Urteil des FG Düsseldorf vom 06.05.2008

FG Düsseldorf: wiedereinsetzung in den vorigen stand, einspruch, die post, briefkasten, zugang, datum, kopie, verschulden, bwa, sammlung

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 874/06 E
Datum:
06.05.2008
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 874/06 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
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Auf Grund der am 26. Oktober 2004 eingereichten Einkommensteuererklärung erließ der
Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.01.2005. In den Erläuterungen
zum Bescheid heißt es wie folgt: Da Sie meiner Aufforderung zur Abgabe der
Gewinnermittlung und Umsatzsteuererklärung 2003 nicht nachgekommen sind, wurden
die Besteuerungsgrundlagen aus der gewerblichen Tätigkeit "Autopflegeservice" nach
§ 162 AO geschätzt. Der Bescheid wurde maschinell vom Rechenzentrum versandt.
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Laut Posteingangsstempel ging am 22. Februar 2005 das Einspruchsschreiben der
Kläger vom 11.02.2005 beim Beklagten ein. Auf den schriftlichen Hinweis des
Beklagten über die Verspätung des Einspruchs beantragten die Kläger vorsorglich
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trugen u.a. vor: Das Buchhaltungsbüro "A",
vertreten durch Frau "B", habe das Einspruchsschreiben vom 11.02.2005 samt
fehlenden Unterlagen zum Gewerbebetrieb am gleichen Tage zur Post gegeben.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf des Schreiben der Bevollmächtigten vom 21.
März 2005 Bezug genommen. Zur Glaubhaftmachung wurden ein Auszug aus dem
Postausgangsbuch in Kopie sowie eidesstattliche Versicherungen beider Kläger und
von Frau "B" eingereicht, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 26.01.2006 verwarf der Beklagte den Einspruch als
unzulässig. Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor:
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Wann der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.01.2005 vom Beklagten tatsächlich
zur Post gegeben worden sei, sei ihnen naturgemäß unbekannt. Jedenfalls hätten sie,
die Kläger, den Bescheid nicht vor dem 22.01.2005 in Händen gehalten. Die
Einspruchseinlegung mit Schreiben vom 11.02.2005 samt Beifügung der
Gewinnermittlung könne Frau "B" als Zeugin bestätigen. Am 21.02.2005 habe sich Frau
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"B" zudem mit dem Finanzamt telefonisch in Verbindung gesetzt und dabei erfahren,
dass ein Einspruch nicht eingegangen sei. Sie habe noch am selben Tage die
Unterlagen neu zusammen gestellt, die Kläger ins Büro einbestellt und – da eine
Übermittlung an den Beklagten per Telefax fehlgeschlagen sei - den Klägern geraten,
das Einspruchsschreiben samt Gewinnermittlung persönlich in den Hausbriefkasten des
Beklagten einzuwerfen. Dies hätten sie, beide Kläger, am 21.02.2005 gegen 16.00 Uhr
auch getan. Zudem habe Frau "B" nochmals am 21.02.2005 das Einspruchsschreiben
nebst Anlagen per Einschreiben/ Rückschein an den Beklagten zur Post gegeben. Es
sei somit alles unternommen worden, um rechtzeitig Einspruch einzulegen.
Die Kläger beantragen, Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26.01.2006.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine
Einspruchsentscheidung.
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Zur mündlichen Verhandlung ist Frau "B" als Zeugin gehört worden. Wegen des
Inhaltes ihrer Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Die Klage ist unbegründet.
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Zu Recht hat der Beklagte den Einspruch wegen Versäumung der einmonatigen
Einspruchsfrist als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung – AO – nicht gewährt. Der
angefochtene Bescheid ist bestandskräftig.
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Der Einspruch vom 11.02.2005 ging laut Posteingangsstempel des Beklagten am
22.02.2005 beim Finanzamt ein und ist damit nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von
einem Monat nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides ( § 355 AO )
eingelegt worden. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der
durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt
gegeben. Nach dem gerichtsbekannten Verfahren beim Rechenzentrum entspricht das
maschinelle Bescheidsdatum dem Postaufgabetag, so dass der
Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.01.2005 am 20.01.2005 als bekannt gegeben
gilt. Die einmonatige Rechtsbehelfsfrist ist somit – da der 20.02.2005 ein Sonntag war -
nach §§ 108 AO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches am
Montag, dem 21.02.2005 abgelaufen. Der erst am Folgetag – Dienstag dem 22.02.2005
- eingegangene Einspruch ist folglich verspätet.
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Soweit die Kläger lediglich behaupten, den Einkommensteuerbescheid 2003 nicht vor
dem 22.01.2005 in Händen gehalten zu haben, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Zwar
hat im Zweifel die Behörde den Zugang des Bescheides zu beweisen. Dies führt nach
zutreffender, höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nicht dazu, dass bereits jedes
beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunktes die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO
außer Kraft setzt. Dies gilt vielmehr nur dann, wenn der Empfänger substantiiert
Tatsachen vorträgt, die schlüssig auf den verspäteten Zugang hindeuten und damit
Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (z.B. Bundesfinanzhof - BFH – Beschluss
vom 16.05.2007 V B 169/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen
des Bundesfinanzhofes – BFH/NV – 2007, 1454). Derartige Tatsachen haben die
Kläger jedoch nicht vorgebracht. Im Übrigen ergibt die Aussage der Zeugin, dass ihr die
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Dreitagefrist geläufig war und sie auf dieser Grundlage auch zutreffend den 21.02.2005
als Fristende berechnet hatte. Zur Verhinderung einer Einspruchsverspätung hatte sie
deshalb die Kläger noch an diesem Tage zu sich einbestellt und die Kläger gebeten, am
selben Tag den Einspruch persönlich in den Briefkasten des Finanzamtes einzuwerfen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO kommt
nicht in Betracht, da die Kläger nicht ohne Verschulden verhindert waren, die
gesetzliche Einspruchsfrist von einem Monat einzuhalten. Zwar hat die Zeugin
bekundet, dass am 11.02.2005 ein Einspruchsschreiben gefertigt, von den Kläger
unterzeichnet und zusammen mit der Gewinnermittlung für den Ehemann an den
Beklagten abgesandt worden sei. Dieses Schreiben ist jedoch beim Finanzamt zu
keiner Zeit eingegangen. Ob dieser Einspruch daher tatsächlich vom Büro der "A" auch
abgesandt worden und nicht liegen geblieben ist, bleibt hier letztlich offen, denn auch
aus den Eintragungen des Postausgangsbuches – eine Kopie liegt dem Gericht vor – ist
der Postausgang eines Einspruchs der Kläger jedenfalls nicht ersichtlich. Der Eintrag
lautet vielmehr "BWA 2003 "C"", was allenfalls auf die Absendung einer
Gewinnermittlung hindeuten könnte. Weder eine Gewinnermittlung noch eine "BWA"
(Betriebswirtschaftliche Auswertung) ist jedoch beim Beklagten eingetroffen.
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Lediglich das weitere Einspruchsschreiben mit der Gewinnermittlung, das per
Einschreiben am 21.02.2005 zur Post gegeben worden ist (der dem Gericht vorliegende
Briefumschlag weist das Datum aus), ist am 22.02.2005 beim Finanzamt eingegangen.
Sowohl der Zeugin, als auch den Klägern musste jedoch klar gewesen sein, dass das
Einschreiben nicht mehr fristgerecht am selben Tage, sondern erst nach Ablauf der
einmonatigen Einspruchsfrist beim Beklagten eingehen würde. Da durch den Anruf der
Zeugin am 21.02.2005 beim Finanzamt auch bekannt geworden ist, dass der Einspruch
vom 11.02. 2005 nicht eingetroffen war, konnte lediglich ein Briefeinwurf in den
Briefkasten des Finanzamtes die Frist noch wahren. Nach Aussage der Zeugin wurden
die Kläger deshalb auch gebeten, zusätzlich zur Postversendung noch persönlich am
21. 02.2005 einen Briefeinwurf beim Beklagten zu tätigen. Ein derartiger weiterer
Einspruch ist beim Beklagten jedoch nicht eingegangen, weder am 21.02. noch am
22.02.2005 oder zu späterer Zeit; lediglich das per Einschreiben übermittelte
Einspruchsschreiben liegt dem Finanzamt vor.
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Es erscheint hier nicht glaubhaft, dass die Kläger – wie sie behaupten – tatsächlich
entsprechend dem Anraten der Zeugin noch am 21.02.2005 vom Beraterbüro nach
Düsseldorf gefahren sind, um persönlich den Einspruch samt Gewinnermittlung in den
Briefkasten des Finanzamtes einzuwerfen. Die mangelnde Glaubhaftigkeit zeigt sich im
übrigen auch darin, dass nach dem Vorbringen der Kläger die Gewinnermittlung für den
Betrieb "Autopflegeservice" sowohl mit der Einkommensteuererklärung, als nochmals
am 24.01.2005 eingereicht worden sein soll, obgleich tatsächlich keine
Gewinnermittlung aus den Händen der Kläger beim Finanzamt eingegangen ist. Von
einem persönlichen Verschulden der Kläger an der Einspruchsverspätung muss daher
ausgegangen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
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