Urteil des FG Düsseldorf vom 20.03.2003

FG Düsseldorf (Stille Reserven, Stillen, Beendigung, Personengesellschaft, Sondervergütung, Auflage, Entschädigung, Steuersatz, Zwang, Verbindlichkeit)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 1835/00 F
20.03.2003
Finanzgericht Düsseldorf
15. Senat
Urteil
15 K 1835/00 F
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob an einen Kommanditisten im Rahmen einer Liquida-tion
gezahlte Abfindungsbeträge zur Abgeltung von Rentenansprüchen als Teil des nach § 16
EStG begünstigten Aufgabegewinns zu behandeln sind oder zu den laufenden Einkünften
zählen und als Entschädigung zu behandeln sind.
Der Kläger zu 1) war Kommanditist der gewerblich tätigen, inzwischen jedoch
vollbeendeten
A. X
Druckerei an zwei Standorten in der Innenstadt von
A-Stadt
haftender Gesellschafter war die
X
Beteiligung. Kommanditisten waren neben dem Kläger zu 1) mit einer Beteiligung von
47,1% Herr
B.
Beigeladene zu 2), Herr
C.
Beigeladene zu 1). An dem Gesellschaftsanteil von Herrn
C.
3), Frau
D.
E.
von Herrn
B.
zu 2), beerbt.
Der Kläger zu 1) hatte am 22.12.1972 mit der KG einen Vertrag geschlossen, der diese
unter anderem dazu verpflichtete, ihm nach Erreichen des Pensionsalters (65. Lebensjahr)
eine Invaliden- und Altersversorgung von 65% seiner monatlichen Bezüge zu gewähren
und an seine Ehefrau eine Witwenpension von 45% der zuletzt gezahlten Bezüge zu
zahlen. Der Kläger zu 1) ging 1991 in Pension. Zuletzt wurden monatlich 10.070,00 DM
gezahlt. Der versicherungsmathematische Barwert der Pensionsansprüche betrug unter
Berücksichtigung der Dynamisierung im Streitzeitraum 2.400.000,00 DM.
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Für die zu erwartenden Pensionsansprüche hatte die KG in ihren Bilanzen keine
Rückstellungen gebildet, da es sich um Altzusagen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1
Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch -- EGHGB -- handelte. Auch nach Eintritt des
Versorgungsfalles in 1991 unterblieb die Passivierung einer Pensionsverbindlichkeit.
In den Jahren 1994 und 1995 erwirtschaftete die Gesellschaft in allen Geschäftsbereichen
Verluste. Um die Auftragssituation zu verbessern und die Gewinnzone zu erreichen, waren
Investitionen im Druckereibereich erforderlich, die die Gesellschafter aufgrund des damit
verbundenen wirtschaftlichen Risikos und der bereits bestehenden Schuldenlast der
Gesellschaft nicht bereit waren, aufzubringen. Am 09.12.1995 wurde daher in einer
Gesellschafterversammlung beschlossen, aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und
zur Vermeidung zukünftiger Verluste die KG zu liquidieren. Ziel der Liquidation war es, die
im Grundbesitz der Gesellschaft ruhenden stillen Reserven zu realisieren und an die
Gesellschafter auszukehren. Anderenfalls hätte die Gefahr bestanden, dass diese stillen
Reserven bei andauernden Verluste im Laufe der folgenden Wirtschaftsjahre aufgezehrt
worden wären.
Im Rahmen der Liquidation wurden daher die im Betriebsvermögen befindlichen
Grundstücke und der Maschinenpark veräußert. Zuerst wurde in Erwägung gezogen, die
aus der Veräußerung erzielten Erlöse zwecks Sicherung der Pensionsansprüche in
Wertpapieren anzulegen. Der zu diesem Zeitpunkt 70 Jahre alte Kläger zu 1) hatte aber
Zweifel hinsichtlich einer sicheren und ertragbringenden Geldanlage durch die
Liquidationsgesellschafter und fürchtete eine Gefährdung seiner Pensionsansprüche durch
eine ungünstige Kapitalmarktentwicklung. Daher wurde am 21.01.1997 folgende
Vereinbarung getroffen:
"1. Gesellschaft und Gesellschafter erklären, dass ihnen keine Ansprüche gegen Herrn
G.
X
2. Von dem Liquidationsüberschuss der KG erhält Herr
G.
Höhe von DM 1.800.000, auszahlbar am 31.01.1997. Damit sind sämtliche
Rentenansprüche von Herrn
G.
(Anspruch auf eigene Rente einschließlich Anwartschaft auf Witwenrente)
3. Frau
H.
Höhe von DM 365.000, fällig am 31.01.1997. Damit sind sämtliche Rentenansprüche von
Frau
H.
In den Steuererklärungen der KG wurde der Abfindungsbetrag als Teil des auf den Kläger
zu 1) entfallenden begünstigten Veräußerungsgewinns aus der Liquidation angesetzt. Der
Beklagte -- das Finanzamt (FA) -- veranlagte erklärungsgemäß.
Vom 13.08.1998 bis zum 30.06.1999 fand bei der KG eine Betriebsprüfung statt. Bei der
Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns wurden die Abfindungsverbindlichkeiten durch
den Prüfer bei der KG nachträglich passiviert und der Gewinn aus der Betriebs-aufgabe
entsprechend um 2.165.000 DM gemindert. Der laufende Gewinn des Klägers zu 1)
minderte sich aufgrund seiner 47,1%-Beteiligung an der KG um 1.019.715 DM von 564.273
DM auf./. 455.442 DM. Gleichzeitig aktivierte der Prüfer in einer Sonderbilanz des Klägers
zu 1) einen Abfindungsanspruch in Höhe von 1.800.000 DM, so dass sich im Ergebnis der
dem Kläger zu 1) zuzurechnende laufende Gewinn auf 1.344.558 DM erhöhte. Daneben
verringerte der Prüfer den begünstigten Veräußerungsgewinn von 4.412.099 DM um die
Abfindungsverbindlichkeit von 1.800.000 DM auf 2.612.099 DM und addierte den der
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Beteiligung des Klägers zu 1) entsprechenden Betrag von 1.019.175 DM hinzu, so dass
sich unter Berücksichtigung von 14.918 DM Veräußerungskosten ein (geminderter)
Veräußerungsgewinn von 3.616.896 DM ergab. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird
auf den Betriebsprüfungsbericht vom 29.06.1999 (PGPl-Nr. 98/0381, Blatt 207 bis 209 der
BP-Handakte) verwiesen.
Der Beklagte folgte unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom
07.04.1994 IV R 56/92, BStBl II 1994, 740 mit geändertem Feststellungsbescheid vom
20.09.1999 der Auffassung der Betriebsprüfung. Am 19.10.1999 legte der Kläger zu 1)
Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ein, den der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 11.02.2000 als unbegründet zurückwies. Der Einspruch der
Klägerin zu 2) vom 19.10.1999 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.02.2000
zurückgewiesen.
Mit ihrer dagegen gerichteten Klage tragen die Kläger vor, das FA passiviere zu Unrecht
eine Abfindungsverbindlichkeit, obwohl die Kommanditgesellschaft nach Art. 28 Abs. 1
Satz 1 EGHGB von ihrem Passivierungswahlrecht dahingehend Gebrauch gemacht habe,
dass keine Bilanzierung erfolge. Daher dürfe auch in der Sonderbilanz des
Kommanditisten keine Aktivierung erfolgen. Auch sei das von der Betriebsprüfung
angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 07.04.1994 nicht auf den Fall anwendbar, da
vorliegend - anders als im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall - bereits seit 1991
laufend Pensionsleistungen erbracht worden seien und der Kläger zu 1) noch nicht
ausgeschieden sei. Darüber hinaus gehöre der aufgrund der Aktivierung entstandene
Gewinn zum begünstigten Veräußerungsgewinn und nicht zum laufenden Gewinn. Denn er
stehe in Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe. Da eine Abwicklung ohne Einigung über
die Pensionsansprüche aufgrund des Alters der Versorgungsberechtigten endlos gedauert
hätte, sei die Abfindung der Pensionsansprüche im Rahmen der Liquidation die einzig
sinnvolle Lösung gewesen. Darüber hinaus weist der Kläger zu 1) darauf hin, dass auf ihn
von den anderen Gesellschaftern erheblicher Druck ausgeübt worden sei, damit er sich mit
seinen Pensionsansprüchen bescheide. Er habe daher dem Druck der übrigen
Gesellschafter nachgegeben und sich auf die Abfindung seines Pensionsanspruchs
eingelassen.
Der Kläger zu 1) beantragt,
den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1996
dahingehend zu ändern, dass sich sein laufender Gewinn um 952.200 DM ermäßigt und
dass sich der mit dem halben Steuersatz zu belegende Veräußerungsgewinn um
denselben Betrag erhöht.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1996
dahingehend zu ändern, dass sich der mit dem halben Steuersatz zu belegende
Veräußerungsgewinn um 307.403 DM verringert.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags verweist der Beklagte auf seine
Einspruchsentscheidung. Im übrigen trägt er vor, dass es nicht nach Art. 28 Abs. 1 EGHGB
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um die Passivierung einer Pensionsrückstellung oder eines Pensionsanspruchs nach
Eintritt des Versorgungsfalls, sondern eines Abfindungsanspruchs gehe. Dieser
Abfindungsanspruch beruhe mit der Vereinbarung vom 21.01.1997 auf einer neuen
Rechtsgrundlage. Der Abfindungsanspruch sei als Verbindlichkeit der Gesellschaft zu
passivieren und als Forderung im Sonderbetriebsvermögen zu aktivieren. Der ermäßigte
Steuersatz sei auf den Gewinn in der Sonderbilanz nicht anwendbar, da die Abfindung für
einen Pensionsanspruch eine Sondervergütung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz
darstelle. Sondervergütungen gehörten aber immer zu den laufenden Einkünften.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Bilanzen
der KG in den Wirtschaftsjahren 1995 und 1996 sowie die Einspruchsentscheidungen vom
11.02.2000 und 16.02.2000 und den Bericht der Betriebsprüfung vom 29.06.1999 (PGPl-Nr.
98/0381, Blatt 202 bis 215 der BP-Handakte) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in
ihren Rechten. Es ist eine korrespondierende Bilanzierung der Abfindungsverbindlichkeit in
der Gesellschaftsbilanz und in der Sonderbilanz vorzunehmen. Der daraus folgende
Gewinn gehört zum laufenden und nicht zum begünstigten Gewinn. Auch liegt keine
Entschädigung nach § 24 Nr. 1 a EStG vor.
I. Bei der erhaltenen Abfindung zur Abgeltung von Pensionsansprüchen handelt es sich
nicht um einen nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG begünstigten
Teil des Veräußerungsgewinns, sondern die Abfindungsforderung von insgesamt
2.165.000 DM gehört als Sondervergütung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG
zum laufenden Gewinn.
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG gehören Vergütungen, die der
Gesellschafter einer Personengesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft
erhält, neben dem Gewinnanteil zu seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb. Vergütungen
sind alle Entgelte in Bar- und Sachwerten, gleichgültig ob fest oder gewinnabhängig,
einmalig oder laufend. Eine Pensionsanwartschaft, die ein Gesellschafter gegenüber
seiner Gesellschaft erworben hat, rechnet zu den Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des BFH vom
02.12.1997 VIII R 15/96, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1998, 482 m. w. N.). Gleiches gilt
für laufende Pensionszahlungen und eine Abfindung, die zur Abgeltung eines derartigen
Anspruchs gezahlt wird (vgl. Urteil des BFH vom 09.04.1997 I R 124/95, BStBl II 1997, 799;
BFH-Urteil vom 02.12.1997 VIII R 62/95, DStR 1998, 482; vom 11.12.1980 IV R 91/77,
BStBl II 1981, 422; Steinhauff, Neue Wirtschaftsbriefe -- NWB --, Fach 3, Seite 10656). Der
Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 11.12.1980 IV R 91/77, BStBl II 1981, 422
zwar ausgeführt, dass Sondervergütungen insoweit nicht vorliegen, als eine (durch
Umwandlung aus einer GmbH entstandene) Personengesellschaft Abfindungen für
Pensionsansprüche zahlt, die ihre Gesellschafter durch eine frühere Tätigkeit vor
Begründung des Gesellschaftsverhältnisses (für die GmbH) erworben haben. § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfasse nach der neueren Rechtsprechung des BFH Entgelte
nicht, die für solche Dienstleistungen geschuldet werden. Der vom Bundesfinanzhof
entschiedene Fall ist aber mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, da die
Abfindung dort für Ansprüche gezahlt wurde, die der Gesellschafter für seine Tätigkeit bei
der GmbH bezogen hatte.
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2. In der Sonderbilanz des Klägers zu 1) ist zu Recht der Abfindungsanspruch
gewinnerhöhend aktiviert worden. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bestimmt, dass die Vergütungen,
die ein Gesellschafter von der Personengesellschaft bezieht, den Gewinnanteilen als
Sonderbetriebseinnahmen hinzuzurechnen sind. Der Besteuerung der Gesellschafter ist
ein aus beiden Bestandteilen zusammengesetzter Gesamtgewinn der
Mitunternehmerschaft zugrunde zu legen. Der Gesamtgewinn wird in einer "Gesamtbilanz
der Mitunternehmerschaft" ermittelt (inzwischen ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil
des BFH vom 02.12.1997 VIII R 15/96, DStR 1998, 482; Schmidt, Einkommensteuergesetz,
21. Auflage, § 15, Rdnr. 401). Das geschieht für den Bereich der Sondervergütungen in der
Weise, dass die in der Steuerbilanz der Gesellschaft passivierte Verpflichtung zur Zahlung
einer Sondervergütung durch einen gleich hohen Aktivposten in der Sonderbilanz der
begünstigten oder aller Gesellschafter ausgeglichen wird (Urteil des BFH vom 02.12.1997
VIII R 15/96, DStR 1998, 482; vgl. dazu R 41 Abs. 8 Einkommensteuerrichtlinien -- EStR --
sowie Urteil des BFH vom 12.12.1995 VIII R 59/92, BStBl II 1996, 219, sowie - für laufende
Pensionszahlungen - Urteil des BFH vom 09.04.1997 I R 124/95, BStBl II 1997, 799, und -
für Pensionsanwartschaften - Urteil des BFH vom 16.12.1992 I R 105/91, BStBl II 1993,
792, und - für bereits entstandene Pensionsansprüche - Urteil des BFH vom 25.01.1994 VIII
B 111/93, BStBl II 1994, 455; vgl. auch Steinhauff, Neue Wirtschaftsbriefe -- NWB -- , Fach
3, Seite 10653). Dieser Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung ergibt sich
unmittelbar aus dem mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG verfolgten Zweck "die
Mitunternehmer einer Personengesellschaft dem Einzelunternehmer anzunähern, weil
dieser keine Verträge mit sich schließen kann" und das Ergebnis der Besteuerung
unabhängig davon zu machen, ob die Leistungen des Gesellschafters durch einen
Vorabgewinn oder durch eine besondere Vergütung abgegolten werden (Urteil des BFH
vom 02.12.1997 VIII R 15/96, DStR 1998, 482 m.w.N.). Die danach für den Bereich der
Sondervergütungen gebotene Gleichstellung des Mitunternehmers mit dem
Einzelunternehmer und der schuldrechtlichen mit der gesellschaftsrechtlichen
Leistungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter fordert zwingend eine zeit-
und betragskonforme Bilanzierung der Vergütungen als Aufwand in der Gesellschaftsbilanz
und als Ertrag in der Sonderbilanz ( vgl. Gosch, Die Steuerliche Betriebsprüfung --StBP--
1998, 138; Gschwendtner, Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1998, 777). Wird die
Sondervergütung ausbezahlt, liegt insoweit eine Entnahme im Sonderbereich vor.
3. Die Tatsache, dass es sich um eine Abfindung für eine betriebliche Versorgungsrente
handelt, steht der Aktivierung nicht entgegen. Kennzeichnend für eine betriebliche
Versorgungsrente ist, dass der Gedanke der Entlohnung für früher im Betrieb der
Personengesellschaft geleistete Dienste im Vordergrund steht. Ihr Rechtsgrund wird
überwiegend durch das betrieblich veranlasste Bestreben bestimmt, den
Rentenberechtigten zu versorgen, ihn insbesondere vor materieller Not zu schützen (Urteile
des BFH vom 02.12.1997 VIII R 11/96, BFH/NV 1998, 835 m.w.N.; vom 07.04.1994 IV R
56/92, BStBl II 1994, 740). Die Rentenverpflichtung für eine betriebliche
Versorgungsverpflichtung ist nicht zu passivieren, weil wirtschaftlich erst die zukünftigen
Erträge der Personengesellschaft belastet sind. Vielmehr mindern die laufenden
Zahlungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) das jeweilige Betriebsergebnis
(Schmidt-Heinicke, EStG, 20. Auflage, § 4, Rdnr. 90). Wird hingegen eine betriebliche
Versorgungsverpflichtung abgefunden, stellt die Abfindungsverpflichtung eine sofort zu
passivierende Verbindlichkeit dar. Denn in diesem Fall belasten die Zahlungen nicht die
Erträge zukünftiger Wirtschaftsjahre. Die Abfindungsverpflichtung ist vielmehr sofort fällig
und belastet den Gewinn des Jahres, in dem die Abfindung fällig und damit zu begleichen
ist.
4. Ob mit der Aktivierung der Abfindungsverpflichtung ein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1
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Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch -- EGHGB -- vorliegt, kann offen
bleiben. Der Streitfall betrifft sog. Altzusagen aus der Zeit vor dem 01.01.1987, für die nach
Handelsrecht noch ein Passivierungswahlrecht bestand. Dieses Wahlrecht gilt nach Art. 28
Abs. 1 Satz 1 EGHGB für laufende Pensionszahlungen oder eine Anwartschaft auf eine
Pension weiter. Es findet über R 41 Abs. 1 Satz 3 EStR auch in der Steuerbilanz
Anwendung. Selbst wenn auf die hier zu beurteilende Abfindungsverpflichtung die vom
Kläger zu 1) angeführte handelsrechtliche Regelung des Art. 28 EGHGB anwendbar wäre,
würde dies nicht zu einem steuerlichen Passivierungsverbot führen, da die Vorschrift
ausdrücklich ein Passivierungswahlrecht einräumt und abweichend von den sonstigen
Grundsätzen daraus in der Steuerbilanz kein Passivierungsverbot folgt.
Zudem erscheint zweifelhaft, ob sich das vom Kläger zu 1) angeführte
Passivierungswahlrecht auch auf fällige Abfindungsverbindlichkeiten erstreckt. Nach dem
insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 EGHGB erfasst die Vorschrift
Abfindungsverbindlichkeiten gerade nicht. Darüber hinaus liegt mit Abschluss der
Abfindungsvereinbarung eine fällige und durchsetzbare Abfindungsverbindlichkeit der
Gesellschaft vor, die nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG mit dem
Rückzahlungsbetrag anzusetzen ist. Die Abfindungsverpflichtung ist zivilrechtlich und
wirtschaftlich eine Schuld der Gesellschaft und muss deshalb entsprechend der
Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz auf der Ebene der Gesellschaft als
solche passiviert werden, §§ 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., § 266 Abs. 3 B 1 HGB, § 5 Abs. 1
EStG. Für Abfindungsverbindlichkeiten gilt nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB eine
Passivierungspflicht, die in der Steuerbilanz zu einem Passivierungsgebot führt. Daher
steht einer Passivierung auch das Nachholverbot nach § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht
entgegen.
II. Der Beklagte hat zu Recht die Abfindungszahlung als Sondervergütung dem laufenden
Gewinn und nicht dem begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 1, 2 i.V.m. § 16
Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG zugeordnet. Denn werden im zeitlichen Zusammenhang mit einer
Betriebsaufgabe Aufwendungen zur Beendigung von Schuldverhältnissen gemacht, die
den laufenden Gewinn belastet haben, so handelt es sich hierbei um keine den
Aufgabegewinn belastenden Betriebsausgaben.
1. Nach § 16 Abs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne,
die bei der Veräußerung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils erzielt werden. Als
Veräußerung gilt nach § 16 Abs. 3 EStG auch die Aufgabe des Betriebs oder
Mitunternehmeranteils. Als Aufgabegewinn wird vom Gesetz (§ 16 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1
EStG) der Betrag bezeichnet, um den der Veräußerungspreis und, soweit einzelne
Wirtschaftsgüter nicht mitveräußert werden, der gemeine Wert dieser Wirtschaftsgüter nach
Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Der Wert des
Betriebsvermögens ist für den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe nach § 5 EStG zu
ermitteln.
a. Nach allgemeiner Auffassung zählen zum begünstigten Veräußerungs- und
Aufgabegewinn nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 2, 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG alle Erträge, die im
unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe/Veräußerung des
Betriebes stehen. Im Aufgabegewinn sollen alle im Betriebsvermögen angesammelten
stillen Reserven erfasst (und begünstigt besteuert) werden. Für die Zuordnung zum
Aufgabegewinn ist maßgebend, ob der einzelne Geschäftsvorfall wirtschaftlich noch zum
einheitlichen Vorgang der Betriebsaufgabe gerechnet werden kann. Dabei ist auf den
Veranlassungszusammenhang abzustellen. Ein lediglich zeitlicher Zusammenhang reicht
nicht aus (Urteil des BFH vom 25.01.2000 VIII R 55/97, BStBl II 2000, 458; Schmidt-
Wacker, EStG, 21. Auflage, § 16, Rdnr. 340, 341; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar
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zum Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz, § 16 EStG, Rdnr. 262, 264;
Reiß in Kirchhof/Söhn, EStG, § 16 Rdnr. E 61). Denn der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift
den Zweck verfolgt, die Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen und aufgrund der
geballten Aufdeckung von stillen Reserven in einem Veranlagungszeitraum eine ermäßigte
Besteuerung zu gewähren (vgl. Urteil des BFH in BStBl II 2000, 458).
b. Vom Veräußerungsgewinn zu unterscheiden sind Gewinne aus laufenden Geschäften,
die in zeitlichem Zusammenhang mit dem begünstigten Vorgang entstanden sind. Denn die
zum normalen Geschäftsverkehr des Unternehmens zählenden Geschäftsvorfälle, die
tatsächlich oder wirtschaftlich nicht in Zusammenhang mit der Veräußerung stehen,
unterfallen nicht dem Aufgabegewinn, sondern zählen zu den laufenden, nicht
begünstigten Einkünften (Schmidt-Wacker, EStG, 21. Auflage, § 16, Rdnr. 342; H 139 Abs.
9 Einkommensteuerrichtlinien --EStR-- Stichwort "Abwicklungsgewinne"). So hat die
Rechtsprechung u.a. entschieden, dass bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des
Umlaufvermögens an den bisherigen Kundenkreis laufende Gewinne vorliegen, da die
bisherige Tätigkeit im wesentlichen unverändert fortgesetzt werde (Urteil des BFH vom
07.04.1989 III R 9/87, BStBl II 1989, 874). Gleiches gilt für Gewinne aus einem
Räumungsverkauf (Urteil des BFH vom 14.11.1990 X R 145/87, BFH/NV 1991, 373; vgl. H
139 Abs. 9 EStR Stichwort "Räumungsverkauf"), aus der Aufgabe eines gewerblichen
Grundstückshandels (Urteil des BFH vom 25.01.1995 X R 76-77/92, BStBl II 1995, 388)
und aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen (Urteil des BFH vom 25.07.2001 X R
55/97, BStBl II 2001, 809, Schmidt-Wacker, EStG, 21. Auflage, § 16 Rdnr. 342). Auch der
Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nach § 89b Handelsgesetzbuch zählt zum
laufenden Gewinn (Urteil des BFH vom 05.12.1968 IV R 270/66, BStBl II 1969, 196), selbst
wenn die Zahlung auf Grund der Beendigung eines Handelsvertretervertrages geleistet
wird und zeitlich mit der Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit zusammenfällt.
c. Macht der bisherige Inhaber eines Betriebs Aufwendungen zur Beendigung von
Schuldverhältnissen, die bisher dem laufenden Betrieb dienten, so handelt es sich um
keine den Aufgabegewinn belastenden Betriebsausgaben (Urteil des BFH vom 06.05.1982
IV R 56/79, BStBl II 1982, 691). Dies gilt zum Beispiel für Entschädigungen, die für
Abfindungen an ausscheidende Arbeitnehmer bezahlt werden (Herrmann/Heuer/Raupach,
Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, § 16 EStG, Anm. 152) oder für
Aufwendungen an einen Pächter, die geleistet werden, um den Pächter zur vorzeitigen
Aufgabe seines Pachtrechts zu bewegen (Urteil des BFH vom 06.05.1982 IV R 56/79,
BStBl II 1982, 691). In diesen Fällen ist zwar die Aufgabe des Betriebs oder
Mitunternehmeranteils der äußere Anlass für die Aufwendungen. Gleichwohl handelt es
sich um Ausgaben, die die Beendigung eines bisher den laufenden Gewinn
beeinflussenden Rechtsverhältnisses betreffen.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen unterfällt im vorliegenden Fall die Abfindung des
Klägers zu 1) für seine Pensionsansprüche nicht dem begünstigten Veräußerungsgewinn.
Der Kläger zu 1) bezog Leistungen einer betrieblichen Versorgungsrente. Zahlungen für
eine betriebliche Versorgungsrente stellen beim Rentenverpflichteten laufende
Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) dar. Eine Passivierung der Rentenverbindlichkeit
erfolgte aus diesem Grunde nicht. Einnahmen beim Rentenberechtigten stellen im Fall der
betrieblichen Versorgungsrente - im Falle des Ausscheidens aus der Gesellschaft -
nachträgliche Betriebseinnahmen nach §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 24 Nr. 2 EStG oder - bei
fortbestehendem Gesellschafterverhältnis - Sondervergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1
Nr. 2 2. Halbsatz EStG dar. Die Abfindung entsprechender Ansprüche muss daher wie die
einzelnen (Teil-) Zahlungen den laufenden Betriebsgewinn belasten.
Mit der Abfindung der Versorgungsrente wird auf Ebene der verpflichteten Gesellschaft kein
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Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt. Es wird keine
passivierte Verbindlichkeit aufgelöst. Es wird keine Zahlung für die Betriebsaufgabe oder
für die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens geleistet, sondern für
den Verzicht auf einen (zukünftigen) Gewinnanspruch. Bilanziell werden weder stille
Reserven noch stille Lasten realisiert, da die Rentenverbindlichkeit bei der verpflichteten
Gesellschaft nicht passiviert wurde. Sinn und Zweck der §§ 16, 34 EStG gehen aber
gerade dahin, die zusammengedrängte Aufdeckung von stillen Reserven steuerlich zu
begünstigen. Die Zahlung erfolgte jedoch nicht für die Aufgabe des Mitunternehmeranteils
und die darin enthaltenen stillen Reserven (dafür erhielt der Kläger zu 1) die restliche
Summe des erklärten Veräußerungsgewinns), sondern für den Verzicht auf das
Rentenverhältnis zwischen dem Kläger zu 1) und Personengesellschaft. Es ist daher nicht
gerechtfertigt, diese Zahlungen dem begünstigten Veräußerungsgewinn zu unterwerfen, da
diese bei Fortbestehen der Gesellschaft ebenso (nur zeitlich verteilt) angefallen wären.
3. Die vom Kläger zu 1) angeführte Tatsache, dass ohne eine Abfindung des
Pensionsanspruches die Liquidation nicht zeitnah hätte beendet werden können, führt zu
keinem anderen Ergebnis.
a. Zum einen hätte die Liquidation auch ohne die Einräumung des Abfindungsanspruchs
begonnen werden, sie hätte nur nicht beendet werden können. Auch wenn der Betrieb der
Gesellschaft eingestellt wird, so erbringt diese bei Zahlung keine Entschädigung für die
Aufgabe des Mitunternehmeranteils, sondern erbringt lediglich eine im Hinblick auf die
Lebensdauer des Rentenberechtigten abgezinste Leistung für eine Forderung aufgrund
eines Vertrages, der im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe aufgelöst wurde.
b. Zum anderen ist der steuerliche Begriff der Betriebsaufgabe nicht deckungsgleich mit der
Beendigung der handelsrechtlichen Liquidation (§§ 161 Abs. 2, 145ff HGB). Eine
Betriebsaufgabe setzt lediglich voraus (vgl. R 139 Abs. 2 EStR), dass alle wesentlichen
Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit und damit in einem einheitlichen Vorgang
entweder in das Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert
werden und damit der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu
bestehen aufhört. Der Abschluss der zivilrechtlichen Liquidation ist kein
Tatbestandsmerkmal der Verwirklichung einer Betriebsaufgabe und der Zeitpunkt der
Beendigung einer Betriebsaufgabe und der Zeitpunkt der Beendigung einer Liquidation
können durchaus auseinanderfallen. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass der
steuerliche Begriff der Betriebsaufgabe an die Veräußerung oder Überführung der
Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen innerhalb eines Zeitraums von 36 Monaten (vgl.
Urteil des BFH vom 26.04.2001 IV R 14/00, BStBl II 2001, 282; H 139 Abs. 2 EStR
Stichwort "Zeitraum für die Betriebsaufgabe") geknüpft ist, während das Handelsrecht eine
derartige zeitliche Begrenzung der Liquidation nicht vorsieht.
c. Diese Auffassung wird bestätigt durch die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 07.04.1994
IV R 56/92, BStBl II 1994, 740 und vom 15.11.1979 IV R 49/76, BStBl II 1980, 150. Dort
hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass Versorgungsleistungen aufgrund einer
Pensionszusage sowie Abfindungen für bestehende Pensionsverbindlichkeiten das
laufende Betriebsergebnis belasten, auch wenn im selben Jahr der Betrieb aufgegeben
wird. Auch in diesen Fällen wurde die Passivierung sachlich im Zusammenhang mit dem
laufenden Betrieb und nicht mit der Betriebsaufgabe gesehen. In dem Urteil vom
24.11.1982 I R 60/79, BStBl II 1983, 243 hat der Bundesfinanzhof zudem entschieden, dass
Ausgleichszahlungen an einen Handelsvertreter nach § 89b HGB auch dann zum
laufenden Gewinn gehören, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der
Aufgabe des Betriebs zusammenfällt. Denn Kennzeichen der Zahlung an den
Handelsvertreter ist, dass die Ausgleichszahlung nicht für die Aufgabe des Betriebs
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geleistet wird, sondern dass Grundlage des Anspruchs vielmehr die Auflösung des
Vertragsverhältnisses zwischen Vertreter und Unternehmen ist.
3. Der infolge der Aktivierung in der Sonderbilanz entstehende Gewinn ist dem Kläger zu 1)
zuzurechnen. Denn er - und nicht die anderen Gesellschafter - ist Inhaber des
Ausgleichsanspruchs, der bei Zahlung auch ausschließlich ihm zufließt.
a. Zwar ist im Fall der korrespondierenden Bilanzierung von Pensionszusagen streitig, ob
der anzusetzende Aktivposten vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen bei allen
Gesellschaftern (so Fischer, Finanzrundschau -- FR -- 1991, 157; Raupach, DStZ 1992,
692; Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, § 11 IV 3; Söffing, Betriebsberater -- BB -- 1999, 66;
Paus, FR 99, 121) anteilig nach ihrer Beteiligungsquote oder nur in der Sonderbilanz des
durch die Pensionszusage begünstigten Gläubigers anzusetzen ist (so Schmidt, EStG, 21.
Auflage, § 15, Rdnr. 586; Patt/Rasche, Der Betrieb -- DB -- 1993, 2400; Gosch, StBP 1998,
138; Sender, BB 1991, 242; Ebenroth/Willburger, BB 1992, 1043; Gschwendtner, DStZ
1998, 777). Der Bundesfinanzhof hat die Frage bisher offengelassen (Urteil des BFH vom
28.06.2001 IV R 41/00, BStBl II 2002, 725; vom 02.12.1997 VIII R 15/96, DStR 1998, 482;
vom 16.12.1992 I R 105/91, BStBl II 1993, 792).
b. Die Frage kann auch vorliegend offen bleiben, da es letztlich nicht um die Verteilung
eines Gewinns aufgrund der Auflösung eines Passivpostens aus dem
Gesamthandsbereich der Mitunternehmerschaft geht, sondern um den Gewinn aufgrund
der Aktivierung einer Forderung im Sonderbereich, der dem betroffenen Gesellschafter
nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG als Sondervergütung zuzurechnen ist.
Sondervergütungen sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG dem Gewinnanteil
desjenigen Gesellschafters zuzurechnen, der sie erhalten hat. Eine derartige Zurechnung
entspricht regelmäßig auch der Interessenlage der Gesellschafter, die von der
Abfindungszahlung an einen Gesellschafter selbst nicht profitieren.
III. Die Zahlung der Abfindung stellt nach §§ 34 Abs. 2 Nr. 2, 24 Nr. 1 a EStG auch keine
tarifbegünstigte Entschädigung als Ersatz für entgangene oder zukünftig entgehende
Gewinne des Klägers zu 1) dar. Dabei kann offen bleiben, ob mit der Vereinbarung vom
21.01.1997 eine neue Rechts- oder Billigkeitsgrundlage geschaffen wird. Denn es fehlt
nach Auffassung des Gerichts an dem für den Abschluss der Vereinbarung erforderlichen
wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck.
1. Nach § 34 Abs. 1 EStG in der in den Streitjahren 1996 und 1997 geltenden Fassung ist
in Fällen, in denen im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind, die darauf
entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Als
außerordentliche Einkünfte in diesem Sinne gelten nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG auch
Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG. Hierunter fallen insbesondere Entschädigungen,
die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden (§ 24 Nr. 1
Buchst. a EStG). Entschädigungen i.S.d. vorgenannten Vorschriften sind Zuwendungen,
die einen Schaden ausgleichen sollen, den ein Steuerpflichtiger durch den Wegfall von
Einnahmen erleidet (vgl. Urteil des BFH vom 22.01.1988 VI R 135/84, BStBl II 1988, 525). §
24 EStG erfasst jedoch solche Einnahmen nicht, die im Rahmen der üblichen auf
Einkunftserzielung gerichteten Tätigkeit anfallen. Eine Entschädigung für entgangene
Einnahmen in diesem Sinne setzt deshalb einen außergewöhnlichen Vorgang voraus, der
sich nicht im Rahmen des für die jeweilige Einkunftsart typischen Geschehensablaufs hält.
Ein außergewöhnlicher Vorgang im vorbezeichneten Sinne ist auch bei Mitwirkung des
Steuerpflichtigen bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis nicht ausgeschlossen,
wenn er dabei unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder
tatsächlichen Druck gestanden hat (BFH-Beschluss vom 11.03.1996 IV B 55/95, BFH/NV
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1996, 737; BFH-Urteile vom 05.10.1989 IV R 126/85, BStBl II 1990, 155; vom 15.12.1989
VI R 4/85, BFH/NV 1990, 429). Diesem Erfordernis liegt die Überlegung zugrunde, dass die
Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nur in den Fällen gerechtfertigt ist,
in denen sich der Steuerpflichtige in einer Zwangssituation befindet und sich dem
zusammengeballten Zufluss der Einnahmen nicht entziehen kann. Keinesfalls aber darf der
Steuerpflichtige das schadenstiftende Ereignis, im Streitfall die Aufgabe einer vertraglich
gesicherten Position, aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (BFH-Urteil vom 18.
September 1991 XI R 8/90, BStBl II 1992, 34 m. w. N.).
2. Die Liquidation eines Unternehmens führt im Regelfall dazu, dass auf Veranlassung
oder Druck des Unternehmens bestehende Arbeitsverhältnisse aufgelöst und
Versorgungszusagen abgelöst werden. Ist der anlässlich der Liquidation abgefundene
Pensionär allerdings zugleich Gesellschafter, so liegt es nicht fern, dass er die
Ursachenkette für die Ablösung seines Pensionsanspruchs freiwillig in Gang gesetzt hat.
Es bedarf deshalb der näheren Prüfung, ob aufgrund der wirtschaftlichen Situation der
Gesellschaft ein Zwang zu deren Liquidation bestand. Dieser kann im Allgemeinen bejaht
werden, wenn auch ein verständiger und gewissenhafter gesellschaftsfremder
Unternehmer im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft die Liquidation
beschlossen hätte (vgl. Urteil des BFH vom 04.09.2002 XI R 53/01, BFH/NV 2003, 242).
Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen, insbesondere sind neben der
Vermögenslage und der Liquidität der Gesellschaft auch deren Auftragslage und die
Marktsituation zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch zu
prüfen, ob die Fortführung der Gesellschaft zum Zweck der bloßen Erfüllung der
Pensionsverpflichtung von einem fremden Dritten zur Vermeidung der Abfindungszahlung
bevorzugt worden wäre.
3. Im Streitfall ist nach Überzeugung des Senats vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen
Lage der Gesellschaft im Streitjahr ein derartiger Druck oder Zwang zur Liquidation zu
verneinen. Der Senat mag jedenfalls eine Zwangssituation, die einen verständigen und
gewissenhaften gesellschaftsfremden Unternehmer dazu veranlassen hätte können und
müssen, die Liquidation zu beschließen mit der Folge, dass dem Kläger zu 1) keine andere
Möglichkeit blieb, als in die Zahlung der Abfindung einzuwilligen, nicht zu erkennen. Zwar
ist dem Kläger zu 1) durchaus einzuräumen, dass die Entscheidung zur Liquidation nicht
zuletzt aus heutiger Sicht als wirtschaftlich vernünftig zu werten ist. Abgesehen davon, dass
maßgebend insoweit nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Liquidationsbeschlusses sein
können, ist jedoch eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung nicht mit einer Entscheidung
unter Zwang gleichzusetzen.
a. Nach Überzeugung des Gerichts fehlt es im Streitfall bereits an einem erheblichen Druck
oder Zwang zur Liquidation der Gesellschaft. Die Gesellschaft verfügte ausweislich der
Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1995 über erhebliche stille Reserven und war ohne weiteres
in der Lage, den Geschäftsbetrieb auch in der Zukunft noch für einige Jahre fortzuführen.
So überstiegen die vorhandenen stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten um
ein Vielfaches. Dies zeigt sich daran, dass die Liquidation - auch nach Begleichen der
Abfindungsverbindlichkeiten - einen erheblichen Gewinn erbrachte und die Gesellschaft
bei Fortführung der Geschäftstätigkeit auch bei weiterer negativer Geschäftsentwicklung
kurz-, aber auch mittelfristig nicht in ernstliche Liquiditätsschwierigkeiten geraten wäre. Es
wurden zudem Erwägungen zur Verbesserung der Auftragssituation, zur Anpassung des
Druckereibereichs an die Marktsituation und zur Sanierung und Rückführung der
Gesellschaft in die Gewinnzone sowie zur Vermietung von im Betriebsvermögen
befindlichen Immobilien gemacht. Diese Umstellungen des Geschäftsbetriebs wurden
jedoch von den Gesellschaftern unter maßgeblicher Mitwirkung des Klägers zu 1)
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zugunsten einer Liquidation der Gesellschaft abgelehnt. Entscheidendes Motiv für die
Liquidation der Gesellschaft waren daher nach Auffassung des Senats nicht die
wirtschaftlichen Schwierigkeiten der KG, sondern der (verständliche) Wunsch des Klägers
zu 1) und der übrigen Gesellschafter, die stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen
baldmöglichst zu realisieren und bestehende wirtschaftliche Risiken aufgrund der
Marktentwicklung im Druckereibereich für die Zukunft auszuschließen. Der Wunsch, die
stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen zu realisieren und die Unwägbarkeiten in der
künftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens auszuschließen, führt aber nicht
bereits dazu, dass auch ein verständiger und gewissenhafter gesellschaftsfremder
Unternehmer im Hinblick auf die hier vorliegende wirtschaftliche Situation der Gesellschaft
die sofortige Liquidation beschlossen hätte.
b. Nach Auffassung des Senats darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass die
Liquidationsgesellschafter zuerst eine Fortzahlung der Leistungen an den Kläger zu 1) aus
Vermögenserträgen und damit eine Fortführung der Gesellschaft in Erwägung gezogen
haben. Zu der Abfindung des Klägers zu 1) kam es nach Auffassung des Senats vor allem
deshalb, weil dieser die Sicherung seiner Pensionsansprüche selbst in die Hand nehmen
und die Risiken einer Kapitalanlage durch die übrigen Liquidationsgesellschafter
ausschließen wollte. Ein Druck der übrigen Gesellschafter auf den Kläger zu 1), in die
Abfindung seiner Pensionsansprüche einzuwilligen, ist - insbesondere unter
Berücksichtigung seiner 47,1%-Beteiligung und der damit erforderlichen einheitlichen
Willensbildung der anderen (Liquidations-) Gesellschafter - nicht zu erkennen. Vielmehr
war für die Abfindung der Wunsch des Klägers zu 1) maßgebend, seine Pensionssicherung
in Eigenverantwortung regeln und einen Schlussstrich unter seine Mitgliedschaft in der
Gesellschaft zu ziehen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und § 139 Abs. 4
Finanzgerichtsordnung. Eine Kostenerstattung für die Beigeladenen entspräche nicht der
Billigkeit, da sie mangels eigener Anträge kein Kostenrisiko getragen haben (vgl. hierzu
Gräber/Ruban, FGO, Kommentar, 5. Aufl., § 139 Rdnr. 34 mit weiteren Nachweisen)
V. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es bislang an einer
höchstrichterlichen Entscheidung zur Behandlung von Abfindungszahlungen für
Pensionsansprüche von Mitunternehmern anlässlich der Liquidation einer
Personengesellschaft fehlt.