Urteil des FG Düsseldorf vom 24.10.2002

FG Düsseldorf: die post, einspruch, arbeitslohn, einkünfte, anerkennung, buchführung, gefahr, vollmacht, gehalt, auszahlung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 2985/00 E
24.10.2002
Finanzgericht Düsseldorf
11. Senat
Urteil
11 K 2985/00 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtstreites.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob ein zwischen dem Kläger und der Klägerin vereinbartes Arbeitsverhältnis
tatsächlich durchgeführt wurde.
Der Kläger ist selbständiger Architekt.
Auf Grund von Prüfungsanordnungen vom 25.04.1995, 16.08.1995 und 11.10.1995 wurde
bei ihm eine Betriebsprüfung u. a. für die Einkommensteuer 1984 bis 1993 durchgeführt.
Bei dieser Betriebsprüfung wurde u. a. festgestellt, dass in der Buchführung des Klägers für
die Jahre 1990 bis 1992 folgende Beträge als Aushilfslohn für die Klägerin gebucht waren:
1990
5.650 DM
1991
5.280 DM
1992
6.000 DM.
Den monatlichen Aushilfslohnzahlungen entsprechende Geldabhebungen vom
betrieblichen Girokonto konnte der Betriebsprüfer nicht feststellen. Festgestellt wurde, dass
von der Klägerin monatlich größere Geldbeträge (4.000 - 6.000 DM) bar vom Girokonto des
Architekturbüros abgehoben wurden. Diese Beträge wurden von ihr, je nach
Verwendungszweck, als Kasseneingang, als laufende Privatentnahmen oder als ihre
Arbeitsvergütung im Journal eingetragen. Unter Berufung auf das BFH-Urteil vom
20.04.1989 IV R 81/85, BStBl. II 1989, 655 vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass
dem Arbeitsverhältnis die steuerliche Anerkennung zu versagen und der Gewinn
entsprechend zu erhöhen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellung des
Betriebsprüfers wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 28.06.1999 Bezug genommen.
Auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung änderte der Beklagte den unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1990 vom
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08.05.1992 und setzte durch Änderungsbescheid vom 20.07.1999 die Einkommensteuer
auf 16.200 DM fest. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens
berücksichtigte der Beklagte u. a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers, die um
den geltend gemachten Aushilfslohn der Klägerin erhöht wurden. Auch bei der Änderung
der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheide 1991
und 1992 durch Änderungsbescheide vom 09.01.1997 berücksichtigte der Beklagte
Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers, die um den geltend gemachten
Aushilfslohn für die Klägerin erhöht wurden.
Gegen alle Steuerbescheide legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Wegen der
Einzelheiten der Einspruchsschreiben wird auf diese Bezug genommen. Am 27.12.1999
änderte der Beklagte die angefochtenen Bescheide für 1991 und 1992 aus Gründen, die
mit dem Klageverfahren nichts zu tun haben. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.04.2000
wurden Einsprüche beider Kläger als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kläger haben am 12.05.2000 Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage berufen sich die Kläger darauf, dass die Klägerin ständig im
Betrieb des Klägers mitgearbeitet habe. Grundlage für diese Mitarbeit sei ein am
06.11.1985 abgeschlossener und am 03.01.1986 geänderter Arbeitsvertrag gewesen. Aus
diesem dem Senat in Kopie vorliegendem Arbeitsvertrag ergibt sich u. a., dass die Klägerin
für das Architekturbüro des Klägers als Bürohilfe für Schreibarbeiten, Buchführung,
Bauabrechnungen usw. tätig sein sollte. Für ein monatliches Gehalt von 400 DM sollte die
Klägerin eine wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden erbringen. Im Rahmen dieses
Arbeitsvolumens sollten auch örtliche Aufmaße auf Baustellen, Lichtpausen-Besorgungen,
Behördenwege usw. ausgeführt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Arbeitsvertrages wird auf Blatt 40 und 72 der FG-Akte Bezug genommen.
Die Kläger behaupten, dass die Klägerin auf Grundlage des Arbeitsvertrages sämtlichen
Schriftverkehr des Architekturbüros erledigt habe, Angebote und Auftragserteilungen
zusammengestellt und geprüft, eigenverantwortlich alle Handwerkerrechnungen mit
eigenständiger Maßaufnahme auf den Baustellen geprüft, Baugenehmigungsanträge
zusammengestellt und geschrieben sowie die gesamte Buchführung, die Aktenablage, die
Archivierung und die Post bearbeitet habe.
Ferner behaupten die Kläger, dass die Klägerin, um Bankgebühren zu vermeiden, im
Namen und mit Vollmacht des Klägers zu jedem Monatsanfang einen Geldbetrag i. H. v. ca.
4.000 DM in bar vom Geschäftskonto des Architekturbüros abgehoben habe. Hiervon habe
der Kläger selbst und teilweise auch die Klägerin Verbindlichkeiten gegenüber Dritten
sowie den Arbeitslohn der Klägerin bezahlt. Die monatlichen Lohnzahlungen seien von der
Klägerin ordnungsgemäß quittiert worden. Zusätzlich sei die Auszahlung des
Arbeitsentgeltes im Journal als Arbeitsvergütung eingetragen worden, so dass durch
Quittung und Journaleintrag nachgewiesen worden sei, dass das Arbeitsentgeld die
betriebliche Sphäre des Klägers verlassen und in die private Sphäre der Klägerin
übergegangen sei.
Die Kläger sind der Ansicht, dass auch unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom
20.04.1989 a. a. O. das Arbeitsverhältnis anzuerkennen sei. Denn die maßgebenden
Voraussetzungen, dass ein entsprechender Zahlungswille des Arbeitgeberehegatten
vorhanden gewesen sei, dass dieser Zahlungswille erkennbar realisiert wurde und dass
ein entsprechender Gehaltzahlungsvorgang identifizierbar sei, lägen im Streitfall vor. Im
Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass Rechtsprechung und Finanzverwaltung
zumindest an die Grenzen der Artikel 3 und 6 Grundgesetz stoßen, wenn sie den Klägern
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Formvorschriften und Nachweise aufbürden, die unter fremden Dritten nicht üblich seien.
Die Kläger beantragen,
1.) den Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 20.07.1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11.04.2000 insoweit zu ändern, als die Einkünfte des
Klägers aus selbständiger Arbeit um 5.650 DM vermindert werden,
2.) den Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 27.12.1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11.04.2000 insoweit zu ändern, als die Einkünfte des
Klägers aus selbständiger Arbeit um 5.280 DM vermindert werden,
3.) den Einkommensteuerbescheid für 1992 vom 27.12.1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11.04.2000 insoweit zu ändern, als die Einkünfte des
Klägers aus selbständiger Arbeit um 6.000 DM verringert werden,
4.) die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären,
5.) hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
1.) die Klage als unbegründet abzuweisen.
2.) hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte darauf, dass vom Bundesfinanzhof
mit Urteil vom 20.04.1989 a. a. O. in einem vergleichbaren Fall entschieden worden sei,
dass das Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten nicht anzuerkennen sei. Die Entscheidung
des BFH behandle den Fall, dass wie im Streitfall Gehaltszahlungen nicht feststellbar seien
und somit die Beträge nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien, obwohl sie
quittiert und im Journal als Lohnzahlungen gekennzeichnet worden seien. Diese BFH-
Entscheidung sei durch die neuere Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von
Verträgen zwischen Angehörigen nicht überholt, da ohne feststellbare Lohnzahlung kein
Abzug von Betriebsausgaben möglich sei.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klage der Klägerin ist schon deshalb unbegründet, weil sie gegen die streitigen
Einkommensteuerbescheide keine Einsprüche eingelegt hat. Aus den
Einspruchsschreiben des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass er auch im Namen der
Klägerin Einspruch einlegen wollte. Nach ständiger Rechtsprechung des Senates ist ein
Einspruch eines Ehegatten nur dann als Einspruch beider Eheleute auszulegen, wenn ein
Einspruchsschreiben irgendwelche Anhaltspunkte dafür enthält, dass der Einspruch auch
im Namen des anderen Ehegatten eingelegt werden sollte. Die Einspruchsschreiben des
Klägers vom 24.01.1997 und 03.08.1999 enthalten derartige Anhaltspunkte jedoch nicht. Im
Briefkopf ist nur der Kläger aufgeführt, er hat auch nur die Einspruchsschreiben
unterzeichnet und auch aus dem Text der Einspruchsschreiben lässt sich nicht entnehmen,
dass auch im Namen der Kläger Einspruch erhoben werden sollte.
Im Übrigen ist die Klage der Klägerin ebenso wie die Klage des Klägers auch deshalb
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unbegründet, weil die von den Klägern geltendgemachten Lohnzahlungen keine
Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit sind.
Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG die Aufwendungen, die durch den Betrieb
veranlasst sind. Dies ist bei Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen
mitarbeitenden Angehörigen der Fall, wenn dieser auf Grund eines Arbeitsvertrages
beschäftigt wird, die vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen erbringt und der
Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung,
erfüllt. Angesichts des bei Angehörigen vielfach fehlenden Interessengegensatzes und der
daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten muss sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehung und die
auf ihr beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen und nicht dem privaten
Bereich zuzurechnen sind. Dazu bedarf es einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen
Umstände. Indizmerkmal für die Zuordnung der Vertragsbeziehung zum betrieblichen
Bereich ist insbesondere, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner
tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist. Geringfügige
Abweichungen einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen sowohl bezüglich des
Vertragsinhalts als auch bezüglich der Vertragsdurchführung müssen für sich allein nicht
stets zur steuerlichen Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. BFH-Urteil
vom 21.01.1999 IV R 15/98, BFH/NV 1999, 919 m. w. N. aus der Rspr. des BFH und des
BVerfG.
Im Streitfall entspricht die tatsächliche Durchführung des Arbeitsvertrages nicht dem, was
zwischen Fremden üblich ist. Denn es steht weder zur Überzeugung des Senates fest,
dass der Kläger den Willen hatte, Arbeitslöhne an die Klägerin zu zahlen, noch dass der
vereinbarte Arbeitslohn aus dem Vermögensbereich des Klägers abgeflossen und dem
Vermögensbereich der Klägerin zugeflossen ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, setzt die Anerkennung
eines Ehegattenarbeitsverhältnisses voraus, dass ein Lohnzahlungswille des Arbeitgeber-
Ehegatten vorhanden war, dass dieser Zahlungswille erkennbar realisiert wurde und dass
ein entsprechender Gehaltszahlungsvorgang identifizierbar ist. Die Gehaltszahlung muss
in einer Form und in einer Weise erfolgen, dass kein Zweifel an ihrem Charakter und ihrer
Bestimmung aufkommen kann. Für die Anerkennung einer Zahlung als Arbeitslohn ist es
dem gemäß erforderlich, dass sie nach der tatsächlichen Durchführung in einer
eindeutigen, vernünftige Zweifel ausschließenden Weise nach außen hin als Lohnzahlung
von vornherein erkennbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.1989 IV R 81/85, BFHE 157, 115,
BStBl II 1989, 655).
Die monatlichen Barabhebungen durch die Klägerin, die nach ihrer Darstellung auf Mit-
abhebung des auf sie entfallenden Arbeitslohns gerichtet waren, genügen den
Anforderungen an die notwendige Konkretisierung der Gehaltszahlungen an einen
Arbeitnehmer- Ehegatten nicht. Aus der Abhebung eines Betrages zwischen 4.000 DM -
6.000 DM im Monat kann nicht geschlossen werden, dass die Klägerin von der ihr erteilten
Vollmacht zur Auszahlung des Gehaltes an sich selbst auch Gebrauch gemacht hat. Der
abgehobene Betrag diente nicht in erster Linie der Begleichung des Gehaltsanspruchs der
Klägerin, sondern er wurde sowohl für betriebliche Zwecke als auch für Privatentnahmen
verwandt. Ferner entspricht diese Handhabung auch nicht dem, was zwischen fremden
Dritten üblich ist. Üblicherweise gestattet ein Arbeitgeber einem mit Bankvollmacht
ausgestatteten Arbeitnehmer nicht, die Gehaltszahlungen an sich selbst mit anderen
Zahlungsvorgängen, seien sie betrieblicher oder privater Art, zu vermengen (vgl. BFH-
Urteil BFHE 157, 115, BStBl II 1989, 655).
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Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Arbeitslohn aus dem Vermögensbereich des
Klägers abgeflossen und dem Vermögensbereich der Klägerin tatsächlich zugeflossen ist.
Die Erfassung der Gehaltszahlungen im Journal und die von der Kläger unterzeichneten
Quittungen weisen nach Auffassung des Senates nicht nach, dass die Klägerin den
vereinbarten Arbeitslohn auch tatsächlich erhalten hat. Angesichts des bei Ehegatten
vielfach fehlenden Interessengegensatzes und der daraus resultierenden Gefahr des
steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten muss sicher gestellt
sein, dass vertragliche Vereinbarungen nicht nur der Minderung der gemeinsamen
Steuerlast dienen, sondern auch tatsächlich durchgeführt werden. Dies ist jedoch nur
möglich, wenn die Durchführung auch nach Außen hin erkennbar ist. Diese Erkennbarkeit
fehlt jedoch, wenn der Arbeitnehmer sich sein Gehalt selbst aus einem größeren
Geldbetrag, den er vom betrieblichen Bankkonto abgehoben hat, zuteilt, und dies dann
wiederum selbst durch Eintragung ins Journal und eine Quittung bestätigt.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich nur anerkannt werden, wenn sie
eindeutig und ernstlich vereinbart sind und entsprechend dieser Vereinbarung auch
tatsächlich durchgeführt werden. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
trägt diese Anforderung an Ehegatten- Arbeitsverhältnisse den innerhalb eines
Familienverbundes typischer Weise fehlenden Interessengegensätzen und der daraus
resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten durch Ehegatten Rechnung. Auch nach der Rechtsprechung des
BVerfG ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn für die Anerkennung eines Ehegatten-
Arbeitsverhältnisses gefordert wird, dass der Arbeitnehmer- Ehegatte über seinen Lohn frei
und uneingeschränkt verfügen kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.11.1995 2 BVR
802/90, BStBl II 1996, 34).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Rechtsfragen des Streitfalls
grundsätzliche Bedeutung haben.