Urteil des FG Düsseldorf vom 06.08.2003

FG Düsseldorf (ware, 1995, sendung, türkei, ausfuhr, rechnung, spedition, wiederausfuhr, zollamt, treu und glauben)

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 7378/01 Z,EU
Datum:
06.08.2003
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 7378/01 Z,EU
Tenor:
Der Steuerbescheid des Beklagten vom 13.10.2000 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 wird aufgehoben, soweit darin
mehr als 52.062,52 EUR. (101.825,43 DM) Zoll und 212.705,74 EUR.
(416.016,27 DM) Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt worden sind. Die
weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu drei Vierteln und der
Beklagte zu einem Viertel.
1.000 SIM-PS2-16-PS2-Modul 16MB 4 MBx32 72p 70ns und
2.000 SIM-PS2 4M-PS/2-Modul 1mbx32 70ns 72pin
600 SIM PS2 4M-PS/2-Modul 1MBx32 72p 70ns zu 171,00 DM/Stück und
1.000 SIM-PS2 16-PS/2-Modul 16MB 4MBx32 72p 70ns zu 659,00 DM/Stück,
600 SIMM 1*32 zu 44,00 DM/Stück
26.400,00 DM sowie
1.000 SIMM 1*36 zu 49,00 DM/Stück
49.000,00 DM berechnet wurden.
Zugangsbeleg
Zoll
EUSt
Z 1/95
37.807,34 DM
154.910,58 DM
Z 2/95
3.815,18 DM 24.982,37 DM
15.632,20 DM 102.361,98 DM
Z 4/95
35.220,54 DM
143.111,51 DM
Summen:
101.825,43 DM (52.062,52 EUR.)
416.016,27 DM (212.705,74 EUR.)
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für vier einzelne Entnahmen aus dem der
Klägerin am 06.10.1995 bewilligten Zolllager Einfuhrabgaben (Zoll und
Einfuhrumsatzsteuer - EUSt -) in der Person der Klägerin entstanden sind.
2
Die Klägerin ließ zu ihrem Zolllager von Oktober bis Dezember 1995 Speichermodule
der Unterposition 8473 3010 der Kombinierten Nomenklatur - KN - abfertigen.
3
Die Klägerin hatte den überwiegenden Teil der von ihr zum Zolllager abgefertigten
Speichermodule und sämtliche in diesem Verfahren streitgegenständlichen
Speichermodule einer A Gesellschaft für mbH (A GmbH) verkauft. Diese Gesellschaft,
die auch unter A I GmbH, A F GmbH und A GmbH auftrat, gehörte wie auch die B,
Istanbul, neben weiteren Firmen zu einer Firmengruppe. Geschäftsführerin der A
Gesellschaft für mbH und der B war die Ehefrau eines (C). C wiederum führte faktisch
die Geschäfte dieser und weiterer Firmen, von denen nur die B in einem Drittland ihren
Sitz hatte.
4
Die A GmbH und die B handelten in großem Umfang mit PCs und Teilen für PCs,
insbesondere Arbeitsspeichermodulen. Nur an die B wurden PC-Teile ausgeführt.
5
C und seine Ehefrau sind seit Juni 1996 flüchtig.
6
Ermittlungen des Zollfahndungsamts , die wegen Unstimmigkeiten bei Ein- und
Ausfuhrgeschäften aufgenommen wurden, führten zu einem Rechtshilfeersuchen an die
türkischen Zollbehörden u.a. hinsichtlich der in diesem Verfahren streitigen Sendungen.
Zur Beantwortung dieses Ersuchens übersandten die türkischen Zollbehörden als
Ergebnis ihrer Ermittlungen u.a. 37 Zollanmeldungen nebst Belegen der B.
7
Daraus und aus weiteren Ermittlungen schloss das Zollfahndungsamt , dass u.a. C
einen Teil der Waren, von denen er angeben ließ, sie seien in die Türkei ausgeführt
worden, tatsächlich nicht ausgeführt hat.
8
Das Ergebnis der Ermittlungen fasste das Zollfahndungsamt im Schlussbericht vom
05.07.2000 zusammen.
9
Zwischen den Beteiligten sind die zollrechtlichen Folgerungen aus folgenden
Vorgängen streitig:
10
1. Mit Rechnung vom 13.10.1995 verkaufte die Klägerin der A GmbH
11
1.000 4Mx32 SIMM Module zu 452,00 US$/Stück
452.000,00 US$
2.000 1Mx32 SIMM Module zu 116,50 US$/Stück
233.000,00 US$.
12
In der Rechnung wies sie daraufhin, dass die Ware nur für Exportzwecke in die
Türkei bestimmt sei und dass sich die A GmbH verpflichte, sich durch ihren Spediteur
die Ausfuhr bescheinigen zu lassen.
13
Die Rechnung wurde bezahlt und die Ware am 13.10.1995 durch C übernommen.
14
Die Klägerin zeichnete diese Entnahme aus ihrem Zolllager als Abgang 1/95 auf.
15
Die A I GmbH fertigte eine Rechnung, in der für
16
zusammen 687.000,00 DM
17
an die B in Istanbul berechnet wurden.
18
Die Klägerin meldete am 13.10.1995 eine Sendung "Drams in Mehrfachkombination,
"Baugruppendrams" Module *4Mx32 SIMM Module* *Hersteller Samsung, Goldstar*"
der Unterposition 8473 3010 KN zur Ausfuhr an. Das Zollamt Flughafen des
Beklagten bescheinigte die Ausfuhr am 13.10.1995, vermerkte die Collianzahl und
brachte eine Zollplombe an. Eine Beschau der ausgeführten Waren fand nicht statt.
19
Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens stellte die türkische Zollverwaltung
Ermittlungen an und übersandte als deren Ergebnis Zollanmeldungen und
Unterlagen der B in Istanbul. Diese enthielten keine Zollanmeldung in der Türkei, der
die Ausfuhr vom 13.10.1995 zugeordnet werden kann.
20
1. Mit Rechnung vom 02.11.1995 verkaufte die Klägerin der A GmbH
21
174 4Mx32 SIMM Module (Oki) zu 452,00 US$/Stück
78.648,00 US$
826 4Mx32 SIMM Module (Goldstar) zu 452,00 US$/Stück
373.352,00 US$
200 1Mx32/8 SIMM Module (Texas I) zu 114,90 US$/Stück
22.980,00 US$
400 1Mx32/8 SIMM Module (Hyundai) zu 114,90 US$/Stück
45.960,00 US$.
22
In der Rechnung wies sie daraufhin, dass die Ware nur für Exportzwecke in die
Türkei bestimmt sei und dass sich die A GmbH verpflichte, sich durch ihren Spediteur
die Ausfuhr bescheinigen zu lassen.
23
Die Ware wurde noch am gleichen Tag an C ausgehändigt.
24
Die Klägerin zeichnete diese Entnahme aus ihrem Zolllager als Abgang 3/95 auf. Der
Klägerin bestätigte die Spedition D GmbH in der Ausfuhrbescheinigung, dass sie am
01.11.1995 bei der Klägerin die o.a. Module entgegengenommen und am 03.11.1995
im Auftrag der A GmbH an die B befördert habe. Der A GmbH gegenüber gab die D
GmbH an, sie habe die Ware am 03.11.1995 bei der Klägerin übernommen.
25
Die A I GmbH fertigte eine Rechnung unter dem Datum 01.11.1995, in der sie der B
in Istanbul für
26
zusammen 761.600,00 DM berechnete.
27
Die A F GmbH fertigte unter dem Datum 03.11.1995 eine Rechnung, in der der B für
28
Die Klägerin meldete, vertreten durch die D Spedition GmbH, am 03.11.1995 eine
Sendung "Drams in Mehrfachkombination wie "Baugruppendrams" Module *4Mx32
SIMM Module* *Hersteller: OKI* oder *Hersteller: Goldstar*" und "Drams in
Mehrfachkombination wie "Baugruppendrams" Module *1Mx32/8 SIMM Module*
*Hersteller: Texas Instruments* oder *Hersteller: Hyundai*" der Unterposition 8473
3010 KN zum gemeinschaftlichen Versandverfahren an. Das Zollamt -Autobahn des
HZA P bescheinigte die Ausfuhr am 04.11.1995. Eine Beschau der ausgeführten
Waren fand weder während des Versandverfahrens noch bei der Ausfuhr statt. Die
Abgangszollstelle bestätigte nur die Konformität.
29
Am 21.11.1995 meldete die B in der Türkei Waren zur Einfuhr an, die sie von der A
bezogen hatte und für die sie die Rechnung der A F GmbH vom 03.11.1995 vorlegte.
Den im Rahmen des Rechtshilfeersuchens übersandten türkischen Zollbelegen war
auch eine Transportversicherungspolice für die Sendung mit dem angemeldeten
Wert beigefügt. Die Transportversicherungskosten wurden in der Zollwertanmeldung
angemeldet.
30
1. Mit Rechnung vom 14.11.1995 verkaufte die Klägerin der A GmbH
31
1.000 4Mx32 SIMM Module (Goldstar) zu 435,00 US$/Stück, 435.000,00 US$
2.000 1Mx32/8 SIMM Module (Texas I) zu 112,90 US$/Stück, 224.000,00 US$
32
In der Rechnung wies sie daraufhin, dass die Ware nur für Exportzwecke in die
Türkei bestimmt sei und dass sich die A GmbH verpflichte, sich durch ihren Spediteur
die Ausfuhr bescheinigen zu lassen.
33
Die Klägerin zeichnete diese Entnahme aus ihrem Zolllager, die unter dem Zugang Z
3/95 erfasst war, als Abgang 4/95 auf.
34
Die Ware und die dazugehörigen Papiere wurden nach einer Quittung auf der o.a.
Rechnung von der E Spedition GmbH übernommen.
35
Die Klägerin meldete, vertreten durch die Spedition D GmbH, am 14.11.1995 beim
Zollamt des Beklagten eine Sendung "Drams in Mehrfachkombination wie
"Baugruppendrams" Module *4Mx32 SIMM Module* *Hersteller: Goldstar*" und
"Drams in Mehrfachkombination wie "Baugruppendrams" Module *1Mx32/8 SIMM
Module* *Hersteller: Texas Instruments*" der Unterposition 8473 3010 KN zur
Ausfuhr an. Als Anmelder/Vertreter war dabei die D Spedition GmbH angegeben.
36
Am 14.11.1995 bescheinigte die D Spedition GmbH der A, sie habe am 22.11.1995
Simm-Module in einer Alu-Box von ihr erhalten. Diese Ware habe sie am 15.11.1995
im Auftrag der A an die B befördert.
37
Die Zollstelle nahm die Anmeldung erst am 17.11.1995 an.
38
Am 17.11.1995 ließ die E Spedition GmbH einen Karton Module im
Versandverfahren zum Zollamt befördern, wo für die Ware noch am gleichen Tag
eine Gestellung vermerkt wurde. Empfänger war die Spedition D GmbH.
39
Die Spedition D ihrerseits ließ am 20.11.1995 ein Versandverfahren über eine
Alubox SIMM-Module an die F Service, Frachtzentrum Flughafen , eröffnen. Am
22.11.1995 wurde ein Luftfrachtbrief über die Beförderung von Waren von der A
Computer GmbH an die B ausgestellt.
40
Die A I GmbH fertigte eine Rechnung unter dem Datum 20.11.1995, in der sie der B
in Istanbul für
41
1.000 SIMM 4*32 zu 620,00 DM/Stück und
42
2.000 SIMM 1*32 zu 160,00 DM/Stück,
43
zusammen 940.000,00 DM berechnete.
44
Weiter fertigte die A F GmbH unter dem Datum 20.11.1995 eine Rechnung, in der sie
der B für
45
1.000 SIMM 4*32 zu 45,00 DM/Stück und
46
2.000 SIMM 1*32 zu 35,00 DM/Stück,
47
zusammen 115.000,00 DM berechnete.
48
Am 05.12.1995 meldete die B in der Türkei Waren zur Einfuhr an, die sie von der A
bezogen hatte und für die sie die Rechnung der A F GmbH vom 20.11.1995 über
115.000 DM vorlegte. Den im Rahmen des Rechtshilfeersuchens übersandten
türkischen Zollbelegen waren auch der Luftfrachtbrief vom 22.11.1995 sowie eine
Transportversicherungspolice für die Sendung mit dem angemeldeten Wert
beigefügt. Die Transportversicherungskosten wurden in der Zollwertanmeldung
angemeldet.
49
1. Mit Rechnung vom 11.12.1995 verkaufte die Klägerin der A GmbH
50
51
1.000 4Mx32 SIMM Module (Hyundai) zu 559,00 DM/Stück, 559.000,00 DM
52
2.000 1Mx32 SIMM Module (Hyundai) zu 141,50 DM/Stück, 283.000,00 DM
53
500 2Mx32 SIMM Module (Hyundai) zu 285,00 DM/Stück, 142.500,00 DM.
54
In der Rechnung wies sie daraufhin, dass die Ware nur für Exportzwecke in die
Türkei bestimmt sei und dass sich die A GmbH verpflichte, sich durch ihren Spediteur
die Ausfuhr bescheinigen zu lassen.
55
Die Klägerin zeichnete diese Entnahme aus ihrem Zolllager als Abgang 5/95 auf.
56
Am 11.12.1995 wurde die bezahlte Ware der A GmbH übergeben.
57
Die Klägerin meldete am gleichen Tag beim Zollamt des Beklagten eine Sendung
"Drams in Mehrfachkombination wie "Baugruppendrams" Module *4Mx32 SIMM
Module*, *2Mx32 SIMM Module*, *1Mx32 SIMM Module*, *Hersteller: Hyundai*" der
Unterposition 8473 3010 KN zum gemeinschaftlichen Versandverfahren und zur
Ausfuhr an. Die Zollstelle sicherte die Nämlichkeit der Sendung, die sie mit konform
bestätigte, durch Beschreibung. Beim Zollamt Flughafen des Beklagten fand die
Gestellung statt. Auch diese Zollstelle bestätigte die Konformität.
58
Die A Gesellschaft für mbH fertigte eine Rechnung unter dem Datum 11.12.1995, in
der sie der B in Istanbul für
59
1.000 SIMM 4*32 zu 560,00 DM/Stück,
60
2.000 SIMM 1*32 zu 142,00 DM/Stück und
61
500 SIMM 2*32 zu 286,00 DM/Stück,
62
zusammen 987.000,00 DM berechnete.
63
Weiter fertigte die A Gesellschaft für mbH unter dem Datum 11.12.1995 eine
Rechnung, in der der B für
64
1.000 SIMM 4*32 zu 29,00 DM/Stück, zusammen 29.000,00 DM berechnet wurden.
65
Vom 14.12.1995 datiert ein Luftfrachtbrief von nach Istanbul, der zusammen mit der
letzten Rechnung der A Gesellschaft für mbH für die am 09.01.1996 bei den türkischen
Zollbehörden beantragte Zollabfertigung vorgelegt wurde. Den im Rahmen des
Rechtshilfeersuchens übersandten türkischen Zollbelegen war auch eine
Transportversicherungspolice für die Sendung mit dem angemeldeten Wert beigefügt.
Die Transportversicherungskosten wurden in der Zollwertanmeldung angemeldet.
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Keine der o.a. Sendungen wurde beschaut. Bei allen o.a. Sendungen wurde die
Nämlichkeit durch Rechnungen, nicht durch Verschlüsse gesichert.
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Sämtliche Rechnungen der Klägerin an die A GmbH und der A Gesellschaft für mbH an
die B weisen keine Umsatzsteuer auf.
68
Der Beklagte schloss sich nach Vorliegen des Schlussberichts des Zollfahndungsamts
dessen Ermittlungen an und erhob mit Steuerbescheid vom 13.10.2000 von der Klägerin
696.088,40 DM Eingangsabgaben (136.558,39 DM Zoll und 559.530,01 DM
Einfuhrumsatzsteuer - EUSt -) für die o.a. vier Sendungen, da die Waren nicht wie
angemeldet in die Türkei gelangt seien und damit der zollamtlichen Überwachung
entzogen seien.
69
Die Klägerin sei Abgabenschuldner geworden, weil sie die Verpflichtungen, die sich
aus der Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens ergeben würden, nicht eingehalten
habe. Sie sei Gesamtschuldner zusammen mit C.
70
Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor,
die Abgabenfestsetzung sei verjährt. Zwar gelte die zehnjährige Verjährungsfrist auch
bei einer Steuerhinterziehung eines Dritten. Das gelte nur dann nicht, wenn sie durch
die Steuerhinterziehung keinen Vermögensvorteil erzielt habe. Wenn überhaupt, habe C
die Steuerhinterziehung begangen und habe nicht die Zollbehörde, sondern sie, die
Klägerin, über die Ausfuhr getäuscht.
71
Auch habe sie das Zolllager in ständiger Absprache mit Mitarbeitern des Beklagten
betrieben. Dabei sei ihr immer bestätigt worden, dass alles in Ordnung sei.
72
Auch sei es durchaus denkbar, dass die Waren in die Türkei ausgeführt, dort aber falsch
angemeldet worden seien.
73
Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück, da durch die von C begangene Entziehung der Module aus der
zollamtlichen Überwachung eine Steuerhinterziehung begangen worden sei, die zur
Zollschuldentstehung nach Art. 203 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2913/92 zur Festlegung
des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - geführt habe. Zollschuldner sei die Klägerin
nach Art. 203 Abs. 3 4. Anstrich ZK geworden, da sie nicht für eine ordnungsmäßige
Beendigung des Zolllagers gesorgt habe.
74
Die Verjährungsfrist sei auch gegenüber der Klägerin eingehalten, denn sie habe nicht
nachgewiesen, dass sie keinen Vermögensvorteil durch die Steuerhinterziehung des C
gehabt habe. Vielmehr habe sie die Module ohne Belastung mit Einfuhrabgaben an
Inländer und damit günstiger als ihre Konkurrenz verkaufen können.
75
Auch habe die Klägerin die erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von
Steuerhinterziehungen unterlassen, weil sie in ihren Rechnungen nur auf die
Verpflichtung der Ausfuhr hingewiesen, nicht aber eine ordnungsgemäße Beendigung
des Zolllagerverfahrens sichergestellt habe.
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Ihre Inanspruchnahme als Gesamtschuldnerin sei auch erfolgt, weil keine Aussicht
bestehe, von C die entstandenen Abgaben zu erhalten.
77
Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klage träg die Klägerin vor, die
Speichermodule seien seien tatsächlich ausgeführt worden. Aus den vorgelegten
Unterlagen ergebe sich nicht, dass die Ware nicht in die Türkei gelangt sei.
78
Auch sei in allen Fällen die Ausfuhr zollamtlich bescheinigt worden, bei der Sendung 1
durch das Zollamt Flughafen des Beklagten, bei der Sendung 2 durch das Zollamt -
Autobahn und die Ausfuhrbescheinigung der D Spedition GmbH.
79
Die Feststellung der Collianzahl und das Anbringen einer Zollplombe bei der Sendung
1 seien als zollamtliche Prüfung zu werten. Gleiches gelte für die Feststellung der
Konformität in Sendung 2.
80
Die dritte Ausfuhr habe das Zollamt des Beklagten bescheinigt. Auch sei die Ausfuhr
durch die Spedition E erfolgt. Diese Spedition habe die Übernahme der Ware
ausdrücklich bestätigt. Eine Übergabe der Ware an die A gebe es nicht.
81
Die Ausfuhr der vierten Sendung habe das Zollamt bestätigt. Die Ware sei mit der
türkischen Luftfahrtgesellschaft befördert worden.
82
Ein Austausch mit minderwertiger Ware sei völlig unwahrscheinlich, da hier hochwertige
Computerbauteile gehandelt worden seien. Wenn auch zwischen No-Name-Modulen
und Markenwaren Preisunterschiede bestünden, seien jedoch die an die B berechneten
Preise völlig unrealistisch. Vielmehr sei es um Hinterziehung des türkischen Zolls
gegangen. Dagegen spreche auch nicht die Transportversicherung. Diese diene in der
abgeschlossenen, niedrigen Höhe nur der Verschleierung der in der Türkei begangenen
Zollhinterziehung. Auch nehme der Schmuggler das Risiko einer nicht oder nicht voll
versicherten Schmuggelsendung in Kauf.
83
Eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung sei spätestens mit der Ausfuhr
ausgeschlossen.
84
Bei der ersten Sendung sei der Vorlagebeschluss des BFH vom 17.07.2001, VII R
99/00, BFH/NV 2001, 1686 ff., zu berücksichtigen. Der BFH habe es darin als
zweifelhaft angesehen, ein Entziehen allein darin zu sehen, dass die Wiederausfuhr
nicht in unmittelbarem Anschluss an die Entfernung aus dem Zolllager stattgefunden
habe.
85
Da hinsichtlich der zweiten bis vierten Sendung Versandverfahren eröffnet worden
seien, könne es kein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung gegeben haben, da
sich die Ware sodann in den Versandverfahren unter zollamtlicher Überwachung
befunden habe und die Abgangszollstellen die jeweilige Ware bei den Sendungen 2
und 3 als "konform" bezeichnet hätten.
86
Von ihr sei auch nicht nachzuweisen, wo die Waren verblieben seien. Ihre
Verantwortung ende mit dem Verbringen der Ware aus dem Zollgebiet, wobei anstelle
einer Bestätigung der Ausgangszollstelle geeignete kaufmännische Unterlagen
anerkannt werden könnten. Diese lägen hier vor, so dass der Beklagte nachweisen
müsse, dass die zollamtlichen Bestätigungen falsch seien.
87
Dass die Ware aufgrund der von den türkischen Zollbehörden übersandten Papiere
möglicherweise nicht in der Türkei angekommen sei, reiche zur Widerlegung der
Vermutung nicht aus. Möglicherweise hätten die türkischen Zollbehörden auch
Unterlagen übersehen.
88
Auch sei der Abgabenanspruch verjährt, denn sie habe aus dem Verkauf der Ware
keinen ungerechtfertigten Vermögensvorteil erlangt. Der Verkauf ohne
Eingangsabgabenbelastung liege in der Natur eines Zolllagers, so dass der ersparte
Zoll beim Weiterverkauf, den sie ohne Zollbelastung kalkuliert habe, nicht dazu gehöre.
Sie erziele aus dem Weiterverkauf unverzollter Ware gegenüber dem Weiterverkauf
verzollter Ware keine höheren Gewinne.
89
Auch habe sie die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von
Steuerverkürzungen unternommen. Sie habe sich nämlich bei der Abwicklung des
90
Zolllagers mit der zuständigen Zollstelle abgestimmt.
Eine Pflichtverletzung ihrerseits sei nicht zu erkennen, zumal die Ware in zwei Fällen
einem Spediteur übergeben worden sei. Zudem sei nicht ersichtlich, warum die Abgabe
einer Ware unter Hinweis auf die vertragliche Ausfuhrverpflichtung pflichtwidrig sein
könne. Eine derartige Vertragspflicht habe auch der Spediteur.
91
Gerade der Umstand, dass sie dafür gesorgt habe, dass ihr die Ausfuhrbescheinigungen
der Ausgangszollstelle vorgelegt worden seien, zeige, dass sie mit der erforderlichen
Sorgfalt vorgegangen sei.
92
Auch habe sie sämtliche in Zusammenhang mit dem Zolllager getroffenen Maßnahmen
mit dem zuständigen Zollamt abgestimmt. Daher sei die nunmehr vorgenommene
Abgabenerhebung treuwidrig.
93
Die Klägerin beantragt,
94
den Steuerbescheid des Beklagten vom 13.10.2000 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 aufzuheben,
95
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
96
Der Beklagte beantragt,
97
die Klage abzuweisen,
98
und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend
aus, die erste Sendung sei nicht in die Türkei gelangt, so dass die angemeldete
zollrechtliche Bestimmung der Wiederausfuhr nicht verwirklicht worden sei. Bei den drei
weiteren Sendungen sei nur minderwertige Ware in die Türkei gelangt, so dass nicht die
nämliche Ware wiederausgeführt worden sei.
99
Auch wenn Ausfuhren zollamtlich bescheinigt worden seien, seien Ausfuhren der
nämlichen Waren nur vorgetäuscht worden.
100
Für die o.a. unter 3. aufgeführte Sendung habe die D Spedition GmbH die Ware schon
vor Eröffnung des Versandverfahrens durch die Spedition GmbH übernommen.
101
Das Gericht hat die Strafakten der Staatsanwaltschaft 28 Js 113/96 beigezogen. Der
Prozessvertreter der Klägerin hat in sie Einsicht genommen.
102
Entscheidungsgründe:
103
Die Klage ist nur teilweise begründet.
104
Der angefochtene Steueränderungsbescheid ist nur insoweit rechtswidrig, als er auch
den Lagerabgang 4/95, die dritte Sendung, betrifft.
105
In den drei übrigen Fällen ist die Klage unbegründet, denn der angefochtene
Steueränderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Rechte der Klägerin nicht, §
100 Abs. 1 S.1 FGO.
106
Die Eingangsabgaben sind im Streitfall bezüglich der Vorgänge 1, 2 und 4 nach Art. 203
Abs. 1 ZK in Verbindung mit § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -
entstanden, denn die Module sind der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.
107
Die in das der Klägerin bewilligte Zolllager übergeführten Module unterlagen seit ihrem
Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft der zollamtlichen Überwachung, Art. 37
Abs. 1 S. 1 ZK. Mit der Überführung in das Zolllagerverfahren und in sich anschließende
Verfahren, die Wiederausfuhr im ersten und die Versandverfahren in den übrigen Fällen,
änderte sich daran nichts, denn in diesen Verfahren kommt es nicht zu einem
Statuswechsel. Die Waren bleiben weiterhin Nichtgemeinschaftswaren, so dass sie
auch weiterhin der zollamtlichen Überwachung unterlagen, Art. 37 Abs. 2 ZK.
108
Entgegen den Ausführungen der Klägerin sind die Speichermodule der Sendungen 1, 2
und 4 aus der zollamtlichen Überwachung entzogen worden, denn die Zollbehörden
waren nach der Entnahme der Module aus dem Zolllager am Zugang und an der
Überprüfung der Waren gehindert (s. EuGH Urteil v. 1. Februar 2001, C-66/99, Rz. 47,
Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern - ZfZ - 2001, 121 ff., 123; Urteil v. 11. Juli 2002,
C-371/99 Rz. 54 f., ZfZ 2002, 338 ff., 341).
109
Nach der Entnahme der Speichermodule für die Sendungen 1, 2 und 4 aus dem
Zolllager bestand für die Zollbehörden keine wirksame Möglichkeit eines Zugangs und
einer Kontrolle der Waren mehr. Dabei ist es unerheblich, ob Zugang und Kontrolle
während des Zolllagerverfahrens oder bei den Sendungen zwei und vier erst
anschließend während des Versandverfahrens entfallen sind, weil in beiden Fällen der
erforderliche Zugang und eine Kontrolle nicht mehr möglich waren.
110
Die Waren sind im Gegensatz zu den Behauptungen der Klägerin nicht in die Türkei
ausgeführt worden.
111
Zwar sind bei der ersten Sendung eine Wiederausfuhr und bei den Sendungen zwei
und vier auf dem Papier zollrechtliche Bestimmungen gewählt worden, die geeignet
gewesen wären, das Zolllagerverfahren zu beenden.
112
Trotz der Regelung des Art. 71 Abs. 2 ZK können aber weder die für die erste Sendung
angemeldete Wiederausfuhr noch die für die Sendungen 2 und 4 angemeldeten
Versandverfahren den Nachweis einer Ausfuhr der in das Zolllagerverfahren
übergeführten Module in die Türkei erbringen. Die drei Sendungen sind nämlich nicht
113
zollamtlich beschaut und schon bei ihren Entnahmen nicht so mit
Nämlichkeitssicherungsmitteln, insbesondere Zollverschlüssen versehen worden, dass
ein Austausch der Waren ausgeschlossen ist. Steht dann - wie nachfolgend
auszuführen ist - fest, dass die dem Zolllager entnommenen Waren nicht in die Türkei
gelangt sind, ist die gesetzliche Vermutung des Art. 71 Abs. 2 ZK, nach der die
jeweilige, nicht überprüfte Anmeldung den weiteren zollamtlichen Maßnahmen
zugrunde zulegen ist, im Streitfall widerlegt. Vielmehr ist aufgrund der bekannten
Geschäftsbeziehungen der A GmbH und mangels anderer Anhaltspunkte davon
auszugehen, dass die Waren im Zollgebiet der Gemeinschaft verblieben sind.
114
Für die erste Sendung konnte nach Vorlage der Zollbelege der B durch die türkische
Zollverwaltung keine Einfuhr in die Türkei festgestellt werden. Es gibt weder ein dieser
115
Sendung zuzuordnendes Frachtpapier über ein Verbringen außerhalb des
gemeinschaftlichen Zollgebiets noch einen dieser Sendung zuzuordnenden
Einfuhrvorgang in der Türkei.
Anhaltspunkte dafür, dass die türkische Zollverwaltung entsprechende Belege der B
nicht übersandt hat, bestehen nicht. Die Ermittlungen der türkischen Zollbehörden
bezogen sich schon nach dem Rechtshilfeersuchen auf alle hier streitigen Sendungen
und auf alle diesbezüglichen Einfuhren der B.
116
Vielmehr ermöglichte die Klägerin ein Verbleiben der Ware im gemeinschaftlichen
Zollgebiet dadurch, dass sie C die Ware am 13.10.1995 selbst übernehmen ließ und
durch die Zollanmeldung zur Wiederausfuhr nicht sichergestellt hat, dass die dem C
überlassene Ware tatsächlich auch das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat. Die
Klägerin hat nämlich die Ware zur Ausfuhr angemeldet, obwohl sie zuvor den Zugriff auf
die Ware aus der Hand gegeben hatte. Amtliche Feststellungen, dass die zur
Wiederausfuhr angemeldete Ware tatsächlich das Zollgebiet der Gemeinschaft
verlassen hat, gibt es nicht. Eine Beschau hat nicht stattgefunden.
117
Auch die zweite und vierte Sendung sind nicht in die Türkei eingeführt worden.
118
Die Klägerin hat der A GmbH die Module der zweiten Sendung verkauft und dem C am
02.11.1995 übergeben.
119
Von da an ist ein nachvollziehbarer, widerspruchsfreier Weg der Ware, der die
Annahme, die Ware sei ausgeführt worden, rechtfertigen könnte, nicht mehr zu
erkennen.
120
Die A GmbH hatte nämlich bereits am 01.11.1995 eine Rechnung an die B über die o.a.
Module erstellt. Aufgrund der in der Rechnung genannten Preise, die leicht über den
Preisen lagen, die die Klägerin von der A GmbH verlangt und erhalten hat, kann die A
GmbH damit die von der Klägerin zu erwerbenden Waren weiterverkauft haben.
Dagegen spricht allerdings, dass die in der Rechnung der A GmbH aufgeführten Waren
keinen unmittelbaren Rückschluss auf die von der Klägerin verkauften Waren zulassen.
Die Warenbezeichnungen in den Rechnungen der Klägerin an die A GmbH und von
dieser an die B lassen nämlich bis auf die identische Menge, jeweils 1.600 Module,
keine weitere Identität erkennen.
121
Die weitere Rechnung der A GmbH an die B vom 03.11.1995 lässt weder von der
Warenbeschreibung, nämlich u.a. 1.000 Module SIMM 1*36, die die Klägerin der A
GmbH am 02.11.1995 gar nicht verkauft hatte, noch von den Mengen und Preisen einen
Rückschluss darauf zu, dass die dort genannten Module tatsächlich aus dem Zolllager
der Klägerin stammten.
122
Die Auslieferung der Ware an die A GmbH steht zwar aufgrund ihrer Übergabe an C am
02.11.1995 fest. Gleichwohl aber bestätigte die Spedition D GmbH in der
Ausfuhrbescheinigung, dass sie am 01.11.1995 bei der Klägerin die o.a. Module
entgegengenommen und am 03.11.1995 im Auftrag der A GmbH an die B befördert
hatte. Der A GmbH gegenüber gab die D GmbH an, sie habe die Ware am 03.11.1995
bei der Klägerin übernommen.
123
Welche Ware nun von der D GmbH im Namen der Klägerin am 03.11.1995 zum
124
gemeinschaftlichen Versandverfahren angemeldet und am 04.11.1995 über das Zollamt
-Autobahn des HZA P ausgeführt worden sind, steht nicht fest. Eine Beschau der
ausgeführten Waren fand weder während des Versandverfahrens noch bei der Ausfuhr
statt.
Sicher allerdings ist, dass am 21.11.1995 die von der B in der Türkei zur Einfuhr
angemeldeten Waren nicht die von der Klägerin dem Zolllager entnommenen Waren
waren, denn mit diesen Waren wurde die Rechnung der A F GmbH vom 03.11.1995
vorgelegt, die, wie bereits dargelegt, andere Waren betraf. Dafür spricht auch, dass für
diese Waren eine Transportversicherung abgeschlossen war, denn den türkischen
Zollbelegen war auch eine Transportversicherungspolice für die Sendung mit dem
angemeldeten Wert beigefügt. Eine derartige Versicherung wäre aber, wenn die in die
Türkei eingeführten Waren tatsächlich diejenigen gewesen wären, die die Klägerin
ihrem Zolllager entnommen hätte, nicht zu den niedrigen Werten, wie sie in der
Transportversicherungspolice für die Sendung aufgeführt waren, abgeschlossen
worden. Vielmehr hätte die Transportversicherung, wenn sie denn sinnvoll sein sollte,
dem tatsächlichen Warenwert angenäherte Werte umfasst.
125
Die vierte Sendung wurde der A GmbH am 11.12.1995 übergeben. Gleichwohl meldete
die Klägerin die Sendung am gleichen Tag zum gemeinschaftlichen Versandverfahren
und zur Ausfuhr an.
126
Tatsächlich gelangte auch diese Sendung nicht in die Türkei. Vielmehr bewirkte die
Anmeldung zum Versandverfahren und zur Ausfuhr, dass die dem Zolllager
entnommenen Ware als Lagerabgang behandelt werden konnte.
127
Schon aus den Rechnungen der A GmbH an die B ergibt sich nicht, dass die von der
Klägerin ausgelagerte Ware auch in die Türkei gelangt ist. Nur die Rechnung mit einem
Rechnungspreis von insgesamt 987.000 DM lässt trotz ungenauerer
Warenbeschreibungen Raum für die Annahme, die A Gesellschaft für mbH habe die von
der Klägerin bezogenen Module an die B weiterverkauft. Schon die bei der
Zollanmeldung in der Türkei vorgelegte Rechnung über 29.000 DM rechtfertigt diese
Annahme indessen nicht, denn in der Rechnung werden nicht mehr alle drei Arten von
Modulen, sondern nur noch eine Modulart und diese auch noch zu einem derart
niedrigen Preis angegeben, dass eine Lieferung der in der zuerst genannten Rechnung
mit einem Stückpreis von 560 DM aufgeführten Module ausgeschlossen erscheint.
128
Hierfür spricht auch, dass die Transportversicherungspolice für die Sendung nur den in
der Türkei angemeldeten Wert von umgerechnet ca. 29.000,00 DM zuzüglich Fracht und
Versicherungskosten und nicht den Warenwert beinhaltete, der dem von der Klägerin
erzielten Kaufpreis von 984.500,00 DM nahe gekommen wäre. Bei einem tatsächlich
durchgeführten Transport derart hochwertiger Waren, wie sie dem Zolllager entnommen
wurden, spricht alles dafür, sie bei einer abgeschlossenen Transportversicherung
zutreffend und nicht mit völlig irrealen Werten zu versichern.
129
Auch bei der vierten Sendung fand weder eine Beschau noch ein Zollverschluss für die
dem Zolllager entnommenen Waren statt. Vielmehr hat die Klägerin die Ware der A
GmbH überlassen, bevor die Anmeldung zum Versandverfahren und zur Ausfuhr
erfolgten. Schon dadurch hat sie die geschehenen Manipulationen ermöglicht.
130
Soweit die Klägerin geltend macht, die Transportversicherungen seien nur zur
131
Verdeckung des Schmuggels vereinbart und vorgelegt worden, kann dies nicht
überzeugen. Eine allgemeine Transportversicherungspflicht ist unbekannt, so dass es
für ein im Im- und Export tätiges Unternehmen auch keinen zwingenden Grund gibt, eine
Ware auf jeden Fall zu dem angemeldeten Zollwert zu versichern oder die Täuschung
der Zollverwaltung über den Zollwert, durch den Abschluss einer Transportversicherung
glaubhafter zu machen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Preise der Rechnungen der A GmbH, die
der türkischen Zollverwaltung vorgelegt worden waren, derart niedrig waren, dass sie
schlechthin nicht mehr realistisch sein konnten, wenn sie tatsächlich die ausgeführten
Waren umfasst haben sollten. Schon die sich daraus ergebenden Preisabweichungen
von 761.600 DM zu 75.400 DM (9,9%) bei der zweiten und 987.000 DM/560.000 DM zu
29.000 DM (allenfalls 5,2%) bei der vierten Sendung zwischen den beiden von der A
GmbH an die B gefertigten Rechnungen zeigen dies. Vielmehr ergibt sich aus den
unrealistisch niedrigen Zollwerten bei der Einfuhr in die Türkei und dem damit
verbundenen Entdeckungsrisiko, dass damit nicht die dem Zolllager der Klägerin
entnommenen Waren in die Türkei eingeführt worden sein können.
132
Ist nach den vorstehenden Ausführungen für die erste, zweite und vierte Sendung eine
Ausfuhr der Ware in die Türkei auszuschließen, weil wie bei der ersten Sendung eine
Einfuhr in die Türkei gar nicht stattgefunden hat oder wie bei den übrigen beiden
Sendungen die Ausfuhrsendungen andere Waren enthielten, geht der Senat von einem
Verbleiben der Waren im Zollgebiet der Gemeinschaft aus.
133
Dafür spricht nicht nur der im Zollgebiet der Gemeinschaft für die von der Klägerin
verkauften Waren breite Absatzmarkt, sondern auch der Umstand, dass im
Ermittlungsverfahren andere Ausfuhren betreffende Geschäftsbeziehungen zu
Drittländern als in die Türkei nicht festgestellt werden konnten. Aus den
Geschäftsbeziehungen der A GmbH, die u.a Gegenstand des Schlussberichts des
Zollfahndungsamts waren, ergaben sich nur hinsichtlich der Türkei Ausfuhren in ein
Drittland, wobei diese Ausfuhren nur an die B gelangten. Dahin aber sind die hier
streitbefangenen Speichermodule, wie bereits dargelegt, nicht gegangen.
134
Eine weitere Aufklärung des Verbleibs der Speichermodule durch Vernehmung des C
als Zeugen war nicht möglich, da C und seine Ehefrau seit 1996 flüchtig sind.
135
Ist nach dem Vorstehenden davon auszugehen, dass die Speichermodule der
Sendungen 1, 2 und 4 nicht in die Türkei gelangt, sondern - mangels anderer
Anhaltspunkte in der Gemeinschaft verblieben sind, ohne dass der Ort ihres Verbleibens
festgestellt werden konnte, sind diese Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen
worden.
136
Soweit Zweifel an einer Zollschuldentstehung als Folge eines in dieser Weise
ausgelegten Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung geäußert wurden (BFH
Beschluss v. 29. Oktober 2002, VII R 52/01, BFH/NV 2003, 354 ff.; Beschluss v. 29.
Oktober 2002, VII R 53/01, BFH/NV 2003, 282 ff., ZfZ 2003, 130 ff.; Beschluss v. 17. Juli
2001, VII R 99/00, ZfZ 2001, 376 ff.), greifen diese Zweifel im Streitfall nicht durch, denn
anders als im vorliegenden Fall war in den zitierten Vorlagebeschlüssen des BFH der
Verbleib der Ware eindeutig bestätigt, so dass die Zollschuldentstehung nach Art. 203
ZK im Widerspruch zu den Grundsätzen des Wirtschaftszolls stand.
137
Während im Ausgangsfall des BFH-Beschlusses vom 17. Juli 2001 eine Wiederausfuhr
der Zolllagerware festzustellen war, gab es hier keine Wiederausfuhr. Vielmehr ist von
einem Verbleiben der Ware im Zollgebiet auszugehen. Nur bei der Annahme einer
Wiederausfuhr ist der vom BFH in dem o.a. Beschluss vom 17. Juli 2001 gezogene
Wertungsvergleich zu Art. 859 Nr. 6 der VO (EWG) Nr. 2454/93 mit
Durchführungsvorschriften zu der VO (EWG) Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex
der Gemeinschaften - ZKDVO - nachvollziehbar.
138
Im Hinblick auf diese Zweifel lässt es das Gericht auch unberücksichtigt, dass bei der
ersten Sendung die Waren nicht zum Versandverfahren, sondern nur zur Wiederausfuhr
angemeldet wurden. Dieses Vorgehen entsprach anders als unter Geltung des
Zollgesetzes nicht mehr dem Ende 1995 geltenden Recht. Sollten die Waren zwecks
Wiederausfuhr (Art. 182 Abs. 1 Anstrich 1 ZK) auf Dauer aus dem Zolllager entfernt
werden, waren sie zu der vorgesehenen neuen zollrechtlichen Bestimmung (Art. 4 Nr.
15 Buchst. c ZK) anzumelden (Art. 182 Abs. 3 S. 3 ZK). Erst nachdem sie diese
Bestimmung erhalten hatten, endete das bisherige Zolllagerverfahren (Art. 89 Abs. 1
ZK). Die Drittlandswaren mussten in diesem Fall von der Ausfuhrzollstelle zur
Ausgangszollstelle gemäß Art. 91 Abs. 1 Buchst. a ZK im externen Versandverfahren
befördert werden, weil die Beförderung im Rahmen des Zolllagerverfahrens im hier
maßgebenden Zeitraum weder rechtlich zulässig (Art. 91 Abs. 3 ZK) noch der Klägerin
bewilligt war und das auf die Wiederausfuhr entsprechend anzuwendende
Ausfuhrverfahren (Art. 4 Nr. 16 Buchst. h, Art. 182 Abs. 3 Unterabs. 1 ZK, Art. 841
ZKDVO) nicht in erster Linie der Überwachung des Transports der Ware diente. Art. 512
Abs. 3 ZKDVO, der die Beförderung zur Ausgangszollstelle im Hinblick auf die
Wiederausfuhr einer im Zolllagerverfahren befindlichen Ware im Rahmen dieses
Verfahrens ermöglichte, gab es seinerzeit noch nicht. Diese Vorschrift ist erst durch die
VO (EG) 993/2001 (Abl. der EG Nr. L 141/1) in die ZKDVO eingeführt worden.
139
Die Klägerin ist für die erste, zweite und vierte Sendung auch
Eingangsabgabenschuldnerin nach Art. 203 Abs. 3 4. Anstrich ZK in Verbindung mit §
21 Abs. 2 UStG geworden. Danach werden die Personen Zollschuldner, die die
Verpflichtungen aus der Inanspruchnahme von Zollverfahren, hier des
Zolllagerverfahrens und des Versandverfahrens (s. Art. 4 Nr. 16 Buchst. b und c ZK),
einzuhalten haben.
140
Dabei spielt es für die zweite und vierte Sendung keine Rolle, ob die Waren schon
während des Zolllagerverfahrens oder erst während der sich anschließenden, von der
Klägerin eröffneten Versandverfahren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden
sind. Die Klägerin hat bei diesen Sendungen entweder die sich aus der
Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens oder die sich aus den von ihr eröffneten
Versandverfahren ergebenden Pflichten nicht eingehalten. Bei der ersten Sendung
hingegen ist die Ware dem Zolllagerverfahren entzogen worden.
141
Nach Art. 101 Abs. 1 Buchst. a ZK war die Klägerin verpflichtet, dafür zu sorgen, dass
die Ware während des Zolllagerverfahrens nicht der zollamtlichen Überwachung
entzogen wird. Nach Art. 101 Abs. 1 Buchst. b ZK musste die Klägerin dafür sorgen,
dass die Pflichten, die sich aus der Lagerung der Waren im Zolllagerverfahren ergeben,
erfüllt werden.
142
Das Zolllagerverfahren endet nach Art. 89 Abs. 1 ZK, wenn die Waren eine zulässige
neue zollrechtliche Bestimmung erhalten, wenn sie entweder in ein anderes
143
Zollverfahren, hier das Versandverfahren, übergeführt oder wieder ausgeführt werden,
Art. 4 Nr. 15 Buchst. a und c ZK.
Werden Waren hingegen dem Zolllager entnommen und wird, wovon hier auszugehen
ist, ihre Ausfuhr oder ihre Überführung in ein Versandverfahren nur vorgetäuscht,
werden die mit dem Zolllagerverfahren verbundenen Pflichten verletzt.
144
In den Versandverfahren war die Klägerin als Hauptverpflichtete verpflichtet, die Waren
unverändert bei der Bestimmungsstelle zu gestellen (Art. 96 Abs. 1 Buchst. a ZK) und
die Vorschriften des Versandverfahrens einzuhalten (Art. 96 Abs. 1 Buchst. b ZK). Auch
diese Pflichten werden verletzt, wenn die angemeldeten Waren entnommen und ihre
Ausfuhr nur vorgetäuscht wird.
145
Hinsichtlich der ersten Sendung gab es weder eine Wiederausfuhr, noch eine
Überführung in ein anderes Zollverfahren, so dass die Waren, deren Verbleib nicht mehr
festzustellen ist, der zollamtlichen Überwachung im Zolllagerverfahren entzogen worden
sind.
146
Bei den beiden übrigen Sendungen steht hingegen nicht fest, ob die Waren in die
sodann eröffneten Versandverfahren übergeführt worden sind, so dass ein Entziehen
aus der zollamtlichen Überwachung entweder im Zolllagerverfahren oder im
Versandverfahren stattgefunden haben muss.
147
Bei der zweiten und vierten Sendung hatte die Klägerin allein Versandverfahren
eröffnen lassen, so dass sie als Inhaberin dieser Verfahren nach Art. 96 Abs. 1 ZK
verpflichtet war, dafür zu sorgen, dass die Waren nicht der zollamtlichen Überwachung
entzogen wurden. Dies ist aber im Streitfall geschehen, da die Waren tatsächlich nicht
das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen haben und damit nicht gestellt worden sind.
148
Ob die sich aus Art. 101 Abs. 1 Buchst. a und b ZK für das Zolllagerverfahren und aus
Art. 96 Abs. 1 ZK für das Versandverfahren ergebenden Pflichten durch die Klägerin
selbst oder durch einen Dritten - gleich in welchem Rechtsverhältnis er zur Klägerin
steht - verletzt worden sind, ist nach Auffassung des erkennenden Senats unerheblich.
Art. 203 Abs. 3 4. Anstrich ZK bestimmt die Zollschuldnerschaft des jeweiligen
Verfahrensinhabers, der dafür einzustehen hat, dass die in seinem
Verantwortungsbereich befindlichen Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf des
gemeinschaftlichen Zollgebiets eingehen (s. Witte, Zollkodex 3. Aufl. Art. 203 Rz. 20;
Stiehle in Schwarz/Wockenfoth Zollrecht 3. Aufl. Art. 203 ZK Rz. 15; für den Fall der
Annahme einer Zollschuldentstehung nach Art. 203 Abs. 1 ZK auch BFH Beschluss v.
17. Juli 2001, VII R 99/00, aaO. ZfZ 2001, 377 unter 1.).
149
Der Klägerin steht auch kein Vertrauensschutz zu, der die Nacherhebung hinsichtlich
der ersten, zweiten und vierten Sendung hindern könnte. Für eine Anwendung des Art.
220 Abs. 2 Buchst. b ZK fehlt es an einem Vertrauensschutz begründenden Irrtum der
Zollbehörden.
150
Soweit die Zollbehörden im Rahmen des Versandverfahrens die Konformität
bestätigten, aber wie hier eine Beschau der konkreten Warenbeschaffenheit unterlassen
hatten, hätte die Klägerin, selbst wenn diese Bestätigungen einen Irrtum begründen
könnten, diesen Irrtum erkennen müssen. Nur mit einer Prüfung der tatsächlichen
Warenbeschaffenheit hätte die Unrichtigkeit der Versand- und Ausfuhranmeldungen,
151
nämlich Versand und Ausfuhr einer anderen als der angemeldeten Ware, festgestellt
werden können. Findet diese Prüfung nur auf dem Papier statt, weil die Ware schon
dem Käufer übergeben wurde, muss dies selbst einem unerfahrenen
Wirtschaftsbeteiligten erkennbar sein.
In allen hier streitigen Fällen sind die Zollanmeldungen nur ohne Prüfung der
tatsächlichen Warenbeschaffenheit entgegengenommen worden. Eine Beschau hat es
nicht gegeben.
152
Andere, konkrete Maßnahmen des Beklagten, die einen Irrtum begründen könnten, sind
weder von der Klägerin vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Insoweit reicht es
nicht aus, wenn nach Rückfrage bei Beamten des Beklagten die zutreffende
papiermäßige Lagerabwicklung vorgenommen wird, tatsächlich aber eine
Wiederausfuhr nicht stattfindet.
153
Sind wie dargelegt die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK im Streitfall
nicht gegeben, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf eine treuwidrige
Einfuhrabgabenerhebung berufen, denn Vertrauensschutz und Fragen des Grundsatzes
von Treu und Glauben werden nach ständiger Rechtsprechung in Art. 220 Abs. 2 ZK
abschließend geregelt (s. EuGH Urteil v. 17. Juli 1997, C-97/95, Rz. 50 ff., ZfZ 1997, 372
ff., 375; BFH Urteil v. 12. Oktober 1999, VII R 6/99, ZfZ 2000, 90 ff., 92 m.w.N.)
154
Der Nacherhebung der Eingangsabgaben ist nicht verjährt, denn im Streitfall beträgt die
Festsetzungsverjährung nach Art. 221 Abs. 3 ZK in Verbindung mit § 169 Abs. 2 S. 2 AO
zehn Jahre, weil die Eingangsabgaben durch das vorsätzliche Entziehen aus der
zollamtlichen Überwachung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hinterzogen worden sind. Sind
wie hier die Module nicht in die Türkei gelangt, sondern in der Gemeinschaft verblieben,
sind die Zollbehörden pflichtwidrig hierüber in Unkenntnis gelassen worden. Dies ist
auch vorsätzlich geschehen. Zwar gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin
an einer Steuerhinterziehung durch das Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung
beteiligt war. Dies gilt aber nicht für die Käuferin der Klägerin, denn C oder einer seiner
Mittäter haben das Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung und damit
Steuerhinterziehungen nach § 370 AO bewusst bewirkt.
155
Die Klägerin kann sich auch nicht mit der Folge einer kürzeren Verjährungsfrist nach §
169 Abs. 2 S.3 AO exkulpieren.
156
Der erste Satzteil des § 169 Abs. 2 S. 3 AO 1977 macht deutlich, dass nach dem Willen
des Gesetzgebers der Exkulpationsbeweis ausgeschlossen sein soll, wenn die
Steuerhinterziehung "durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden
ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient". Nur bei der
Begehung der Steuerhinterziehung durch eine sonstige, nicht mit der Erfüllung seiner
steuerlichen Pflichten befassten Person sollte der Steuerpflichtige die Verlängerung der
Festsetzungsfrist durch einen bestimmten Exkulpationsbeweis abwenden können
(ständige Rechtsprechung, s. BFH Urteil v. 3. Februar 1983, IV R 153/80, BStBl. II 1983,
324 ff., 327; Urteil v. 30. Oktober 1992, VII R 18/88, BFH/NV 1991, 721 ff., 722; Urteil v.
20. Juli 1999, VII R 85/98, ZfZ 1999, 381 ff., 383; Urteil v. 19. Dezember 2002, IV R
37/01, BStBl. II 2003, 385 ff., 387 f., BFH/NV 2003, 676 ff., 677).
157
Im Streitfall hat sich die Klägerin des C oder seiner Mitarbeiter bedient, um ihre Pflichten
im Zolllagerverfahren und im Versandverfahren zu erfüllen. C hat die erste und zweite
158
Sendung selbst übernommen. Die vierte Sendung wurde von der A GmbH
übernommen, ob durch C oder einen seiner Mitarbeiter, steht nicht fest.
Mit dieser Übernahme übertrug die Klägerin ihrer Käuferin, deren faktischer
Geschäftsführer C war, ihre sich sowohl aus dem Zolllagerverfahren (Art. 101 Abs. 1
Buchst. a und b ZK) als auch aus dem Versandverfahren (Art. 96 Abs. 1 ZK) ergebenden
Pflichten. Diese Pflichten beinhalteten - ausdrücklich auch auf den Rechnungen der
Klägerin an die A GmbH angegeben - die Ausfuhr der verkauften Waren, zu der es, wie
dargelegt, tatsächlich nicht gekommen ist.
159
Die Übertragung dieser Pflichten für das Versandverfahren mit der Folge des
Ausschlusses der Exkulpationsmöglichkeit hat der BFH schon im Urteil vom 20. Juli
1999, VII R 85/98, aaO. anerkannt.
160
Selbst wenn C oder seine Mitarbeiter als Dritte anzusehen wären, könnte sich die
Klägerin auch nicht nach § 169 Abs. 2 S. 3 2. Halbsatz AO exkulpieren. Insoweit kann
offen bleiben, ob die Klägerin durch die Taten einen Vermögensvorteil erlangt hat.
Wenn auch Zweifel daran bestehen, ob die Klägerin für unverzollte wie für verzollte
Ware einen gleichen Gewinn erzielt hätte und ob die konkreten vier Sendungen nach
ihrer Verzollung mit dem gleichen Gewinn hätten verkauft werden können (s. BFH Urteil
v. 31.01.1989, VII R 77/86, BStBl. II 1989, 442 ff., 444), hat die Klägerin jedenfalls nicht
die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen
unternommen.
161
Von ihren zollrechtlichen Pflichten konnte sich die Klägerin im Streitfall nicht befreien.
Eine Übertragung ihrer Pflichten nach Art. 101 Abs. 1 Buchst. a und b), Art. 91 Abs. 1 ZK
ist nicht vorgesehen. Das ergibt sich insbesondere aus Art. 96 Abs. 2 ZK, der nur eine
Übertragung von Pflichten unter Warenempfängern vorsieht. Im Umkehrschluss ist dies
in allen anderen Fällen ausgeschlossen.
162
Dieser weite und nicht übertragbare Pflichtenkreis erfordert weitere Vorkehrungen als
die von der Klägerin im Streitfall getroffenen. Der bloße Hinweis in der Rechnung, der
Käufer habe die Ware in ein Drittland auszuführen, genügt nicht. Dieser Hinweis ist
nämlich zivilrechtlich nicht so durchsetzbar, dass der Eintritt eines Abgabenschadens
grundsätzlich von vornherein vermieden wird. Vielmehr hätten auch unter
Berücksichtigung des hohen Warenwerts weitere Sicherungsmaßnahmen ergriffen
werden müssen. So hätte sich durch die Verpackung der Speichermodule in einem
Behältnis, das die Anbringung eines Zollverschlusses erlaubt, und die Anregung der
Nämlichkeitssicherung durch Zollverschluss bei der Eröffnung der Versandverfahren
eine erheblich weitergehende Sicherheit, dass die nämlichen Waren ausgeführt werden,
erreichen lassen. Zudem hätte die Klägerin die Ware vor der Wiederausfuhr oder der
Überführung in das Versandverfahren selbst gestellen und selbst ausführen können.
163
Hier kommt noch erschwerend hinzu, dass die Klägerin faktisch die
Eingangsabgabenschuldentstehung begünstigt hatte, indem sie die Ware bei den
Sendungen 1, 2 und 4 unmittelbar der A GmbH oder deren faktischem Geschäftsführer
C übergeben hatte.
164
Die Übergabe an eine Spedition hätte aber grundsätzlich für eine höhere Sicherheit
gesorgt, denn den Speditionen sind zollrechtliche Pflichten bekannt. Auch hätte eine
Spedition im Gegensatz zu einem Käufer, der aufgrund des zollfreien Bezugs
165
unverzollter Ware aus einem Zolllager einen unmittelbaren Vorteil hat und schon
deshalb einer besonderen Überwachung bedarf, regelmäßig nur Interesse an der
Abwicklung des ihr erteilten Auftrags, so dass bei einer Übergabe an sie mit einer
höheren Wahrscheinlichkeit der sorgfältigen Auftragserfüllung zu rechnen wäre.
Auch hätte die Klägerin durch Weisungen an die Speditionen dafür sorgen können,
dass die Speditionen die Nämlichkeit der ihnen übergebenen Ware festgestellt hätten
und in eigener Verantwortung die weitere Nämlichkeitssicherung gegenüber der A
GmbH betrieben hätten.
166
Hinsichtlich der dritten Sendung ist die Klage begründet.
167
Wenn es auch bei der dritten Sendung wegen vergleichbarer Differenzen wie bei der
zweiten und vierten Sendung erhebliche Anhaltspunkte für eine Entziehung der vierten
Sendung aus der zollamtlichen Überwachung gegeben hat, kommt es hierauf nicht an,
denn für diese Sendung steht nicht fest, ob die Klägerin Schuldnerin der
Einfuhrabgaben nach Art. 203 Abs. 3 4. Anstrich ZK in Verbindung mit § 21 Abs. 2 UStG
geworden ist.
168
Bei der dritten Sendung hat es nach der Entnahme aus dem Zolllager zwei
Versandverfahren gegeben, die nacheinander von der E Spedition GmbH und der
Spedition D eröffnet worden sind.
169
Selbst wenn bei der dritten Sendung ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung
stattgefunden haben sollte, steht nicht fest, wann die Ware der zollamtlichen
Überwachung entzogen worden ist. Das kann schon während des Zolllagerverfahrens,
aber auch erst während der folgenden Versandverfahren geschehen sein.
170
Soweit die Ware während des Zolllagerverfahrens der zollamtlichen Überwachung
entzogen worden sein sollte, könnte die Klägerin Eingangsabgabenschuldnerin
geworden sein.
171
Wurde hingegen die Ware erst während der folgenden beiden Versandverfahren der
zollamtlichen Überwachung entzogen, wäre der jeweilige Verfahrensinhaber, hier eine
der beiden Speditionen, nach Art. 203 Abs. 3 4. Anstrich Eingangsabgabenschuldner
geworden.
172
Tatsächliche Feststellungen dazu, dass die Klägerin nach Art. 203 Abs. 3 2. Anstrich in
Verbindung mit § 21 Abs. 2 UStG Eingangsabgabenschuldnerin geworden sein kann,
sind bislang nicht getroffen worden.
173
Inwieweit Unterlassungen der Klägerin für die spätere mögliche Entziehung ursächlich
waren, ist nicht mehr feststellbar.
174
Die Klägerin hat zwar am 14.11.1995 die Ausfuhr beantragt. Dieser Antrag ist aber erst
am 17.11.1995 angenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Ware bereits der E
Spedition GmbH weitergegeben worden, ohne dass die Klägerin auf die Ware Einfluss
behielt.
175
Auch hat die Klägerin nicht für eine manipulationssichere Nämlichkeitssicherung nach
Art. 349 Abs. 1 bis 3 ZKDVO gesorgt. Gleichwohl führen diese Unterlassungen nur dann
176
zur Eingangsabgabenschuldentstehung, wenn sie für die spätere Entziehung ursächlich
waren. Dazu fehlen aber Feststellungen.
Derartige Feststellungen können auch nicht mehr getroffen werden, weil C und dessen
Ehefrau, die beide seit 1996 flüchtig sind und allein zu den betreffenden Vorgängen
Auskunft geben könnten, dem Gericht nicht mehr zur Verfügung stehen.
177
Hinsichtlich der fehlenden, abgabenbegründenden Feststellungen trägt der Beklagte die
Darlegungslast, so dass deren Fehlen zu seinen Lasten geht. Das führt dazu, dass der
angefochtene Bescheid hinsichtlich der dritten Sendung rechtswidrig ist und
aufgehoben werden muss.
178
Damit hat der angefochtene Bescheid für Eingangsabgaben noch in folgender Höhe
Bestand:
179
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S.1 FGO.
180
Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erscheint im Hinblick auf die
Pflichtenkreise des Zolllagerinhabers und des Hauptverpflichteten sowohl im Rahmen
von Art. 203 Abs. 3 4. Anstrich ZK als auch für die Anwendung des § 169 Abs. 2 S.2 AO
angebracht.
181