Urteil des FG Düsseldorf vom 22.03.2002

FG Düsseldorf: betriebsstätte, niederlassung, eugh, anknüpfung, beförderungsmittel, dienstleistung, lieferung, unternehmer, aufenthalt, begriff

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 1 K 6122/98 U
22.03.2002
Finanzgericht Düsseldorf
1. Senat
Urteil
1 K 6122/98 U
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin betrieb im Streitjahr einen Frisörsalon in der "X"-straße in "W". Darüber hinaus
unterhielt sie einen weiteren Frisörsalon sowie eine Boutique auf dem Kreuzfahrtschiff "E" .
In ihrer am 03.01.1996 eingegangenen Umsatzsteuererklärung gab die Klägerin Umsätze
aus Lieferungen und Leistungen i. H. v. 88.965,- DM sowie Entnahmen im Wert von 5.088,-
DM an. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich eine Umsatzsteuer in Höhe von ./.
12.724,70 DM.
Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die
von der Klägerin bislang als umsatzsteuerfrei behandelten Umsätze aus der Tätigkeit des
Frisiersalons auf der "E" im Inland steuerpflichtig seien, da die Klägerin ihre Betriebsstätte
in dem Frisörsalon auf der "X"-straße in "W" habe. Der Salon auf der "E" sei nicht als
Betriebsstätte im Sinne des § 12 der Abgabenordnung - AO - anzusehen, da es bei
Seeschiffen an der Beziehung zur Erdoberfläche fehle. Hinsichtlich der Umsätze der
Boutique vertrat der Prüfer die Ansicht, es handele sich zum Teil um steuerpflichtige
Lieferungen innerhalb des Gemeinschaftsgebietes nach § 3 UStG. Dementsprechend teilte
der Prüfer die Umsätze nach den Reisen der "E" in steuerfreie und steuerbare Umsätze auf.
Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 9 des Betriebsprüfungsberichts vom 28.11.1996
Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Ansicht des Prüfers und setzte mit Bescheid vom 25.03.1997 die
Umsatzsteuer für das Streitjahr entsprechend den Prüfungsfeststellungen auf 41.827,70
DM fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 27.03.1997 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus,
entgegen der Ansicht des Beklagten handele es sich beim Frisörsalon auf der "E" um eine
7
8
9
10
Betriebsstätte i. S. des § 12 Satz 1 AO. Nach der gesetzlichen Regelung sei als
Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage anzusehen, die der Tätigkeit
eines Unternehmens diene. Ungeachtet dessen, ob der Frisörsalon in "W" den Ort der
Geschäftsleitung darstelle, handele es sich jedenfalls um eine feste Geschäftseinrichtung.
Dies gelte ungeachtet dessen, dass sich der Frisörsalon auf einem Schiffe befände. Der
Gesetzeswortlaut verlange entgegen der Ansicht des Beklagten keine Beziehung zur
Erdoberfläche. Die Klägerin macht weiter geltend, bei der "E" handele es sich um ein
Kreuzfahrtschiff, das als Vergnügungsschiff der Unterhaltung diene. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 3
Bstb. a) UStG würden Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, der Unterhaltung
oder ähnliche Tätigkeiten an dem Ort erbracht, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich
bewirkt werden. Die Klägerin meint, bei ihrer Tätigkeit als Frisörin handele es sich um eine
Tätigkeit auf dem Gebiet der Künste im Sinne dieser Vorschrift. Auf einem Kreuzfahrtschiff
werde nämlich ein besonderes Hairstyling erwartet, welches einem Kunsthandwerk bzw.
einer Tätigkeit auf dem Gebiet der Künste gleichzusetzen sei.
Zu Unrecht sei der Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei den Verkaufsumsätzen
der Boutique um nach § 3 e UStG im Inland steuerpflichtige Umsätze handele. Die
Vorschrift betreffe nur Verkäufe von Gegenständen während einer Beförderung innerhalb
eines Gemeinschaftsgebietes. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, so dass zu
Unrecht auch die Umsätze erfasst worden seien, die außerhalb des
Gemeinschaftsgebietes erzielt worden seien. Hierzu behauptet die Klägerin, die Boutique
werde stets erst auf hoher See, und damit außerhalb des Gemeinschaftsgebietes geöffnet.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Teil der Reisen um Fahrten mit
Zwischenaufenthalten im Drittlandsgebiet gehandelt habe. Sowohl der Verkauf als auch
die Dienstleistungen seien jeweils erst nach Verlassen des Gemeinschaftsgebiets oder
nach einem dieser Zwischenaufenthalte in einem Hafen außerhalb des Bundesgebiets
erfolgt. Auch aus diesem Grunde komme eine Umsatzsteuerpflicht nicht in Betracht.
Mit Bescheid vom 16.04.1998 änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung erneut.
Die Umsatzsteuer minderte sich auf 26.104,00 DM, da bei Erlass des ursprünglichen
Änderungsbescheids die Bruttobeträge der Mehrumsätze zu Grunde gelegt worden waren.
Im Übrigen hielt der Beklagte an seiner Rechtsauffassung fest und wies des Einspruch der
Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 12.08.1998 zurück. Hinsichtlich der
Frisörumsätze wies der Beklagte darauf hin, dass nach einer Entscheidung des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.06.1996 (XI R 18/94, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II -
1998, 278) Vorrichtungen auf Schiffen zur Abgabe von Speisen und Getränken zum
Verzehr an Ort und Stelle keine Betriebsstätten darstellten. Nach Ansicht des BFH sei
wesentliches Merkmal der Betriebsstätte das Vorhandensein einer festen örtlichen
Oberfläche der Einrichtung. Diese setze unmittelbar eine Beziehung zu einem bestimmten
Teil der Erdoberfläche voraus. Diese Grundsätze der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes seien auf den Frisörsalon der Klägerin zu übertragen. Es finde § 3 Abs.
1 Satz 1 UStG Anwendung, wonach die auf der "E" erbrachten sonstigen Leistungen in
Form der Frisörleistungen das Schicksal der im Geschäft in "W" bewirkten Umsätze teilten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin handele es sich auch nicht um eine Tätigkeit auf
künstlerischem oder unterhaltendem Gebiet.
Die Steuerpflicht hinsichtlich der Umsätze der Boutique folge aus § 3 e UStG. Danach sei
der Abgangsort eines Beförderungsmittels als Ort der Lieferung anzusehen, wenn diese an
Bord eines Schiffes erfolge und der Abgangs- wie auch der Ankunftsort im
Gemeinschaftsgebiet liegen. Diese Voraussetzungen seien bei der der Besteuerung
11
12
13
14
15
16
17
18
unterworfenen Lieferungen der Klägerin erfüllt, da Abgangsort und Ankunftsort im
Erhebungsgebiet gelegen hätten. Die Zwischenaufenthalte außerhalb des
Erhebungsgebiets hätten an dieser Identität von Abgangs- und Ankunftsort nichts geändert,
da diese nicht erfolgt seien, um Reisenden den Einstieg oder den Ausstieg i. S. einer
Beendigung oder eines Antritts der Reise zu ermöglichen. Dies gelte ungeachtet dessen,
dass einige wenige Passagiere die Zwischenaufenthalte zum Verlassen des Schiffs
genutzt hätten. In der Regel seien die Landgänge im Rahmen des geplanten Ablaufs der
Reise ausschließlich zum Zweck von Besichtigungen oder Ausflügen erfolgt. Diese nur
touristischen Unterbrechungen der Kreuzfahrten seien nicht geeignet, die Reisen
außerhalb des Erhebungsgebiets in separate Reisen i. S. von Hin- und Rückfahrten zu
zergliedern.
Hiergegen richtet sich die am 21.08.1998 erhobene Klage. Die Klägerin wiederholt und
vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Insbesondere hält sie an ihrer Ansicht
fest, dass es sich bei dem Frisörsalon an Bord der "E" um eine Betriebsstätte handele. An
Bord des Schiffes werde ganzjährig Personal unterhalten, das die vollen Leistungen eines
Frisörgeschäfts erbringe. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei eine feste Verbindung
zur Erdoberfläche nicht erforderlich. Dementsprechend könnten die an Bord des Schiffes
erbrachten sonstigen Leistungen nicht der Betriebsstätte in "W" zugerechnet werden. Die
Klägerin hält weiterhin an ihrer Ansicht fest, bei den Frisörleistungen handele es sich um
eine Tätigkeit, die jedenfalls mit der Unterhaltung oder ähnlichen Tätigkeiten
zusammenhänge. Bezüglich der Boutiquenumsätze trägt die Klägerin vor, die Lieferungen
seien außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets erfolgt, weil die Verkaufsstelle stets
geschlossen gewesen sei, solange sich das Schiff noch im deutschen Hoheitsgewässer
befunden habe. Es seien auch keinerlei Verkäufe im Gemeinschaftsgebiet erfolgt, solange
das Schiff vor Anker gelegen habe. Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, die
Umsätze seien nach § 3 e Abs. 1 UStG umsatzsteuerpflichtig, weil Abgangs- und
Ankunftsort identisch seien, sei dies nicht zutreffend. Die Zwischenhalte außerhalb des
Gemeinschaftsgebiets seien als Zwischenaufenthalte i. S. von § 3 e Abs. 2 UStG
anzusehen. Es komme lediglich darauf an, dass das Schiff im Hafen fest gemacht habe.
Insoweit sei die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen
Kreuzfahrtschiffen und Passagierschiffen im Linienverkehr nicht durch das Gesetz gedeckt.
Dementsprechend liege ab dem ersten Zwischenaufenthalt außerhalb des
Gemeinschaftsgebiets der Ort der Lieferung nicht mehr im Erhebungsgebiet. Im Übrigen
dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich keinesfalls nur um kurze Zwischenstopps
gehandelt habe, sondern um längere Aufenthalte, die sich über mehrere Stunden
erstreckten.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteueränderungsbescheide vom 25.03.1997, 16.4.1998 und die
Einspruchsentscheidung vom 12.8.1998 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Er hält an seiner
19
20
21
22
23
24
25
Ansicht fest, dass Dienstleistungseinrichtungen auf Schiffen keine Betriebsstätten i. S. des
§ 12 AO seien. Ungeachtet dessen sei die Anknüpfung an die Betriebsstätte in "W" auch
mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie stelle einen sachgerechten
Besteuerungsanknüpfungspunkt dar. Es sei auch keine Benachteiligung gegenüber
anderen Unternehmern im Gemeinschaftsgebiet festzustellen, da diese bei einer
vergleichbaren Tätigkeit ebenfalls entsprechend den jeweiligen landesgesetzlichen
Regelungen der Umsatzbesteuerung unterliegen würden.
Hinsichtlich der Boutiquenumsätze hält der Beklagte an seiner Ansicht fest, dass bei den
als steuerpflichtig angesehenen Reisen der Abgangsort und Ankunftsort für die Frage der
Umsatzsteuerpflicht maßgebend sei. Die im Ausland eingeschobenen
Zwischenaufenthalte seien generell nicht zum Zweck der Beendigung der Fahrt, sondern
lediglich zu Besichtigungstouren erfolgt. Nicht jedwedes Anlegen des Schiffes im Hafen
führe zu einem Zwischenaufenthalt i. S. von § 3 e Abs. 2 UStG. Die Kreuzfahrten seien als
einheitliche, durchgehende Beförderung anzusehen. Auf die Anzahl und die zeitliche
Dauer der Zwischenstopps komme es insoweit nicht an. Ebenso unerheblich sei, ob der
Verkaufsstand nur außerhalb der Hoheitsgewässer der Bundesrepublik Deutschland
geöffnet gewesen sei. Dies folge schon daraus, dass es ausschließlich auf den Umstand
ankomme, dass Ankunfts- und Abfahrtshafen identisch gewesen seien. Ungeachtet dessen
habe die Klägerin diese Behauptung bislang nicht nachgewiesen. Gleichfalls unbewiesen
sei die behauptete Schließung der Verkaufsstelle in dem Zeitraum, in dem das
Kreuzfahrtschiff im Gemeinschaftsgebiet vor Anker lag.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf ein BMF-Schreiben vom
12.3.2002, Bundessteuerblatt Teil I - BStBl I - 2002, 288, hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide sind
rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Beklagte hat die an Bord der "E" erzielten Umsätze aus dem Frisörbetrieb - deren
Höhe zwischen den Beteiligten unstreitig ist - zu Recht als im Inland steuerbare und
steuerpflichtige Umsätze behandelt.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Umsätze aus
sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens
ausführt. Den aus dem Frisörbetrieb erwirtschafteten Umsätzen liegen sonstige Leistungen
im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG zu Grunde, deren Leistungsort sich nach § 3a UStG
bestimmt. Hiernach (§ 3a Abs. 1 UStG) wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt,
von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird eine sonstige Leistung von
einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.
a) Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesfinanzhofes - BFH - an, dass § 3 a
Abs. 1 UStG Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -
Richtlinie 77/388/EWG - entspricht (BFH-Urteil vom 19.11.1998 V R 30/98, BStBl II - 1999,
108 m.w.N.). Nach dieser Bestimmung gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der
Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung
hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird. Insoweit entspricht das
Tatbestandsmerkmal der "festen Niederlassung" dem der "Betriebsstätte" in § 3a Abs. 1
26
27
28
29
30
UStG (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.06.1996 XI R 18/94, BStBl II 1998, 278).
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem Frisörsalon nicht um eine
Betriebsstätte. Nach dem auch für das Umsatzsteuerrecht maßgeblichen
Betriebsstätenbegriff in § 12 Satz 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung
oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Wesentliches Merkmal der
Betriebsstätte ist das Vorhandensein einer festen örtlichen Anlage oder Einrichtung. Dies
setzt eine unmittelbare Beziehung zu einem bestimmten Teil der Oberfläche voraus, mit
dem die Anlage oder Einrichtung in einer festen, d.h. dauerhaften Verbindung steht. Nach
ständiger Rechtsprechung, der der Senat folgt, wird durch ein Schiff, das
bestimmungsgemäß Waren oder Passagiere befördert, eine solche dauernde feste
Verbindung nicht hergestellt (Urteil des Reichsfinanzhofes - RFH - vom 06.03.1935 IV A
210/34, RFHE 37, 265; BFH-Urteile vom 19.12.1996 V R 130/92, BStBl II 1998, 279; vom
19.11.1998 V R 30/98, BStBl II 1999, 108; vgl. auch Tipke/Kruse, Kommentar zur
Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 12 AO Rz. 7).
c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf das - im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung dem Senat noch nicht bekannte - BMF-Schreiben vom 12.3.2002 IV D S 7117
- 9/02, BStBl I 2002, 288, geboten. Allerdings geht das Schreiben unter Aufgabe der
bisherigen Verwaltungsauffassung davon aus, dass u.a. Leistungen im Frisörhandwerk an
Bord eines Seeschiffes erbracht werden können, sofern dort eine Betriebsstätte (=feste
Niederlassung) besteht. Der Senat lässt offen, ob das Schreiben dahingehend zu
verstehen ist, dass die Finanzverwaltung nunmehr allgemein davon ausgeht, dass
Betriebsvorrichtungen an Bord eines Schiffes entgegen der bisherigen Auffassung der
Rechtsprechung als Betriebsstätte anzusehen sind. Der bei der Auslegung des Gesetzes
nicht an die Auffassung der Finanzverwaltung gebundene Senat (vgl. BFH-Urteil vom
9.12.1999 III R 74/97, BStBl II 2001, 311; weitere Nachweise bei Tipke/Kruse, § 4 AO TZ.
84) hält nämlich eine derartige Interpretation der Finanzverwaltung für nicht mit der
gesetzlichen Regelung vereinbar. Vielmehr hält der Senat mit der bisherigen
Rechtsprechung die Auslegung für zutreffend, dass der Begriff der "festen" Niederlassung
ebenso wie der der Betriebsstätte eine feste Verbindung zur Oberfläche erfordert.
d) Die Frisörtätigkeit ist auch keine künstlerische Leistung im Sinne des § 3 a Abs. 2 Nr. 3
Bstb. a) UStG, die dort ausgeübt wird, wo der Unternehmer ausschließlich oder zum
wesentlichen Teil tätig wird. Dass das Fertigen der Frisuren selbst den Kunstbegriff nicht
erfüllt, ist offenkundig; daran hat die Klägerin auch im Rahmen der mündlichen
Verhandlung nicht mehr festgehalten. Es besteht aber auch kein unmittelbarer
Zusammenhang mit auf dem Schiff erbrachten künstlerischen Leistungen. So hat die
Klägerin schon nicht dargelegt, ob und in welchem Umfang ihre Leistungen von den auf
dem Schiff auftretenden Künstlern in Anspruch genommen worden sind. Darüber hinaus
stehen nur solche Leistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit einer künstlerischen
Leistung, die diese unmittelbar fördern, sie erst ermöglichen, wie z.B. Bühnen- oder
Tontechnik. Ein solcher Zusammenhang besteht bei Frisuren ersichtlich nicht.
Mangels einer spezielleren Regelung bleibt es damit im Streitfall bei dem Grundsatz, dass
maßgeblich auf den Ort abzustellen ist, von dem die Klägerin ihr Unternehmen betreibt.
Dies ist der Ort der Geschäftsleitung, vorliegend also "W" , da die Klägerin hier über eine
feste Betriebseinrichtung verfügt und von hier aus die wesentlichen
Unternehmensentscheidungen getroffen werden.
e) Zudem entspricht es der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass - ungeachtet der
Frage einer anderen Niederlassung - der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit vorrangiger
31
32
33
34
35
Anknüpfungspunkt im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtline ist (BFH-Urteil vom
19.11.1988 V R 30/90, BStBl II 1999, 108 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH).
Eine andere Niederlassung, von der aus eine Dienstleistung erbracht wird, kann nur dann
berücksichtigt werden, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich
sinnvollen Lösung führt oder wenn diese einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedsstaat
zur Folge hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Anknüpfung an den
Sitz in "W" führt zu einer steuerlich sinnvollen Lösung, die keinen Konflikt mit einem
anderen Mitgliedsstaat zur Folge hat. Durch die eindeutige Zuordnung der Umsätze wird
eine Doppelbesteuerung vermieden und zugleich die Besteuerung der Umsätze
sichergestellt. Damit werden Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu anderen
Mitbewerbern ausgeschlossen (vgl. BFH vom 19.11.1998 V R 30/90, a.a.O.).
Diese Beurteilung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des BFH in
ähnlichen Fällen. Der EuGH hat den ständigen Sitz eines Unternehmers, der
Geldspielautomaten auf zwischen "R"-land und "Q"-Land verkehrenden Fährschiffen
betrieb, als einen "steuerlich brauchbaren Anknüpfungspunkt" für die örtliche Zuordnung
einer Dienstleistung bezeichnet (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1985, 2251 Rdnr. 18). Er hat
ferner im Fall eines Schiffsreeders mit Sitz in "Q"-Land, der Restaurationsumsätze an Bord
von Fährschiffen zwischen "Q"-Land und "R"-land erbrachte, ausgeführt, die Anknüpfung
an den ständigen Sitz des Reeders biete einen sachgerechten steuerlichen
Anknüpfungspunkt (vgl. EuGH-Urteil vom 02.05.1998 Rs. C - 231/94, BStBl II 1998, 282
Rdnr. 18). Der BFH ist dieser Auffassung für Restaurationsumsätze auf Bodenseeschiffen
der Deutschen Bundesbahn (vgl. BFH-Urteil vom 26.061996 XI R 18/94, BStBl II 1998,
278) und für die unentgeltliche Verpflegung des Bordpersonals von Personenschiffen auf
dem Rhein (vgl. BFH-Urteil vom 28.05.1998 V R 26/95, BStBl II 1998, 589) gefolgt.
2. Auch die Umsätze aus den Verkäufen der Boutique - deren Höhe zwischen den
Beteiligten ebenfalls unstreitig ist - hat der Beklagte umsatzsteuerlich zutreffend zum Teil
als im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze behandelt.
a) Bei den Verkäufen handelt es sich um Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG, für die
sich der für die Besteuerung maßgebende Ort während der Beförderung an Bord des
Schiffes nach § 3 e UStG richtet. Danach gilt bei einem Gegenstand, der - wie hier die in
der Boutique vertriebenen Waren - nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmt ist, der
Abgangsort im Gemeinschaftsgebiet als Ort der Lieferung. Abgangsort ist nach § 3 e Abs. 2
Satz 2 UStG der erste Ort innerhalb des Gemeinschaftsgebietes, an dem Reisende in das
Beförderungsmittel einsteigen können.
Nach diesen Grundsätzen liegt der Abgangsort der streitbefangenen Reisen (Nr. 239 bis
247) jeweils im Gemeinschaftsgebiet, da die Fahrten jeweils von Orten im Bundesgebiet
ausgingen (" "). Es handelte sich auch jeweils um den ersten Zustiegsort, weil die Reisen
nach dem bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Prospektmaterial als Kreuzfahrten
mit einem bestimmten Abfahrthafen konzipiert waren.
Liegt der Abgangsort im Erhebungsgebiet, gelten die Lieferungen während der
Beförderung als am Abgangsort ausgeführt. Dabei gilt als Beförderung innerhalb des
Gemeinschaftsgebiets die Beförderung zwischen dem Abgangsort und dem Ankunftsort im
Gemeinschaftsgebiet ohne Zwischenaufenthalt außerhalb des Gemeinschaftsgebietes (§ 3
e Abs. 2 Satz 1 EStG). Als Ankunftsort gilt der letzte Ort innerhalb des
Gemeinschaftsgebietes, an dem Reisende das Beförderungsmittel verlassen können (§ 3 e
Abs. 2 Satz 3 UStG).
36
37
38
39
Die Ankunftsorte der streitbefangenen Fahrten lagen - was zwischen den Beteiligten auch
nicht streitig ist - innerhalb des Gemeinschaftsgebietes (" ").
Die Zurechnung der Umsätze am Abgangsort ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass
die Beförderung zwischen Abgangs- und Ankunftsorten durch Halte außerhalb des
Gemeinschaftsgebietes unterbrochen wurde. Dies gilt ungeachtet dessen, dass jede der
Reisen auch in Häfen führte, die außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegen (z.B. -" "),
wobei die Aufenthaltsdauer - ebenso wie bei den weiteren Halten - zwischen wenigen
Stunden und einem Tag lag. Während dieses Zeitraums hatten die Passagiere
Gelegenheit, Landgänge (Besichtigungen, Ausflüge) zu absolvieren. Nach den im Prospekt
der Reederei "T" dargestellten Buchungsmöglichkeiten und den Reisebedingungen
konnten die Reisen nur für den gesamten Törn vom Abgangsort zum Ankunftsort gebucht
werden. Teilstrecken mit Zu- oder Ausstiegsmöglichkeiten wurden nicht angeboten. Dies
entspricht dem Charakter der Fahrten, die ausdrücklich als Kreuzfahrten bezeichnet
wurden und die typischerweise durch einen vorbestimmten Reiseverlauf mit einem
feststehenden Abgangs- und Ankunftsort gekennzeichnet sind. Dass es in Einzelfällen zu
einem vorzeitigen Abbruch der Reise gekommen sein mag (z.B. wegen Krankheit) nimmt
den Reisen nicht die Eigenschaft einer Kreuzfahrt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei den Halten im Rahmen einer
Kreuzfahrt nicht um Zwischenaufenthalte im Sinne des § 3 e Abs. 2 Satz 1 UStG. Der
Begriff des "Zwischenaufenthalts" ist im Gesetz nicht definiert. In der Literatur (vgl.
Schlienkamp/Huschens in Plückebaum/Malitzky, Kommentar zum UStG, § 3 e Tz. 85 ff.;
Schlienkamp, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1994, 93 (99); Langer, DB 1993 602) wird
der Begriff als "irreführend" angesehen. Angesichts des unklaren Wortlauts sei darauf
abzustellen, ob es sich um einen Haltepunkt des Beförderungsmittels handelt, an dem
Reisende zu- bzw. aussteigen können. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Allerdings lässt der Wortlaut durchaus die Deutung zu, dass jedes Verlassen des Schiffs
mit anschließender Rückkehr die Anforderungen an einen Aufenthalt erfüllt, da nach
allgemeinem Sprachgebrauch unter Aufenthalt "eine zeitlich begrenzte Anwesenheit an
einem Ort" (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache;
Brockhaus/Wahring, Deutsches Wörterbuch, jeweils Stichwort "Aufenthalt") zu verstehen
ist. Diese Auslegung allein durch Anknüpfung an den Sprachgebrauch (hierzu:
Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 263) steht jedoch nicht im Einklang mit der Gesetzessystematik,
die neben dem Wortsinn als Auslegungskriterium herangezogen werden kann (vgl. BFH-
Urteile vom 8.12.1992 IX R 105/89, BStBl II 1993, 656; vom 27.10.1992 IX R 152/89, BStBl
II 1993, 589). So folgt aus der gesetzlichen Systematik, dass die Vorschrift von einer
Beförderung zwischen zwei entfernten Orten ausgeht, da das Gesetz nach Abgangsort und
Ankunftsort differenziert und Hin- und Rückfahrt als gesonderte Beförderungen gelten. Dem
ist zu entnehmen, dass die gesetzliche Regelung den Beförderungscharakter darin sieht,
dass der Passagier das Beförderungsmittel in Anspruch nimmt, um ein bestimmtes Ziel zu
erreichen. Bei einer Rückkehr zum Ausgangsort oder einem Endpunkt der Reise, vom dem
dann ausschließlich die Rückkehr zum Ausgangspunkt der Reise erfolgt, steht nicht die
Beförderung auf dem Schiff zu dem Endpunkt der Reise, sondern die Fahrt als solche im
Vordergrund. Für solche Reisen ist typisch, dass bei Aufenthalten in auswärtigen Häfen
grundsätzlich keine Möglichkeit zum Zu- oder Aussteigen besteht. Dieser Möglichkeit des
planmäßigen Zusteigens und Verlassen des Beförderungsmittels misst das Gesetz
entscheidende Bedeutung zu, wie sich aus § 3 e Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG entnehmen
lässt ("einsteigen können; aussteigen können"). Da diese Möglichkeit bei den
Zwischenhalten auf Kreuzfahrten - und damit auch im Streitfall - nicht besteht, sind die
40
41
42
43
44
Halte - ähnlich wie Durchfahrten durch außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegende
Gewässer (vgl. Schlienkamp/Huschens, a.a.O., Tz. 87) - nicht als Zwischenaufenthalt im
Sinne des § 3 e Abs. 2 Satz 1 UStG anzusehen.
Bestätigt wird diese Auslegung durch den Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Bstb c) der Sechsten
EG-Richtlinie. Auch dort kommt dem Umstand, dass ein Ein- bzw. Aussteigen aus dem
Personenbeförderungsmittel möglich ist, entscheidende Bedeutung zu, indem die Vorschrift
als "Abgangsort eines Personenbeförderungsmittels den ersten Ort innerhalb der
Gemeinschaft bestimmt, an dem Reisende in das Befördungsmittel einstiegen können" und
- damit korrespondierend als "Ankunftsort den letzten Ort innerhalb der Gemeinschaft, an
dem Reisende das Beförderungsmittel verlassen können" bestimmt. Da § 3 e UStG der
nationalen Umsetzung der Richtlinie dient (vgl. BR-Drucksache 612/93, 87), rechtfertigt
dies eine Auslegung des nationalen Rechts dahingehend, dass nur Zu- und Aussteigehalte
als Zwischenaufenthalte anzusehen sind.
Da somit alle Umsätze zwischen den Abgangs- und Ankunftsorten der Umsatzsteuer
unterlagen, kommt es nicht darauf an, ob die Boutique - wie von der Klägerin behauptet -
erst nach dem Verlassen der deutschen Hoheitsgewässer geöffnet wurde.
b) Auch die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 b Satz 1 UStG sind nicht
erfüllt. Danach sind steuerfrei die Lieferungen von nicht zum Verzehr an Ort und Stelle
bestimmten Gegenständen an Bord eines Schiffes im Seeverkehr während einer
Beförderung, die im Inland beginnt und in einem anderen Mitgliedstaat endet, in dem
Umfang, in dem die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet von der
Umsatzsteuer befreit ist. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen dieser Befreiung
bei den Reisen erfüllt waren, kommt die Befreiung schon aus formellen Gründen nicht in
Betracht, da die Klägerin - unstreitig - den Nachweis der Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 6 b Sätze
2 und 3 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung) nicht erbracht hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
4. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die Auslegung des
Begriffs des Zwischenaufenthalts in § 3 e Abs. 2 UStG bislang nicht höchstrichterlich
geklärt ist.