Urteil des FG Düsseldorf vom 22.06.2006

FG Düsseldorf: gewinnerzielungsabsicht, stille reserven, verrechnung von verlusten, stadt, verdeckte gewinnausschüttung, umstrukturierung, verzicht, vermögensverwaltung, bewirtschaftung

Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 2567/03 BB
Datum:
22.06.2006
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 2567/03 BB
Tenor:
Der Bescheid vom 09.02.2000 über den Einheitswert des
Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 01.04.2003 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ihren Betrieb gewerblicher Art (BgA)
Badeanstalten mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt und damit vermögensteuer- und
gewerbesteuerpflichtig ist.
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Die Klägerin, eine Gebietskörperschaft, ist Alleingesellschafterin der Stadtwerke "A-
Stadt" GmbH. Die Klägerin unterhielt bis zum 31.12.1994 einen BgA Badeanstalten, zu
dem insgesamt 4 Hallenbäder und ein Freibad gehörten und zwar:
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das "Hallenbad H",
4
die Hallenbäder "M" und "G",
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das "Hallenbad I" sowie
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das Freibad "F"
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Mit Ausnahme des Freibades "F" wurde der Bäderbetrieb mit Wirkung ab dem
01.01.1995 in die Stadtwerke "A-Stadt" GmbH im Rahmen einer Sacheinlage gegen
Kapitalerhöhung von 500.000 DM eingebracht. Zum 31.12.1994 betrug der verbleibende
Verlustabzug zur Körperschaftsteuer des BgA Badeanstalten 40.224.285 DM. Dieser
Verlust basiert auf den Betriebsergebnissen der Jahre 1985 bis 1994. Für frühere Jahre
hatte die Klägerin wegen der hohen Verluste des BgA im Einvernehmen mit dem
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Beklagten keine Körperschaftsteuererklärungen abgegeben.
Die Klägerin hat die anteiligen, auf das Freibad "F" entfallenden Verluste für die Jahre
1985 bis 1994 mit insgesamt 5.110.112 DM ermittelt. Wegen der Berechnung im
Einzelnen wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 04.05.2006 nebst Anlagen 1-4 (FG-
A Bl. 278 -368) Bezug genommen. Für die Jahre 1965 bis 1984 hat die Klägerin im
Schätzungswege die operativen Verluste des Freibades mit 11.800.000 DM angesetzt
(vgl. zu den näheren Erläuterungen der Schätzungsgrundlagen S. 5 - 7 des
Schriftsatzes vom 04.05.2006 Bl. 282 - 284 FG-A). Hieraus ergibt sich ein Gesamtverlust
ab dem Jahre 1965 zum Stichtag 31.12.1994 von 16.910.112 DM.
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Der Beklagte (vgl. Schriftsatz vom 06.06.2006 (Bl. 378 FG-A) beanstandet diese
Berechnung lediglich insoweit, als die Klägerin die Dividendenerträge ab 1990 dem
Freibad nur anteilig zugerechnet hat
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Nach der ursprünglichen Beschlusslage des Rates des Klägerin war zwar eine
Überführung des Freibades "F" in eine private Trägerschaft vorgesehen; diese kam
jedoch nicht zustande. Die Klägerin führte deshalb den Badebetriebes des Freibades
"F" in eigener Regie bis heute fort. Eine Einstellung des Badebetriebes im Freibad "F"
ist laut Klägerin mittelfristig nicht auszuschließen. Sollte das Freibad längerfristig
weiterbetrieben werden, sind nach Angaben der Klägerin weitergehende
Instandsetzungen und Erneuerungsinvestitionen mit entsprechenden Auswirkungen auf
die Kostenunterdeckung des Freibadbetriebes zu erwarten.
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Ab 1995 erzielte das im BgA verbliebene Freibad folgende operativen Ergebnisse
(Verluste):
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1995
./. 756.339 DM
1996
./. 668.655 DM
1997
./. 618.099 DM
1998
./. 888.479 DM
1999
./. 715.488 DM
2000
./. 909.547 DM
2001
./. 826.656 DM
Durchschnitt
./. 769.037 DM
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Die operativen Verluste lagen in den Jahren 2002 bis 2004 zwischen 980.000 DM und
1.275.000 DM.
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In den Jahren ab 1990 hatte die Klägerin in ihrem bilanzierenden BgA Badeanstalten
erstmals Finanzanlagen als (gewillkürtes) Betriebsvermögen ausgewiesen, deren
Erträge bis zur Ausgliederung der Hallenbäder an der Dauerverlustsituation nichts
änderten. Zu den Finanzanlagen gehörten u.a. 10.898 (nach Umstellung zum
01.01.1997 108.980) "S" Namensaktien im Nennwert von je 50 (5) DM. Diese
Namensaktien waren mit Mehrfachstimmrechten verbunden. In 1998 wurden die
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Namensaktien unter Fortfall der Mehrfachstimmrechte in Stammaktien umgewandelt.
Für die Aufgabe der Mehrfachstimmrechte erhielt die Klägerin in 1998 einmalig eine
Umwandlungsprämie in Höhe von 21.331.321 DM.
In der Bilanz zum 31.12.1994 waren ferner noch 35.775 "S" Stammaktien mit einem
Kurswert von 15.419.025 DM aufgeführt, die in 1995 veräußert wurden.
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Die Klägerin hatte in den BgA außerdem eine Beteiligung an der "Finanz-GmbH "E-
Stadt" ("F-GmbH") eingebracht, die ihrerseits Aktien der "S" hielt. Die GmbH-Anteile
waren zu den Stichtagen 31.12.1994 und 31.12.1995 mit Buchwerten von jeweils
16.750.000 DM und zum 31.12.1996 - infolge Kapitalrückzahlung - mit einem Buchwert
von 12.567.250 DM ausgewiesen. Mit Wirkung zum 31.07.2001 wurde eine
Verschmelzung der "F-GmbH" auf die "B-AG" "(Holding)" beschlossen. Für jede der
Klägerin bislang indirekt zurechenbare "S"-Stammaktie erhielt sie eine Stückaktie der
"B-AG". Im Zuge der weiteren Umstrukturierung der "B" erwarb die Klägerin 160.875 (50
%) der ursprünglich in die "B" eingelegten "S"-Stammaktien zurück. Derzeit hält der BgA
"Badeanstalten" insgesamt noch 430.730 "S" Aktien, die sich aufteilen in 160.875
Inhaberaktien an der "B-AG", 160.875, von der "B-AG" zurückgekaufte "S"-Aktien und
den 108.980 ursprünglichen "S"-Namensaktien. Der aus den Aktien von "B" und "S"
resultierende Dividendenertrag ist identisch.
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Zum Aktivvermögen des BgA gehört schließlich auch der aus der Sacheinlage gegen
Kapitalerhöhung an der Stadtwerke "A-Stadt" GmbH resultierende Geschäftsanteil mit
einem Nennwert von 500.000 DM, der zu den Stichtagen 31.12.1994 und 31.12.1995
einem gemeinen Wert von 7.200.000 DM entsprach.
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Aus den vorgenannten Finanzanlagen flossen der Klägerin in den Jahren 1995 bis 2001
durchschnittlich jährliche Erträge (einschließlich einbehaltener Kapitalertragsteuer und
anrechenbarer Körperschaftsteuer) von ca. 1 Mio DM zu und zwar im einzelnen:
19
1995
1.071.670 DM
1996
1.631.191 DM
1997
979.929 DM
1998
1.095.641 DM
1999
1.173.220 DM
2000
1.191.606 DM
2001
307.163 DM
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Die Dividenden des Jahres 1996 umfassen auch eine Sonderdividende der "F-GmbH"
in Höhe von 710.496 DM, die in Folge der Veräußerung von "S"-Stammaktien im
Rahmen der Erweiterung des "B-Modells" von der "F-GmbH" ausgeschüttet worden ist.
Im Jahr 1998 erhöhten sich die Kapitalerträge einmalig um die Umwandlungsprämie in
Höhe von 21.331.321 DM.
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In 2002 flossen der Klägerin Dividendenerträge in Höhe von 3.110.830 Euro zu. In
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diesem Betrag ist eine Sonderdividende der "B-AG" von ca. 2.650.000 Euro enthalten.
Die Dividendenerträge der Jahre 2003 bis 2005 beliefen sich auf insgesamt 1.657.000
Euro (vgl. hierzu die im Erörterungstermin vom 02.03.2006 vorgelegte Aufstellung Bl.
180 FG-A). Die Klägerin hatte mit einer Nettodividende (einschl. KapESt und SolZ) von
1 Euro pro Aktie aus der Beteiligung an "S" bzw. der "B" und damit mit jährlichen
Erträgen in Höhe von rd. 842.000 DM (430.730 Euro) gerechnet. Laut
Haushaltssicherungskonzept der Klägerin soll der Verkauf der Anteile an der "B-AG"
(160.875 Aktien) sowie der von der "B" zurückgekauften "S"-Aktien (ebenfalls 160.875
Aktien) bereits für das Jahr 2004 eingeplant sein, so dass dann nur noch 108.980 von
ursprünglich 430.730 Aktien verblieben, wodurch ab diesem Zeitpunkt 75 % der
Dividendenerträge entfallen würden. Eine Veräußerung der Aktien war bis zur
mündlichen Verhandlung nicht erfolgt.
Unter Einbeziehung der Dividendenerträge (ohne Umwandlungsprämie) ergaben sich in
dem BgA in den Jahren 1995 bis 2000 jährlich Überschüsse von durchschnittlich
200.000 DM.
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Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte, dem Prüfer folgend (vgl. hierzu Bericht
vom 16.07.1998), die Auffassung, dass die Klägerin ab dem 01.01.1995 mit ihrem BgA
Badeanstalten gewerbesteuerpflichtig und vermögensteuerpflichtig geworden sei. Denn
nach der Übertragung der verlustbringenden Hallenbäder auf die Stadtwerke "A-Stadt"
GmbH könne für den verbleibenden BgA nicht mehr von einer fehlenden
Gewinnerzielungsabsicht ausgegangen werden.
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Die Klägerin legte gegen die in Auswertung der Prüfungsfeststellungen ergangenen
Vermögensteuerbescheide 1995 und 1996, Gewerbesteuer-Messbescheide 1995 bis
1998 sowie den Einheitswertbescheid des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996
Einsprüche ein. Der Beklagte hat bislang lediglich über den Einspruch gegen den
Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 - ablehnend - entschieden. Mit
ihrer hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass sie mangels
Gewinnerzielungsabsicht mit ihrem BgA Badeanstalten keinen Gewerbebetrieb im
Sinne der § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG unterhalte. Zur
Begründung führt sie aus:
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Bei der anzustellenden Totalgewinnprognose seien die Ausschüttungen der "S", "F-
GmbH" und Stadtwerke, die beim BgA "Badeanstalten" in den Jahren 1995 bis 2000 zu
einem Jahresüberschuss führten, bereits dem Grunde nach nicht als Gewinn zu
berücksichtigen. Für die Ermittlung des Gewinns müsse gem. § 7 GewStG
Körperschaftsteuergesetz bzw. das Einkommensteuergesetz zurückgegriffen werden.
Steuerfreie Einnahmen gehören nicht zum gemäß diesen Gesetzen zu ermittelnden
"Gewinn". Die Steuerfreiheit folge vorliegend aus § 8b Abs. 1 KStG n.F. Die nach dieser
Vorschrift steuerfreien Dividenden zählten nicht zum Gewinns. Die Steuerfreistellung
schlage nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung auf die Frage
nach der Gewinnerzielungsabsicht und die daran anknüpfende Gewerbesteuerpflicht
durch. Damit könnten zumindest die Ausschüttungen nicht mehr als Beleg für eine
Gewinnabsicht des BgA "Badeanstalten" herangezogen werden, die nach der
Einführung der Steuerfreistellung für Dividenden durch § 8b Abs. 1 KStG vorgenommen
worden seien bzw. vorgenommen werden würden.
26
In Betracht zu ziehen sei aber auch der Gesetzeszweck, der darin bestehe, Mittel für die
öffentliche Hand zu beschaffen, dabei jedoch die Leistungsfähigkeit des
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Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Es sollten nur solche Erwerbsbetriebe besteuert
werden, die darauf gerichtet seien, auf Dauer gesehen positive Wirtschaftsergebnisse
abzuwerfen. Solle ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit vermieden werden, müsse eine Doppelbesteuerung vermieden
werden. Dies werde dadurch gewährleistet, dass unter dem neuen System der
Halbeinkünftebesteuerung eine explizite Freistellung von Dividenden in § 8b Abs. 1
KStG n.F. vorgesehen sei.
Unter dem alten System des Anrechnungsverfahrens sei eine Doppelbesteuerung durch
eine Anrechnung der entrichteten Steuer bei den anrechnungsberechtigten
Anteilseignern vermieden worden. Was mittlerweile explizit im Gesetz normiert sei, sei
seinerzeit implizit Bestandteil des Steuersystems gewesen, nämlich Steuerfreiheit der
Dividenden auf Ebene des Ausschüttungsempfängers.
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Deshalb seien nicht nur die unter dem Halbeinkünftesystem vorgenommenen
Ausschüttungen an den BgA "Badeanstalten", sondern auch die unter dem
Anrechnungsverfahren bis 2001vorgenommenen im Rahmen der Totalgewinnprognose
außer Acht zu lassen. Die vom Gesetzgeber gewählte Systematik der Besteuerung -
explizite Steuerfreistellung nach neuem, implizite Freistellung nach altem Recht - dürfe
hierbei keine ausschlaggebende Rolle spielen.
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Keinesfalls dürften im Rahmen der Totalgewinnprognose die außerordentlichen
Dividendenerträge der Jahre 1996 und 1998 berücksichtigt werden. Bei denen des
Jahres 1996 (710.496 DM) habe es sich um eine Sonderdividende gehandelt, die in
Folge der Veräußerung von "S"-Stammaktien im Rahmen der Erweiterung des "B"-
Modells von der "F-GmbH" ausgeschüttet worden seien. Desgleichen habe es sich bei
der Sonderzahlung durch "S" des Jahres 1998 (rd. 21,3 Mio. DM) um eine Prämie für
den Verzicht auf Mehrfachstimmrechte gehandelt. Nach der BFH-Rechtsprechung sei
Voraussetzung für eine gewerbliche Tätigkeit, dass ein Betrieb nach seiner Wesensart
und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt
sein müsse, mit Gewinn zu arbeiten. Für die Beurteilung der dauerhaften
Leistungsfähigkeit sei aber der Einfluss von auf Sonderereignissen beruhenden
Dividendenerträgen ohne jede Relevanz. Die Zahlungen der Jahre 1996 und 1998
seien folglich schon aus diesem Grunde nicht in die Totalgewinnprognose
einzubeziehen.
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Hiervon abgesehen müsse auch berücksichtigt werden, dass die bis zum Jahre 1996
aufgelaufenen Verluste rd. 43,6 Mio. DM und die bis zum Jahre 1998 aufgelaufenen
Verluste rd. 45,6 Mio. DM betragen hätten. Wenn die Klägerin also im Jahre 1996 und
insbesondere im Jahre 1998 hohe Dividendenausschüttungen hingenommen habe, so
habe sie damit lediglich die in der Vergangenheit aufgetretenen Vermögensverluste
ausgeglichen. Die in der Vergangenheit erzielten Verluste seien geeignet, die Annahme
einer Gewinnabsicht auszuschließen, wenn die später erzielten Gewinne tatsächlich
nicht über den Betrag hinausgingen, der zur Erhaltung und zur Wiedererlangung des
Vermögens erforderlich sei. Selbst die außergewöhnlich hohen Dividendenerträge des
Jahres 1998 hätten nur ca. 49 % der bis dahin aufgelaufenen Verluste entsprochen.
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Gegen eine Berücksichtigung der Altverluste könne auch nicht eingewandt werden,
dass durch die Einbringung von Bädern in die Stadtwerke zum 01.01.1995 unter
Zurückbehaltung des Freibades "F" ein neuer BgA "Badeanstalten" entstanden sei. Das
Gegenteil sei vielmehr richtig,
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Tätigkeit eingeschränkt werde z.B. durch Veräußerung von Vermögensteilen an Dritte
oder Einbringung von Vermögensteilen in eine kommunale Eigengesellschaft. Es
bestand und bestehe immer nur ein und derselbe BgA "Badeanstalten" der Klägerin. Mit
der Ausgliederung der Hallenbäder sei keine Änderung der Geschäftstätigkeit
verbunden gewesen. Dass Hallenbäder und Freibad räumlich getrennt gewesen seien,
spreche nicht gegen einen einheitlichen Betrieb. Alle Bäder seien finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch verflochten gewesen und hätten unter einer
einheitlichen Leitung gestanden. Durch die Ausgliederung der Hallenbäder sei es
lediglich zu einer Beschränkung des Umfangs dieses einheitlichen Betriebs gekommen.
Infolge der Identität des BgA müsse auch der Verlustvortrag von der Beschränkung
seiner Geschäftstätigkeit unberührt bleiben. Dieser Sichtweise habe sich auch der
Beklagte angeschlossen, denn die körperschaftsteuerlichen Verluste seien bei dem
BgA in voller Höhe anerkannt worden.
Die Verluste vor 1995 seien auch keine verdeckten Gewinnausschüttungen des BgA an
die Klägerin als Trägerkörperschaft gewesen und aus diesem Grunde nicht in die
Prognose über den Totalgewinn einzubeziehen. Der BFH habe diese Frage im
Beschluss vom 25.07.2002 (BFH/NV 2002, 1341) zwar aufgeworfen, sie im Ergebnis
aber offen gelassen. Tatsächlich sei sie zu verneinen (wird auf S. 12-16 der
Klagebegründung, Bl. 73-77 FG-Akte, näher ausgeführt).
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Selbst wenn die Dividenden in die Totalgewinnprognose einbezogen würden, sei nicht
mit einem Totalgewinn von der Errichtung bis zur Einstellung des BgA zu rechnen. Eine
Einstellung des BgA "Badeanstalten" liege durchaus im Bereich des Möglichen, zumal
eine Überführung des letzten Bades in private Trägerschaft schon des öfteren
angedacht worden sei. Der mit Bescheid vom 20.06.2002 festgestellte Verlust auf den
31.12.2000 in Höhe von rd. 25,8 Mio. DM könne dann unmöglich ausgeglichen werden,
wobei in diesem Verlustsaldo die vor dem Jahre 1985 entstandenen Verluste des BgA
"Badeanstalten" überhaupt nicht enthalten seien. Wollte man dem Erfordernis einer
Prognose über den Totalgewinn in vollem Umfang nachkommen, so müssten auch die
vor 1985 entstandenen Bäder-Verluste berücksichtigt werden. Der im Jahre 2000 noch
vorhandene Verlustsaldo würde entsprechend höher ausfallen. Selbst wenn man nur
von den 25,8 Mio. DM als auszugleichendem Verlust ausgehe, so nähme dies bei
einem Überschuss von rd. 200.000 DM fast 130 Jahre in Anspruch. Hierbei sei die
Umwandlungsprämie schon in die Reduzierung des Verlustvortrages geflossen und
stehe damit keinesfalls mehr zur Kompensation zukünftiger Verluste des Freibades "F"
zur Verfügung. Hiervon abgesehen sei auch völlig offen, ob der für die Jahre 1995 bis
2001 ermittelte durchschnittliche Überschuss von rd. 200.000 DM auch in den
kommenden Jahren erzielt werden könne. Die Prognose für die Jahre 2002 bis 2006
zeige eine gegenüber den Vorjahren deutlich gestiegene Kostenunterdeckung; der
Verlust aus dem operativen Geschäft werde im Durchschnitt für diese Jahre mit 936.000
DM veranschlagt. Auf der anderen Seite stünden Dividendenerträge von lediglich rd.
927.000 DM (473.803 Euro) bei einer Ausschüttung von 1,10 Euro pro Aktie bzw. von
nur rd. 842.000 DM (430.730 Euro) bei einer Ausschüttung 1 Euro pro Aktie gegenüber.
Selbst die positivere der beiden Annahmen zeige, dass auch die Dividendenerträge
zukünftig die Verluste aus dem operativen Geschäft nicht mehr kompensieren könnten.
Diese Ertragssituation des BgA "Badeanstalten" werde zusätzlich dadurch verschärft,
dass laut Haushaltssicherungskonzept eine Veräußerung der Aktien der "B" und der
von der "B" zurückerworbenen "S"-Aktien für das Jahr 2004 eingeplant sei, was im
Ergebnis zu einem Fortfall von nicht weniger als 75 % der Dividendenerträge führen
würde. Die Verluste würden hierdurch zwangsläufig wieder anwachsen.
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Im Ergebnis stehe jedenfalls fest, dass es dem BgA nach wie vor einzig und allein um
die Aufrechterhaltung des Bäderbetriebes in der Stadt "A-Stadt" unter - nach
Übertragung mehrerer Bäder auf die Stadtwerke - günstigeren Kostenstrukturen gehe.
Der BgA sei nach seiner Wesensart und nach Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer
gesehen weder dazu bestimmt noch geeignet, mit Gewinn zu arbeiten.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 09.02.2000 über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den
01.01.1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.04.2003 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält daran fest, dass die Klägerin den BgA Badeanstalten mit
Gewinnerzielungsabsicht betreibt und damit einen Gewerbebetrieb unterhält und trägt
hierzu vor:
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Der Bäderbetrieb der Klägerin unterliege ab dem 01.01.1995 der Gewerbe- und
Vermögensteuerpflicht, weil sich durch Ausgliederung der defizitären Hallenbäder bei
gleichzeitig erheblichen Gewinnen aus den als gewillkürtes Betriebsvermögen
behandelten Finanzanlagen eine deutliche Verbesserung der Ertragslage ergeben
habe, die nachhaltig zu erheblichen Jahresüberschüssen und damit zur Annahme einer
Gewinnerzielungsabsicht ab dem Zeitpunkt der Umstrukturierung geführt habe.
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Ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliege, könne nur anhand objektiver Kriterien nach
den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Tatsächliche Gewinne in erheblichem
Umfang über Jahre hinweg seien ein kaum zu widerlegendes Anzeichen für das
Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht. Durch die Ausgliederung des Betriebsteils
"Hallenbäder" sei der BgA derartig umstrukturiert worden, dass nach der Ausgliederung
aufgrund hoher Erträge aus den Finanzanlagen dauerhaft Periodengewinne entstehen
hätten können. Auch wenn zukünftig nur noch geringere Gewinne entstehen sollten, sei
absehbar, dass im Ergebnis auch ein Totalgewinn realisiert werde. Lediglich der
Zeitpunkt der Überschreitung der Totalgewinnschwelle sei davon abhängig, welche
Verlustvorträge und welche zukünftigen Gewinne man in die Betrachtung einbeziehe.
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Die Totalgewinnbetrachtung, bezogen auf die Zeitspanne von der Gründung des
Betriebes bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation, sei nach der BFH-
Rechtsprechung bei mehreren selbständigen Betriebsteilen für jeden Betriebszweig
gesondert aufzustellen. Die Verlustvorträge der Klägerin stammten fast ausschließlich
aus dem ausgegliederten Betriebszweig "Hallenbäder" und könnten schon deshalb
nach der Umstrukturierung nicht mehr in die Totalgewinnbetrachtung für den
Betriebszweig "Freibad" einbezogen werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob die
Ausgliederung zu einem neuen BgA geführt habe oder ob der alte BgA mit
eingeschränkten Geschäftsfeldern fortgeführt worden sei. Für die Totalgewinnprognose
dürfe jedenfalls nur auf die verbliebenen Betriebszweige zurückgegriffen werden.
43
Der BFH (Urteil vom 22.08.1984 I R 102/81, BStBl II 1985, 61) habe im Falle eines nicht
auf Gewinnerzielung gerichteten Wasserversorgungsverbandes die
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Gewinnerzielungsabsicht verneint, falls die vorgenommenen Preiserhöhungen nur in
der Vergangenheit eingetretene Vermögensverluste ausgleichen sollten. Er habe
zugleich klar gestellt, dass eine Gewinnerzielungsabsicht bei objektiv geänderter
Geschäftsführung nicht erst nach Ausgleich der Verlustvorträge, sondern mit Inkrafttreten
der Preisänderung anzunehmen sei. Der Bäderbetrieb der Stadt "A-Stadt" sei weder
dem Kostendeckungsprinzip verpflichtet, noch könne in der Ausgliederung
ausschließlich die Absicht gesehen werden, lediglich die durch die ausgegliederten
Betriebsteile verursachten Verluste auszugleichen. Das vorgenannte BFH-Urteil
spreche damit nicht gegen, sondern für eine Gewinnerzielungsabsicht.
Entsprechendes ergebe sich aus dem Aussetzungsbeschluss des BFH vom 25.07.2002
(I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341), in dem der BFH die Gewinnerzielungsabsicht nach
Einlage von Aktien in einen vormals defizitären BgA als nicht ernstlich zweifelhaft
angesehen habe. Der BFH habe in der Einlage ertragbringenden Aktien eine objektive
Änderung der Ertragslage und damit eine Willensbekundung gesehen, künftig den
Betrieb gewinnorientiert zu betreiben. Dabei komme es nicht, wie die Klägerin meine,
auf die Höhe der Verlustvorträge, sondern nur darauf an, dass sich aufgrund einer nicht
nur kurzfristigen Ertragsverbesserung dauerhaft Gewinne erzielen ließen, die
zwangsläufig zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Totalgewinn führen würden.
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Würden dauerhaft erhebliche Gewinne als Ergebnis einer Umstrukturierung oder einer
geänderten Geschäftsführung erzielt, sei folglich von dem Willen zur Gewinnerzielung
auszugehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien auch Veräußerungsgewinne,
Sonderdividenden, stille Reserven und steuerfreie Dividenden in die
Totalgewinnbetrachtung einzubeziehen. Denn Gewinnerzielungsabsicht sei die Absicht,
eine Mehrung des Betriebsvermögens i. S. des § 4 Abs. 1 EStG zu erzielen.
Einzubeziehen seien nach Auffassung des BFH auch steuerbare, aber steuerbefreite
Veräußerungsgewinne, weil es sich insoweit um Einkünfte i. S. v. § 2 Abs. 1 EStG
handele, aber auch Wertsteigerungen und stille Reserven, die erst bei
Betriebsbeendigung realisiert würden. Die in 1998 angefallene Umwandlungsprämie
aus dem Verzicht auf das Mehrfachstimmrecht der "S" Namensaktien unterliege damit
als Teilveräußerung von Beteiligungsrechten genauso wie die Sonderausschüttungen
der "B" der Totalgewinnbetrachtung. In beiden Fällen seien in den Finanzanlagen
ruhende stille Reserven aufgelöst und der Gegenwert dem Betriebsvermögen der
Klägerin zugeführt worden. Die spätere Entnahme berühre die Totalgewinnbetrachtung
nicht.
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Nicht der Gewinnbegriff des § 7 GewStG, sondern die Betriebsvermögensmehrung sei
Grundlage für die Totalgewinnbetrachtung. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob der
später ins Gesetz eingefügte § 8b Abs. 1 KStG n. F. bereits zu einem Zeitpunkt, als er
noch nicht einmal als Gesetzesentwurf bekannt gewesen sei, in die Beurteilung der
Gewinnerzielungsabsicht einzubeziehen sei oder ob in dem damaligen
Anrechnungsverfahren faktisch eine Steuerfreistellung gesehen werden könne. Es sei
jedoch ohnehin von der für 1995 maßgeblichen Rechtslage auszugehen, nach der die
Dividenden in vollem Umfang steuerpflichtig gewesen seien.
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Auch wenn der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag für Zwecke der
Körperschaftsteuerberechnung vortragsfähig bleibe, weil sich die
Körperschaftsteuerpflicht unabhängig von der Gewinnerzielungsabsicht unmittelbar aus
dem Körperschaftsteuergesetz ergebe, stünden die Verlustvorträge aus der Zeit vor der
Umstrukturierung für Gewerbesteuerzwecke nicht zur Verfügung, da die Verluste vor der
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Umstrukturierung unstreitig nicht der Gewerbesteuerpflicht unterlegen hätten.
Soweit Aktien verkauft werden sollten, führe dies zur Realisierung von stillen Reserven
und damit zu Veräußerungsgewinnen und ggf. späteren Kapitalerträgen. Werde der
Gegenwert dem Betriebsvermögen entnommen, könne dies zukünftig zu einer
geänderten Ertragslage führen und eine erneute Beurteilung erforderlich machen. Auf
die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht im Streitjahr 1995 könnten die damals
noch nicht abzusehende Entscheidungen (z. B. Haushaltssicherungskonzept 2004)
aber keine Auswirkung haben.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat mangels Gewinnerzielungsabsicht mit ihrem BgA Badeanstalten
keinen Gewerbebetrieb unterhalten. Der für Zwecke der Gewerbe- und Vermögensteuer
ergangene Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 31.12.1996 ist
deshalb ersatzlos aufzuheben.
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1. Die Klägerin hat trotz Einlage der Finanzanlagen (insbesondere "S" Aktien) ihren
dauerdefizitäre BgA Badeanstalten nicht mit Einkunftserzielungsabsicht
(Gewinnerzielungsabsicht) betrieben.
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a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV sind Unternehmen von juristischen Personen des
öffentlichen Rechts (nur) gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehender
Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG anzusehen sind. Auch
vermögensteuerpflichtig waren bis einschließlich 31.12.1996 und damit auch zum
maßgebenden Bewertungsstichtag nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 g VStG nur Gewerbebetriebe
im Sinne des GewStG von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
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Unternehmen der öffentlichen Hand sind damit, soweit sie nicht als privatrechtliche
Körperschaften betrieben werden, deren gesamte Tätigkeit einschließlich
Vermögensverwaltung nach § 2 Abs. 2 und 3 GewStG als Gewerbebetrieb gilt, nur
gewerbesteuer- und vermögensteuerpflichtig, soweit sie die Merkmale des
Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 EStG erfüllen.
Dies setzt u.a. voraus, dass eine nachhaltige Tätigkeit mit der Absicht der
Gewinnerzielung unternommen wird.
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b) Gewinnerzielungsabsicht ist die Absicht einer nachhaltigen Mehrung des
Betriebsvermögens (vgl. grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom
25.06.1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751). An dieser Absicht fehlt es regelmäßig, wenn
die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ausfällt.
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Allerdings lässt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung allein das Erzielen
langjähriger Verluste noch keinen zwingenden Schluss auf das Nichtvorliegen der
inneren Tatsache "Gewinnerzielungsabsicht" zu. Zumindest bei Tätigkeiten, die
typischerweise auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet und deshalb grundsätzlich
nicht dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher
(außersteuerlicher) Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb
der Einkunftssphäre zu dienen, muss aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung
möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im
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Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt
(vgl. hierzu BFH-Urteile vom 12.09.2002 IV R 60/01, BStBl II 2003, 85 und vom
21.07.2004 X R 33/03, BStBl II 2004, 1063 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen
unter II 3 a).
c) Nach Auffassung des erkennenden Senats sind diese für natürliche Personen
entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze auch im Streitfall heranzuziehen. Auch bei
der Tätigkeit von der Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie in Eigenregie
ausgeübt wird, bedarf es einer vergleichbaren Abgrenzung zwischen steuerbarer und
nichtsteuerbarer Tätigkeit. An einer (gewerbe)steuerbaren Tätigkeit der öffentlich
rechtlichen Körperschaft fehlt abgesehen vom hoheitlichen Aufgabenbereich auch bei
solchen Tätigkeiten, die ohne Einkunftserzielungsabsicht unternommen werden. Zwar
wird diese Abgrenzung durch die körperschaftsteuerrechtliche Sonderregelung für den
BgA überlagert, der gerade keine Gewinnerzielungsabsicht erfordert (§ 4 Abs. 1 Satz 2
KStG). Abgesehen davon, dass auch die Einbeziehung einer Dauerverlusttätigkeit in die
körperschaftsteuerliche Gewinnermittlung des BgA umstritten ist (vgl. hierzu
Grosch/Heger, KStG, § 4 Rdnr. 57), ist die bei natürlichen Personen vorzunehmende
Abgrenzung zwischen steuerbarer und nichtsteuerbarer Tätigkeit bei einem BgA
zumindest für den Bereich der Gewerbe- und Vermögensteuer entsprechend
anzuwenden. Eine Tätigkeit, die bereits typischerweise nicht auf Erzielung von
Gewinnen gerichtet ist und mit der auf Dauer gesehen auch nur Verluste erwirtschaftet
werden, kann damit unabhängig davon, ob sie von einer natürlichen Person oder von
einer öffentlich rechtlichen Körperschaft in Eigenregie ausgeübt wird, keinen
Gewerbebetrieb begründen.
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d) Der originäre Betriebszweck des BgA der Klägerin, der konkretisiert wird durch die
am Markt gegen Entgelt angebotenen Leistungen, besteht in dem Betrieb eines
Freibads. Die in diesem Betrieb erzielten und erzielbaren Einnahmen reichen zur
Deckung der damit verbundenen Betriebskosten dauerhaft nicht aus. Es handelt sich um
einen strukturell dauerdefizitären BgA. Zwar haben sich nach Ausgliederung der
Hallenbäder die sog. operativen Verluste von durchschnittlich über 4 Mio DM jährlich
deutlich vermindert. Es steht jedoch auch aus der Sicht des maßgebenden
Prognosezeitpunkts 01.01.1995 außer Zweifel, dass die Klägerin mit dem im BgA
verbliebenen Freibad "F" weiterhin keine operativen Gewinne erwirtschaften wird. Damit
steht zugleich fest, dass dieser Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner
Bewirtschaftung auf Dauer gesehen weder dazu geeignet noch bestimmt ist, mit Gewinn
zu arbeiten.
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aa) Es ist eher fernliegend, dass dieser Betrieb durch betriebswirtschaftliche oder
technische Umstrukturierungen dauerhaft in die Gewinnzone geführt werden könnte.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht dürften Ergebnisverbesserungen kaum durch
Kostenreduzierungen, sondern allenfalls durch die Anhebung der Eintrittspreise
erreichbar sein. Die Entscheidung, den Bäderbetrieb trotz Dauerverluste weiterzuführen
und der Verzicht auf Einnahmeerhöhungen, soweit diese überhaupt am Markt
durchsetzbar wären, stellt eine kommunalpolitische Entscheidung dar, der einen
Bereich betrifft, der bei natürlichen Personen dem nichtsteuerbaren Bereich der
Lebensführung zuzurechnen wäre.
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bb) Die Einlage der Finanzanlagen in den BgA stellt aus betriebswirtschaftlicher Sicht
keine (sinnvolle) Maßnahme der Strukturverbesserung dar. Hiervon könnte allenfalls
ausgegangen werden, wenn diese Mittel entweder zur Kostenreduzierung, etwa zur
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Ablösung von Verbindlichkeiten oder zur Einnahmesteigerung, z.B. durch
Angebotsverbesserungen im Bäderbetrieb, verwendet worden wären. Die
betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Bäderbetriebs änderten sich hierdurch jedoch
nicht. Die strukturellen (operativen) Verluste fielen weiterhin in unveränderter Höhe an.
Die behauptete Stärkung des Betriebskapital war aus betrieblicher Sicht schon deshalb
nicht erforderlich, weil die operativen Verluste ohnehin von der Klägerin im Rahmen
ihres Gesamthaushaltes zu übernehmen waren. Die Klägerin konnte zur
Verlustdeckung auf Mittel aus dem allgemeinem Haushalt oder auf im Rahmen ihrer
Vermögensverwaltung erzielte Erträge zurückgreifen. Auch für den letzteren Fall
bedurfte es keiner vorherigen Einlage der Finanzanlagen in den BgA als gewillkürtes
Betriebsvermögen.
cc) Unterhält ein Steuerpflichtiger einen Betrieb, der typischerweise nicht mit
Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und der nach der Art seiner Betriebsführung
auch objektiv zur Erzielung von Gewinnen nicht geeignet ist, so kann er diese steuerlich
unbeachtliche Tätigkeit nicht dadurch in den steuerbaren Bereich verlagern, dass er
privates Vermögen, mit dem er im Rahmen seiner Vermögensverwaltung Kapitalerträge
erzielt, in diesen dauerdefizitären Betrieb einlegt.
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Zwar sieht die Rechtsprechung allein in der Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten
mit anderweitigen positiven Einkünften noch kein außersteuerliches (privates) Motiv,
dass zur Annahme fehlender Gewinnerzielungsabsicht bei Verlustbetrieben führt (vgl.
hierzu BFH-Urteil in BStBl II 2004, 1063). Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss,
dass trotz Fortführung eines strukturell dauerdefizitären Betriebs ohne nähere Prüfung
der Betriebsstruktur und des Betriebszwecks allein deshalb eine
Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden kann, weil durch die Einlage von im
Rahmen der Vermögensverwaltung gehaltenen Kapitalanlagen in den Verlustbetrieb
sich rechnerisch Gewinne ergeben.
63
Der Senat vermag deshalb der vom BFH in einem summarischen Verfahren (BFH-
Beschluss vom 25.07.2002 I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341) vertretenen Auffassung,
wonach sich allein durch Einlage von Aktien die Ertragslage eines dauerdefizitären BgA
mit der Folge ändert, dass ab diesem Zeitpunkt von einer Gewinnerzielungsabsicht
auszugehen ist, nicht zu folgen. Ob die Einlage als missbräuchlich im Sinne des § 42
AO zu werten ist, was der BFH in der vorgenannten Entscheidung unter Hinweis auf das
BFH-Urteil vom 17.10.2001 I R 97/00, BFH/NV 2002, 240 ausdrücklich verneint, braucht
im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden zu werden. Jedenfalls kann
die Rechtsmissbräuchlichkeit der Gestaltung nicht ohne weiteres unter Hinweis auf das
BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 240 verneint werden, das die Verlagerung von Erträgen zur
Rettung eines vom Verfall bedrohten Verlustabzugs von einem Gesellschafter auf die
Gesellschaft mit der Begründung für zulässig angesehen hat, die Ausschöpfung eines
bestehenden Verlustabzugs diene der Vermeidung einer im Ergebnis überhöhten
Gesamtbelastung. Diese Begründung trägt jedoch nur, wenn es um die Verrechnung
von steuerpflichtigen Erträgen mit steuerlich relevanten Verlusten geht.
64
2. Der Klage wäre jedoch auch stattzugeben, wenn man mit den Beteiligten die Frage
der Gewinnerzielungsabsicht anhand einer Totalgewinnprognose beurteilt. Denn
hierbei ließe sich ein Totalgewinn in der Zeit von der Gründung des BgA bis zu einer
endgültigen Einstellung bei überschlägiger Berechnung nicht mit hinreichender
Sicherheit feststellen. Mögliche Unsicherheiten dieser Prognoserechnung gehen zu
Lasten des Beklagten, der für die steuerbegründende Tatsache der
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Gewinnerzielungsabsicht feststellungslastpflichtig ist.
a) Der Senat bezieht in die Totalgewinnprognose entgegen der nicht näher begründeten
Ansicht des BFH im Beschluss in BFH/NV 2002, 1341 zumindest auch die Altverluste
ein, die anteilig auf das im BgA verbliebene Freibad "F" entfallen.
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aa) Die aus den Kapitalerträgen resultierenden Gewinne dienten - zumindest auch - der
Wiedererlangung des durch vorausgegangene Verluste verlorenen Vermögens (vgl.
hierzu auch FG Düsseldorf, Urteil vom 10.07.2003 10 K 2561/00 G, EFG 2003, 1408;
Revisionsverfahren I R 8/04). Die Berücksichtigungsfähigkeit der Altverluste ergibt sich
aber auch daraus, dass nach dem Verständnis des Senats durch die Einlage der
Finanzanlagen gerade kein Strukturwandel des BgA dergestalt eingetreten ist, dass
hierdurch aus einem Liebhabereibetrieb erstmals ein steuerlich relevanter Gewerbetrieb
entstanden ist. Vielmehr hat die Klägerin den BgA Badeanstalten, soweit das Freibad
"F" betroffen ist, auch nach Einlage der Aktien ohne Änderung seiner Identität
fortgeführt. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass die Ausgliederung
der Hallenbäder zu einer Umstrukturierung des fortbestehenden BgA Badeanstalten
führte. Zwar hat sich hierdurch die Höhe des operativen Verlusts des BgA insgesamt
vermindert. Auf die Höhe des Verlustes des im BgA verbliebenen Freibades "F" hatte
die Ausgliederung der Hallenbäder jedoch keine erkennbare Auswirkung.
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Zumindest für den Fall der Fortführung eines (Liebhaberei-)Betriebs ohne Änderung
seiner Identität hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, die vor Eintritt in die
Gewinnzone angefallenen Verluste bei der Ermittlung des Totalgewinns außer Betracht
zu lassen.
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bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin können allerdings die auf die zum 31.12.1994
ausgegliederten Hallenbäder entfallenden Verluste nicht berücksichtigt werden. Es
kann hierbei dahinstehen, ob diese Umschichtungen die körperschaftsteuerliche
Identität des BgA berührt hat. Jedenfalls ist durch die Ausgliederung die
gewerbesteuerliche Unternehmensidentität des früheren BgA verloren gegangen. Denn
diese verlangt nicht nur Gleichartigkeit der Betätigung, sondern auch Identität der hierzu
eingesetzten sächlichen Mittel (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12.01.1978 IV R 26/73, BStBl
II 1978, 348). Der BgA Badeanstalten stellte mit Ausgliederung der Teilbetrieben
vergleichbaren Hallenbäder seine Tätigkeit insoweit endgültig ein. Der BgA in Gestalt
des Freibades "F" war damit nur in diesem Umfang mit dem früheren BgA wirtschaftlich
identisch.
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cc) Gegen die rechnerische Ermittlung der anteiligen Altverluste ergeben sich nach
Aktenlage keine durchgreifenden Bedenken. Der Beklagte beanstandet lediglich die
durch die Klägerin vorgenommene anteilige Zuordnung der Erträge aus den
Kapitalanlagen in den Jahren 1990 bis 1994 zum Freibad "F". Gerade diese anteilige
Zuordnung ist jedoch sachgerecht. Denn die Kapitalerträge dienten zur (teilweisen)
Abdeckung im BgA Badeanstalten in diesem Zeitraum angefallenen operativen Verluste
sämtlicher Bäder.
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b) Zum Stichtag 31.12.1994 lassen sich sowohl die künftigen operativen Verluste von
durchschnittlich 800.000 DM wie auch die durchschnittlichen Gewinnausschüttungen
von ca. 1 Mio DM hinreichend sicher prognostizieren, zumal es sich bei "S" um eine
Kapitalgesellschaft mit weitgehend konstantem Ausschüttungsverhalten handelt. Die
steuerpflichtigen Kapitalerträge sind entgegen der Auffassung der Klägerin schon
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deshalb in vollem Umfang in die Gewinnprognose einzubeziehen, weil zum
maßgebenden Stichtag die Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens noch nicht
absehbar gewesen ist. Der bloße Möglichkeit der jederzeitigen Veräußerbarkeit der
Kapitalanlagen kommt im Rahmen der Prognoseentscheidung ebenfalls keine
Bedeutung zu.
Nach Auffassung des Senats können allerdings die streitigen Sondererträge,
insbesondere die im Jahre 1998 gezahlte Umwandlungsprämie in Höhe von 21.331.321
DM nicht in die Prognoseberechnung einbezogen werden. Es mag zwar vorhersehbar
gewesen sein, dass "S" eine Änderung der Eigentümerstrukturen anstrebte. Selbst
wenn zum maßgebenden Zeitpunkt 31.12.1994 jedoch bereits konkrete Verhandlungen
über den Verzicht auf die Mehrfachstimmrechte der kommunalen Anteilseigner geführt
worden sein sollten, fehlt ein hinreichend sicherer Anhaltspunkt für die Ermittlung der
noch zu vereinbarenden Gegenleistung für den Stimmrechtsverzicht.
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c) Den auf das Freibad "F" entfallenden Altverlusten zum 31.12.1994 von 16.910.112
DM (ab 1965) stehen damit Überschüsse von jährlich ca. 200.000 DM in den
nachfolgenden Jahren gegenüber. Unter Berücksichtigung dieser Überschüsse ist für
der Ausgleich der aufgelaufenen Verluste rechnerisch ein Zeitraum von mehr als 80
Jahren erforderlich ist. Die Klägerin könnte damit auch unter Berücksichtigung
möglicher stiller Reserven frühestens zu einem Zeitpunkt mit einem Totalgewinn
rechnen, zu dem eine verlässliche positive Gewinnprognose nicht mehr möglich ist (vgl.
zum möglichen Prognosezeitraum BFH-Urteil vom 24.08.2000 IV R 46/99, BStBl II 2000,
674). Der von der Klägerin in der Klagebegründung dargelegten
Ertragsverschlechterung in den Jahren ab 2002, die im Rahmen der auf den 31.12.1994
anzustellenden Prognoseentscheidung ohnehin nicht berücksichtigt werden könnte,
kommt damit keine entscheidungserhebliche Bedeutung mehr zu.
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3. Schließlich vermag sich der Senat auch nicht der im Beitrittsbeschluss des BFH vom
25.01.2005 I R 8/04, BFH/NV 2005, 986 beiläufig geäußerten Rechtsauffassung
anzuschließen, wonach das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären BgA durch
eine Gebietskörperschaft ohne Verlustausgleich und angemessenem Gewinnaufschlag
durch die Trägerkörperschaft möglicherweise zu einer verdeckten Gewinnausschüttung
führen kann. Diese Auffassung ist auch in der Literatur, soweit ersichtlich, auf einhellige
Ablehnung gestoßen (vgl. z.B. Kalwarowskyj, DB 2005, 2260, Storg, BB 2005. 1993,
Binnewies, DB 2006, 465 mit weiteren Nachweisen).
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Der BFH hat die Möglichkeit einer verdeckten Gewinnausschüttung im vorgenannten
Beschluss allerdings selbst für zweifelhaft angesehen, weil der BgA mit der
Unterhaltung des Bäderbetriebs allgemeine öffentliche Leistungen an die Bürger
erbringt und nicht im engeren Sinne (kommunale Pflicht-)Aufgaben der
Trägerkörperschaft wahrnimmt, die geeignet wären, bei dieser einen Vorteil auszulösen.
Zudem ist der BgA, so der BFH, strukturell nur auf Einnahme-, nicht aber auf
Gewinnerzielung angelegt und wird auch ohne Vorhandensein einer
Gewinnerzielungsabsicht besteuert, was auf die gesetzliche Akzeptanz dauerdefizitärer
BgA hindeutet. Soweit der BFH gleichwohl eine verdeckte Gewinnausschüttung für
möglich hält, weil ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an
dessen Verhalten sich prinzipiell auch die Trägerkörperschaft eines BgA messen lassen
müsse, bei strukturell verlustbringenden Betrieben einen monetären Verlustausgleich
und zusätzlich für die Erbringung der Leistungen einen angemessenen
Gewinnaufschlag in Rechnung stellen würde, scheitert die Annahme einer verdeckten
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Einkommensverwendung wohl schon daran, dass der dauerdefizitäre BgA, dessen
Verluste durch die Trägerkörperschaft ohnehin auszugleichen sind, durch diesen
Verlustausgleich kein steuerbares positives Einkommen erzielt, das an die
Trägerkörperschaft verdeckt ausgeschüttet werden könnte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
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5. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO. Abgesehen von einer
möglichen Divergenz ist die Zulassung der Revision schon im Hinblick auf das wegen
eines gleichgelagerten Sachverhalts anhängige Revisionsverfahren I R 8/04 geboten.
Der Anregung des Gerichts, das Klageverfahren bis zu einer abschließenden
Entscheidung dieses Verfahrens ruhen zu lassen, hat die Klägerin ausdrücklich
widersprochen.
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