Urteil des FG Düsseldorf vom 08.04.2010

FG Düsseldorf (abzug von schuldzinsen, sinn und zweck der norm, gewinn, entnahme, finanzierung, begründung, ermittlung, konzern, höhe, privatsphäre)

Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 3720/08 F
Datum:
08.04.2010
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 3720/08 F
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Anwendung des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes – EStG – im
Konzern.
2
Die Klägerin, eine im Bereich der Glas- und Gebäudereinigungsdienstleistungen tätige
GmbH & Co. KG, ist Teil des B-Konzerns. An der Spitze des Konzerns steht die B-
Holding AG, die mittelbar über verschiedene Personengesellschaften zu 100 % an der
Klägerin beteiligt ist. Komplementärgesellschaft der Klägerin ist die C-
Gebäudereinigung Beteiligungs GmbH, Kommanditistin mit einer Beteiligung von 100 %
die C-Gebäudereinigung D GmbH & Co. KG. Nach der gesellschaftsvertraglichen
Gewinnverteilungsabrede der Klägerin erhält die Komplementärin eine
Haftungsvergütung, während der verbleibende Gewinn der Kommanditistin zusteht. Die
Kommanditistin entnimmt ihren (handelsrechtlichen) Gewinnanteil jeweils in dem auf
das Wirtschaftsjahr folgenden Jahr in voller Höhe.
3
Die Klägerin nimmt am Cash-Pool-System des B-Konzerns teil, für das die C-Service
Holding GmbH & Co. KG als zentrale Finanzierungsgesellschaft dient. Das Cash-Pool-
System funktioniert dergestalt, dass am Tagesende auf dem Kontokorrentkonto der
Klägerin bestehende Guthaben zur Muttergesellschaft umgebucht und Schuldsalden
von der Muttergesellschaft ausgeglichen werden. Zum Tagesende besteht gegenüber
der Bank weder eine Forderung noch eine Verbindlichkeit der Klägerin, solche
bestehen ersatzweise gegenüber dem Konzern. Für die Übernahme der Banksalden
werden übliche Zinsen berechnet. Die Besicherung des Kreditrahmens erfolgt
einheitlich durch die Obergesellschaft gegenüber der Bank. Über dieses
4
Finanzierungssystem werden auch Jahresüberschüsse der Klägerin an ihre
Kommanditistin abgeführt bzw. Fehlbeträge von dieser ausgeglichen.
Im Jahr 2005 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E-Stadt eine
Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 bei der Klägerin durch und ermittelte nicht
abzugsfähige Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in folgender Höhe:
5
2000
2001
2002
2003
Steuerbilanzgewinn
344.306
DM
368.260
DM
365.232
EUR
492.444
EUR
Ergänzungsbilanz-ergebnis
-560.470
DM
-560.470
DM
-286.563
EUR
-286.563
EUR
Außerbilanzielle Korrekturen
5.086 DM 163.972
DM
2.437
EUR
2.283
EUR
= Gewinn vor § 4 Abs. 4a EStG
-211.078
DM
-28.238
DM
81.106
EUR
208.164
EUR
Einlagen und Entnahmen (keine
Einlagen getätigt)
-326.757
DM
-343.460
DM
-188.652
EUR
-365.138
EUR
(Positiver) Gewinn laufendes
Wirtschaftsjahr
-
-
81.106
EUR
208.164
EUR
= Zwischensumme 1
-326.757
DM
-343.460
DM
-107.546
EUR
-156.974
EUR
Laufender Verlust (max. positive
Zwischensumme 1)
-
-
-
-
= Über-/Unterentnahme laufendes
Wirtschaftsjahr
-326.757
DM
-343.460
DM
-107.546
EUR
-156.974
EUR
Verbleibende Unterentnahmen Vorjahr -
-
-
-
= Zwischensumme 2
-326.757
DM
-343.460
DM
-107.546
EUR
-156.974
EUR
Verbleibende Überentnahmen Vorjahr -722.608
DM
-1.049.365
DM
-712.140
EUR
-819.686
EUR
= Verbleibende Über-/
Unterentnahmen
-1.049.365
DM
-1.392.825
DM
-819.686
EUR
-976.660
EUR
Davon 6 %
62.962
DM
83.570
DM
49.181
EUR
58.600
EUR
Schuldzinsen
28.706
DM
19.564
DM
7.003
EUR
11.533
EUR
Sockelbetrag
4.000 DM 4.000 DM 2.050
EUR
2.050
EUR
Höchstbetrag
24.706
DM
15.564
DM
4.953
EUR
9.483
EUR
6
Hinzurechnungsbetrag
24.706
DM
15.564
DM
4.953
EUR
9.483
EUR
Zur Begründung führte die Betriebsprüfung aus, bei mehrstöckigen
Personengesellschaften sei auf den Gewinn der jeweiligen Gesellschaft abzustellen,
jedoch blieben festgestellte Gewinn- bzw. Verlustanteile aus im Betriebsvermögen
gehaltenen Beteiligungen an Mitunternehmerschaften unberücksichtigt. Erst
Auszahlungen aus Gewinnanteilen zwischen den verbundenen Unternehmen seien wie
Entnahmen oder Einlagen zu behandeln. Die erwirtschafteten Gewinne laut Bilanz
würden vorliegend im Folgejahr in voller Höhe entnommen. Ergänzungsbilanzverluste
blieben dabei unberücksichtigt, wodurch Überentnahmen entstünden. Diese seien
gesellschaftsbezogen zu ermitteln. Aufgrund der gesellschaftsbezogenen
Betrachtungsweise seien die Beteiligungsverhältnisse innerhalb des Konzerns sowie
die an der Konzernspitze stehende Kapitalgesellschaft nicht von Bedeutung. Auf Tz. 2.6
des Betriebsprüfungsberichts vom 23. Oktober 2006 sowie Anlage 7 zum Bericht wird
Bezug genommen.
7
Auf der Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung erließ das beklagte
Finanzamt am 1. bzw. 14. Juni 2007 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO –
geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für
die Jahre 2000 bis 2003 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2000 bis 2003. Zugleich änderte der Beklagte
mit Bescheiden vom 1. bzw. 10. August 2007 die Bescheide über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren
Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für das Jahr 2006 sowie die gesonderte Feststellung
des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2006 und berücksichtigte
nicht abzugsfähige Schuldzinsen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG i.H.v. 11.502 EUR. Der
Betrag ergab sich durch Minderung der als Betriebsausgaben gebuchten Schuldzinsen
i.H.v. 13.552 EUR (Konto 2081 "Zinsaufwand Konzern") um den Sockelbetrag von
2.050 EUR.
8
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin rechtzeitig Einspruch ein und machte
geltend, dass die Auszahlung des Jahresüberschusses nach dem Gesetzeswortlaut
zwar eine Barentnahme im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG darstelle, jedoch zu
berücksichtigen sei, ob durch die Entnahme ein negatives Kapitalkonto entstanden sei
oder lediglich ein aus Vorjahresgewinnen und Einlagen aufgebautes Kapitalkonto
verringert werde. Entstehe durch die Entnahme kein negatives Kapitalkonto, ergebe sich
keine Überentnahme. Des Weiteren sei fraglich, ob Kapitalgesellschaften als mittelbare
oder unmittelbare Gesellschafter von Personengesellschaften überhaupt Entnahmen
tätigen könnten, da sie über keine Privatsphäre verfügten. Der Ergebnisausgleich im
Konzern werde von der Zielsetzung der gesetzlichen Regelung nicht erfasst.
9
Mit per einfachem Brief bekannt gegebener Einspruchsentscheidung vom 22. August
2008 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte
er aus, im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG sei auf den Gewinn des jeweiligen Betriebs
abzustellen, so dass Gewinn- oder Verlustanteile aus Beteiligungen an
Personengesellschaften unberücksichtigt blieben. Erst Auszahlungen aus
Gewinnanteilen zwischen verbundenen Unternehmen seien wie Entnahmen oder
10
Einlagen zu behandeln. Die Begriffsbestimmungen des § 4 Abs. 1 EStG hätten
Gültigkeit. Ausgangswert bei einer Mitunternehmerschaft sei der unter Einbeziehung
etwaiger Ergänzungs- und Sonderbilanzen ermittelte Gewinn (Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 17. November 2005, BStBl I 2005,
1019, Tz. 8; vom 7. Mai 2008, BStBl I 2008, 588, Tz. 30). Daran habe sich durch das
Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. März 2007 (IV R 72/02, BFHE 217, 514,
BStBl II 2008, 420), wonach die Schuldzinsenhinzurechnung bei
Mitunternehmerschaften gesellschafterbezogen zu bestimmen sei, nichts geändert.
Dementsprechend fielen Überentnahmen auch dann an, wenn ein Beteiligter im Bereich
seiner Ergänzungs- oder Sonderbilanz einen Verlust erwirtschafte und lediglich den ihm
nach handelsrechtlichen Vorschriften zustehenden Gewinnanteil aus der Handelsbilanz
entnehme. Schließlich sei der Schuldzinsenabzug nicht erst dann zu beschränken,
wenn durch Entnahmen ein negatives Kapitalkonto entstehe. Nach dem Wortlaut des
Gesetzes sei allein entscheidend, dass durch Entnahmen für außerbetriebliche Zwecke
Überentnahmen entstünden. Die Entnahme müsse nicht zwingend in die Privatsphäre
fließen. Entnahmen seien begrifflich ein Abfluss aus dem Betriebsvermögen ohne
betriebliche Ursache (betriebsbezogene Betrachtungsweise).
Die Klägerin hat am 24. September 2008 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, § 4
Abs. 4a EStG gelange im Streitfall nicht zur Anwendung. Die Zahlungen der Klägerin an
ihre Kommanditistin zum Ausgleich des Jahresergebnisses stellten keine Entnahmen im
Sinne des § 4 Abs. 4a EStG dar. Maßgebend sei, ob durch die Entnahme ein negatives
Kapitalkonto entstanden sei oder lediglich ein aus Vorjahresgewinnen und Einlagen
aufgebautes positives Kapitalkonto verringert werde (Beschluss des FG Düsseldorf vom
16. Juli 2001 15 V 1887/01, EFG 2001, 1269; bestätigt durch BFH-Beschluss vom 6.
Februar 2002 VIII B 82/01, BFH/NV 2002, 647). Die Einbeziehung der
Kapitalkontenentwicklung ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes (Heinicke, in:
Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 529). Entstehe durch die Entnahme kein
negatives Kapitalkonto, ergäbe sich keine Überentnahme, da lediglich bisher nicht
ausgezahlte Jahresüberschüsse oder vorher erbrachte Einlagen entnommen würden.
11
Für die Kapitalkontenbetrachtung sei auf das steuerliche Gesamtkapital abzustellen,
demnach seien vorhandene Ergänzungsbilanzen einzubeziehen. Verluste führten für
sich gesehen jedoch nicht zu einer Überentnahme (Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28.
Aufl. 2009, § 4 Rn. 526), sie minderten lediglich im Wirtschaftsjahr getätigte Einlagen.
Seien diese aufgebraucht, erfolge eine Verrechnung erst in zukünftigen
Wirtschaftsjahren mit vorhandenen Unterentnahmen.
12
Die von der Klägerin getätigten Entnahmen beträfen ausschließlich das
handelsrechtliche Jahresergebnis. Darüber hinaus seien keine Entnahmen getätigt
worden. Die von dem Beklagten ermittelten Überentnahmen seien im Wesentlichen
durch die Ergänzungsbilanzverluste entstanden. Durch Saldierung der Gewinne mit
Entnahmen ergäben sich keine Überentnahmen. Im Hinblick auf die
Ergänzungsbilanzverluste sei zu bedenken, dass die Ergänzungsbilanz allein der
korrekten Kaufpreisdarstellung diene. Die Kommanditistin finanziere ihren
Kommanditanteil über die Absetzung für Abnutzung – AfA – auf den Firmenwert.
Folglich seien die Ergänzungsbilanzwerte als Ganzes den Investitionen zuzurechnen
und damit nicht von den Beschränkungen für gemischtgenutzte Konten betroffen. § 4
Abs. 4a Satz 5 EStG sei entsprechend anzuwenden. Demnach könnten durch
Ergänzungsbilanzverluste keine Überentnahmen entstehen.
13
Weiterhin verfügten Kapitalgesellschaften nicht über eine Privatsphäre (BFH-Urteil vom
4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123). Dementsprechend könne eine
Kapitalgesellschaft als mittelbare oder unmittelbare Gesellschafterin von
Personengesellschaften keine Entnahme für die Privatsphäre vornehmen. § 4 Abs. 4a
EStG sehe keine Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen als
Gesellschaftern vor. Die Gesetzesbegründung beziehe sich indes auf Entnahmen für
private Mittel. Vor diesem Hintergrund könne der Ergebnisabfluss innerhalb des
Konzerns nicht von § 4 Abs. 4a EStG betroffen sein, denn es finde kein Mittelabfluss für
private Zwecke statt. Die Mittelabführung diene der Finanzierung des Konzerns und sei
somit betrieblich veranlasst.
14
§ 4 Abs. 4a EStG stelle eine Missbrauchsvermeidungsnorm dar. Vorliegend sei aber
kein wie auch immer gearteter Missbrauch ersichtlich. Daher sei § 4 Abs. 4a EStG
einschränkend auszulegen. Auf das BFH-Urteil vom 7. Oktober 2009 (II R 58/08, BFHE
226, 404) werde verwiesen.
15
Die Finanzierung im Cash-Pool-System müsse zudem aus steuerlichen Gründen – zur
Vermeidung verdeckter Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des
Körperschaftsteuergesetzes – KStG –) – zu fremdüblichen Bedingungen und damit
verzinslich erfolgen. Diese Situation sei mit der Konstellation der Darlehensgewährung
von der Obergesellschaft an die Untergesellschaft vergleichbar. Zinsen seien von der
Obergesellschaft zu versteuern und bei der Untergesellschaft abzugsfähig.
16
Der Gesetzgeber habe durch die Einführung des § 4 Abs. 4a EStG lediglich Zwei- oder
Mehrkontenmodelle verhindern wollen. Dies lasse der Beklagte außer acht, wenn er
ausschließlich auf die Definition der Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG abstelle. Eine
Verlagerung privat veranlasster Schuldzinsen in die betriebliche Sphäre finde im Fall
der Klägerin nicht statt, vielmehr erfolge lediglich ein Finanzierungsausgleich zwischen
Ober- und Untergesellschaft und umgekehrt. Die Entnahme der Jahresergebnisse durch
die Kommanditistin hätte auch durch Darlehensvergaben erfolgen können mit dem
Ergebnis, dass der Klägerin Zinseinnahmen zuzurechnen wären und die
Kommanditistin Zinsaufwendungen geltend machen könnte. Die Finanzierung durch
das Cash-Pooling-System sei dem Grunde nach auf dieses Korrespondenzprinzip der
Darlehensvergabe ausgerichtet.
17
Durch die Konzernfinanzierung erfolge letztlich keine Verlagerung von Geldmitteln in
die private Sphäre. Die Mittel blieben immer im Betriebsvermögen einer Personen- oder
Kapitalgesellschaft. Die Weitergabe der Geldmittel aus den Personengesellschaften an
konzernaußenstehende Personen erfolge nur durch Gewinnausschüttungen der B-
Holding AG, für die es keine Einschränkungen im Schuldzinsenabzug gebe. Ob sich die
Differenzierung zwischen Entnahmen aus einer Personengesellschaft und
Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit
von Schuldzinsen als gerechtfertigt erweise, sei fraglich; eine Verletzung von Art. 3 Abs.
1 des Grundgesetzes – GG – sei zu befürchten (Herzig/Dinkelbach, BB 1999, 1136,
1140).
18
Unter Hinweis auf Herzig/Dinkelbach (BB 1999, 1136, 1140/1141) führt die Klägerin
schließlich aus, es sei zu berücksichtigen, dass für die Zuordnung der Mittelverwendung
nicht allein auf die Liquidität als Posten der Aktivseite der Bilanz abzustellen sei, da
diese betriebswirtschaftlich in keiner Beziehung zu der Art der Finanzierung auf der
Passivseite stehe. Es sei daher nicht möglich, eine bestimmte Ausgabe oder eine
19
Position der Aktivseite einer bestimmten Finanzierung über die Passivseite zuzuordnen.
Es könne nicht eindeutig festgelegt werden, ob liquide Mittel durch Eigenkapital oder
Fremdkapital finanziert würden. Folglich könne die Abgrenzung des
Schuldzinsenabzugs nicht vom Vorhandensein liquider Mittel abhängig sein. Der
Gesetzgeber wie auch der BFH (Urteil vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7,
BStBl II 1998, 193) setze Liquidität gleich mit Eigenkapital. Dies unterstelle eine
Verknüpfung von Mittelherkunft und Mittelverwendung. Diese stehe allerdings im
Widerspruch zur Irrelevanz der Finanzierung und sei mit dem Grundsatz der
Finanzierungsfreiheit, den der Gesetzgeber in seiner Begründung grundsätzlich
anerkannt habe, nicht vereinbar.
Die Klägerin beantragt,
20
die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4
EStG für die Jahre 2000 bis 2003 und 2006 vom 1. Juni bzw. 1. August 2007 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. August 2008 dahingehend
abzuändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v.
21
-211.077,57 DM, davon 2.500 DM auf die Komplementärin und -213.577,57 DM
auf die Kommanditistin entfallend (2000),
22
-27.238,04 DM, davon 2.542,58 DM auf die Komplementärin und -29.780,62 DM
auf die Kommanditistin entfallend (2001),
23
81.105,86 EUR, davon 1.300 EUR auf die Komplementärin und 79.805,66 EUR
auf die Kommanditistin entfallend (2002),
24
208.164,33 EUR, davon 1.300 EUR auf die Komplementärin und 206.864,33
EUR auf die Kommanditistin entfallend (2003) bzw.
25
-95.687,21 EUR, davon 1.300 EUR auf die Komplementärin und -96.987 EUR
auf die Kommanditistin entfallend (2006),
26
berücksichtigt werden,
27
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2000 bis 2003 und 2006 vom 14. Juni
bzw. 10. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. August 2008
dahingehend abzuändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust mit
28
3.888.385,00 DM (2000),
29
3.915.623,00 DM (2001),
30
1.920.920,00 EUR (2002),
31
1.712.756,00 EUR (2003) bzw.
32
1.059.795,00 EUR (2006)
33
festgestellt wird,
34
hilfsweise, die Revision zuzulassen sowie
35
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
36
Der Beklagte beantragt,
37
die Klage abzuweisen.
38
Zur Begründung nimmt er auf seine Einspruchsentscheidung vom 22. August 2008
Bezug.
39
Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug
genommen.
40
Entscheidungsgründe:
41
Die Klage ist unbegründet.
42
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat
den Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) bzw. ihren Gewerbeertrag
(§ 7 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG –) dem Grunde und der Höhe nach zu
Recht um nichtabzugsfähige Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG erhöht.
43
Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn
Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die
Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres
übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden
typisiert mit 6 v.H. der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der
Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die
in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die
Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der
Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe des § 4 Abs.
4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG bzw. §
4 Abs. 4a Satz 4 EStG in der im Streitjahr 2000 gültigen Fassung). Der sich dabei
ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 EUR (bis Veranlagungszeitraum
2001: 4.000 DM) verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen
(sog. Sockelbetrag oder Mindestabzug), ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a
Satz 4 EStG bzw. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG in der im Streitjahr 2000 gültigen Fassung).
Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder
Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4
Abs. 4a Satz 5 EStG bzw. § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG in der im Streitjahr 2000 gültigen
Fassung).
44
Die Beschränkung des § 4 Abs. 4a EStG ist auch bei Personengesellschaften zu
beachten (vgl. Schallmoser, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Rn. 1041). In
diesem Fall ist die Schuldzinsenhinzurechnung gesellschafterbezogen zu bestimmen,
45
wobei der Sockelbetrag (4.000 DM bzw. 2.050 EUR) den Gesellschaftern nur nach
Maßgabe ihrer Anteile an den Schuldzinsen der Mitunternehmerschaft zusteht (BFH-
Urteil vom 29. März 2007 IV R 72/02, BFHE 217, 514, BStBl II 2008, 420). Im Fall von
Schwester-Personengesellschaften sowie doppelstöckigen Personengesellschaften ist
§ 4 Abs. 4a EStG für jede Personengesellschaft gesondert zu prüfen (vgl. Wacker, in:
Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15 Rn. 430).
1. In Anwendung der zuvor dargestellten Grundsätze ergeben sich in den Streitjahren
die nachfolgend aufgeführten Überentnahmen (vgl. zur Berechnung Heinicke, in:
Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 531):
46
2000
2001
2002
Entnahmen laufendes Wirtschaftsjahr
326.757
DM
343.460
DM
188.652
EUR
Abzgl. Einlagen laufendes Wirtschaftsjahr, soweit nicht
durch Verluste verbraucht
0 DM
0 DM
0 EUR
= Zwischenergebnis
326.757
DM
343.460
DM
188.652
EUR
Abzgl. Gewinn laufendes Wirtschaftsjahr
-
-
81.106
EUR
= Vorläufige Überentnahmen laufendes Wirtschaftsjahr 326.757
DM
343.460
DM
107.546
EUR
Abzgl. kumulierte Unterentnahmen Vorjahresende
-
-
-
Zzgl. kumulierte Überentnahmen Vorjahresende
722.608
DM
1.049.365
DM
712.140
EUR
= Bemessungsgrundlage für Hinzurechnung
1.049.365
DM
1.392.825
DM
819.686
EUR
47
2003
2006
Entnahmen laufendes Wirtschaftsjahr
365.138
EUR
610.550
EUR
Abzgl. Einlagen laufendes Wirtschaftsjahr, soweit nicht durch
Verluste verbraucht
0 EUR
0 EUR
= Zwischenergebnis
365.138
EUR
610.550
EUR
Abzgl. Gewinn laufendes Wirtschaftsjahr
208.164
EUR
-
= Vorläufige Überentnahmen laufendes Wirtschaftsjahr
156.974
EUR
610.550
EUR
Abzgl. kumulierte Unterentnahmen Vorjahresende
-
-
Zzgl. kumulierte Überentnahmen Vorjahresende
819.686
1.404.393
48
EUR
EUR
= Bemessungsgrundlage für Hinzurechnung
976.660
EUR
2.014.943
EUR
a) Die bei der Ermittlung der Überentnahmen berücksichtigten Entnahmen der C-
Gebäudereinigung D GmbH & Co. KG, die aus der jeweiligen Entnahme des
(handelsrechtlichen) Gewinns in dem der Gewinnentstehung folgenden Jahr resultieren,
stellen Entnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG dar.
49
aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter
(Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der
Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde
Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Diese Definition ist auch im
Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG maßgebend, da mangels besonderer
Bestimmung in dieser Vorschrift der allgemeine Gewinnbegriff – und damit auch
Entnahmebegriff – des § 4 Abs. 1 EStG gilt (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 44/04,
BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588). Die Entnahme des (handelsrechtlichen)
Gewinnanteils der Kommanditistin ist als Entnahme im vorgenannten Sinne anzusehen.
Der Vorgang stellt sich als Entnahme liquider Mittel für betriebsfremde Zwecke dar.
Insofern ist nämlich auf den Einzelbetrieb abzustellen (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG,
28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 524). Dementsprechend sind Zahlungen auf den Gewinnanteil
bei verbundenen Unternehmen wie Entnahmen zu behandeln (ebenso BMF-Schreiben
vom 17. November 2005, BStBl I 2005, 1019, Tz. 8). Aus der Perspektive der Klägerin
stellt die Verwendung des Gewinnanteils für Zwecke ihrer Kommanditistin eine
Verwendung für betriebsfremde Zwecke dar.
50
bb) Dem Entnahmecharakter der Zahlungen steht nicht entgegen, dass die
entnommenen Beträge im B-Konzern verblieben und damit letztlich der – mittelbar an
der Klägerin beteiligten – B-Holding AG, die als Kapitalgesellschaft keine
außerbetriebliche Sphäre besitzt (vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95,
BFHE 182, 123; vom 22. August 2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961 zur
Rechtslage unter Geltung des sog. Halbeinkünfteverfahrens), zugeflossen sind. Ebenso
wenig ist von Bedeutung, dass es mangels Beteiligung natürlicher Personen an den
Konzerngesellschaften nicht zu einem Abfluss der Mittel in die Privatsphäre eines
Gesellschafters kommen konnte. Auch Kapitalgesellschaften als Gesellschafter von
Personengesellschaften fallen in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG
(Schallmoser, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Rn. 1042). Eine
konzernbezogene Betrachtungsweise sieht § 4 Abs. 4a EStG nicht vor.
51
cc) Der Senat kann sich der Auffassung der Klägerin, der Entnahmebegriff des § 4
Abs. 4a EStG sei teleologisch zu reduzieren, nicht anschließen. Zwar ist ihr zuzugeben,
dass der vorliegende Sachverhalt kaum dem entsprechen dürfte, den der Gesetzgeber
bei der Einfügung des § 4 Abs. 4a EStG vor Augen gehabt hat. Die Vorschrift sollte sich
– zumindest in der ursprünglichen Fassung des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 – StEntlG 1999/2000/2002 – vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) –
gegen die BFH-Rechtsprechung zum Zwei- bzw. Dreikontenmodell (BFH-Urteil vom 8.
Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) richten und die
missbräuchliche Verlagerung von Schuldzinsen vom privaten in den betrieblichen
52
Bereich verhindern (vgl. die Begründung zum Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002, BT-
Drucks. 14/23, S. 169, 14/265, S. 170 sowie 14/443, S. 21; dagegen ohne amtliche
Begründung die Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG durch das Gesetz zur Bereinigung
von steuerlichen Vorschriften – StBereinG 1999 – vom 22. Dezember 1999, BGBl I
1999, 2601; vgl. die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks.
14/2380, sowie den Beschluss des Vermittlungsausschusses, BR-Drucks. 731/99; dazu
Heinicke, in: Schmidt, EStG, 19. Aufl. 2000, § 4 Rn. 522; Söffing, BB 2008, 417, 419). Im
Streitfall ist kein irgendwie gearteter Missbrauch ersichtlich. Die angefallenen
Schuldzinsen stehen nicht in einem wirtschaftlichen Verursachungszusammenhang mit
privat veranlassten Aufwendungen. Der Anlass der gesetzlichen Neuregelung, die
missbräuchliche Ausnutzung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit
einzuschränken, hat jedoch im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Der Gesetzgeber
hat eine – überschießende – gesetzliche Fiktion des Inhalts aufgestellt, dass die
Fremdfinanzierung von Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG grundsätzlich
nicht betrieblich veranlasst ist. Dabei greift die Vorschrift auf den in § 4 Abs. 1 Satz 2
EStG legaldefinierten Begriff der Entnahme zurück und stellt nicht auf einzelne
Privatvorgänge ab (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 522 und
535). Im Hinblick auf diese gesetzgeberische Typisierung hält der Senat eine
teleologische Einschränkung des Entnahmebegriffs für ausgeschlossen. Sie würde dem
Wortlaut der Regelung in § 4 Abs.4a EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG
widersprechen. Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Klägerin ins Feld geführte
BFH-Rechtsprechung zur einschränkenden Auslegung von
Missbrauchsvermeidungsnormen in Fällen, in denen die objektive Möglichkeit einer
Steuerumgehung ausscheidet (BFH-Urteil vom 7. Oktober 2009 II R 58/08, BFHE 226,
404), auf den Streitfall nicht übertragbar.
b) Bei der Ermittlung des Gewinns des laufenden Wirtschaftsjahres ist der
Gesamthandsbilanzgewinn mit dem Ergänzungsbilanzverlust zu saldieren.
53
aa) Nach dem BFH-Urteil vom 29. März 2007 (IV R 72/02, BFHE 217, 514, BStBl II
2008, 420) sind bei der Bestimmung der Überentnahmen sowohl Veränderungen der
Ergänzungsbilanzen als auch die im Sonderbetriebsvermögen erzielten Gewinne und
die diesen Vermögensbereich betreffenden Einlagen und Entnahmen zu
berücksichtigen. Maßgeblich ist somit der steuerliche Gesamtgewinn der
Mitunternehmerschaft unter Einschluss des Gesamthandsvermögens sowie von
Ergänzungs- und Sonderbilanzen (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 72/02, BFHE
217, 514, BStBl II 2008, 420; BMF-Schreiben vom 17. November 2005, BStBl I 2005,
1019, Tz. 30; vom 7. Mai 2008, BStBl I 2008, 588, Tz. 30). Der Senat schließt sich dieser
Rechtsprechung an. Der Gewinn des laufenden Jahres ist unter Einbeziehung des
Ergänzungsbilanzverlustes zu ermitteln. Die Ergänzungsbilanzverluste haben bewirkt,
dass in den Streitjahren 2000, 2001 und 2006 (Verlustjahre) keine Gewinne verblieben
sind, die zum Ausgleich der Entnahmen des laufenden Wirtschaftsjahres herangezogen
werden konnten. In den Streitjahren 2002 und 2003 (Gewinnjahre) haben sie das
Saldierungspotential der Gesamthandsbilanzgewinne vermindert. Dies ist indes die
zwangsläufige Konsequenz der Einbeziehung sämtlicher steuerlicher
Vermögensbereiche.
54
Entgegen der Auffassung der Klägerin hält der Senat die Außerachtlassung der
Ergänzungsbilanzverluste bei der Ermittlung der Überentnahmen auch nicht im Hinblick
auf eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für geboten. Nach
dieser Vorschrift bleibt der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von
55
Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens
von § 4 Abs. 4a EStG unberührt. Zwar fallen Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit
der Finanzierung von Mitunternehmeranteilen (im Sonderbetriebsvermögen) anfallen,
insoweit unter die Ausnahme des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG, als sie anteilig auf
Anlagevermögen entfallen (sog. Bruchteilsbetrachtung, vgl. Senatsbeschluss vom 23.
Juni 2009 11 V 1839/09, EFG 2009, 1817; BMF vom 7. Mai 2008, BStBl I 2008, 588, Tz.
32c; Wacker, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 15 Rn. 430). Denn nach allgemeinen
Grundsätzen kommt der Beteiligung an einer Personengesellschaft
einkommensteuerlich keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.
Juni 1985 IV R 36/83, BFHE 144, 230, BStBl II 1985, 654). Der
Personengesellschaftsanteil ist steuerrechtlich kein Wirtschaftsgut, er verkörpert
vielmehr die Summe aller Anteile an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden
Wirtschaftsgütern (BFH-Beschluss vom 25. Februar 1981 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl
II 1991, 691). Dementsprechend ist auch für Zwecke der Anwendung des § 4 Abs. 4a
Satz 5 EStG auf die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter
abzustellen. Allerdings führt dies allein dazu, dass entsprechende (im Sonderbereich
angefallene) Schuldzinsen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG
fallen, nicht hingegen dazu, dass Ergänzungsbilanzverluste, die aus der Abschreibung
des Firmenwerts resultieren, bei der Ermittlung des maßgeblichen Gewinns außen vor
zu lassen sind.
bb) Wenngleich das Gesetz im Hinblick auf die Berücksichtigung von Verlusten nicht
eindeutig ist, geht die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 17. November 2005,
BStBl I 2005, 1019, Tz. 11 bis 15) ebenso wie eine gewichtige Literaturmeinung (vgl.
Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 526; Ley, KÖSDI 2006, 15277,
15279) davon aus, dass Verluste isoliert gesehen – d.h. ohne Entnahmen bzw. über die
Entnahmen hinaus oder bei übersteigenden Einlagen – keine Überentnahmen
begründen (vgl. dazu auch das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. Januar 2009
11 K 4248/08, EFG 2009, 737, Rev. unter X R 12/09). Darüber hinaus sollen Verluste
jedoch als negative Gewinne eigenkapitalmindernd zu berücksichtigen sein, d.h. sie
sollen zunächst im Verlustjahr etwaige Einlagen nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG mindern.
Wirken sie sich auf diese Weise nicht aus, sollen sie nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG
vorrangig mit Unterentnahmen vergangener Veranlagungszeiträume zu verrechnen
sein. Dann noch verbleibende Verluste seien für die Verrechnung mit Unterentnahmen
zukünftiger Veranlagungszeiträume formlos fortzuschreiben. Der Senat schließt sich
dieser Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG an; sie wird dem Sinn und Zweck der Norm, der
BFH-Rechtsprechung zum Zwei- oder Mehrkontenmodell entgegenzutreten und den
Grundsatz der Finanzierungsfreiheit einzuschränken (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. März
2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588), gerecht. Sie führt indes im Streitfall
nicht dazu, dass über die getätigten Entnahmen hinaus im jeweils laufenden
Wirtschaftsjahr Überentnahmen durch Verluste begründet worden sind. Mangels
Einlagen und Unterentnahmen in vorangegangenen oder nachfolgenden
Veranlagungszeiträumen haben sich die Verluste auch sonst nicht ausgewirkt. Eine
Beschwer der Klägerin ist damit nicht zu erkennen.
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c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG
nicht unmittelbar von Bedeutung, ob durch die Entnahmen ein negatives Kapitalkonto
entstanden ist oder ob sich lediglich ein aus Vorjahresgewinnen und Einlagen
aufgebautes positives Kapitalkonto verringert hat. Die Eigenkapitalentwicklung wird nur
insoweit in die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags einbezogen, als der Gesetzgeber
durch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage um die Kapitalentwicklungsvorgänge
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in den Vorjahren (§ 4 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 1 EStG) das durch § 4 Abs. 4a EStG a.F.
entfallene freie Finanzierungswahlrecht des Unternehmers in einem begrenzten Umfang
wieder hergestellt hat. Eine weitergehende Berücksichtigung der
Kapitalkontenentwicklung ist weder gesetzlich vorgesehen noch geboten.
2. Die als nicht abzugsfähig behandelten Schuldzinsen fallen in den
Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG. Schuldzinsen sind begrifflich alle laufenden
und einmaligen Gegenleistungen in Geld oder Geldeswert für die zeitlich begrenzte
Überlassung von Fremdkapital (BFH-Urteil vom 6. Juli 1973 VI R 379/70, BFHE 110,
336, BStBl II 1973, 868). Die als "Zinsaufwand Konzern" gebuchten Beträge stellen
Schuldzinsen in diesem Sinne dar. Es handelt sich um das Entgelt, dass die Klägerin für
den Ausgleich bestehender Schuldsalden an eine Konzerngesellschaft zu entrichten
hat. Das Cash-Pool-System bewirkt eine zeitlich begrenzte Überlassung von
Fremdkapital, soweit auf dem Konto der Klägerin Schuldsalden entstehen. Auch in
dieser Hinsicht scheidet eine konzernbezogene Betrachtungsweise aus. Dass die
Verzinsung allein aus steuerlichen Gründen – zur Vermeidung verdeckter
Gewinnausschüttungen – erfolgt, ist ohne Bedeutung.
58
3. Die um den Sockelbetrag von 4.000 DM bzw. 2.050 EUR geminderten, in den
jeweiligen Wirtschaftsjahren angefallenen Schuldzinsen unterschreiten den typisierten
Hinzurechnungsbetrag von 6 % der verbleibenden Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a Satz 3
Halbsatz 1 EStG). Daher sind die Hinzurechnungen gemäß § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG auf
die um den Sockelbetrag geminderten Schuldzinsen begrenzt. Der Sockelbetrag i.H.v.
4.000 DM bzw. 2.050 EUR ist im Hinblick auf die 100 %-ige vermögensmäßige
Beteiligung der Kommanditistin an der Klägerin in vollem Umfang zu gewähren.
Demnach ergeben sich nicht abzugsfähige Schuldzinsen in folgender Höhe:
59
2000
24.706 DM
2001
15.564 DM
2002
4.953 EUR
2003
9.483 EUR
2006
11.502 EUR
60
4. Der Senat hat – entgegen der Klägerin – keine ernstlichen Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom
17. März 2010 11 K 2426/08, noch nicht veröffentlicht). Er hält insbesondere die
Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften, die daraus resultiert,
dass Kapitalgesellschaften betriebliche Geschäfte unabhängig von einer
Eigenkapitalminderung durch Ausschüttungen für Privatzwecke der Gesellschafter
steuerwirksam fremdfinanzieren können, wohingegen Personengesellschaften unter § 4
Abs. 4a EStG fallen (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 535;
Herzig/Dinkelbach, BB 1999, 1136, 1140), letztlich für verfassungsrechtlich
unbedenklich. Der sachliche Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung besteht
in den verschiedenen Besteuerungssystemen für Personengesellschaften
(Transparenzprinzip) und Kapitalgesellschaften (Trennungsprinzip) und den damit
einhergehenden unterschiedlichen Regelungen des Schuldzinsenabzugs. Auch unter
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dem Blickwinkel des Nettoprinzips ist die Vorschrift verfassungsrechtlich unbedenklich
(BFH-Urteil vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; a.A. Schallmoser, in:
Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Rn. 1037).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur
Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.
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