Urteil des FG Düsseldorf vom 08.03.2007

FG Düsseldorf: steuersatz, betriebsstätte, einkünfte, kapitalgesellschaft, niederlassungsfreiheit, geschäftsleitung, eugh, zweigniederlassung, gewinnausschüttung, tochtergesellschaft

Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 2092/00 K,F
Datum:
08.03.2007
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 2092/00 K,F
Tenor:
Der Körperschaftsteuerbescheid 1996 vom 10.08.1999 wird
dahingehend geändert, dass die Körperschaftsteuer unter
Berücksichtigung eines Steuersatzes von 31,75 v.H. festgesetzt wird. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Körperschaftsteuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen bis zum 07.03.2007 die Klägerin zu
15 v.H. und der Beklagte zu 85 v.H. Anschließend trägt der Beklagte die
Kosten allein.
T a t b e s t a n d :
1
Die Verfahrensbeteiligten streiten im vorliegenden Klageverfahren um die Frage, ob die
Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Kapitalgesellschaften mit Sitz im EU-
Ausland gegenüber der Besteuerung einer vergleichbaren Tochterkapitalgesellschaft in
Einklang mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 EG-Vertrag --EGV-- a. F., jetzt Art. 43
EGV i.V.m. Art. 58 EGV a.F., jetzt Art. 48 EGV) steht.
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Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in "I-
Stadt"/NL. Sie unterhält im Inland eine Betriebsstätte. Die aus der Betriebsstätte
resultierenden Erträge sind gemäß Art. 3 und 4 des Doppelbesteuerungsabkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande vom
16.06.1959 (BGBl 1960 II S. 1782) in der Fassung des Zweiten Zusatzprotokolls vom
21.05.1991 (BGBl 1991 II S. 1429) in Deutschland steuerpflichtig.
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Das zu versteuernde Einkommen der Klägerin wurde im Streitjahr gemäß § 23 Abs. 2
und 3 Körperschaftsteuergesetz mit dem für Betriebsstätten ausländischer
Kapitalgesellschaften geltenden Steuersatz von 42% belegt. Ein entsprechender
Körperschaftsteuerbescheid nebst Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG erging
erstmals am 19.08.1999. Ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid erging am
26.01.2000.
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Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage führt die Klägerin an,
der Betriebsstättensatz nach § 23 Abs. 2 und 3 KStG verstoße gegen die
Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV. Das Gebot der Inländergleichbehandlung
verbiete es, dem Mitgliedsstaat der Niederlassung eine ungleiche Behandlung allein
deshalb vorzunehmen, weil sich der Hauptsitz der Gesellschaft ein einem anderen
Mitgliedstaat befinde. Hinsichtlich der Einzelheiten ihres Klagevortrags wird auf ihre
Klagebegründung vom 15.08.2000 (Bl. 11ff der FG-Akte) verwiesen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2007 hat die Klägerin ihren Antrag
dahingehend eingeschränkt, dass anstelle eines Steuersatzes von 30 v.H. sie nunmehr
die Anwendung eines Steuersatzes von 31,75 v.H. begehrt. Die Verfahrensbeteiligten
haben sich zudem dahingehend verständigt, dass sich der Gewinn der Klägerin
gleichmäßig über das ganze Kalenderjahr verteilt hat. Nicht abziehbare
Betriebsausgaben waren bei der Klägerin im Streitjahr nicht angefallen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid über Körperschaftsteuer 1996 vom 10.8.1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.03.2000 dahingehend abzuändern, dass der
Besteuerung ein KSt-Satz in Höhe von 31,75% zugrunde gelegt wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet.
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Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid in Gestalt des geänderten Bescheids
vom 26.01.2000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die
Körperschaftsteuer ist unter Berücksichtigung eines Steuersatzes in Höhe von 31,75%
festzusetzen.
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1. Ausländische Gesellschaften, die wie die Klägerin als holländische N.V. hinsichtlich
ihrer rechtlichen Struktur einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen und im Inland
(= Deutschland) weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz haben, sind mit ihren
inländischen Einkünften in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ( § 2 Nr.
1 KStG ). Zu den inländischen Einkünften gehört der Gewinn aus Gewerbebetrieb, wenn
für den Betrieb im Inland (mindestens) eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 49 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 , § 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG i.V.m. § 2 Nr. 1
und § 8 Abs. 1 KStG). Betriebsstätten sind alle festen Geschäftseinrichtungen, die der
Tätigkeit eines Unternehmens dienen; insbesondere gehören zu ihnen auch
Zweigniederlassungen ( § 12 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 AO). Die Klägerin erzielte -- dies
ist zwischen den Beteiligten unstreitig -- aufgrund der in ihrer deutschen
Zweigniederlassung ausgeübten Tätigkeiten inländische Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. Die Höhe dieser Einkünfte, des sog. Betriebsstättengewinns, führte -
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auch dies ist unstreitig - zu einem positiven zu versteuernden Einkommen.
2. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass dieses zu versteuernde Einkommen bis zum
30.06.1996 mit einem Steuersatz von 33,5 v.H. zu belasten ist. Dieser Steuersatz ergibt
sich im Wege einer - nach Maßgabe des EuGH-Urteils vom 23.02.2006 Rs. C 2153/03
("CLT-UFA SA ./. FA Köln-West), ABlEU 2006, Nr. C 131,4 -
gemeinschaftsrechtskonformen und normerhaltenden Auslegung des § 23 Abs. 2 und 3
KStG. Die Klägerin ist dem für Tochtergesellschaften im Vollausschüttungsfall
maßgeblichen Steuersatz nach § 27 Abs. 1 KStG in Höhe von 30 v.H. zu unterwerfen.
Dieser Steuersatz ist sodann nach § 44d Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 49 Abs. 1 KStG um
die Quellensteuer in Höhe von 5 v.H. auf die anzunehmende Gewinnausschüttung von
70 v.H. zu erhöhen. Bezogen auf das zu versteuernde Einkommen von 100 ergeben
sich daraus rechnerisch weitere 3,5 v.H., insgesamt also 33,5 v.H. Hinsichtlich der
weiteren Begründung wird auf das BFH-Urteil vom 09.08.2006 I R 31/01, DStR 2006,
2120 verwiesen, das den Beteiligten vorliegt.
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3. Für den Zeitraum 01.07.1996 bis 31.12.1996 ist infolge des Wegfalls der
Kapitalertragsteuer in Höhe von 5 v.H. zum 30.06.1996 nach Maßgabe der § 44d Abs. 1
Satz 3 EStG i.V.m. § 49 Abs. 1 KStG der Steuersatz mit 30 v.H. zu bemessen.
Deutschland hatte sich in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 435/90/EWG des Rates vom
23.07.1990 (in ihrer seinerzeitigen Fassung) über das gemeinsame Steuersystem der
Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter-Tochter-
Richtlinie) vorbehalten, die Kapitalertragsteuer bis zum 30.06.1996 erheben zu dürfen.
Dem trugen § 27 Abs. 1 KStG und § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 44d Abs. 1 EStG i.V.m. §
49 Abs. 1 KStG Rechnung. Der Kapitalertragsteuerabzug im Verhältnis Mutter- und
Tochtergesellschaft ist damit zum 01.07.1996 entfallen.
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4. Da der Steuersatz bis zum 30.06.1996 33,5 v.H. und anschließend bis zum
31.12.1996 30 v.H. beträgt und zugleich zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass der
Gewinn sich gleichmäßig über das ganze Kalenderjahr erstreckt, ergibt dies einen
rechnerischen Steuersatz von 31,75 v.H.
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5. Die Kostenentscheidung folgt bis zur Einschränkung des Klageantrags aus § 136
Abs. 1 und anschließend aus §§ 135 Abs. 1 FGO sowie aus 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die
Übertragung der Berechnung der Körperschaftsteuer beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2
FGO. Der Senat ist zu einer eigenen Berechnung schon deshalb nicht in der Lage, weil
ihm der letzte geänderte Steuerbescheid, in dem Verlustvorträge berücksichtigt sein
sollen, nicht vorliegt.
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