Urteil des FG Düsseldorf vom 21.07.2004

FG Düsseldorf: base, erzeugnis, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, alkoholhaltiges getränk, ware, einreihung, zollverwaltung, hefe, behandlung, mitgliedstaat

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 4117/03 VBr
Datum:
21.07.2004
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 4117/03 VBr
Tenor:
Die Steuerbescheide des Beklagten
vom 20.02.2003 in Höhe von EUR
vom 20.02.2003 in Höhe von EUR
vom 07.03.2003 in Höhe von EUR
vom 07.03.2003 in Höhe von EUR
vom 11.03.2003 in Höhe von EUR
vom 09.04.2003 in Höhe von EUR
vom 09.04.2003 in Höhe von EUR
vom 20.05.2003 in Höhe von EUR
vom 20.05.2003 in Höhe von EUR
vom 11.06.2003 in Höhe von EUR
vom 11.06.2003 in Höhe von EUR
in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24. Juni 2003, 25. Juni
2003 sowie 14. Juli 2003 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Die Klägerin, eine Brauerei, wendet sich gegen die Festsetzung von Branntweinsteuer
durch den Beklagten für eine von ihr aus einem EU-Mitgliedstaat bezogene "malt beer
2
base".
Die Klägerin bezieht die vorgenannte "malt beer base" für die Herstellung eines
Mischgetränks mit Namen "X" von Lieferfirma (L). Der Klägerin lag eine verbindliche
Zolltarifauskunft des EU-Mitgliedstaates vom 28. März 2003 vor, wonach ein von ihr
bezogenes Bier mit einem Stammwürzegehalt von in die Unterposition 2203 00 10 der
Kombinierten Nomenklatur (KN) einzureihen sei. Ferner lag der Klägerin eine
verbindliche Zolltarifauskunft des EU-Mitgliedstaates vom selben Tage zu einem
Mischgetränk aus Bier und Limonade vor, wonach diese Ware in die Unterposition 2206
00 59 KN einzureihen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Auskünfte
Bezug genommen.
3
Der Lieferant L der Klägerin wiederum bezieht zur weiteren Aufbereitung der "malt beer
base" ein in dem EU-Mitgliedstaat gebrautes Bier, das nach den unbestrittenen
Angaben der Klägerin durch Vergärung einer nach folgender Rezeptur hergestellten
Würze produziert wird:
4
...
5
Ferner wird nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin bei der Herstellung der
Würze durch ausgedehnte Temperaturrasten gewährleistet, dass aus der durch Enzyme
abgebauten Stärke nur für die Bierhefe vergärbarer Zucker entsteht. Die mit Hefe
versetzte Würze wird dann ... Nach der Einschätzung der Klägerin und in
Überreinstimmung mit der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) im
Erlass vom 4. Juli 2003 - III A 2 - V 2302 - 2/02 - sowie einem Vermerk vom 30. Juni
2003 handelt es sich bei diesem Ausgangserzeugnis der L um Bier im Sinne der
Position 2203 KN.
6
Das vorgenannte Ausgangserzeugnis (Bier) wird von dem Lieferanten L nach den
unbestrittenen Angaben der Klägerin wie folgt ‚filtriert':
7
...
8
Mit elf begleitenden Verwaltungsdokumenten vom
9
16.01.2003 - Nr.
10
16.01.2003 - Nr. -
11
03.01.2003 - Nr. -
12
03.01.2003 - Nr. -
13
14.02.2003 - Nr. -
14
14.03.2003 - Nr. -
15
14.03.2003 - Nr. -
16
10.04.2003 - Nr. -
17
10.04.2003 - Nr. -
18
24.04.2003 - Nr. -
19
24.04.2003 - Nr. -
20
meldete die L die "malt beer base" unter der Nummer 2203 00 10 KN, damit als Bier im
Sinne von § 1 Abs. 2 des Biersteuergesetzes (BierStG) an. Der Beklagte behandelte die
"malt beer base" in sämtlichen Fällen als Branntwein im Sinne von § 130 Abs. 2 des
Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG). Zur Begründung seiner Auffassung
verwies er auf ein Gutachten der zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) der
Oberfinanzdirektion vom 3. Dezember 2002, die zu folgendem Ergebnis kam:
"Festgestellte Codenummer: 2208 9091 00 0; Warenbeschreibung: klare farblose
Flüssigkeit, Geruch und Geschmack nach Ethanol, vorgelegt in zwei Glasflaschen mit
Schraubdeckel im Zollbeutel. Nach dem Ergebnis der hier durchgeführten
Untersuchung kann der angemeldete Alkoholgehalt von 14 % vol. als zutreffend
angesehen werden."
21
Hinsichtlich des Mischgetränks "X" kam die ZPLA in ihrem Gutachten vom 17. Februar
2003, berichtigt durch die ergänzende Stellungnahme vom 4. März 2003, zu dem
Ergebnis, dass es sich hierbei um ein anderes alkoholhaltiges Getränk, in Behältnissen
mit einem Inhalt von 2 Litern oder weniger der Codenummer 2208 9069 000 KN, folglich
ebenfalls um Branntwein handele.
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Auf Aufforderung des Beklagten, die Einreihung der "malt beer base" zu erläutern, teilte
die ZPLA mit Schreiben vom 14. April 2003 ergänzend mit: Bei der als "malt beer base"
bezeichneten Ware handele es sich um eine farblose, klare, nach Ethylalkohol
riechende, schwach bitter schmeckende Flüssigkeit. Auf Grund dieser für Bier aus Malz
untypischen Beschaffenheitsmerkmale komme für das Erzeugnis eine Einreihung als
Bier in die Position 2203 KN nicht in Betracht. Eine Einreihung in die Position 2206 KN
scheide ebenfalls aus, da das Erzeugnis weder die typischen Merkmale eines fertigen
Getränks aufweise noch als solches verwendet werden solle. Die Ware besitze den
Charakter einer Alkohol-Wasser-Mischung und sei daher als Ethylalkohol mit einem
Alkoholgehalt von weniger als 80 %, unvergällt, in Behältnissen mit einem Inhalt von 2
Litern oder weniger in die Unterposition 2208 9091 000 bzw. in Behältnissen mit einem
Inhalt von mehr als 2 Litern in die Unterposition 2208 90 99 000 KN einzureihen. Ferner
wird auf die in der Anlage befindliche Einschätzung des Bundesministeriums der
Finanzen (BMF) vom 4. Juli 2003, einen Vermerk vom 30. Juni 2003 sowie ein
Schreiben des Zolls des EU-Mitgliedstaates vom 18. April 2003 verwiesen. Das BMF ist
darin im Wesentlichen der Auffassung, dass es sich bei der "malt beer base" bzw. "malt
base" um ein Erzeugnis der Position 2208 KN handele. Die als Ausgangsprodukt zur
Herstellung des Mixgetränks verwendete "malt beer base" (14 % vol. Alkohol) sei ein
Erzeugnis der Position 2208 KN. Sofern ‚aus dem EU-Mitgliedstaat' verbindliche
Zolltarifauskünfte ( sowie ) für die gegenteilige Auffassung angeführt worden seien, sei
darauf hinzuweisen, dass diese nicht für "malt base" bzw. "malt beer base" und auch
nicht für Mischgetränke aus "malt beer base" bzw. "malt base" ( ) erteilt worden seien.
Nach Auskunft der Zollverwaltung des EU-Mitgliedstaates 8. April 2003 sei für "malt
beer base" bzw. "malt base" noch keine verbindliche Zolltarifauskunft ergangen. Zudem
seien die vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskünfte ausschließlich auf Grund von
Warenbeschreibungen erteilt worden, in denen ausschließlich das Wort "Bier" (nicht
aber die Bezeichnungen "malt base" oder "malt beer base") genannt seien. Die
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Zollverwaltung des EU-Mitgliedstaates vertrete vielmehr wie die deutsche
Zollverwaltung die Auffassung, dass dieses Erzeugnis als nichtvergällter Ethylalkohol in
die Position 2208 KN einzureihen sei. In dieser vom BMF zitierten Stellungnahme des
Zolls des EU-Mitgliedstaates vom 18. April 2003 heißt es am Ende, dass "malt base"
bzw. "malt beer base" als nicht denaturierter Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von
weniger als 80 % vol. in die Position 2208 KN eingereiht werden müsse. In dem zitierten
Vermerk vom 30. Juni 2003 des BMF wird ausgeführt, dass das von der Klägerin
bezogene Erzeugnis gerade nicht unter der Bezeichnung Bier vertrieben, sondern als
"malt base" oder "malt beer base" bezeichnet werde. Hinzu komme, dass es sich nicht
um ein Getränk handele, das zur unmittelbaren Abgabe an den Endverbraucher
bestimmt sei, sondern um ein Zwischenprodukt, das ausschließlich zur Herstellung von
Mischgetränken bestimmt sei. Durch seine klare Farbe, den fehlenden Schaum und die
weitgehende Geruchs- und Geschmacksneutralität dürfe diese Flüssigkeit als Bier auch
nicht verkehrsfähig sein. Sinn und Zweck der Aufbereitung des Vorprodukts "malt beer"
zu "malt base" bzw. "malt beer base" sei ja gerade, die charakterbestimmenden
Merkmale des Bieres zu entfernen und das Erzeugnis als Ersatz für Wodka - mit dem
Vorteil der Steuerersparnis - als Bier verwenden zu können. Die so hergestellten
Mischgetränke sollten daher nicht wie ein Radler o. ä. schmecken, sondern wie eine mit
Wodka aufgespritzte Limonade.
Mit den folgenden elf Steuerbescheiden
24
vom 20.02.2003 in Höhe von EUR
25
vom 20.02.2003 in Höhe von EUR
26
vom 07.03.2003 in Höhe von EUR
27
vom 07.03.2003 in Höhe von EUR
28
vom 11.03.2003 in Höhe von EUR
29
vom 09.04.2003 in Höhe von EUR
30
vom 09.04.2003 in Höhe von EUR
31
vom 20.05.2003 in Höhe von EUR
32
vom 20.05.2003 in Höhe von EUR
33
vom 11.06.2003 in Höhe von EUR
34
vom 11.06.2003 in Höhe von EUR
35
setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin insgesamt EUR Branntweinsteuer fest. Zur
Begründung führte er an, dass es sich bei der von ihr bezogenen Ware nach der
Auskunft der ZPLA vom 3. Dezember 2002 um Branntwein im Sinne des § 130
BranntwMonG handele. Eine Einreihung als Bier komme nicht in Betracht, weil es sich
um eine klare, farblose, nach Ethylalkohol riechende, schwach bitter schmeckende
Flüssigkeit handele. Die Ware besitze vielmehr den Charakter einer Alkohol-Wasser-
Mischung und sei daher - unabhängig vom Herstellungsprozess - als Ethylalkohol zu
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behandeln und als Branntwein zu versteuern. Die von der Klägerin vorgelegte
verbindliche Zolltarifauskunft des EU-Mitgliedstaates sei im vorliegenden Verfahren
nicht bindend. Denn die Zollverwaltung des EU-Mitgliedstaates sei für die Erteilung
einer solchen Auskunft nicht zuständig gewesen. Der Antrag auf Erteilung einer
verbindlichen Zolltarifauskunft sei gem. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr.
2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der
Gemeinschaft (Zollkodex - ZK) abzulehnen gewesen, da er sich nicht auf einen
tatsächlich vorgesehenen Import- bzw. Exportvorgang bezogen habe, sondern lediglich
auf ein Verbringen einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus einem anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft in das Steuergebiet. Das Erzeugnis
könne auch nicht als Bier im Sinne von § 1 Abs. 2 BierStG angesehen werden. Das von
der Klägerin hergestellte "X" sei ein Mischgetränk bestehend aus Branntwein und einem
nichtalkoholischen Getränk und als solches in die Unterposition 2208 9096 000 KN
einzureihen. Daher handele es sich bei diesem Erzeugnis ebenfalls um Branntwein im
Sinne von § 130 Abs. 2 BranntwMonG.
Hiergegen legte die Klägerin jeweils Einsprüche ein, die der Beklagte durch elf
Einspruchsentscheidungen vom 24. Juni 2003, 25. Juni 2003 sowie 14. Juli 2003
zurückwies.
37
Mit ihrer am 23. Juli 2003 erhobenen Klage trägt die Klägerin zur Begründung vor: Zur
Filtration des von der L bezogenen Ausgangsprodukts für die Herstellung der "malt beer
base" würden nur branchenübliche, physikalische und adsorptive Prozesse eingesetzt,
die laut vorläufigem Biergesetz (§ 9 Abs. 6) sogar für Biere, die dem Reinheitsgebot
unterliegen würden, zugelassen seien. Das fertige Bier ("malt beer base") weise,
ebenso wie das unfiltrierte Produkt, einen Alkohol von 14 % vol. auf. Es schäume leicht
und werde mit einem Kohlensäuregehalt von etwa 3 g/l in Containern bei ihr angeliefert.
Der Geschmack sei durch den zugegebenen Hopfen leicht bitter, das Aussehen klar und
farblos. Analytisch unterscheide sich das fertige Produkt vom unfiltrierten lediglich durch
die niedrigere Farbe, einen niedrigeren Bitterwert und einen milderen Geschmack.
Diese Veränderungen fänden in unterschiedlicher Ausprägung bei jedem
Filtrationsprozess statt. Während des gesamten Produktionsprozesses finde keinerlei
Aufkonzentration des Alkoholgehalts statt. Dieses Bier werde von ihr mit einer Limonade
gemischt und mit zusätzlicher Gärungskohlensäure versetzt, so dass sich ein
Biermischgetränk ("X") ergebe. Dieses Produkt sei vom Zoll des EU-Mitgliedstaates als
Biermischgetränk in die Position 2206 KN eingereiht worden. Vor der Herstellung
dieses Biermischgetränks sei dem Beklagten am 7. Oktober 2002 eine
Herstellererklärung zugesandt worden, in welcher der Herstellungsprozess beschrieben
worden sei. Ein zeitnaher Widerspruch hierzu sei nicht erfolgt. Das von ihr bezogene
Produkt sei als Bier im Sinne von § 1 Abs. 2 BierStG zu behandeln, da es in die Position
2203 KN einzureihen sei. Der von ihr im Einzelnen beschriebene Herstellungsprozess
entspreche exakt dem in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) aus
zolltariflicher Sicht beschriebenen Herstellungsprozess. Der Prozess "malt beer base"
weiche grundlegend von dem Herstellungsprozess der Branntweingewinnung durch
Abbrennen von Maische ab, da während des gesamten Produktionsprozesses keine
Destillation bzw. Aufkonzentration des Alkoholgehalts erfolge. Zur Verdeutlichung
werde daher auf den Unterschied zur Branntweinherstellung hingewiesen, was im
Einzelnen ausgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
komme es für die Einstufung eines Produkts als bierähnliches Getränk darauf an, mit
welchem Willen und welcher Absicht das Getränk - unabhängig von seiner konkreten
Beschaffenheit - in den Handel gebracht werde. Dabei sei nicht der innere Wille
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maßgebend, sondern der aus den objektiven Umständen nach außen erkennbar
gewordene Wille, der sich insbesondere aus der Anpreisung erschließe. Dieser sei
objektiv im Wesentlichen aus der Aufmachung, den Etiketten und ggf. aus dem Inhalt
der ergänzenden Werbung abzuleiten. "X" werde als ein weiteres Produkt auf den Markt
gebracht. Neben den Biermischgetränken "Y" und "Z" stelle "X" ein RTD (ready to
drink), auf Malzbasis hergestellt, dar. Insbesondere bei jungen Konsumenten würden
schon seit einiger Zeit RTDs, die vor allem über Markennamen wie " ", " " und andere
bekannt geworden seien, Absatz finden. Diese Art von Getränken hätten ursprünglich
dem Spirituosensektor entstammt und sollten lediglich dem Trend nach weniger Alkohol
gerecht werden. Die Tatsache, dass es sich bei der alkoholischen Komponente dieser
Mischgetränke um eine Spirituose handele, habe in manchen Ländern dazu geführt,
dass der Vertrieb lediglich über Einrichtungen habe erfolgen können, die die
Genehmigung gehabt hätten, Branntwein an den Endverbraucher abzugeben. Diesen
Umstand habe sie sich zu nutze gemacht und die alkoholische Komponente durch Bier
ersetzt, so dass das "ausgemischte" Getränk ein Biermischgetränk geworden sei und
somit auf den traditionellen Vertriebskanälen für Bier als Alternative zu den
Spirituosenmärkten an den Endverbraucher gebracht werden könne. Ein Grund für die
Entwicklung dieses Getränkes bestehe darin, das Image des Bieres als
Marketinginstrument zu nutzen. Der Konsument assoziiere in der Regel Bier immer mit
Begriffen wie Natur, natürliches Herstellungsverfahren, Getreide, Malz, hochwertig und
oft auch Gesundheit. "X" sehe sich dementsprechend als Abgrenzung zu den "harten
Spirituosen", auch wenn diese auf einen geringeren Alkoholgehalt herabgesetzt worden
seien. Durch die Nutzung der Vertriebswege für Bier und des Images als
Marketinginstrument lasse sich daher ableiten, dass "X" als Biermischgetränk zu
qualifizieren sei, lediglich das traditionelle Geschmacksprofil und der visuelle Eindruck
seien geändert worden. Der Bierbegriff lasse sich auch nicht auf sein äußeres
Erscheinungsbild reduzieren. Denn maßgeblich sei der aus den objektiven Umständen
nach außen hervorgetretene Wille, also mit welcher Absicht das Getränk in den Handel
gebracht worden sei. Der Steuergegenstand Bier bestimme sich gemäß § 1 Abs. 2
BierStG durch Verweis auf die KN sowie die hierzu ergangenen allgemeinen
Vorschriften für deren Auslegung. Die danach zugrundezulegenden
Einreihungskriterien würden zu einer Einreihung in die Position 2203 KN führen, da es
sich um ein Bier aus Malz handele, welches nur durch die durchgeführte Filtration zu
einer klaren und farblosen Flüssigkeit werde. Das von der L zur Herstellung der "malt
beer base" bezogene in dem EU-Mitgliedstaat gebraute Bier sehe so aus, schmecke,
rieche und werde hergestellt wie ein Bier nach den traditionellen Vorstellungen. Zu dem
klaren und farblosen Bier komme es nur durch die durchgeführte Filtration. Auf Grund
der derzeit vorhandenen Filtrationsverfahren könne man nahezu fast jedes Bier in
dieses klare und farblose Bier verwandeln. Als Anlage hat die Klägerin ein Muster des
von der Firma L bezogenen "Rohbieres" übersandt. Auch lasse es die KN nicht zu,
allein auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Dies gelte im vorliegenden Fall umso
mehr, weil die Ware eindeutig als Bier zu qualifizieren sei. Das Produkt "X" werde auf
Bierbasis hergestellt, da nur Bier einen so weichen Geschmack erzielen könne. Ein
Branntweinprodukt könne diese Beschaffenheit nicht erreichen. Hierzu habe man auch
höhere Herstellkosten gegenüber dem Branntweinprodukt in Kauf genommen, denn
diese seien für ein Biermischprodukt zuzüglich Biersteuer bei weitem höher als die für
ein Branntweinprodukt zuzüglich Branntweinsteuer. Darüber hinaus sei darauf
hinzuweisen, dass die Firma L rund HL "malt beer base" in Europa verkaufe, u. a. in
Länder wie , , etc. Das Produkt werde in diesen Ländern nachweislich als Bier
eingestuft. Durch die Einstufung als Branntwein gingen diese Märkte verloren. Der Markt
würde zukünftig an Mitbewerberunternehmen verloren gehen, die wie die Firma aus ein
Biermischgetränk mit dem Namen " " vertreiben und hierfür ebenfalls den Grundstoff
"malt beer base" von der Firma L beziehen würden. Dieses Produkt werde in , den
übrigen Ländern und vertrieben und werde dort nachweislich als Biermischgetränk
qualifiziert. Hierzu hat die Klägerin Muster von Biermischgetränken anderer Hersteller,
die ebenfalls von Lieferfirma L mit der "malt beer base" beliefert werden, dem Gericht
übersandt. Darüber hinaus hat die Klägerin verbindliche Zolltarifauskünfte
verschiedener europäischer Länder aus dem Internet sowie die Erklärung des
Herstellers eines Biermischgetränks vorgelegt, wonach die vertriebene Ware als Bier
behandelt werde. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Behandlung durch den
Beklagten im Ergebnis einen Verstoß gegen geltendes Gemeinschaftsrecht darstelle.
Die höhere Besteuerung der "malt beer base" als Branntwein habe eine
diskriminierende Wirkung und behindere den freien Binnenhandel der Gemeinschaft.
Darin liege ein eindeutiger Verstoß gegen Art. 25 bzw. 28 des EG-Vertrags, denn die
Klassifizierung der "malt beer base" als Branntwein behindere den Absatz dieses
Produkts. Auf Grund der höheren Besteuerung mit Branntweinsteuer könne ein mit der
"malt beer base" hergestelltes Biermischgetränk preislich mit anderen
Biermischgetränken nicht mehr in Wettbewerb treten. Die Nachfrage nach diesem
Produkt würde damit praktisch sofort zum Erliegen kommen, darin liege eine
Behinderung ihres Absatzes in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2004 hat die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme
des der Technischen Universität - - vorgelegt. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis,
dass eine Zuordnung zu anderen Getränken als Bier, insbesondere destillierten
alkoholischen Getränken, analytisch nicht vertretbar sei. Ausgangsbasis sei ein Bier mit
einer Stammwürze von GG % und einem Alkoholgehalt von 14,65 vol. %. Ein derartiges
Bier sei unter Verwendung einer alkoholtoleranten Hefe, wie sie z.B auch bei der
Aufsektung eingesetzt werde, darstellbar. Jedenfalls würden die analytischen
Kennzahlen wegen des hohen Stammwürzehehalts im Normalbereich liegen. Es
handele sich um ein Bier mit einem Bitterwert von 27 BU. Dieses Grundbier werde zur
Herstellung eines farblosen Bieres einer Ultrafiltration unterzogen, wobei die
Inhaltsstoffe ausgedünnt würden. Dennoch habe man von den Bierrohstoffen Malz,
Hopfen, Hefe Bestandteile nachgewiesen. Für ein Bier spreche, dass es auf dem
internationalem Markt bereits farblose Biere ähnlicher Zusammensetzung gebe, die
steuerlich als Bier eingestuft würden. Bestandteile von Bierrohstoffen seien
nachgewiesen worden. Es gebe keine Vorschrift für die analytische Zusammensetzung
und Farbe von Bier. Gegen die Einordnung als Bier lasse sich anführen, dass der
Verbraucher das Getränk wegen des Aussehens, des Geschmacks und des (fehlenden)
Schaums nicht spontan als Bier anspreche.
39
Die Klägerin beantragt,
40
die Steuerbescheide des Beklagten
41
vom 20.02.2003 in Höhe von EUR
42
vom 20.02.2003 in Höhe von EUR
43
vom 07.03.2003 in Höhe von EUR
44
vom 07.03.2003 in Höhe von EUR
45
vom 11.03.2003 in Höhe von EUR
46
vom 09.04.2003 in Höhe von EUR
47
vom 09.04.2003 in Höhe von EUR
48
vom 20.05.2003 in Höhe von EUR
49
vom 20.05.2003 in Höhe von EUR
50
vom 11.06.2003 in Höhe von EUR
51
vom 11.06.2003 in Höhe von EUR
52
in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24. Juni 2003, 25. Juni 2003 sowie
14. Juli 2003 aufzuheben.
53
Der Beklagte beantragt,
54
die Klage abzuweisen,
55
hilfsweise die Revision zuzulassen,
56
und trägt zur Begründung vor: Bei dem von der Klägerin bezogenen Erzeugnis handele
es sich nicht um ein Bier bzw. ein Biermischgetränk im Sinne des BierStG, sondern um
ein Erzeugnis im Sinne von § 130 Abs. 2 BranntwMonG. Es komme sehr wohl
entscheidend darauf an, welche konkrete Beschaffenheit die Ware aufweise. Mit
welchem Willen und welcher Absicht das Getränk in den Handel gebracht worden sei,
sei allerdings im vorliegenden Fall bedeutungslos. Schließlich liege auch kein Verstoß
gegen Art. 28 des EG-Vertrags vor. Nach Art. 28 EG-Vertrag seien mengenmäßige
Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft verboten. Die von der Klägerin
dargestellte Behinderung liege im vorliegenden Fall allerdings nicht vor.
57
Nach Ergehen des Beschlusses des Senats im zugehörigen Verfahren 4 V 4119/03 A
(VBr) vom 19. November 2003 trägt der Beklagte weiter vor: Bei der "malt beer base"
handele es sich um ein Zwischenprodukt, das ausschließlich zur Herstellung von
Mischgetränken bestimmt sei. Als Getränke im Sinne des Zolltarifs seien allerdings nur
solche Flüssigkeiten anzusehen, die zum menschlichen Genuss geeignet und bestimmt
seien (Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Die Wortwahl "hell oder dunkel" in
den Erläuterungen zum Zolltarif beziehe sich auf die für Bier typische Färbung nach den
Vorstellungen des Verbrauchers von Gelb- über Braun- bis hin zu Schwarztönen. Auch
wenn die Behandlung des Ausgangsstoffes mit Mitteln erfolge, die mit den für Bier
geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften in Einklang stehen würden, könne dies
keinen Einfluss auf die zolltarifrechtliche Einreihung haben. Denn nach der
Rechtsprechung des BFH sei für die Einreihung einer Ware deren objektive
Beschaffenheit anhand der am Erzeugnis feststellbaren Merkmale und Eigenschaften
maßgebend. Der Begriff Branntwein umfasse - unabhängig von der Herstellungsart -
alle Erzeugnisse, die Ethylalkohol als wertbestimmenden Faktor enthielten. Die "malt
beer base" der Klägerin habe keine biertypischen Merkmale mehr. Darüber hinaus habe
die Zollverwaltung des EU-Mitgliedstaates mittlerweile mitgeteilt, dass sie sich der
58
Auffassung der deutschen Zollverwaltung anschließen und die von ihr erteilten
Zolltarifauskünfte widerrufen werde. Bei der "malt beer base" handele es sich um
Branntwein. Weiterhin teile die Zollverwaltung des EU-Mitgliedstaates nunmehr auch
die Auffassung, dass sie für die Erteilung der verbindlichen Zolltarifauskünfte nicht
zuständig gewesen sei. Schließlich hat der Beklagte zur Verteidigung seines
Standpunktes eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme der ZPLA vom 2. Februar
2004 vorgelegt, die erneut zu dem Ergebnis kommt, dass nur ein Einreihung der "malt
beer base" in die Position 2203 in Betracht komme. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Stellungnahme Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 65).
59
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
60
Die Klage ist zulässig und begründet. Die elf Steuerbescheide des Beklagten vom 20.
Februar, 7. März, 11. März, 9. April, 20. Mai 2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen vom 24. Juni, 25. Juni sowie 14. Juli 2003 sind rechtswidrig
und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO)). Der Beklagte hat zu Unrecht Branntweinsteuer in Höhe
von insgesamt EUR gegen die Klägerin festgesetzt.
61
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BranntwMonG entsteht die Branntweinsteuer dadurch,
dass Erzeugnisse aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaats - hier: - zu gewerblichen
Zwecken bezogen werden und der Bezieher - hier: die Klägerin - diese im Steuergebiet
in Empfang nimmt.
62
Voraussetzung für die Steuerentstehung ist allerdings, dass es sich bei der von der
Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland in Empfang genommenen "malt beer base"
um ein Erzeugnis im Sinne der zitierten Bestimmung, also um Branntwein (vgl. § 130
Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG) handelt. Daran fehlt es jedoch.
63
Die Frage, ob die "malt beer base" der Klägerin als Branntwein zu qualifizieren ist,
beantwortet sich gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 BranntweinMonG danach, ob ein Erzeugnis
im Sinne der allein in Betracht kommenden Position 2208 KN (in der Fassung gemäß
Abs. 5) mit einem Alkoholgehalt über 1,2 % vol. von ihr bezogen wird. Entgegen der
Ansicht des Beklagten und abweichend von dem Ergebnis der Begutachtung der "malt
beer base" durch die ZPLA - der ergänzenden - ist der Senat der Auffassung, dass die
"malt beer base" nicht in die Unterposition 2208 90 91 oder 2208 90 99 KN eingereiht
werden kann, damit als Branntwein zu qualifizieren wäre: Ethylalkohol mit einem
Alkoholgehalt von weniger als 80 % vol., unvergällt, in Behältnissen mit einem Inhalt
von 2 l oder weniger bzw. mehr als 2 l.
64
Das von der Klägerin bezogene Erzeugnis stellt sich zur Überzeugung des Senats
vielmehr als Bier im Sinne von § 1 Abs. 2 BierStG dar (vgl. auch Art. 2 der Richtlinie
(EWG) Nr. 92/83 des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf
Alkohol und alkoholische Getränke vom 19. Oktober 1992 (Systemrichtlinie)) mit der
Folge, dass in sämtlichen Fällen Branntweinsteuer nicht entstehen konnte.
65
Gemäß § 1 Abs. 2 BierStG sind Bier im Sinne des Biersteuergesetzes Erzeugnisse der
Position 2203 KN (Nr. 1) sowie Mischungen aus Bier und nichtalkoholischen Getränken
der Position 2206 KN (Nr. 2, jeweils in der Fassung gemäß Abs. 2 Satz 2). Dabei
66
scheidet der Fall von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG aus, weil es sich bei der "malt beer base"
um kein Mischgetränk aus Bier mit einem nichtalkoholischen Getränk im Sinne von
Position 2206 KN handelt, als solches käme nur das von der Klägerin vermarktete -
nicht streitgegenständliche - "X" in Betracht. Allerdings stellt sich zur Überzeugung des
Senats die von der Klägerin bezogene "malt beer base" als Erzeugnis im Sinne von § 1
Abs. 2 Nr. 1 BierStG, also eine Ware der Position 2203 KN dar. Denn bei dem
Erzeugnis handelt es sich um ein Bier aus Malz.
Das entscheidende Kriterium für die Einreihung von Waren ist in deren objektiven
Merkmalen und Eigenschaften zu sehen, wie sie im Wortlaut der Positionen und
Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln der KN
festgelegt sind (vgl. etwa Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Urteil
vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-106/94 und C-139/94 - Sammlung der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Gerichts erster Instanz
(Slg.) 1995, I-4759 (4781); Urteil vom 12. März 1998 - Rs. C-270/96 - Slg. 1998, I-1121
(1139); Urteil vom 28. April 1999 - Rs. C-405/97 - Slg. 1999, I-2397 (2418)). Außerdem
sind bezüglich der KN die von der Kommission und bezüglich des HS die vom Rat für
die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens ausgearbeiteten Erläuterungen
ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der
einzelnen Positionen und Unterpositionen (vgl. etwa: EuGH, Urteil vom 16. Juni 1994 -
Rs. C-35/93 - Slg. 1994, I-2655 (2677); Urteil vom 6. November 1997 - Rs. C-201/96 -
Slg. 1997, I-6147 (6167); Urteil vom 12. März 1998 - Rs. C-270/96 - a.a.O. (1139); Urteil
vom 28. April 1999 - Rs. C-405/97 - a.a.O.). Aus der zitierten Rechtsprechung und aus
der Allgemeinen Vorschrift 1 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV 1)
folgt, dass dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen bei der Auslegung der
Vorrang einzuräumen ist.
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Der Bestimmung des Steuergegenstands "Bier" ist daher ein rein steuerliches
Verständnis zu Grunde zu legen. So hat etwa das Reinheitsgebot, wie es im vorläufigen
Biergesetz geregelt ist, keine steuerliche, sondern nur lebensmittelrechtliche Bedeutung
(vgl. Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, H 233). Ebenso
kann für die Begriffsbestimmung nach Umsetzung der Systemrichtlinie Nr. 92/83 durch
den nationalen Gesetzgeber in das Biersteuergesetz nicht ohne weiteres die
Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu § 21 Abs. 2 BierStG a.F. herangezogen werden
(vgl. Beschluss vom 26. November 1996 - VII B 112/96 - Zeitschrift für Zölle und
Verbrauchsteuern (ZfZ) 1997, 309), wonach es bei einem bierähnlichen Getränk auf die
Art der Aufmachung, Etiketten, Werbung etc. ankommen soll. Denn diese Entscheidung
ist zum einen ersichtlich zu einem "bierähnlichen Getränk" ergangen und zum anderen
wird der Steuergegenstand "Bier" nunmehr abschließend in § 1 Abs. 2 BierStG durch
Verweis auf das Gemeinschaftsrecht, nämlich die KN definiert.
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Nach den Erläuterungen zum HS und zur KN ist Bier ein alkoholhaltiges Getränk, das
hergestellt wird durch Vergären einer durch Kochen gewonnen Würze aus Gerstenmalz
oder Weizenmalz, Wasser und üblicherweise Hopfen. Für die Würze können
gegebenenfalls auch bestimmte Anteile von nicht gemälztem Getreide (z.B. Mais und
Reis) verwendet werden. Der Zusatz von Hopfen bewirkt den bitteren und würzigen
Geschmack und verbessert die Haltbarkeit des Bieres. Kirschen oder andere
geschmackgebende Stoffe werden manchmal im Verlauf der Gärung zugesetzt (vgl.
auch Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, a.a.O., H 232). Der Senat sieht in dieser
Erläuterung, die auf den Herstellungsprozess abstellt, ein entscheidendes
Auslegungskritierium.
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Danach ist davon auszugehen, dass es sich bei der streitgegenständlichen "malt beer
base" der L, die die Klägerin bezieht, um "Bier" handelt.
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Denn unstreitig erfüllt das von der L bezogene Ausgangserzeugnis, das als Vorprodukt
für die "malt beer base" dient, die Kriterien der Position 2203 KN und ist damit "Bier".
Nach der unbestrittenen, von der Klägerin erläuterten Rezeptur wird das
Ausgangserzeugnis wie ein Bier hergestellt: Vergären einer Würze aus Malz, Maltose
(Malzzucker), Hopfenextrakt, Hefe, Bierenzymen und Hefe. Das so hergestellte
Erzeugnis ist auch alkoholhaltig, da es einen Alkoholgehalt von etwa 14 % vol. aufweist.
Die Einschätzung, dass es sich beim Ausgangserzeugnis der Lieferfirma um ein "Bier"
handelt, teilen sogar das BMF in seinem Erlass vom 4. Juli 2003 - III A 2 V 2302- 2/02 -
sowie in einem sich in den Akten befindlichen Vermerk vom 30. Juni 2003 (Beiakte
Sachheft Bl. 33, 37) und auch der Beklagte (vgl. Schriftsatz vom 18. Juni 2004 an das
Gericht). Im Übrigen dürften bei der Herstellung des Ausgangserzeugnisses der L sogar
die engeren Voraussetzungen von § 9 des vorläufigen Biergesetzes (Reinheitsgebot)
erfüllt sein, so dass es sich beim Ausgangserzeugnis - in der von der Klägerin zur
Verfügung gestellten Probe auch als "Rohbier" bezeichnet - in jedem Fall um ein Bier
handelt. Denn wenn bereits die engeren nationalen lebensmittelrechtlichen
Bestimmungen eingehalten sind, spricht zumindest viel dafür, dass es sich auch im
steuerrechtlichen Sinne um "Bier" handeln muss (vgl. dazu BFH, Urteil vom 3. Juli 1984
- VII R 85/83 - ZfZ 1984, 334, allerdings noch zu § 21 Abs. 1 BierStG a.F.).
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Die anschließende Behandlung des Ausgangserzeugnisses durch die Lässt die
Eigenschaft "Bier" auch nicht wieder entfallen oder gar Branntwein entstehen. Zwar ist
die Herstellung von Branntwein aus Bier möglich, wie etwa im Fall der
Entalkoholisierung von Bier ("Bieralkohol", vgl. Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg,
a.a.O., H 33) oder beim "Bierbrand", einer Spirituose, die ausschließlich durch
Destillation von frischem Bier gewonnen wird (a.a.O., H 35). Allerdings findet im
vorliegenden Fall bei der Behandlung des Ausgangsprodukts durch die L - unstreitig -
ein reiner Filtrationsprozess statt, der den eigentlichen Herstellungsprozess "Bier"
unberührt lässt. Denn das der Klägerin gelieferte Erzeugnis hat weiterhin einen
Alkoholgehalt von 14 % vol. und die Zusammensetzung bleibt (nahezu) unverändert. Es
findet zu keinem Zeitpunkt weder eine Erhöhung der Alkoholkonzentration noch eine
Destillation statt. Im Unterschied zum Ausgangserzeugnis hat die "malt beer base"
lediglich eine niedrigere Farbe, einen niedrigeren Bitterwert sowie ein milderen
Geschmack. Im Übrigen erlaubt § 9 Abs. 6 des vorläufigen Biergesetzes
lebensmittelrechtlich auf nationaler Ebene sogar ausdrücklich die Behandlung mit
Klärmitteln bei der Bierbereitung.
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An der Einschätzung, dass es sich hierbei weiterhin um "Bier" handelt, ändert auch
nichts der Umstand, dass das Erzeugnis nunmehr klar und farblos ist. Der Senat räumt
insoweit ein, dass der optische Eindruck der von der Klägerin bezogenen "malt beer
base" keineswegs vermuten lässt, dass es sich hierbei um ein Bier aus Malz handeln
könnte. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, weil das Erzeugnis nach seinen
objektiven Merkmalen und Eigenschaften nach der Filtration des
Ausgangserzeugnisses die für ein Bier aus Malz typischen Bestandteile aufweist. Der
Senat sieht sich hierin durch das von der Klägerin eingereichte Gutachten des vom 22.
September 2003 bestätigt. Denn darin kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die
Bierrohstoffe wie Malz, Hopfen und Hefe nachgewiesen werden konnten, auch wenn die
Inhaltsstoffe aufgrund der vorgenommenen Filtration "ausgedünnt" worden sind. Nach
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Auffassung des Gutachters ist eine Zuordnung zu anderen Getränken als Bier,
insbesondere destillierten alkoholischen Getränken, analytisch nicht vertretbar. Dahinter
sollen Bedenken, weil der Verbraucher das Erzeugnis wegen seines Aussehens,
Geschmacks und Schaums nicht spontan als Bier erkennen wird, zurücktreten.
Die Bedenken, die der Gutachter andeutet, sind im Ergebnis auch die Zweifel, die der
Beklagte an der Einordnung der "malt beer base" als Bier aus Malz hat. Die
Erläuterungen zum HS und zur KN räumen dem Aussehen und Geschmack des
Erzeugnisses jedoch eine gegenüber dem Herstellungsprozess nur untergeordnete
Bedeutung ein. So kann Bier "hell oder dunkel, süß oder bitter, leicht oder stark" sein.
Die Formulierung "kann" bedeutet für den Senat, dass Aussehen und Geschmack für
die steuerliche Beurteilung nicht zwingend dem traditionellen Verständnis von "Bier"
entsprechen müssen, um so etwa zukünftige, bei der Abfassung noch nicht absehbare
Entwicklungen und Tendenzen auf dem "Biermarkt" berücksichtigen zu können.
Jedenfalls müssen Aussehen und Geschmack des Erzeugnisses zurücktreten, wenn der
Herstellungsprozess und die Beschaffenheit - wie dargestellt - für ein Bier sprechen. Für
die steuerliche Bewertung als "Bier" im Sinne von 2203 KN kommt es nach dem
dargestellten Auslegungsmaßstab daher auch nicht auf die Absatzmöglichkeiten des
Erzeugnisses an, also, ob es "schmeckt", wie es riecht, ob es nach herkömmlichem
Verständnis überhaupt als "Bier" angesehen werden kann. Dies gilt um so mehr, wenn
das Erzeugnis allein für ein Biermischgetränk im Sinne der Position 2206 KN (hier: "X")
verwendet und auch nur so vermarktet werden soll.
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Demgegenüber enthält das urprüngliche Einreihungsgutachten der ZPLA praktisch
keine substantiierte Begründung für die dort vertretene Tarifauffassung. Das Gutachten
vom 17. Februar 2003 ging sogar zunächst davon aus, dass das von der Klägerin
vertriebene "X" als Biermischgetränk im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG zu
qualifizieren sei, obwohl die von der Klägerin bezogene "malt beer base" bereits mit
Gutachten vom 3. Dezember 2002 als "Branntwein" im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1
BranntweinMonG angesehen worden war. Ohne weitere Begründung ist die Auffassung
mit Stellungnahme vom 4. März 2003 dann dahingehend korrigiert worden, dass auch
das Mischgetränk der Klägerin als Branntwein zu qualifizieren sei. Erst auf Initiative des
Beklagten ist diesem überhaupt eine kurze Erläuterung für die Tarifauffassung gegeben
worden und im Übrigen auf die Auffassung des BMF verwiesen worden. Die nunmehr
vorliegende ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 2. Februar 2004 wiederholt
praktisch nur das, was der Beklagte ohnehin schon vorgetragen hat.
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Sofern der Beklagte erstmals im Klageverfahren Zweifel daran geäußert hat, ob es sich
bei der "malt beer base" überhaupt um ein Getränk im Sinne von Kapitel 22 KN handelt,
vermag dem der Senat nicht folgen. Zwar ist dem Beklagten darin zuzustimmen, dass
Getränke nur Flüssigkeiten sind, die zum menschlichen Genuss geeignet und bestimmt
sind (vgl. EuGH, Urteil vom 26. März 1981 - Rs. 114/80 - ZfZ 1981, 304; BFH, Urteile
vom 11. März 2004 - VII R 20/01 - juris.doc-Nr.: STRE200450645; vom 4. Mai 1993 - VII
R 103/92 - Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 283). In den dortigen Entscheidungen ging es jedoch
ersichtlich um die Abgrenzung von Getränken zu Waren des Kapitels 21 KN
(Verschiedene Lebensmittelzubereitungen). Vorliegend kann es jedoch nur um die
Abgrenzung eines bestimmten Getränks, nämlich Bier im Sinne von § 1 Abs. 2 BierStG
oder Branntwein im Sinne von § 130 Abs. 2 BranntwMonG gehen. Denn es steht
unbestreitbar fest, dass die "malt beer base" als notwendiger Bestandteil von "X" von
den Konsumenten auch getrunken wird.
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Die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass es sich bei der "malt beer base" um
Branntwein handelt, führt schließlich noch zu einem weiteren Problem, das hier
allerdings nicht entschieden werden muss. Gemäß § 99 b BranntwMonG darf
Branntwein zu Trinkzwecken und zur Herstellung von Lebensmitteln, Arzneimitteln und
kosmetischen Mitteln nur verwendet werden, wenn er aus landwirtschaftlichen
Rohstoffen im Sinne von Art. 32 des Vertrages zu Gründung der Europäischen
Gemeinschaft (EGV) hergestellt ist. Bier als Ausgangserzeugnis der "malt beer base" ist
allerdings nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis im Anhang I EGV aufgeführt. Da die
Liste der landwirtschaftlichen Erzeugnisse abschließend ist, wäre - die Auffassung
"Branntwein" des Beklagten als richtig unterstellt - die von der Klägerin bezogene "malt
beer base" in der Bundesrepublik Deutschland zu Trinkzwecken im Unterschied zu
anderen europäischen Ländern überhaupt nicht verwendbar. Das Erzeugnis der L dürfte
in der Bundesrepublik Deutschland danach ausschließlich zu technischen Zwecken
genutzt werden.
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Schließlich muss der Senat angesichts der hier vorgenommenen Auslegung nicht der
Frage nachgehen, ob die der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte des EU-
Mitgliedstaates vom 28. März 2003, wonach es sich bei der "malt beer base" um ein Bier
handeln dürfte, überhaupt hätten erteilt werden dürfen. Der Senat bemerkt allerdings,
dass diese trotz Ankündigung bis zum heutigen Tage durch die Zollverwaltung des EU-
Mitgliedstaates nicht widerrufen worden sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO zugelassen, weil die hier zu beurteilende Frage, ob ein Erzeugnis, das analytisch
die Merkmale eines Bieres aufweist, sich aber optisch und geschmacklich von einem
Bier im herkömmlichen Sinne grundlegend unterscheidet, für steuerliche Zwecke
gleichwohl als "Bier" zu behandeln ist, bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden
worden ist. Die Frage dürfte sich nach Einschätzung des Senats über den Fall hinaus in
zahlreichen Fällen stellen, wo wie hier ein Bier als eine Art "Vorprodukt" für ein
Biermischgetränk geliefert wird. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt
sich darüber hinaus aus dem Umstand, dass der Deutsche Bundestag am 6. Mai 2004
das Gesetz über die Erhebung einer Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke
(Alkopops) zum Schutz junger Menschen (Alkopopsteuergesetz - AlkopopStG)
beschlossen hat (vgl. BT-Drucks. 15/2587 und 15/3084), das nach Zurückweisung des
Einspruchs des Bundesrats vom 9. Juli 2004 voraussichtlich rückwirkend zum 1. Juli
2004 in Kraft treten wird. Nach Art. 1 § 1 Abs. 2 4. Anstrich AlkopopStG werden
allerdings nur solche Erzeugnisse von der Sondersteuer erfasst, die gemäß § 130 Abs.
1 BranntwMonG der Branntweinsteuer unterliegen. Damit stellt sich die Frage, ob es
sich um ein Getränk aus Bier oder Branntwein handelt, für das Mischgetränk aber
erneut. Ist für das alkoholhaltige Süßgetränk (Alkopop) demnach - wie nach hier
vertretener Auffassung - ein
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Bier Ausgangsbasis, so unterliegt folglich auch das Mischgetränk nicht der in Kürze
eingeführten Sondersteuer.
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