Urteil des FG Düsseldorf vom 21.03.2003

FG Düsseldorf (Abfindung, Vergütung, Arbeitslohn, Sozialplan, Abgeltung, Vorverfahren, Einkünfte, Beruf, Umrechnungskurs, Freibetrag)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 7102/01 E
21.03.2003
Finanzgericht Düsseldorf
8. Senat
Urteil
8 K 7102/01 E
Die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2001 wird aufgehoben.
Unter Änderung des Bescheides vom 19.02.2001 wird die
Einkommensteuer 1999 auf 8.401,55 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird
die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 95 % und der Beklagte
zu 5 %.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
G r ü n d e :
Streitig ist, ob eine Abfindung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit
Großbritannien im Inland besteuert werden kann.
Der mit seiner Ehefrau, der Klägerin, zusammenveranlagte Kläger war seit 1983 bis zum
28.02. des Streitjahres bei der Versorgungseinrichtung der britischen Streitkräfte in
Deutschland, NAAFI, beschäftigt; sein Arbeitsort war A . Er war als britischer
Staatsangehöriger Mitglied des zivilen Gefolges der NATO-Streitkräfte; sein
Familienwohnsitz befand sich außerhalb des Kasernengeländes in O .
Im Streitjahr bezog der Kläger von der NAAFI u.a. einen Betrag von 19.523,79 Pfund
Sterling. Ausweislich eines Schreibens der NAAFI an den Kläger vom 09.01.1999 handelte
es sich dabei um eine Abfindungszahlung im Rahmen des Personalabbaus; mit dieser
Zahlung seien alle Ansprüche des Beschäftigungsschutzes abgegolten.
Der Beklagte beließ den im Streitjahr von der NAAFI bezogenen laufenden Arbeitslohn
steuerfrei und unterwarf ihn lediglich dem Progressionsvorbehalt nach § 32 b des
Einkommensteuergesetzes -EStG-. Die Abfindung minderte der Beklagte um den
Freibetrag gemäß § 3 Nr.9 EStG i.H.v. 16.000 DM und setzte den sich sodann bei
Anwendung eines Umrechnungskurses von 2,92 DM ergebenden Betrag von 41.009 DM
als steuerpflichtigen Arbeitslohn an; gemäß Art. XV DBA sei insoweit die Besteuerung im
Ansässigkeitsstaat vorzunehmen.
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Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Die Kläger machen geltend, die Abfindung unterliege allein der britischen Besteuerung.
Nach der Spezialvorschrift des Art. IX DBA seien sämtliche Vergütungen aus öffentlichen
Kassen des Vereinigten Königreichs von der Steuer der Bundesrepublik befreit. Eine
Differenzierung zwischen laufendem Gehalt und Abfindung sei nicht zulässig. Zudem habe
der Beklagte einen unzutreffenden Umrechnungskurs angewandt; die Abfindung betrage
lediglich 39.461 DM. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Klagevorbringens wird auf
die Schriftsätze vom 17.12.2001 und 05.05.2002 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des angefochtenen Bescheides die Abfindungszahlung
auf 39.461 herabzusetzen und sie ebenso wie den laufenden Lohn der
NAAFI zu behandeln.
Der Beklagte beantragt,
die Abfindungszahlung auf 39.461 DM herabzusetzen und im Übrigen
die Klage abzuweisen.
Die Klage ist überwiegend unbegründet.
Die Abfindung ist unter Anwendung des zutreffenden Umrechnungskurses auf 39.641 DM
herabzusetzen, wie auch die Beteiligten übereinstimmend annehmen. Im Übrigen ist der
angefochtene Bescheid dagegen rechtmäßig; die Abfindung unterliegt der deutschen
Besteuerung.
Gemäß Art. XV DBA werden Einkünfte, die in den vorhergehenden Vorschriften nicht
behandelt worden sind und die von einer in einem der Gebiete ansässigen und dort damit
steuerpflichtigen Person bezogen werden, nur in diesem Gebiet besteuert.
Nach dieser subsidiären Vorschrift wird die von dem Kläger im Inland bezogene Abfindung
der deutschen Besteuerung unterworfen, da die Abfindung nicht den vorrangigen
Regelungen der Art. III bis XIV DBA unterfällt.
Insbesondere ist hier nicht die Vorschrift des Art. IX DBA einschlägig. Nach dieser
Bestimmung sind Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des Vereinigten Königreiches
für gegenwärtig oder früher erbrachte Dienst- oder Arbeitsleistungen an einen britischen
Staatsangehörigen gezahlt werden, von der Steuer der Bundesrepublik frei. Die
gesetzliche Voraussetzung der Zweckbestimmung der Vergütung für "gegenwärtig oder
früher erbrachte" Leistungen ist hier nicht erfüllt.
Entgegen der Ansicht der Kläger erfasst die Vorschrift nicht uneingeschränkt sämtliche
Vergütungen aus öffentlichen Kassen. Die nach dem (eindeutigen) Gesetzeswortlaut
erforderliche Zweckbestimmung verlangt einen Veranlassungszusammenhang mit der
gegenwärtig oder früher erbrachten Arbeitsleistung (vgl. Debatin/Wassermeyer, DBA, Art.
IX Großbritannien Rdn.6).
Die Abfindung der NAAFI stellt zwar eine Vergütung aus einer öffentlichen Kasse dar und
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ist den Einkünften des Klägers aus Arbeit zuzuordnen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH- vom 24.02.1988 I R 143/84, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1988, 819; vom 10.07.1996 I
R 83/95, BStBl II 1997, 341). Jedoch handelt es sich nicht um eine Vergütung für die
frühere Tätigkeit des Klägers bei der NAAFI i.S.v. Art. IX DBA. Ausweislich des Schreibens
der NAAFI, vertreten durch die Sozialplanberaterin, vom 09.01.1999 an den Kläger hat der
Arbeitgeber die Abfindung nach dem vereinbarten Sozialplan im Rahmen des
Personalabbaus und zur Abgeltung aller Ansprüche des Beschäftigungsschutzes gezahlt.
Mit der vom Leistenden gegenüber dem Empfänger getroffenen Bestimmung ist hier die
Vergütung vor allem zukunftsgerichtet und soll dem Kläger den Übergang in den neuen
Beruf erleichtern. Dagegen weist sie weder nach ihrem Anlass (Personalabbau) noch nach
ihrer Berechnung (Sozialplan) noch nach ihrem rechtlichen Hintergrund (Abgeltung von
Ansprüchen des Beschäftigungsschutzes) einen Bezug zu der ehemaligen Tätigkeit des
Klägers für die NAAFI auf (i.E. ebenso die beiden o.a. BFH-Urteile).
Die Einkommensteuer 1999 berechnet sich wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen bisher DM
Abfindung bisher - 41.009 DM
Abfindung lt. Urteil + 39.461 DM
- 1.548 DM
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil DM
zu versteuern mit Progressionsvorbehalt
nach der Splittingtabelle
DM % DM
zu versteuern nach § 34 Abs.1 EStG: DM + 10.285 DM
Einkommensteuer lt. Urteil DM
umgerechnet EUR
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs.1 S.1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-. Die
Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit des
Falls notwendig, § 139 Abs.3 S.3 FGO.