Urteil des FG Düsseldorf vom 21.09.2005

FG Düsseldorf: klärschlamm, brennstoff, transport, abfallbeseitigung, verbrennung, kläranlage, verwertung, braunkohle, form, steuerbefreiung

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 2253/04 VSt
Datum:
21.09.2005
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 2253/04 VSt
Tenor:
Unter Änderung des Steuerbescheids vom 18.06.2003 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 18.03.2004 wird die nachzuerhebende
Stromsteuer auf 47.952 EUR (93.785,97 DM) herabgesetzt. Die
weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 92 % und der
Beklagte zu 8 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Stromsteuerbescheid.
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Sie betreibt u.a. eine Kläranlage zur Abwasserreinigung und eine Müll- und
Klärschlammverbrennungsanlage (MKVA).
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Der in der Kläranlage anfallende Klärschlamm wird nach ersten Vorentwässerungen in
Eindickern und Zentrifugen mit elektrischen Pumpen in einen der drei vorhandenen
Faultürme mit je 9.300 m³ Inhalt gepumpt. Dort werden in ca. 20 Tagen durch Bakterien
die organischen Bestandteile in Reststoffe wie Wasser und Klärgas (Biogas aus rd. 70%
Methan und 30% CO2) zersetzt. Der Antrieb der in den Faultürmen vorgenommenen
Umwälzung erfolgt mit Elektromotoren. Das Klärgas wird nach Reinigung in der MKVA
"thermisch verwertet", d.h. in den Brennern der Rauchgasreinigungsanlage und eines
Kessels sowie im Hilfsdampferzeuger verwendet.
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Der ausgefaulte Klärschlamm (70% anorganische Reststoffe) wird mit elektrisch
betriebenen Pumpen zu Hochleistungszentrifugen befördert und dort bis auf rund 28%
Trockensubstanz entwässert. Anschließend wird dieser Dickschlamm in einem mit
Dampf aus der MKVA beheizten Scheibentrockner so weit getrocknet, bis er als
Granulat in zwei Silos zwischengelagert werden kann. Für den Transport durch den
Trockner wird elektrische Energie eingesetzt. Vom Trockner wird das Granulat
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pneumatisch in die MKVA befördert und zusammen mit dem Müll bei Temperaturen
zwischen 850 - 1.100°C verbrannt. Die pneumatische Förderung geschieht über
elektrisch betriebene Luftverdichter.
Auf Anordnung des Beklagten fand bei der Klägerin durch sein Sachgebiet
Prüfungsdienste eine Außenprüfung für die Stromsteuer des Zeitraums vom 01.01.2001
bis zum 30.06.2002 statt, die mit Prüfungsbericht vom 13.01.2003, Nr. .......,
abgeschlossen wurde. In dem Bericht stellte der Prüfungsbeamte unter Tz. 3.6.4 fest,
dass sich die Stromsteuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes -
StromStG - in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Stromsteuer-Durchführungsver-
ordnung - StromStV - nur auf die Stromentnahmen für Neben- und Hilfsanlagen
erstrecke, die dem Eigenverbrauch der Stromerzeugungseinheit gedient hätten. Sie
erstrecke sich nicht auf den gesamten Eigenverbrauch der MKVA, sondern nur auf den
Bereich, der für die Stromerzeugung im technischen Sinn benötigt werde. Damit würden
nur die Neben- und Hilfsanlagen zur Brennstoffzufuhr, nicht aber die
Brennstoffproduktion und die Brennstoffvorbereitung von der Steuerbegünstigung
erfasst. Nicht begünstigt seien daher die Faulung und Klärschlammtrocknung.
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Hierfür seien (für die Pumpen, bei der Umwälzung und bei der pneumatischen
Förderung) folgende Strommengen angefallen, die bislang zu Unrecht steuerfrei
behandelt worden seien:
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Zeitraum
Strommenge
Steuersatz
Stromsteuer
01.04. - 31.12.1999
5.393,250 MWh
4,00 DM/MWh
21.573,00 DM
01.01. - 14.02.2000
1.107,145 MWh
4,00 DM/MWh
4.428,48 DM
15.02. - 31.12.2000
7.005,105 MWh
5,00 DM/MWh
35.025,52 DM
01.01. - 31.12.2001
8.415,260 MWh
6,00 DM/MWh
50.491,56 DM
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In ihrer Stellungnahme zum Prüfungsbericht führte die Klägerin aus, die Kläranlage
erzeuge in Form des Klärschlamms einen zu beseitigenden Abfall, der nicht zur
Verwertung geeignet sei und deshalb verbrannt werden müsse. Die Entsorgung in der
MKVA bedürfe nach langjährigen Untersuchungen als Vorbereitung und Versorgung
einer Trocknung, zu der der Strom benötigt werde. Dieser sei nach der StromStV
steuerfrei.
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Auch der Stromverbrauch im Bereich der "Faulung und Klärschlammtrocknung" sei
nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerbefreit. Strom zur Stromerzeugung sei nach § 12
Abs. 1 Nr. 1 StromStV der zur Erzeugung von Strom in Neben- und Hilfsanlagen einer
Stromerzeugungseinheit verbrauchte Strom. Die Aufzählung in dieser Vorschrift sei
nicht abschließend. Insbesondere sei auch die Brennstoffversorgung begünstigt. Diese
umfasse nicht nur die Brennstoffzufuhr, sondern auch die Brennstoffvorbereitung. Das
gelte insbesondere dann, wenn sich der Brennstoff auf dem Betriebsgelände der
Stromerzeugungsanlage befinde und nur für seine unmittelbare Verwendung vorbereitet
werde.
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Der Beklagte schloss sich, nachdem er zuvor eine Weisung der Oberfinanzdirektion
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eingeholt hatte, den Ausführungen im Prüfungsbericht an und forderte, bezugnehmend
auf Tz. 3.6.4 des Prüfungsberichts, von der Klägerin mit Steuerbescheid vom
18.06.2003 Stromsteuer von 57.018,58 EUR (111.518,66 DM) an, da der im Bereich der
Faulung und Klärschlammtrocknung verwendete Strom nicht als Verbrauch in einer
Neben- oder Hilfsanlage der Stromerzeugung anzusehen sei. Der zur Herstellung des
Klärschlammgranulats und des Klärgases eingesetzte Strom diene nicht der
Stromerzeugung. Vielmehr sei das Klärwerk eine eigenständige Anlage, die der
Abwasserreinigung diene.
Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor,
Klärschlammfaulung und Klärschlammtrocknung seien keine Bestandteile des
Klärwerks. Dessen Aufgabe ende spätestens mit der Bereitstellung von eingedicktem
Klärschlamm am Eingang der Faultürme. Die anschließende Behandlung des
Schlamms in Faultürmen und zur Trocknung diene der Brennstoffvorbereitung in der
MKVA, die ihrerseits eine Strom erzeugende Anlage sei.
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Das ergebe sich auch aus dem Abwasser- und Abfallrecht. Klärschlamm unterliege
nicht dem Abwasserrecht, sondern dem Abfallrecht.
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Die Klärschlammtrocknung und -verbrennung gehöre zum Energieerzeugungsprozess
auch der Kraftwerke, die keinen Bezug zur Kläranlage hätten.
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Soweit § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV den § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG präzisiere, handele es
sich nicht um eine abschließende, sondern nur um eine beispielhafte Aufzählung der
begünstigten Neben- und Hilfsanlagen. Deren Steuerfreistellung diene nur dazu, eine
Doppelbelastung mit der Stromsteuer für den erzeugten Strom und für den zur
Erzeugung verwendeten Strom zu vermeiden. Schon aus der Gesetzesbegründung
werde die weite Steuerfreistellung deutlich, die beispielsweise auch
Pumpspeicherwerke steuerfrei stelle. Wenn schon Strom steuerfrei sei, der der
Schaffung eines neuen Energieträgers, höher gelegenen Wassers, diene, müsse auch
der Strom steuerfrei sein, der nur der Brennstoffversorgung eines von außerhalb
angelieferten Energieträgers diene.
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Auch stelle § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG einen Sonderfall des Herstellerprivilegs dar. Dies
rechtfertige, wie schon § 3 der Verordnung zur Durchführung des
Mineralölsteuergesetzes - MinöStV - im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 des
Mineralölsteuergesetzes - MinöStG - zeige, eine weite Anwendung.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 18.03.2004 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück, da § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 1
StromStV den Strom zum Betrieb von Stromerzeugungseinheiten von der Steuer nur in
den Anlagen befreie, die den ordnungsgemäßen Betrieb einer solchen
Stromerzeugungseinheit gewährleisteten. Keine Befreiung werde für Strom der
Betriebseinrichtungen eines Kraftwerks gewährt, die nicht zur Stromerzeugung in
technischer Hinsicht eingesetzt würden. Dies sei bei der Aufbereitung von Klärschlamm
der Fall, denn diese Tätigkeit stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Abfallbeseitigung und nicht mit der Stromerzeugung. Die Faultürme und die
Klärschlammtrocknung seien Nebenanlagen der Müllverbrennung. Hauptzweck der
Gesamtanlage sei die Abfallbeseitigung und nicht die Stromerzeugung.
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In der Verwendung von Strom zur Klärschlammaufbereitung, der als Abfall verheizt
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werde, liege keine Doppelbesteuerung.
Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und
wiederholt ihre Argumentation aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor,
schon bei der Genehmigung der MKVA sei der Einsatz von Klärschlamm als Brennstoff
vorgesehen gewesen. Auch sei in dieser Erlaubnis die Strom- und Wärmeerzeugung
genehmigt worden. Der Anteil der Klärschlamm- und Faulgasmengen an der
Stromproduktion habe 2002 und 2003 zwischen 5,5 und 6 % gelegen.
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Sowohl in den Faultürmen als auch in der Klärschlammtrocknung diene der Einsatz von
Strom nur dem Brennstofftransport. Die benötigte Wärme werde durch Dampf geliefert,
der aus der Verbrennung von Abfall einschließlich des Klärschlamms erzeugt werde.
Der getrocknete Klärschlamm werde pneumatisch, d.h. mit Förderluft zur MKVA bewegt.
Die Förderluft werde in mit Elektromotoren betriebenen Anlagen verdichtet. Der Einsatz
von Strom für diese Pumpen und Maschinen unterscheide sich nicht von dem
Stromeinsatz zum Betrieb der Kesselwasseraufbereitung und der Rauchgasreinigung.
Beide Vorgänge hätten nur mittelbar mit der technischen Stromerzeugung zu tun. Seien
aber schon diese Vorgänge nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV steuerbefreit, müsse dies
erst recht für die Klärschlammaufbereitung gelten.
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Entgegen den Ausführungen des Beklagten diene der Klärschlammeinsatz nicht der
Abfallbeseitigung. Auch beim Klärschlamm gelte der Vorrang der Verwertung vor der
Beseitigung. Insoweit werde auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verwiesen.
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Auch unterscheide sich die Trocknung des Klärschlamms sachlich nicht von der
Mülltrocknung, die gleichfalls erfolgen müsse, bevor der Müll verbrannt werden könne.
Die Mülltrocknung erfolge durch die Strahlungswärme des Feuerraumes.
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Würde man nur Transportleistungen für den Brennstoff begünstigen und dazu die
stromverbrauchenden Aggregate zu den begünstigten Neben- und Hilfsanlagen einer
Stromerzeugungseinheit ansehen, seien sämtliche Transportbewegungen des
Klärschlamms auf dem Gelände der MKVA zu erfassen.
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Jeder Verbrennungsvorgang in Kraftwerken wie Braunkohlekraftwerken und
Hausmüllverbrennungsanlagen bestehe aus der Trocknung, der Entgasung und der
Vergasung. Diese Vorgänge müssten auch bei der Verbrennung von Klärschlamm
begünstigt werden.
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Der zentrifugierte Klärschlamm habe bereits vor Beschickung des Trockners einen
Trockensubstanzanteil von mindestens 30% und erscheine deshalb als eine stichfeste
Masse, die nur mit einer Schaufel oder einem Spaten bewegt werden könne. Derartiger
Klärschlamm werde auch von reinen Kraftwerken als Brennstoff angenommen. In
Braunkohlekraftwerken werde er wie die Braunkohle getrocknet und dem
Verbrennungsvorgang zugeführt. Bei Braunkohlekraftwerken sei auch dieser Vorgang -
ihren Informationen nach - steuerbefreit.
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Die Klägerin beantragt,
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den Steuerbescheid vom 18.06.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 18.03.2004 hinsichtlich der Erhebung von 57.018,58 EUR (111.518,66 DM)
Stromsteuer aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er
aus, Ziel des Klärschlammeinsatzes sei die Abfallbeseitigung. Nach der
Volumenreduzierung auf die anorganischen Restbestände müsse der Klärschlamm
deponiert werden, wenn keine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung mehr möglich sei.
Dies zeige den Vorrang der Abfallbeseitigung vor der Brennstoffherstellung in Form von
Faulgas und getrocknetem Klärschlamm.
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Begünstigt sei nur der Stromverbrauch, der zur Brennstoffversorgung der
Stromerzeugungseinheit notwendig sei. Diese beinhalte aber nicht die
Brennstoffproduktion.
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Auf Anfrage des Gerichts hat der Beklagte in Absprache mit der Klägerin ermittelt,
welche Strommengen vom 01.04.1999 bis zum 31.12.2001 erforderlich waren, um das
Klärschlammgranulat aus den Silos in die Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage
zu befördern. Danach handelt es sich um folgende Mengen:
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Zeitraum
Strommenge
01.04. - 31.12.1999
74,7 MWh
01.01. - 14.02.2000
0 MWh
15.02. - 31.12.2000
72,7 MWh
01.01. - 31.12.2001
765,0 MWh
Summe:
912,4 MWh
anteilige StromSt
5.252,22 DM
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Für den Transport des Dickschlamms durch den Trockner verbrauchte die Klägerin nach
ihren - unbestrittenen - Angaben im Prüfungszeitraum 2.507,7 MWh Strom, für den
12.480,47 DM Stromsteuer nacherhoben worden sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nur zum Teil begründet.
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Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 18.06.2003 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 18.03.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten, soweit 9.066,58 EUR (17.732,69 DM) Stromsteuer erhoben worden sind.
Im Übrigen ist die Stromsteuer zu Recht von der Klägerin angefordert worden. Daher ist
der Bescheid nach § 100 Abs. 1 S.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - nur insoweit
aufzuheben, als in ihm mehr als 47.952,01 EUR Stromsteuer festgesetzt worden sind.
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Die Klägerin hat den Strom, den sie für die Aufbereitung des Klärschlamms bis zur
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Herstellung des Dickschlamms benötigte, zu Unrecht nicht in ihren
Stromsteueranmeldungen angemeldet.
Von der Stromsteuer befreit ist nach § 9 Abs.1 Nr. 2 StromStG in Verbindung mit § 12
Abs. 1 Nr. 1 StromStV nämlich nur derjenige Strom, der zur Stromerzeugung in Neben-
und Hilfsanlagen der Stromerzeugungseinheit im technischen Sinne verbraucht wird. Im
Streitfall ist dies nur derjenige Strom, den die Klägerin für den Transport des
Dickschlamms durch den Trockner und des dadurch getrockneten
Klärschlammgranulats von den Silos in die MKVA benötigt.
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Nur der zur Stromerzeugung im technischen Sinne verbrauchte Strom ist von der
Stromsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung umfasst nicht jeglichen von Kraftwerken
benötigten Strom. Ist Stromerzeugung nur einer von mehreren Zwecken einer
Stromerzeugungsanlage, schließt die Befreiung nach den o.a Vorschriften denjenigen
Stromverbrauch aus, der einem weiteren, von der Stromerzeugung zu unterscheidenden
Zweck der zu beurteilenden Anlage dient.
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Im Streitfall ist nicht der gesamte Strom, der Gegenstand des angefochtenen Bescheids
ist, steuerbefreit, denn die Aufbereitung des Klärschlamms dient nämlich nur mittelbar
der Stromerzeugung, sondern vor allem auch der Abfallbeseitigung, hier in der Form der
Klärschlammverbrennung.
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Der für die Abfallbeseitigung benötigte Strom wird nicht durch die genannten
Vorschriften begünstigt. Der steuerbegünstigte, nämlich für die Stromerzeugung
verwendete Strom ist daher nur durch einen Vergleich der hier zu beurteilenden Anlage
der Klägerin mit einer vergleichbaren, allein der Stromerzeugung dienenden Anlage zu
ermitteln. Als derartige Anlage ist nur ein Wärmekraftwerk denkbar. Nur der bei diesem
Kraftwerk zur Stromerzeugung im technischen Sinne verbrauchte Strom kann
steuerbegünstigt werden, nicht aber die vorgelagerten, der Brennstoffherstellung
dienenden Tätigkeiten. Wenn sich auch aufgrund der Wahl des Brennstoffs die
technische Ausgestaltung des Kraftwerks ergibt, ist sie doch nur eine Vorbedingung der
späteren Verbrennung und Stromerzeugung. Damit muss eine Steuerbefreiung
ausscheiden, soweit der Klärschlamm noch kein Brennstoff ist. Die
Brennstoffherstellung als solche ist nämlich nicht begünstigt (s. Teichner in
Teichner/Alexander/Reiche, MinöStG/ StromStG § 9 Rz. 5 zum Abbau von
Kraftwerkskohle).
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Der Klärschlamm stellt erst nach dem Verlassen der Hochleistungszentrifugen
Brennstoff dar, denn erst dann ist sein Wassergehalt bei einem Trockenstoffgehalt von
ca. 28% so gemindert, dass er verbrannt werden kann. Dass die Klägerin den
Klärschlamm gleichwohl weiter trocknet, ist für den Umfang der steuerliche
Begünstigung unerheblich. Mit einem Trockenstoffgehalt von 28% ist der Klärschlamm
schon so weit aufbereitet, dass er mit einem Brennstoff eines Wärmekraftwerks,
beispielsweise eines Braunkohlekraftwerks, verglichen werden kann. Hierbei ist auch
zu berücksichtigen, dass gerade auch in Braunkohlekraftwerken so getrockneter
Klärschlamm mitverbrannt wird.
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Der Senat sieht keinen Grund, den Zeitpunkt der Herstellung eines Klärschlamms als
Brennstoff auf das Erreichen eines Entwässerungsgrads vorzuverlegen, der gerade
erforderlich ist, um überhaupt eine Verbrennung mit der Möglichkeit der
Energiegewinnung zu ermöglichen, weil insoweit der Brennstoffherstellungsprozess
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noch nicht abgeschlossen ist. Hierfür spricht auch der von der Klägerin vorgetragene
gerichtsbekannte Umstand, dass Klärschlamm in Braunkohlekraftwerken wie
Braunkohle mitverbrannt wird. Gerade in diesen Fällen wird der Klärschlamm nicht nur
bis zu einem Grad entwässert, der eine Verbrennung technisch gerade noch erlaubt,
sondern bis zu einem Grad, der dem von Braunkohle entspricht. Erst von da an ist er mit
dem Brennstoff eines hauptsächlich der Stromerzeugung dienenden Kraftwerks
vergleichbar.
Diese Auslegung des § 9 Abs.1 Nr. 2 StromStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 1
StromStV hat zur Folge, dass der Strom, den die Klägerin für den Transport des
Klärschlamms durch den Trockner und weiter für den Transport von den Silos des
Klärschlammgranulats in die MKVA entnimmt, Strom zur Stromerzeugung ist.
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Mit dem für den Transport durch die Trockner entnommenen Strom wird nämlich der
Brennstoff nicht mehr erzeugt, sondern nur noch weiter aufbereitet.
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Der für den Transport von den Silos in der MKVA entnommene Strom dient der
Brennstoffversorgung, nämlich der unmittelbaren Zuführung des Brennstoffs in die
MKVA.
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Eine andere Auslegung der Stromentnahme zur Stromerzeugung in § 9 Abs. 1 Nr. 2
StromStG ist auch nicht unter Berücksichtigung des Lenkungszwecks des StromStG
geboten. Die mit diesem Gesetz beabsichtigte Verteuerung des Energieverbrauchs, mit
der Anreize zur Energieeinsparung geboten und damit günstige Umwelteffekte erzielt
werden sollten (BVerfG Urteil v. 20. April 2004, 1 BvR 1748/89 und 905/00, C. II. 3.,
BverfGE 110, 274 ff., 292 f.), erfordert nicht, die Stromentnahme für Anlagen, die der
Stromerzeugung vorgeschaltet sind und damit anderen Zwecken als der
Stromerzeugung dienen, zu begünstigen.
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Die von diesem Ergebnis abweichende Argumentation der Klägerin kann nicht
überzeugen.
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Bei der Feststellung einer Stromentnahme zur Stromerzeugung kommt es nicht darauf
an, ob und inwieweit Vorprozesse wie Klärschlammfaulung und Klärschlammtrocknung
Bestandteile des Klärwerks sind, weil es nicht auf die Verhältnisse des Klärwerks,
sondern auf den Vergleich der gesamten MKVA mit einem Wärmekraftwerk unabhängig
vom konkreten Brennstoffeinsatz ankommt. Insoweit spielen auch Abwasser- und
Abfallrecht keine Rolle.
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Das gesetzgeberische Ziel, mit § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG eine stromsteuerrechtliche
Doppelbelastung der Kraftwerksbetreiber zu vermeiden, ist durch die gesetzeskonforme
Fassung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV nur für die Stromerzeugung im technischen
Sinn verwirklicht worden. Die darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische
Zielsetzung war nicht so umfassend, dass jeder mit einer Stromerzeugung in
irgendeiner Kausalkette stehende frühere Stromeinsatz begünstigt werden sollte.
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Auch ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung der Begünstigung von
Pumpspeicherkraftwerken in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StromStG als kraftwerkstechnischem
Sonderfall nicht, dass auch die Brennstofferzeugung schlechthin zu begünstigen ist, wie
die Klägerin meint.
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Auch wenn § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG Stromhersteller steuerlich privilegiert, folgt daraus
keine umfassende Steuerbefreiung für Hersteller. Es gibt keinen Rechtssatz
höherrangigen Rechts, Herstellerprivilegien weit und umfassend zu gewähren. Vielmehr
stellt ein Herstellerprivileg eine steuerliche Ausnahme dar, die grundsätzlich eher eng
auszulegen ist. Sie erfordert es keinesfalls, den Betrieb von Anlagen, die erst der
Brennstoffherstellung, hier der Klärschlammzubereitung zu Brennstoff dienen, zu
begünstigen, wenn das Herstellerprivileg nur für die Stromerzeugung vorgesehen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S.1 FGO.
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Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da der Frage, wann
Verbrauch von Strom zur Stromerzeugung bei der gleichzeitigen Verfolgung anderer
Zwecke in der nämlichen Anlage steuerbegünstigt ist, grundsätzliche Bedeutung
zukommt.
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