Urteil des FG Düsseldorf vom 07.01.2009

FG Düsseldorf: herausgabe, pfändung, geschenk, kapitalwert, zwangsvollstreckung, abtretung, lebenserwartung, zuwendung, aufrechnung, schenkung

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 2103/08 Erb
Datum:
07.01.2009
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 2103/08 Erb
Tenor:
Unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 21.11.2007 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008 wird der Beklagte
verpflichtet, den Schenkungsteuerbescheid vom 02.01.2006 zu ändern
und hierbei bei dem Wert des Erwerbs eine Herausgabe des Geschenks
i. H. v. 87.608,63 EUR zu berücksichtigen.
Die Berechnung der Schenkungsteuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 41 v. H. und der
Beklagte zu 59 v. H.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin, geboren am 1936, ist mit A, geboren am 1936, verheiratet. Beide Eheleute
sind Rentner.
2
Die Klägerin ist die Schwester der 1943 geborenen B, die auf Grund einer schweren
Krebserkrankung am 2002 verstorben war. B war mit C, geboren 1921, in zweiter Ehe
verheiratet. Die Eheleute B und C hatten am 14.07.1995 einen notariell beurkundeten
Ehe- und Erbvertrag geschlossen. In dem Erbvertrag setzten sich die Eheleute
gegenseitig zu Alleinerben ein. Einseitig verfügten beide, dass der Überlebende die
Kinder aus der ersten Ehe des C, E und F, zu Erben einsetze. Auf Grund des geringeren
Alters von B war zu erwarten gewesen, dass diese ihren Ehemann, C, überleben werde.
C litt seit 1997 an einer Parkinson-Erkrankung und verstarb am 2003.
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B verfügte im Jahre 2002 über ein Wertpapierdepot bei der X-Bank in Y. Die Kurswerte
der Wertpapiere hatten seinerzeit etwa 330.000 EUR betragen. Sie löste am 01.10.2002
das Depot bei der X-Bank auf und hob in bar einen Betrag von 290.000 EUR ab. Am
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gleichen Tag schenkte B ihrer Schwester, der Klägerin, einen Barbetrag von
160.000 EUR, den diese auf ein neu eröffnetes Konto bei dem gleichen Institut wieder
einzahlte.
Die Klägerin reichte am 12.10.2005 dem Beklagten eine Schenkungsteuererklärung ein,
mit der sie das Kapitalgeschenk von ihrer Schwester i. H. v. 160.000 EUR erklärte.
5
Der Beklagte berücksichtigte mit Schenkungsteuerbescheid vom 02.01.2006
(erklärungsgemäß) die Zuwendung i. H. v. 160.000 EUR und ermittelte den
steuerpflichtigen Erwerb nach Abzug des Freibetrages (§ 16 des Erbschaft- und
Schenkungsteuergesetzes ErbStG ) i. H. v. 10.300 EUR mit 149.700 EUR. Die
Schenkungsteuer setzte der Beklagte demnach auf 25.439 EUR fest (17 v. H. von
149.700 EUR). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
6
Das Landgericht M verurteilte die Klägerin auf die Klage der Kinder des C, E und F, die
ihren Vater beerbt hatten, mit Urteil vom 05.07.2006, 160.000 EUR nebst Zinsen i. H. v.
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2005 an diese zu zahlen. Die
hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht N mit
Beschluss vom 01.08.2007 als unbegründet zurück.
7
In den Entscheidungsgründen führte das Landgericht M u. a. aus, dass den Erben E und
F gegen die Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach § 2287 BGB
zustehe, weil die Zuwendung des Kapitalgeschenks durch die Schwester an die
Klägerin in der Absicht ausgeführt worden sei, den zu diesem Zeitpunkt noch lebenden
weiteren Vertragserben, C, zu benachteiligen. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Begründung des Landgerichts M und des Oberlandesgerichts N wird auf die in den
Steuerakten abgehefteten Ablichtungen des Teil- und Teilanerkenntnisurteils des
Landgerichts und des Beschlusses des Oberlandesgerichts N Bezug genommen.
8
Die Klägerin beantragte daraufhin bei dem Beklagten, ihr die gezahlte Schenkungsteuer
gem. § 29 ErbStG zu erstatten, weil sie rechtskräftig zur Herausgabe des
Kapitalgeschenks an die Rechtsnachfolger der Schenkerin verurteilt worden sei. Bisher
habe sie das Kapitalgeschenk noch nicht zurückzahlen können, weil sie mittellos sei.
Das Kapitalgeschenk habe sie inzwischen ausgegeben und zwar wie folgt verwendet:
9
Erb-/Schenkungsteuer 25.449,00 EUR
10
Steuerberaterkosten für Schenkungsteuererklärung 528,38 EUR
11
Soforteinzahlung in eine Rentenversicherung 70.000,00 EUR
12
Soforteinzahlung in eine Rentenversicherung zu
13
Gunsten ihres Ehemannes 50.000,00 EUR
14
Anschaffung Küche 10.479,64 EUR
15
Ausrichtung Hochzeit der Tochter 3.000,00 EUR
16
Gesamtsumme 159.457,12 EUR
17
In der Folgezeit betrieben die Erben E und F gegen die Klägerin die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts M. Im August 2007 erwirkten sie
beim Amtsgericht Y einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die
Rentenversicherung und pfändeten die Ansprüche der Klägerin aus der sofort
beginnenden Rentenversicherung. Seit dem 01.10.2007 zahlte die Rentenversicherung
monatlich an die Erben einen Betrag i. H. v. 344,43 EUR.
18
Den Ehemann der Klägerin nahmen die Erben mit einem weiteren zivilgerichtlichem
Klageverfahren beim Landgericht M ebenfalls in Anspruch. Im Vergleich vom
11.10.2007 verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin, die Ansprüche aus seiner
Rentenversicherung abzutreten und die bisherigen Beträge i. H. v. 3.021,37 EUR zu
zahlen. Die Rentenversicherung zahlte den Erben seit dem 01.02.2008 monatlich einen
Betrag i. H. v. 276,25 EUR. Hinsichtlich der Verpflichtung des Ehemannes der Klägerin
zur weiteren Zahlung von 3.021,37 EUR rechneten die Erben am 04.12.2007 gegen
einen Gebührenanspruch des Ehemanns der Klägerin gegen sie auf.
19
Des Weiteren erwirkten die Erben im Februar 2007 gegen die X-Bank einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss hinsichtlich aller Konten der Klägerin bei dem Geldinstitut.
Die X-Bank teilte in der Drittschuldnererklärung vom 05.04.2007 den Erben mit, dass
folgende Forderungen der Klägerin bestünden:
20
Kontokorrentguthaben i. H. v. 3.383,37 EUR
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Forderung aus Sparguthaben i. H. v. 9.443,05 EUR
22
Vorrangige Forderungen bzw. Pfändungen seien nicht bekannt.
23
Außerdem pfändeten die Erben mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom
02.11.2007 gegen den Beklagten den Anspruch der Klägerin auf Erstattung von
Schenkungsteuer aus dem Schenkungsvorgang der B (Steuernummer ..........).
24
Schließlich pfändeten sie mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.01.2008
eine angebliche Schadenersatzforderung der Klägerin gegen die Rechtsanwälte
........wegen fehlerhaft durchgeführter Geschäftsbesorgung in der Klagesache Sache E
und F ./. B. Die Rechtsanwälte vertraten die Klägerin als Prozessbevollmächtigte in dem
Verfahren bei dem Landgericht M.
25
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.11.2007 den Antrag der Klägerin nach § 29
ErbStG ab, weil sie das erhaltene Kapitalgeschenk bisher nicht tatsächlich in voller
Höhe herausgegeben habe.
26
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung
vom 13.05.2008 als unbegründet zurück.
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Mit der Klage macht die Klägerin geltend:
28
Die Gläubiger hätten ihre sämtlichen Vermögenswerte im Wege der
Zwangsvollstreckung gepfändet und bereits teilweise eingezogen. Sie sei nunmehr
mittellos und beziehe lediglich geringe Renteneinkünfte. Die Pfändung- und
Überweisung von Forderungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung an die Gläubiger
stelle eine Herausgabe i.S. von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar; dies gelte jedenfalls dann,
29
wenn die Forderung werthaltig sei. Dies sei bei den gepfändeten Forderungen
gegenüber der Rentenversicherung, der X- Bank und auch hinsichtlich des
Schadensersatzanspruches gegen Rechtsanwalt ...... unzweifelhaft der Fall. Insoweit
habe die Haftpflichtversicherung von Rechtsanwalt ...... eine vergleichsweise Regelung
auf der Basis einer Zahlung von 60.000 EUR angeboten. Über das eingeleitete
Klageverfahren der Klägerin gegen Rechtsanwalt ..... habe das Landgericht noch nicht
entschieden.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, den Schenkungsteuerbescheid vom 02.01.2006
gem. § 29 ErbStG unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide vom
21.11.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008 aufzuheben.
31
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
33
Zur Begründung bezieht er sich auf seinen im Verwaltungsverfahren eingenommenen
Standpunkt und trägt ergänzend vor:
34
Die Klägerin habe nach ihrer Verurteilung das ihr zugewendete Kapitalvermögen bis
auf kleinere Summen nicht herausgegeben. Insbesondere sei der Großteil des Geldes,
von dem sie 120.000 EUR in eine Rentenversicherung investiert habe, nicht
herausgegeben worden. Die monatlichen Zahlungen aus der Rentenversicherung
i. H. v. 344,43 EUR und 276,25 EUR an die Erben, stellten keine vollständige
Herausgabe des Kapitalgeschenks dar.
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Das Gericht hat eine Auskunft bei der Rentenversicherung dazu eingeholt, an wen die
Rentenleistungen aus den Versicherungen ....... und ........ gezahlt werden. Auf die
Schreiben der Rentenversicherung vom 22.12.2008, die den Beteiligten in Ablichtung
ausgehändigt worden sind, wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
36
Der Senat hat ferner die Zivilprozessakten des Landgerichts M beigezogen. Die Akten
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
38
Die Klage ist teilweise begründet.
39
Die Klägerin hat Anspruch auf Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom
02.01.2006 insoweit, als die Klägerin von der erhaltenen Zuwendung inzwischen
87.608,63 EUR herausgegeben hat. Insoweit ist der diese Änderung ablehnende
Bescheid vom 21.11.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung FGO ).
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Die Schenkungsteuer ist durch die Pfändungen und Überweisungen bzw. der Abtretung
der Rentenversicherungsansprüche der Klägerin und ihres Ehemannes gegen die
Rentenversicherung, der Pfändung- und Überweisung von zwei Konten der Klägerin bei
der X- Bank und einer Aufrechnung gegen einen Gebührenanspruch der Klägerin durch
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die Erben E und F gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit
insoweit erloschen. Der Schenkungsteuerbescheid ist deshalb teilweise nach § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG zu ändern.
Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit
ein Ereignis eintritt, dass steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Darunter fällt
auch das Erlöschen der Schenkungsteuer, das nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit
Wirkung für die Vergangenheit eintritt, wenn ein Geschenk wegen eines
Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Entscheidend ist insoweit, dass
das Geschenk nicht beim Empfänger verbleiben kann (vgl. Bundesfinanzhof [BFH],
Urteil vom 24.05.2000 II R 62/97 Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2001, 39). § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert daher
nicht nur eine formale Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden
Rechtsgeschäfts, sondern eine ernsthafte Rückgängigmachung des Vorgangs, bei
welcher der vormaliger Schenker seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl.
Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 29 Rdnr. 5; BFH, Urteil vom 19.03.2003
II R 12/01 Bundessteuerblatt [BStBl] 2003, 770; Urteil vom 30.01.2008 II R 48/06
BFH/NV 2008, 1524).
42
Die Bestimmungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG greifen auch dann, wenn das
Geschenk lediglich teilweise zurückgegeben worden ist (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher,
ErbStG, a. a. O., Rdnr. 26 am Ende).
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Im Streitfall hat die Klägerin das ihr von der Schenkerin zugewendete Kapitalgeschenk
i. H. v. 87.608,63 EUR an die Rechtsnachfolger des durch die Schenkung
benachteiligten Vertragserben gem. §§ 2287 Abs. 1, 1922 BGB herausgegeben. § 29
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist auch dann anwendbar, wenn wie im Streitfall ein Dritter, der
nicht der Schenker bzw. dessen Rechtsnachfolger gewesen ist, einen gesetzlichen
Herausgabeanspruch gem. § 2287 BGB geltend macht (vgl. Meincke, ErbStG,
Kommentar 14. Auflage, § 29 Tz. 6).
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Die Klägerin ist verpflichtet gewesen, dass Kapitalgeschenk, das ihre Schwester ihr
zugewendet hatte, aufgrund des Rückforderungsanspruchs aus § 2287 BGB wieder
herauszugeben. Hiernach kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft
angefallen ist, von den Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn
der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung
gemacht hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall dadurch erfüllt gewesen, dass
die Schwester der Klägerin dieser kurz vor ihrem Tod aus ihrem Vermögen ein
Kapitalgeschenk i. H. v. 160.000 EUR zugewendet hat. Dieses Geschenk hatte die
Voraussetzungen einer den Vertragserben C beeinträchtigenden Schenkung nach
§ 2287 BGB erfüllt. Dies ergibt sich auf Grund des rechtskräftigen Urteils des
Landgerichts M vom 05.07.2006 in dem Verfahren der Erben gegen die Klägerin. Dass
das Landgericht im vorliegenden Verfahren zu Unrecht dem Grunde nach die
Voraussetzungen von § 2287 BGB angenommen hat, ist nicht anzunehmen, nachdem
auch das Oberlandesgericht N die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche
Urteil mit Beschluss vom 01.08.2007 als unbegründet zurückgewiesen hat.
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Der Steueranspruch ist auch (teilweise) erloschen, weil die Klägerin das
Kapitalgeschenk auf Grund ihrer rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht M
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vom 05.07.2006 tatsächlich wieder herausgeben musste. Denn die Gläubiger haben
inzwischen ihren titulierten Zahlungsanspruch gegen die Klägerin i. H. v.
87.608,63 EUR im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist das
Geschenk (teilweise) auch insoweit an die Gläubiger herausgegeben worden, als die
beiden Rentenversicherungen gepfändet bzw. abgetreten wurden und seit dem
01.10.2007 an diese monatlich 344,43 EUR bzw. seit dem 01.02.2008 276,25 EUR
gezahlt werden. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass die Klägerin den
ursprünglich in die Rentenversicherung eingezahlten Kapitalbetrag von 120.000 EUR
nicht an die Gläubiger herausgegeben hat.
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Eine Rückzahlung des geschenkten Kapitals mit dem Nennbetrag ist für die Annahme
einer Herausgabe eines Geschenks im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jedoch
nicht erforderlich. Entscheidend ist für die Beantwortung der Frage, ob das
Kapitalgeschenk später wieder herausgegeben worden ist, allein der Umstand, dass
es nicht beim Empfänger verblieben ist (vgl. BFH, Urteil vom 24.05.2000 II R 62/97
a. a. O.).
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So liegen die Dinge auch im Streitfall. Denn soweit die Klägerin das Kapitalgeschenk
in eine andere Anlageform hier die sofort beginnende Rentenversicherung investiert
hat, sind ihr bzw. ihrem Ehemann wegen der Pfändung und Überweisung durch die
Gläubiger E und F eine werthaltige Rechtsstellung aus den Stammrechten der beiden
Rentenversicherungen nicht verblieben. Eine denkbare zivilrechtliche
Forderungsinhaberschaft an den Rentenversicherungen ist bei wirtschaftlicher
Betrachtung ohne Wert, weil die Kapitalwerte der ratierlichen Leistungen an die
Gläubiger die titulierte Forderung bei weitem nicht erschöpft, wie später noch
darzulegen sein wird. Eine Kündigung der Rentenversicherungen und die
Rückzahlung des eingezahlten Kapitals ist aufgrund der Vertragsbestimmungen auch
nicht mehr möglich gewesen.
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Die Klägerin ist insoweit vollständig entreichert. Die Gläubiger haben demgegenüber
einen beachtlichen Vermögenswert erworben. Sie erhalten nicht nur monatliche
Zahlungen i. H. v. 344,43 EUR bzw. 276,25 EUR, sondern auf Grund der Pfändung
und Überweisung bzw. der Abtretung einen Anspruch gegen einen Schuldner mit
hoher Bonität auf monatliche Zahlung der Rentenleistungen, solange die Klägerin
bzw. ihr Ehemann leben, mindestens jedoch für die noch verbleibenden
Rentengarantiezeiten von 15 bzw. 11 Jahren.
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Das Maß der Entreicherung der Klägerin durch die Pfändung bzw. Abtretung der
Rentenversicherungen bemisst sich nach den steuerrechtlichen
Bewertungsvorschriften. Hiernach ist ein Kapitalwert der monatlichen Leistungen an
die Gläubiger zu ermitteln. Insoweit gilt für die Bewertung der Leistungen, mit denen
ein Geschenk im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG herausgegeben wird nichts
anderes als für die Zuwendung einer vergleichbaren ratierlichen Leistung unter
Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. In beiden Fällen richtet sich die Bewertung
der Leistungen nach den Vorschriften des ersten Teils des Bewertungsgesetzes
BewG (§ 12 Abs. 1 ErbStG). Die den steuerpflichtigen Erwerb (§10 Abs. 1 Satz 1
ErbStG) darstellende Bereicherung knüpft an die Wertermittlung ( §§ 11, 12 ErbStG )
an. Nichts anderes gilt, wenn das steuerpflichtige Geschenk herausgegeben werden
muss, die Bereicherung des Bedachten also rückabzuwickeln ist.
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Nach § 13 Abs. 1 BewG bemisst sich bei wiederkehrenden Nutzungen und
Leistungen der Kapitalwert mit dem aus Anlage 9 a zum Bewertungsgesetz zu
entnehmenden Vielfachen des Jahreswertes. Der Kapitalwert der beiden gepfändeten
bzw. abgetretenen Rentenversicherungen ermittelt sich im Zeitpunkt der Pfändung
bzw. Abtretung für die Klägerin und ihren Ehemann wie folgt:
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Der Ermittlung des Kapitalwertes der Leistungen aus den Rentenversicherungen sind
die durchschnittliche Lebenserwartung nach Maßgabe der Sterbetafel 2003/2005 zu
Grunde zu legen, wie sie sich aus den gleichlautenden Erlassen der obersten
Finanzbehörden der Länder vom 05.06.2007 ergibt (BStBl I 2007, 514). Für die
Rentenversicherung der Klägerin ergibt sich hiernach folgende Ermittlung des
Kapitalwertes:
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Zum Zeitpunkt der Pfändung am 13.08.2007 (gem. Auskunft der Rentenversicherung
an das Gericht vom 22.12.2008) hatte die Klägerin das 71. Lebensjahr vollendet. Nach
der Sterbetafel 2003/2005 beträgt ihre Lebenserwartung somit 15,04 Jahre. Der
Kapitalwert bei einer Lebenserwartung von 15,04 Jahren beträgt nach Anlage 9 a zum
Bewertungsgesetz 10,33 (10,314 + 0,017). Der Kapitalwert der ratierlichen
Rentenleistungen beträgt somit 4.133,16 x 10,33, also 42.695,54 EUR.
54
2. Der Kapitalwert der an die Gläubiger abgetretenen Rentenversicherung des
Ehemanns der Klägerin, der im Zeitpunkt des Beginns der Leistungen ebenfalls das
71. Lebensjahr vollendet hatte und dessen Lebenserwartung 12,35 Jahre (BStBl I
2007, 514) ist, beträgt 29.951,02 EUR (Jahreswert der Leistungen 3.315 x Kapitalwert
9,035 = 29.951,02 EUR). Insgesamt belaufen sich die Kapitalwerte der gepfändeten
bzw. abgetretenen Leistungen aus den Rentenversicherungen auf 72.646,56 EUR.
55
3. Eine Herausgabe des Geschenks liegt auch insoweit vor, als die Gläubiger das
Kontokorrentkonto und das Sparkonto der Klägerin bei der X- Bank gepfändet haben.
Zwar ist dem Beklagten einzuräumen, dass allein die Pfändung eines Bankkontos
noch keine Herausgabe im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt. Eine
Pfändung einer (angeblichen) Forderung besagt nämlich noch nicht, dass dieser
Maßnahme eine werthaltige Forderung zu Grunde liegt.
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Im Streitfall liegen die Dinge allerdings anders. Der Pfändung der beiden Konten der
Klägerin bei der X- Bank haben nämlich werthaltige Forderungen zumindest in Höhe
des Kontokorrentguthabens von 2.383,37 EUR und in Höhe des Sparguthabens von
9.443,05 EUR zu Grunde gelegen, wie die X-Bank in ihrer Drittschuldnererklärung
vom 05.04.2007 gegenüber den die Gläubiger vertretenden Rechtsanwälten im
Einzelnen dargelegt hat. Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen, dass die
Klägerin angesichts der Pfändungs- und Einziehungsmaßnahme der Gläubiger
wirtschaftlich noch über ihre Kontenforderung bei der X- Bank hat verfügen können.
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Das gilt im Ergebnis auch hinsichtlich der Pfändung des Sparguthabens i. H. v.
9.443,05 EUR. Zwar hing die endgültige Auskehrung des Sparguthabens an die
Gläubiger nach der Drittschuldnererklärung der X- Bank vom 05.04.2007 davon ab,
dass die Sparurkunde vorgelegt wurde. Auf Fragen des Gerichts in der mündlichen
Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dargelegt, dass die
gepfändeten Forderungen einschließlich des Sparguthabens an die Gläubiger
inzwischen ausgekehrt worden seien. Aufgrund dieser Darstellung sind die Beteiligten
58
in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend davon ausgegangen, dass die
gepfändeten beiden Bankguthaben bei der X- Bank den Gläubigern inzwischen
ausgezahlt worden sind. Auch das Gericht hatte insoweit keinen Anlass, hieran zu
zweifeln.
Ob diese Darstellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin uneingeschränkt
zutrifft, ist allerdings zweifelhaft. Die Zweifel rühren daher, dass der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unerwähnt
gelassen hat, dass die Sparurkunde mit dem Guthaben von 9.443,05 EUR im
Zeitpunkt der Pfändungsmaßnahme sich in seinem Besitz befunden hat, weil er
wegen offener Honoraransprüche ein Zurückbehaltungsrecht hieran geltend gemacht
hat, wie sich aus seinem Schreiben an die Gerichtsvollzieherin vom 11.03.2008 ergibt
(Blatt 185 der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft M). Insoweit hat auch das
Amtsgericht Y auf seinen Antrag hin durch Beschluss vom 13.03.2008 die
Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Landgerichts M vom 02.08.2006 in
Verbindung mit dem Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts Y vom 22.03.2007 zur
Wegnahme der Sparurkunde der Klägerin bei der X- Bank (Kontonummer ......) bis zur
Entscheidung über die Erinnerung der Schuldnerin einstweilen ohne
Sicherheitsleistung eingestellt (Blatt 168 bis 188 der Ermittlungsakten der
Staatsanwaltschaft M, a. a. O.). In den Gründen des Beschlusses hat das Amtsgericht
Y u. a. ausgeführt, ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel fehle, weil es an
einem Überweisungsbeschluss hinsichtlich der gepfändeten Sparforderung mangele.
59
Mit Rücksicht darauf, dass die Prozessvertreter der Gläubiger nach ihrer Darstellung
inzwischen jedoch einen Überweisungsbeschluss beantragt haben, den das
Amtsgericht Y am 21.04.2008 auch erlassen hat (Blatt 32 f. der Gerichtsakten), hat der
Senat allerdings keine Zweifel mehr daran, dass die Klägerin auch über ihre
Sparforderung gegenüber der X- Bank wirtschaftlich nicht mehr verfügen konnte und
der Guthabenbetrag den Gläubigern inzwischen sogar ausgekehrt worden ist.
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4. Zwischen den Beteiligten ist nicht mehr streitig, dass wegen der Aufrechnung durch
die Prozessvertreter der Gläubiger gegenüber Gebührenforderungen i. H. v.
3.021,37 EUR und 114,28 EUR eine Herausgabe im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG anzunehmen ist. Dies hat der Beklagte im Schriftsatz vom 03.09.2008
ausdrücklich eingeräumt und hieran in der mündlichen Verhandlung festgehalten. Das
Gericht hat daher keinen Anlass, Gegenteiliges anzunehmen.
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Insgesamt ergibt sich somit folgende (teilweise) Herausgabe des Geschenks im Sinne
von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG:
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Rentenversicherungen für die Klägerin
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bzw. ihren Ehemann insgesamt 72.646,56 EUR
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Konten bzw. Sparguthaben bei der X- Bank 9.443,05 EUR
65
2.383,37 EUR
66
Aufrechnung mit Gebührenanspruch (unstreitig) 3.021,37 EUR
67
114,28 EUR
68
Herausgabe insgesamt 87.608,63 EUR
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5. Soweit die Klägerin darüberhinaus noch geltend gemacht hat, eine Herausgabe des
Geschenks im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei auch insoweit anzunehmen, als
der Änderungsanspruch hinsichtlich des Schenkungsteuerbescheids vom 02.01.2006
gegenüber dem Beklagten und der Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegenüber
Rechtsanwalt .... wegen einer behaupteten fehlerhaften Prozessvertretung in dem
zivilgerichtlichen Klageverfahren vor dem Landgericht M gepfändet und zur Einziehung
überwiesen worden sei, kann der Senat dies nicht berücksichtigen. Maßgebend dafür,
ob ein Geschenk i. S. von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG herausgegeben worden ist, ist
nämlich allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen
Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin auch
hinsichtlich dieser Vermögenspositionen endgültig entreichert ist.
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Zu einem Obsiegen der Klägerin und damit zu einer bezifferbaren Werthaltigkeit der
Pfändungsforderungen ist es in diesem Zeitpunkt noch nicht gekommen. Vielmehr ist es
ungewiss, in welcher Höhe die beiden gepfändeten Forderungen gegenüber der
Finanzverwaltung und gegenüber Rechtsanwalt ...... werthaltig sind. Denn beide
Verfahren sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Sollte die Klägerin
insoweit endgültig erfolgreich sein, mag sie bei der Finanzverwaltung einen erneuten
Änderungsantrag wegen des Schenkungsteuerbescheids stellen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO und entspricht dem Maß des
Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
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Die Übertragung der Berechnung der Schenkungsteuer auf den Beklagten beruht auf
§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO
nicht vorliegen.
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