Urteil des FG Düsseldorf vom 16.04.2008
FG Düsseldorf: ausbildungskosten, einkünfte, student, semestergebühr, wohnung, fahrtkosten, geringfügigkeit, einschreibung, entziehen, beruf
Finanzgericht Düsseldorf, 9 K 4245/07 Kg
Datum:
16.04.2008
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 4245/07 Kg
Tenor:
Unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 14.3.2007 und der
Einspruchsentscheidung vom 10.10.2007 wird die Beklagte verpflichtet,
dem Kläger für dessen Sohn Kindergeld in gesetzlicher Höhe für das
Jahr 2004 zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der am 19.11.1979 geborene Sohn des Klägers studierte im Streitjahr 2004
Wirtschaftsinformatik. Er erzielte daneben aus nicht selbstständiger Arbeit
Bruttoeinnahmen in Höhe von 13.288,72 EUR. Die einbehaltenen Beiträge zur
Sozialversicherung beliefen sich auf 1.295,68 EUR. Ferner wurden Beiträge zu einer
freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 657,24 EUR
entrichtet. Der Kläger beantragte am 10.9.2006 Kindergeld. Er machte u. a.
Semesterbeiträge seines Sohnes in Höhe von 120,28 EUR je Semester als
ausbildungsbezogene Aufwendungen geltend. Mit Bescheid vom 14.3.2007 lehnte die
Beklagte die Gewährung von Kindergeld ab, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes
ihren Berechnungen nach den im Streitjahr maßgeblichen Grenzbetrag in Höhe von
7.680 EUR überschritten. Hiergegen erhob der Kläger am 7.4.2007 Einspruch, welchen
die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.10.2007 als unbegründet zurückwies.
Sie berechnete die Einkünfte und Bezüge des Sohnes wie folgt:
2
Bruttoeinnahmen
13.288,72 EUR
./. Sozialversicherungsbeiträge
-1.295,68 EUR
./. freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung.
-657,24 EUR
./. sonstige Werbungskosten
-1.386,00 EUR
3
Zwischensumme:
9.949,80 EUR
./. besondere Ausbildungskosten
-2.132,83 EUR
Summe der Einkünfte und Bezüge
7.816,97 EUR
Die Semestergebühren berücksichtigte die Beklagte nicht, da in diesen Beiträgen in der
Regel sowohl Tickets für öffentliche Verkehrsmittel, Versicherungsbeiträge, Beiträge zu
studentischen Verbindungen enthalten seien. Wegen der weiteren Einzelheiten
insbesondere der Berechnungen der Beklagten wird auf die Einspruchsentscheidung
Bezug genommen (Bl. 5ff der Gerichtsakte).
4
Der Kläger hat am 8.11.2007 Klage erhoben und trägt im Wesentlichen vor, die Zahlung
der Semestergebühren gehöre zu den besonderen Ausbildungskosten. Ohne diese
Gebühren entrichtet zu haben, könne sein Sohn überhaupt nicht als Student
eingeschrieben bleiben und studieren. Es komme auch nicht darauf an, ob in dem
Beitrag ein Ticket für die Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel enthalten sei. Diese
Tickets würden aus anderen Mittel finanziert. Der Semesterbeitrag sei davon
unabhängig.
5
Der Kläger beantragt,
6
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 14.3.2007 und der
Einspruchsentscheidung vom 10.10.2007 die Beklagte zu verpflichten,
dem Kläger für den Sohn antragsgemäß Kindergeld in gesetzlicher
Höhe für das Jahr 2004 zu gewähren,
7
hilfsweise: im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
8
Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
hilfsweise: im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
11
Sie ist – unter Hinweis auf die Richtlinien DA 63.4.2.8 Abs.2 Satz 2 – der Ansicht,
Semestergebühren könnten nicht als besondere Ausbildungskosten abgezogen
werden.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Kindergeldakten Bezug
genommen.
13
Entscheidungsgründe
14
Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für dessen Sohn im
Jahre 2004 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Einkünfte und Bezüge
des Sohnes überschreiten nicht den im Streitjahr geltenden Grenzbetrag in Höhe von
7.680 EUR. Die Semestergebühren in Höhe von insgesamt 240,56 EUR sind als
besondere Ausbildungskosten gem. § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen.
15
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der
abzuweichen keine Veranlassung besteht, sind besondere Ausbildungskosten alle über
die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen (vgl.
BFH Urteile vom 4.11.2000 VI R 62/97, BStBl II 2000, 489, und vom 18.05.2006 III R
5/05, BFH/NV 2006, 1745). Die Abgrenzung kann in der Weise erfolgen, wie dies im
Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der
Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten)
geschieht. Besondere Ausbildungskosten sind somit beispielsweise angefallene
Studiengebühren, Fahrtkosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Ausbildungsplatz
und Aufwendungen für Arbeitsmittel. Bei den Studentenwerksbeiträgen bzw.
Semestergebühren handelt es sich um besondere Ausbildungskosten, da sie
ausbildungsbedingt entstehen. Zahlt der Student diese Beiträge nicht, kann er mangels
Wirksamkeit der Rückmeldung seine Ausbildung nicht fortsetzen. Sofern einem
Studenten durch die Zahlung der Semestergebühr zugleich kostenlose
Beförderungsmöglichkeiten im Nahverkehr auch zu privaten Zwecken ermöglicht
werden, handelt es sich regelmäßig umsolche Vorteile, die wegen ihrer Geringfügigkeit
hinter dem eigentlichen Zweck, nämlich der Fortsetzung des Studiums zurückstehen
müssen. Zudem können diese Vorteile auch deshalb nicht dazu führen, dass die
Semestergebühren insgesamt nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sich der Student
diesem Vorteil nicht entziehen kann. Er hat bei der Einschreibung keine Wahl, ob er den
mit der Entrichtung der Semestergebühr verbundenen Vorteil haben will oder ob nicht.
Da dem Gesetz die Abzugsfähigkeit derartiger Ausbildungskosten selbst entnommen
werden kann, kann eine Einschränkung durch den Richtliniengeber (DA-FamEStG vom
05.08.2004 63.4.2.8, wonach Studiengebühren, nicht jedoch die üblichen Semester-
oder Rückmeldegebühren berücksichtigungsfähig sein sollen) nicht erfolgen (so auch
FG München, Urteil vom 25.9.2007 (Az.: 5 K 2929/07, Juris-Dokument).
16
Unter Berücksichtigung der Semestergebühren in Höhe von 2 x 120,28 EUR (gezahlt
am 8.3. und 3.9.2004) sind die bisherigen Einkünfte und Bezüge von 7.816,97 EUR,
deren Höhe zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, und gegen die auch
nach erneuter Überprüfung an Hand der vorliegenden Akten keine Bedenken bestehen,
um weitere 240,56 EUR auf 7.576,41 EUR zu mindern und unterschreiten damit den im
Streitjahr geltenden Grenzbetrag von 7.680 EUR.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
18
Der Senat hat die Revision zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr.2 1.Fall
FGO zugelassen.
19