über den Programmablauf
beim Gewerbesteuerorgansignal nicht im Klaren gewesen. Der gleiche Fehler sei dann
28
der neu zuständigen Bearbeiterin (Frau G) ca. 3 1/2 Jahre später in dem Bescheid vom
25.09.2000 passiert. Beide Bearbeiterinnen seien mit der sich im vorliegenden
Zusammenhang stellenden Problematik nicht vertraut gewesen. Die Bearbeitung von
Organschaftsfällen sei in dem Bezirk, in dem die Klägerin geführt worden sei, die
Ausnahme gewesen. Hinzu komme, dass die vorliegenden Kennzahlen - Problematik
sich nicht in allen Fällen gewerbesteuerlicher Organschaft stelle, sondern nur bei der
Feststellung vororganschaftlicher Verluste.
Der Beklagte bietet an, durch Vernehmung folgender Zeuginnen darüber Beweis zu
erheben, dass die Bearbeiterinnen angenommen hätte, eine Eintragung im Sachbereich
30 werde (auch) den Verlustfeststellungsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung
stellen, so dass sie insoweit über den Programmablauf geirrt hätten:
29
Beamtin Frau M
30
Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung
31
Beamtin Frau G
32
Finanzamt A-Stadt
33
Der Beklagte hat dienstliche Äußerungen von Frau G und Frau M zu den Gerichtsakten
gereicht. Wegen deren Inhalt wird auf Bl. 221 ff. der FG-Akte Bezug genommen.
34
Der Beklagte erklärt, wer den - aus seiner Sicht zutreffenden - Bescheid vom 15.12.1997
veranlasst habe, könne er nicht angeben. Frau G könne es nicht gewesen sein, da diese
sich noch in Schwangerschaftsurlaub befunden habe. Es könne Frau M gewesen sein,
die in ihrer dienstlichen Äußerung angegeben habe, dass sie zu späterem Zeitpunkt
über die einzugebenden Schlüsselzahlen bei Gewerbesteuerorgansignalen informiert
worden sei, oder aber ein Dritter.
35
Ein derartiger Irrtum über den Programmablauf bzw. die Nichtbeachtung der für das
maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisung - wie er bei Frau M
und bei Frau G vorgelegen habe - sei eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129
AO (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.07.1975, V R 121/73,
Bundessteuerblatt - BStBl - II 1975, 868; BFH vom 18.04.1986, VI R 4/83, BStBl II 1986,
541).
36
Sowohl die Bearbeiterin, welche den Bescheid vom 17.02.1997 veranlasst habe, als
auch die Bearbeiterin, welche den Bescheid vom 05.09.2000 erlassen habe, habe
darüber hinaus auch die Prüfberechnung nicht beachtet, aus der die durch die
unvollständige Eingabe bewirkte Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung hätte
erkannt werden können. Auch dieses Übersehen der Prüfberechnung sei jedoch eine
offenbare Unrichtigkeit (Hinweis auf Urteil des Hessischen Finanzgerichts - FG -
10.12.1996, 6 K 3320/95 sowie Urteil des FG Baden-Württemberg vom 21.10.1992, 12 K
176/90 Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 379). Wegen der hohen
Arbeitsbelastung in den Veranlagungsbezirken werde nach Eingabe der Daten am
Bildschirm der Ausdruck der Daten nicht nochmals im Einzelnen geprüft.
37
Der Beklagte trägt vor, der Fall der Klägerin gehöre zur sog. Fallgruppe 1. Es handele
sich um einen permanenten Betriebsprüfungsfall, der immer unter dem Vorbehalt der
38
Nachprüfung zu veranlagen sei. Die Bearbeiterin habe auf keinen Fall willentlich die
Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung angewiesen. Dementsprechend habe der
damalige Bearbeiter auch ausdrücklich auf dem Prüfhinweis zum Bescheid vom
05.12.1997 vermerkt, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufzuheben sei, da es
sich um einen Fall der Fallgruppe 1 handele. Es sei selbst bei fantasievoller
Betrachtung kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum der Sachbearbeiter sich vor
Abschluss der Betriebsprüfung zu einer Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
entschlossen haben sollte.
Hinzu komme, dass die Bearbeiterin bei Erlass des Bescheides vom 17.02.1997 die von
der Klägerin mitgeteilten bereits bekannten Gewerbeerträge der Organgesellschaften
angesetzt habe, nicht dagegen die noch nicht bekannten Gewerbeerträge der C-FIRMA
A-Stadt GmbH und der C-FIRMA Z-Team. Diese Erträge seien von der Klägerin in der
Anlage zur Gewerbesteuererklärung mit "von Amts wegen" einzusetzen gekennzeichnet
gewesen. Sie habe diese Erträge nicht ergänzen können, da die entsprechende
Mitteilungen noch nicht vorgelegen hätten. Bei einem derartigen bekanntermaßen
unvollständigen Ansatz des Gewerbeertrags der Organgesellschaften aber sei es
ausgeschlossen, dass die Bearbeiterin eine endgültige Feststellung habe durchführen
wollen.
39
Dass der Bearbeiter den Vorbehalt der Nachprüfung dementsprechend nicht habe
aufheben wollen, ergebe sich auch daraus, dass er die Schlüsselzahl "24" (= "Ist nach §
164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt bestehen.") angewiesen
habe.
40
Die Klägerin bestreitet den von dem Beklagten behaupteten Programmablauf. Sie meint,
es sei völlig lebensfremd, dass ein zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
ergangener Bescheid bei einer späteren maschinellen Bearbeitung ohne weiteres Zutun
in Form aktiven Handelns des zuständigen Sachbearbeiters inhaltlich verändert werde.
Sie beantragt,
41
- Zeugnis des Leiters des Rechenzentrums der Finanzverwaltung.
42
- Sachverständigengutachten
43
Die Klägerin meint, der Sacharbeiter könne nicht - wie der Beklagte behauptet - durch
die Anweisung der Schlüsselzahl 24 seinen Willen dokumentiert haben, den Vorbehalt
der Nachprüfung bestehen zu lassen. Denn wie der Beklagte selbst vortrage, habe der
Bearbeiter diese Schlüsselzahl gerade nur in dem Sachbereich 30 und nicht in dem
Sachbereich 37 angegeben.
44
Die Klägerin hält es nicht für glaubhaft, dass der Sachbearbeiter bei Erlass des
Bescheides vom 17.02.1997 nicht gewusst habe, dass die Schlüsselzahl 24 nicht nur im
Sachbereich 30, sondern auch im Sachbereich 37 anzugeben sei. Bei Erlass des
Bescheides vom 05.12.1997 sei die Kennziffer 24 zutreffend im Sachbereich 37
angewiesen worden. Der Programmablauf müsse dann aber bekannt gewesen sein. Bei
Erlass des Bescheides vom 25.02.2000, also mehr als 3 Jahre später, wäre dann
derselbe Irrtum nochmals vorgekommen.
45
Die Klägerin meint, es sei absolut unwahrscheinlich, dass der Sachbearbeiter über
einen derart wichtigen Programmablauf in Unkenntnis gewesen sei. Der vorliegende
46
Fall sei gewiss nicht der einzige Fall gewesen, der von dem Sachbearbeiter zu
veranlagen gewesen sei. Es sei bei großen Gesellschaften üblich, dass es regelmäßig
zu Änderungen nach § 164 AO komme.
Außerdem hält die Klägerin es aber auch für nicht glaubhaft, dass ein Finanzbeamter
die Prüfberechnung zum Bescheid vom 17.02.1997 nicht beachtet und auch auf den
nochmaligen Prüfhinweis verfügt, es sei keine Korrektur erforderlich.
47
Die Klägerin ist der Ansicht, eine Änderung nach § 129 AO sei nicht möglich, wenn ein
Rechtsirrtum nicht auszuschließen sei. Im Streitfall hält sie es durchaus für möglich,
dass der Bearbeiter den Vorbehalt der Nachprüfung durch Nichteintrag habe aufheben
wollen.
48
Es sei keineswegs unüblich - so die Klägerin -, sondern vielmehr durchgängig die
Regel, dass Bescheide über die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes
nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen. Allerdings - so die
Prozessbevollmächtigte der Klägerin - sähe sie sich aus berufsrechtlichen und
datenschutzrechtlichen Gründen nicht in der Lage, ihren Vortrag durch Vorlage
entsprechender Bescheide zu belegen.
49
Die Klägerin hält den von dem Beklagten gestellten Beweisantrag unter Hinweis auf das
Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 12.01.1984 (Neue Juristische Wochenschrift
- NJW - 1985, 742) für unzulässig. Vorliegend handele es sich um eine Rechtsfrage, die
einem Zeugenbeweis nicht zugänglich sei. Es gehe hier nämlich um die Feststellung,
ob die Bescheide auf den 31.12.1995 eine offenbare Unrichtigkeit aufwiesen.
50
Dass der Beklagte einen Beweisantrag über den Umstand des Zustandekommens der
Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung stelle, indiziere, dass die Unrichtigkeit nicht
"offenbar" sei. Die Klägerin verweist hierzu auf die Rechtsprechung des BFH
(Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2003,
1139) sowie die Kommentierung von Tipke (in Tipke/Kruse, Kommentar zur
Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, zu § 129 AO Rdnr. 16 AO).
51
52
Entscheidungsgründe:
53
Die Klage ist unbegründet.
54
I.
55
Der angefochtene Verlustfeststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
56
Der Beklagte durfte den Verlustfeststellungsbescheid vom 25.09.2000 erlassen und
diesen in der Folge mit dem Bescheid vom 12.01.2005 abändern.
57
Die Befugnis des Beklagten zum Erlass des Änderungsbescheides vom 25.09.2000
ergibt sich zwar nicht aus § 164 AO. Der Beklagte kann seine Änderungsbefugnis nicht
daraus herleiten, dass der Bescheid vom 05.12.1997 unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung stand. Denn die Klägerin bestreitet, diesen Bescheid erhalten zu haben.
58
Der Beklagte hat nach § 122 Abs. 2 AO den Zugang nachzuweisen. Diesen Nachweis
konnte der Beklagte nicht führen.
Die Befugnis des Beklagten zum Erlass des Änderungsbescheides vom 25.09.2000
folgt jedoch aus § 129 AO. Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler,
Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines
Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Die Voraussetzungen dieser
Änderungsvorschrift sind im Streitfall erfüllt.
59
1. Der Bescheid vom 17.02.1997 enthielt eine
Unrichtigkeit
des Vorbehalts der Nachprüfung. Diese Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
war unrichtig, da sie nicht dem Willen der Bearbeiterin entsprach. Die Unrichtigkeit
ergibt sich aus der Art des Zustandekommens des Verwaltungsaktes (zu der Funktion
des § 129 AO, die Fälle zu erfassen, in denen der bekannt gegebene Inhalt des
Verwaltungsaktes vom gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht: Balmes in
Kühn/von Wedelstädt, AO und FGO, 18. Auflage, § 129 AO Rdnr. 3; BFH vom
25.01.1996, III B 122/93, BFH/NV 1996, 682). Die Bearbeiterin wollte den Vorbehalt der
Nachprüfung nicht aufheben. Dies ergibt sich daraus, dass sie die Kennzahl 24 ("Ist
nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt bestehen".)
angewiesen hat, und zwar im Einklang mit der Zuordnung der Klägerin zur so
genannten Fallgruppe 1 (Anschluss-Betriebsprüfung). Es bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Bearbeiterin für die Ermittlung des Gewerbeertrags und des
Gewerbekapitals die Kennzahl 24 anweisen, dagegen bei der Verlustfeststellung den
Vorbehalt der Nachprüfung aufheben wollte, zumal die Ermittlung des Gewerbeertrags
und des Gewerbekapitals nicht in der Form eines Bescheides, sondern in der Form
einer bloßen Mitteilung erfolgt, für welche die Aufhebung eines Vorbehalts der
Nachprüfung ohnehin nicht in Betracht kam.
60
2. § 129 AO erlaubt die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechenfehlern und
ähnlichen
offenbaren Unrichtigkeiten. Soweit kein Schreib- oder Rechenfehler vorliegt, muss er
einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich sein, d.h. es muss sich um einen
mechanischen Fehler handeln, der ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung
erkannt und berichtigt werden kann.
61
Der BFH hat nicht nur reine Übertragungsfehler bei Eingaben für die automatische
Datenverarbeitung als "ähnliche" offenbare Unrichtigkeiten gewürdigt, sondern eine
"ähnliche" offenbare Unrichtigkeit auch in Fällen angenommen, in denen der Bearbeiter
über den Sinngehalt von Eingaben geirrt hat. So hat der BFH in einem Urteil vom
04.06.1986 (IX R 52/82, BStBl II 1987, 3) zu erkennen gegeben, dass er die irrtümlich
unterlassene Eingabe einer Kennziffer als "ähnliche" offenbare Unrichtigkeit ansieht.
Auch die Angabe einer falschen Kennziffer sah der BFH als "ähnliche" offenbare
Unrichtigkeit an (BFH vom 02.08.1974 - VI R 137/71, BStBl II 1974, 727). Ebenso wurde
die irrtümliche Eintragung eines Betrages unter einer falschen Kennziffer vom BFH
beurteilt (vgl. BFH vom 14.06.1991 - III R 64/89, BStBl II 1992, 52). In den
Entscheidungen vom 28.10.1992 (II R 111/89, BFH/NV 1993, 637), vom 17.02.1993 (X
R 47/91, BFH/NV 1993, 638), vom 15.03.1994 (XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937) und vom
30.10.1997 (III R 27/93, BFH/NV 1998, 942) hat der BFH ebenfalls entschieden, dass
die Eintragung falscher Kennziffern in den Eingabebogen für die automatische
Datenvereinbarung bei der Einkommensteuerveranlagung eine offenbare Unrichtigkeit
i.S.v. § 129 AO sein könne. Von dieser Rechtsprechung des BFH abweichend hat das
FG Baden-Würtemberg in einem Aussetzungsverfahren angenommen, dass ein einem
62
Rechtsanwendungsfehler gleichstehender Fehler vorliege, wenn eine Falscheingabe
auf Unkenntnis oder mangelnder Kenntnis einer Dienstanweisung zur
Datenverarbeitung beruhe. Dienstanweisungen der Verwaltung - auch soweit sie die
automatische Datenverarbeitung beträfen - dienten der Umsetzung der gesetzlichen
Normen in die Verwaltungspraxis. Sie seien verwaltungsinterne
Rechtsanwendungsvorschriften (FG Baden-Württemberg vom 08.02.2000 - 14 V 29/99,
Juris Dokumenten-Nr. STRE 200070859). Der Senat schließt sich der ständigen
Rechtsprechung des BFH an. Anders als das FG Baden-Württemberg - und ebenso wie
das FG München (Urteil vom 09.03.2005 - 1 K 3298/04, Juris Dokumenten-Nr. STRE
200570708) - nimmt der Senat auch bei einem Irrtum des Bearbeiters über die
Bedeutung von ihm eingegebener Schlüsselzahlen zur Datenverarbeitung eine
"ähnliche" offenbare Unrichtigkeit und keinen Rechtsanwendungsfehler an. Die
Dienstanweisungen zur Dateneingabe stellen keine Rechtsnormen i.S.d. der
Rechtsprechung zu § 129 AO dar. Sie sind lediglich Arbeitshilfen, die die Bearbeiter in
die Lage versetzen sollen, dem Computersystem mitzuteilen, wie es die Berechnungen
durchzuführen hat. Sie sind "Kommunikationshilfen" zum Umgang mit dem
Computerprogramm. Zweck der Vorschrift des § 129 AO ist es aber gerade, den
fehlerträchtigen Umgang mit Ziffern und Vorzeichen, die dabei auftretenden
Übertragungs- und Tippfehler von der Bindungswirkung rechtlicher Entscheidungen
auszunehmen. Der Senat sieht den Fall der Eingabe einer falschen Kennziffer nicht
anders als den Fall der Eingabe eines falschen Vorzeichens auf einem
Taschenrechner.
Im Streitfall enthält der Bescheid vom 17.02.1997 eine Unrichtigkeit, die einem Schreib-
oder Rechenfehler ähnlich ist, nämlich einen mechanischen Fehler durch Eintragung
falscher Kennziffern.
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Die Bearbeiterin hat die Schlüsselzahlen so angewiesen, wie sie im Regelfall, in dem
ein Gewerbesteuersignal besteht und ein Gewerbesteuermessbescheid zu erlassen ist,
anzuweisen sind, wenn eine Änderung vorgenommen, der Vorbehalt der Nachprüfung
aber bestehen bleiben soll. Sie hat beim Sachbereich 30.10 die Schlüsselzahl 24
angewiesen. Diese Anweisung hätte im Regelfall dazu geführt, dass der Vorbehalt der
Nachprüfung sowohl beim Gewerbesteuermessbescheid als auch beim
Verlustfeststellungsbescheid aufrechterhalten worden wäre. In dem vorliegenden Fall
der Organschaft führte die Anweisung der Schlüsselzahl 24 dagegen nicht dazu, dass
der Vorbehalt der Nachprüfung beim Verlustfeststellungsbescheid aufrecht erhalten
blieb. Dazu hätte eine Anweisung im Sachbereich 37.10 vorgenommen werden
müssen. Dies lässt sich aus dem Bescheid vom 05.12.1997 erkennen, in dem die
Schlüsselzahl zum Sachbereich 30 und zum Sachbereich 37 eingegeben wurde und
der Verlustfeststellungsbescheid den Vermerk enthält: "Der Vorbehalt der Nachprüfung
bleibt bestehen". Ohne die Anweisung im Sachbereich 37.10 erhielt der
Verlustfeststellungsbescheid, wie die beiden Bescheide vom 17.02.1997 und
25.09.2000 zeigen, den Vermerk: "Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben".
Die Eingaben zu den vorgenannten Bescheiden und der sich hieraus ergebende Inhalt
der Bescheide in Verbindung mit der vom Beklagten vorgelegten Dienstanweisung AdV
lassen den Programmablauf insoweit für das Gericht ausreichend deutlich erkennen, so
dass es keiner Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme des Leiters des
Rechenzentrums der Finanzverwaltung oder durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens bedarf, wie sie von der Klägerin beantragt wurde.
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Der Senat geht davon aus, dass die Bearbeiterin - wie vom Beklagten vorgetragen - den
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Vorbehalt der Nachprüfung aufrechterhalten wollte, aber die besonderen Erfordernisse
für eine Eingabe bei Gewerbesteuerorgansignalen nicht gekannt oder zumindest nicht
beachtet hat. Dass die Bearbeiterin den Vorbehalt der Nachprüfung aufrechterhalten
wollte, ergibt sich schon daraus, dass sie die Kennzahl 24 angewiesen hat. Diese
Anweisung hätte im Regelfall d. h. bei Bestehen eines Gewerbesteuersignals zur
Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung beim Verlustfeststellungsbescheid
geführt. Im Falle der Organschaft ist diese Anweisung nur dann sinnvoll, wenn mit ihr
der Vorbehalt der Nachprüfung beim Verlustfeststellungsbescheid aufrecht erhalten
werden soll. Denn neben dem Verlustfeststellungsbescheid erfolgt lediglich die
Ermittlung des Gewerbeertrags und Gewerbekapitals. Diese erfolgt aber nicht in Form
eines Bescheides, sondern in der Form einer bloßen Mitteilung, bei der ein Vorbehalt
der Nachprüfung keine Funktion hat.
Der Annahme eines Irrtums über den Programmablauf steht nicht entgegen, dass mit
dem Bescheid vom 25.09.2000 erneut - nach Vortrag des Beklagten fehlerhaft - der
Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, nachdem zwischenzeitlich die Eingabe
zu dem Bescheid vom 05.12.1997 zutreffend vorgenommen worden war. Der Beklagte
hat glaubhaft vorgetragen, dass dieser Programmablauf bei
Gewerbesteuerorgansignalen nicht nur der Bearbeiterin nicht bekannt gewesen sei, die
den Bescheid vom 17.01.1997 erlassen habe, sondern auch der Bearbeiterin, die den
Bescheid vom 25.09.2000 veranlasst habe und darüber hinaus auch nicht der
Bearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle. Ein derartiger Irrtum mehrerer Bearbeiterinnen
erscheint plausibel, da gewerbesteuerliche Organschaften in dem Veranlagungsbezirk,
in dem die Klägerin geführt wurde, nur ausnahmsweise vorgekommen sind und die
vorliegende Problematik auch bei gewerbesteuerlichen Organschaften nur bei
festzustellenden vororganschaftlichen Verlusten auftreten konnte.
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3. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein mechanischer Fehler nicht gegeben, wenn
der Fehler auf unzutreffenden Überlegungen bei der Auslegung der Gesetze oder bei
Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter die einschlägigen
Rechtsvorschriften beruht. Schon bei der bloßen Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder
Denkfehlers liegt ein mechanischer Fehler nach der Rechtsprechung des BFH nicht vor.
Allerdings ist die nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums dabei unbeachtlich;
nur wenn greifbare Anhaltspunkte für einen Rechtsirrtum vorliegen, ist eine Berichtigung
ausgeschlossen (BFH vom 30.10.1997, III R 27/93, BFH/NV 1998, 942 m.w.N.).
Derartige greifbare Anhaltspunkte für die Möglichkeit, dass der Vorbehalt der
Nachprüfung von der Bearbeiterin auf Grund eines Rechtsirrtums aufgehoben wurde,
sind nicht gegeben.
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Da die Klägerin zur sog. Fallgruppe 1 gehörte, gab es für die Bearbeiterin keinen Grund,
den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben, insbesondere ist kein Grund ersichtlich,
warum sie nur für den Verlustfeststellungsbescheid eine Ausnahme machen und nur bei
diesem den Vorbehalt der Nachprüfung aufheben sollte.
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Die Bearbeiterin hat den Gewerbeertrag der Organgesellschaften i.H.v. 5.321.944 DM
aus der von der Klägerin eingereichten Anlage zur Gewerbesteuererklärung
übernommen. Aus dieser Anlage ergab sich aber, dass die Gewerbeerträge der C-
FIRMA A-Stadt GmbH und der C-FIRMA Z-Team nicht berücksichtigt waren. Unter
diesen Umständen sprach nichts dafür, den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben.
69
Dementsprechend hat die Bearbeiterin auch - allerdings fälschlich (nur) im Sachbereich
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30 - die Kennzahl 24 ("der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt bestehen") angewiesen.
Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass bei Annahme eines mechanischen
Versehens die Bearbeiterin nicht nur die Kennzahlen falsch eingegeben, sondern auch
die "Kontoabdrucke" nicht beachtet hätte, aus denen die Aufhebung des Vorbehalts der
Nachprüfung zu ersehen war. Aber insoweit hat der Beklagte eine nachvollziehbare
Erklärung geliefert, dass nämlich derartige Abdrucke wegen der Überlastung der
Bearbeiter in den Veranlagungsbezirken in der Finanzamtspraxis keine Beachtung
fänden. Diese Erklärung stößt zwar gerade in Fällen auf Bedenken, in denen der
Bearbeiter sich mit Ausnahmetatbeständen wie im vorliegenden Fall zu befassen hat, in
denen es an der notwendigen Erfahrung mit der Eingabe von Kennzahlen fehlt.
Andererseits deuten die Umstände des vorliegenden Falles - wie die Anweisung der
Kennzahl 24 - aber darauf hin, dass die Bearbeiterin tatsächlich den Programmablauf
bei Gewerbesteuerorgansignalen nicht kannte und kein Problembewusstsein hatte, das
sie zu einer Prüfung anhand der "Kontoabdrucke" hätte veranlassen können; außerdem
ist auch keine Überlegung ersichtlich, aus der heraus die Bearbeiterin sich entschlossen
haben könnte, den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben.
71
4. Der Eingabefehler der Bearbeiterin war auch "offenbar" im Sinne des § 129 AO. Eine
offenbare Unrichtigkeit liegt vor, wenn der Fehler auf der Hand liegt, also
durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteil vom 29.01.2003, I R 20/02,
BFH/NV 2003, 1139). Allerdings muss die offenbare Unrichtigkeit nicht aus den
Bescheiden selbst erkennbar sein. Es genügt, dass der Fehler bei Offenlegung des
Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare
Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH, BFH/NV 2003, 1139; vom 15.03.1994, XI R 78/92,
BFH/NV 1995, 937). Dieses war vorliegend der Fall. Anhand der im Klageverfahren vom
Beklagten gegebenen Schilderung der bei Gewerbesteuersignalen und bei
Gewerbesteuerorgansignalen einzugebenden Kennzahlen und der unterschiedlichen
Programmabläufe sowie der vorliegenden Kontoabdrücke, Prüfberechnungen,
Ermittlungen des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals sowie der
Verlustfeststellungsbescheide ist auch für einen unvoreingenommenen Dritten der
Eingabefehler der Bearbeiterin klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar.
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5. Der Bescheid vom 17.02.1997 wies eine nach § 129 AO zu berichtigende
Unrichtigkeit insoweit auf, als in ihm der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde.
Der Beklagte war dementsprechend berechtigt, diesen Fehler zu berichtigen. Dies
bedeutet nicht, dass er zunächst einen zahlenmäßig mit dem Bescheid vom 17.02.1997
übereinstimmenden Bescheid erlassen musste, der mit dem Vorbehaltsvermerk
versehen war, und dann erst, gestützt auf den Vorbehalt der Nachprüfung, einen
zahlenmäßig korrigierten Bescheid erlassen durfte. Der Beklagte war auf Grund seiner
Berichtigungsbefugnis nach § 129 AO berechtigt, unmittelbar den Bescheid vom
25.09.2000 zu erlassen, der gestützt auf § 164 AO den Gewerbeertrag der
Organgesellschaft berücksichtigte - allerdings erneut fehlerhaft den Vorbehalt der
Nachprüfung aufhob.
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II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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III.
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Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Im Hinblick auf die
Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 08.02.2000 (14 V 29/99)
erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH
(so auch FG München vom 09.03.2005 - 1 K 3298/04).
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