Urteil des FG Düsseldorf vom 08.06.2005

FG Düsseldorf: geschäftsführer, einspruch, abgabenordnung, ermessensausübung, auskunft, erstellung, daten, aussageverweigerungsrecht, steuerpflichtiger, verzicht

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 5781/03 AO
Datum:
08.06.2005
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 5781/03 AO
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens
Tatbestand
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Am 22.5.2002 ordnete der Beklagte gem. § 193 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) beim
Geschäftsführer der Klägerin eine steuerliche Betriebsprüfung wegen Einkommen- und
Umsatzsteuer 1998 bis 1999 an. Am selben Tag ordnete der Beklagte eine steuerliche
Betriebsprüfung bei der Klägerin wegen Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und
Gewerbesteuer jeweils für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 an. Den
Anordnungen lag ein Auftrag des Finanzamts Z vom 5.9.2001 zugrunde.
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Der Klägerin legte gegen die Anordnung im Hinblick auf die berufliche
Verschwiegenheitspflicht und das sich daraus ableitende Auskunftsverweigerungsrecht
Einspruch ein. Sie bat um eine schriftliche, verbindliche Bestätigung seitens der
Betriebsprüfung, dass diese keine Kopien und Kontrollmitteilungen fertigen werde.
Solange eine solche Zusage nicht vorliege, halte sie die Durchführung der
Betriebsprüfung für unzulässig.
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Der Beklagte entschied im Tenor der Einspruchsentscheidungen vom 2.10.2003:
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"In Ergänzung der Prüfungsanordnung vom 22.5.2002 wird zur Begründung der
Prüfungsanordnung angeführt, dass hierdurch Reibungen zwischen dem an sich
zuständigen Finanzamt Z und den Mitgliedern der Steuerberatungspraxis bei der
Vertretung von Steuerpflichtigen vermieden werden sollen."
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Im übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück.
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Die Klägerin hat am 23.10.2003 Klage erhoben mit der sie vorträgt:
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Im Geltungsbereich des Einführungserlasses zur Abgabenordnung (AO) vom 24.9.1987
sei zu § 194 AO unter Ziffer 4 eine Selbstverpflichtung der Finanzverwaltung geregelt
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gewesen, wonach die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen zu unterbleiben habe, um
dem Auskunftsverweigerungsrecht des Steuerpflichtigen genüge zu tun. Das
Finanzgericht Münster habe in einer Entscheidung vom 13.4.2002 unter Hinweis auf
diese Selbstbeschränkung der Verwaltung entschieden, dass der
Berufsgeheimnisträger die Durchführung der Betriebsprüfung dulden müsse. Im neuen
Einführungserlass und der Betriebsprüfungsordnung sei die Selbstbindung ersatzlos
gestrichen worden. Danach stünde es im Ermessen des Betriebsprüfers, ob er
Kontrollmitteilungen fertige oder nicht. Dies sei mit der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes (BFH) zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts des
Steuerberaters nicht zu vereinbaren.
Die Klägerin beantragt,
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die Prüfungsanordnung vom 22.5.2002 aufzuheben,
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hilfsweise
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die Finanzverwaltung zu verpflichten, die Betriebsprüfung unter
Beachtung der beruflichen Verschwiegenheitspflicht der Klägerin
durchzuführen,
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weiter
hilfsweise
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die Revision zuzulassen
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor:
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Die Selbstbindung aus § 8 Abs. 1 S. 2 BpO 1987, wonach bei Steuerpflichtigen, denen
ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO zustehe, keine Kontrollmitteilungen zu
fertigen seien, sei aufgegeben worden. Nunmehr sei es in den Grenzen, in denen es
anlässlich der Betriebsprüfung anderer Steuerpflichtiger zulässig sei,
Kontrollmitteilungen zu fertigen, auch bei den Auskunftsverweigerungsberechtigten
möglich. Die Klägerin werde hier nicht als Dritte um Auskunft ersucht, sondern wie jeder
andere Stpfl. einer Betriebsprüfung unterzogen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag unbegründet.
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Die Anordnung der Betriebsprüfung vom 22.5.2002 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
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Die Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO, wonach bei der Klägerin grundsätzlich eine
Betriebsprüfung angeordnet werden kann, liegen vor. Der Anordnung steht nicht
entgegen, dass der Geschäftsführer und die Angestellten der Klägerin im Verhältnis zu
ihren Mandanten zu einer besonderen Berufsverschwiegenheit verpflichtet sind und
ihnen ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 AO zusteht.
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ihnen ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 AO zusteht.
Dass Betriebsprüfungen auch bei zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten
Steuerpflichtigen durchgeführt werden können, entspricht ständiger Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofes (BFH; vgl. BFH-Beschluss vom 27. November 1996 IV B 5/96,
BFH/NV 1997, 274; BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 IX R 31/00, BStBl. II 2002, 712), der
sich der Senat anschließt. Dies gilt auch nach Aufhebung des im AO-
Anwendungserlasses vom 24. September 1987 zu § 194 unter Nr. 4 Satz 2 und in der
BpO unter § 8 Abs. 1 Satz 2 geregelten generellen Verzichts der Finanzverwaltung auf
Kontrollmitteilungen bei solchen Steuerpflichtigen. Insoweit handelte es sich lediglich
um eine Selbstbindung der Finanzverwaltung, die eine Ermessensausübung im
Einzelfall entbehrlich machte. Nach Aufhebung dieser generellen Selbstbindung ist die
Finanzverwaltung in jedem Einzelfall gehalten, das Auskunftsverweigerungsrecht des §
102 FGO zu wahren und in die Ermessenserwägungen bei der Erstellung von
Kontrollmitteilungen einzubeziehen. Auch nach dem generellen Verzicht auf die
Fertigung von Kontrollmitteilungen ist die Finanzverwaltung nicht frei in ihrer
Entscheidung, ob und wenn ja in welchem Umfang Kontrollmitteilungen gefertigt
werden.
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Der Hilfsantrag, der ersichtlich darauf gerichtet ist, den Beklagten zu verpflichten, im
Vorfeld der Prüfung auf Kontrollmitteilungen zu verzichten, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Denn die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte vor Beginn der
Prüfung erklärt, er werde generell keine Kontrollmitteilungen fertigen. Es fehlt insoweit
an einer Beschwer, denn zum jetzigen Zeitpunkt steht noch nicht fest, ob überhaupt
Kontrollmitteilungen gefertigt werden. Diese Ermessensentscheidung ist dem jeweiligen
Einzelfall vorbehalten und kann jeweils gesondert einer außergerichtlichen oder
gerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Ob z. B. die Vorlage von Unterlagen von den
Vorschriften zum Schutz bestimmter Berufsgeheimnisse erfasst ist (ggf. Schwärzung
personenbezogener Daten oder Herstellung von Aktenauszügen, Zusammenstellungen
und Nachweisen über dem Aussageverweigerungsrecht unterliegende Tatsachen und
Vorgänge, vgl. BFH-Beschluß vom 21. April 1995 VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954)
oder die Fertigung von Kontrollmitteilungen dem Auskunftsverweigerungsrecht
entgegensteht, kann sie in jedem Einzelfall durch das jeweils statthafte Rechtmittel
überprüfen lassen, ggf. auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl.
Tipke/Kruse, § 194 Tz. 33 ff.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus
keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und die Revision ist nicht zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts
erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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