Urteil des FG Düsseldorf vom 22.08.2002

FG Düsseldorf (Einstellung der Zahlungen, Treuhänder, Eigene Mittel, Anleger, Stadt, Selbstanzeige, Firma, Kapitalanlage, Anfang, Einspruch)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 14 K 8409/99 V
22.08.2002
Finanzgericht Düsseldorf
14. Senat
Urteil
14 K 8409/99 V
Unter Änderung des Vermögensteuerbescheides auf den 1.1.1995 vom
23. August 2000 wird die Vermögensteuer auf 960,- DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Kläger wurden auf den 01.01.1995 zunächst mit Bescheid vom 6. Februar 1996
antragsgemäß zur Vermögensteuer veranlagt; der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung. Die Steuer wurde mit 12.100,- DM festgesetzt.
Dabei hatten die Kläger ausländische Zahlungsmittel und Guthaben im Wert von
1.208.623,37 DM erklärt. Dem beigefügt (s. Anlage 5) war ein Kapitalanlagevertrag vom 12.
Dezember 1992 zwischen den Klägern und der "A-Firma" (Ausland), (nachfolgend: "A")
über einen Anlagebetrag von 1.000.000,- DM sowie ein Schreiben der Firma "B"
(nachfolgend: "B") vom 18. Mai 1995, wonach das Konto der Kläger zum 31.12.1994 den
erklärten Guthabenbetrag auswies.
Unter dem 28. Februar 1996 fertigten die Kläger eine Selbstanzeige, in der sie angaben, es
sei bisher unterlassen worden, die Jahre 1993 und 1994 betreffende Zinsforderungen aus
dem Kapitalanlagevertrag mit der "A" vollständig steuerlich zu erfassen.
Bezüglich des der Selbstanzeige zu Grunde liegenden Sachverhalts wird zur Vermeidung
von Wiederholungen auf das Verfahren 14 K 8407/99 E Bezug genommen.
Aus dem Ermittlungsbericht des "Z" Landeskriminalamtes -LKA- vom 25. Oktober 1996
geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft -StA- "Y-Stadt" mit Verfügung vom 20. Januar
1995 dem LKA das Ermittlungsverfahren gegen den sog. Treuhänder Herrn Rechtsanwalt
"D" zuwies. Der Anfangsverdacht war ausgelöst worden durch die Strafanzeigen zweier
Geschädigter, deren Kapitalanlagen über Herrn "D" abgewickelt worden waren.
Ausweislich des Ermittlungsberichts kam es zum dritten Quartal 1994 zu
Auszahlungsschwierigkeiten seitens des hinter der "A" stehenden Herrn "E". Nur in
wenigen Ausnahmefällen konnten die für die "A" tätigen Vermittler noch Renditezahlungen
mit neu eingehenden Kundengeldern begleichen. Die Nichtzahlung der Renditen führte
dazu, dass mehrere Anleger Strafanzeigen erstatteten. Nach den Feststellungen des LKA
ist bereits seit 1992 in der Fachpresse, insbesondere im sog. "Info-Dienst" sowohl der
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Bankgarantienhandel im Allgemeinen wie auch im Speziellen der Firma "A", als unseriös
beschrieben worden.
Der Beklagte änderte auf Grund der Selbstanzeige durch Bescheid vom 21. November
1996 den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1995, erfasste die nacherklärten
Vermögensteile, indem er die Summe der Kapitalforderungen (zunächst um 13.228,- DM)
sowie der Steuererstattungsansprüche und der Steuerschulden erhöhte und setzte die
Vermögensteuer mit 11.410,- DM fest.
Dagegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 unter Berufung auf
das Schreiben der Rechtsanwälte "H" vom 26. April 1996 Einspruch. Sie machten geltend,
die Forderungen aus den "A"/ "B" Verträgen dürften zwar bestehen, jedoch seien sie -
abgesehen von den an sie zurück geflossenen Beträgen - zum Stichtag wertlos gewesen.
Daraufhin machte der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 25. März 1997 die Erfassung
nacherklärter Vermögensteile rückgängig und setzte die Vermögensteuer wiederum auf
12.100,- DM fest.
Gegen diesen Änderungsbescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 15. April 1997
Einspruch ein und machten geltend, der geänderte Bescheid berücksichtige nur die
nacherklärten Vermögensteile, nicht die ursprünglich bereits erklärt gewesenen denselben
Quellen zuzuordnenden Positionen. Die gesamte "Vermögensanlage" sei untergegangen.
Die ihnen von der "A" zugeflossenen Zahlungen seien von der StA korrekt als
Kapitalrückzahlungen gewertet worden. Dies dürfe entscheidend sein.
Zur weiteren Begründung führten die Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 1997 im Einzelnen
Folgendes aus:
Sie hätten keine Kapitalanlage getätigt, sondern seien in ein sog. Schneeballsystem
geraten, in dem die Einlagen zur Zahlung von Provisionen, Treuhandgebühren und
"Renditen" an sie sowie andere Geschädigte verwendet worden seien. Da die Schuldnerin
"A" am 01.01.1995 über kein Vermögen verfügt habe, seien die Forderungen aus dem
Darlehen auf Kapitalrückgewähr wertlos gewesen. Gegenteilige Rückschlüsse stünden in
Widerspruch zu den Feststellungen der StA "Y-Stadt". Die vollständige - anscheinend
schon vor dem 1.1.1993 - vollzogene Vernichtung des dem "Treuhänder" anvertrauten
Vermögens habe gerade zu dessen Verurteilung wegen Betruges und Untreue geführt. Die
Kapitalforderung selbst sei unter jedem denkbaren Gesichtspunkt immer nur mit 0,- DM zu
bewerten.
Mit Schreiben vom 26. August 1997 führte der Beklagte u.a. aus, für die Beurteilung der
Werthaltigkeit der Kapitalforderungen (Anlagekonto und Zinsforderung) sei nicht
entscheidend, dass diese sich letztlich als wertlos herausgestellt hätten. Entscheidend sei
die Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderungen aus der Sicht am Stichtag 01.01.1995.
Zu diesem Zeitpunkt habe noch keinerlei Veranlassung bestanden, an der vollen
Werthaltigkeit der Forderungen zu zweifeln. Bis zu diesem Zeitpunkt seien auch
"Renditezahlungen" erfolgt. Nicht zuletzt seien selbst die Kläger von der vollen
Werthaltigkeit der Forderungen ausgegangen, denn andernfalls hätten diese nicht am 18.
Mai / 22. Mai 1995 - nach Einstellung der Zahlungen durch "A" - noch eine Kapitaleinlage
in Höhe von 166.780 DM geleistet. Zweifel an der Werthaltigkeit der Forderungen seien
erst mit der Erteilung des Haftbefehls gegen einen der Mitverantwortlichen, Rechtsanwalt
"D", am 21. November 1995 gegeben gewesen.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 1997 wiesen die Kläger darauf hin, dass ausweislich des
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Urteils des LG "Y-Stadt" (S. 11) der "Treuhänder" schon Anfang 1994 gewusst habe, dass
die Einlagen der Anleger nicht den vertraglich vereinbarten Zwecken zugeführt worden
seien, sondern dem Betreiben eines Schneeballsystems zu dienen bestimmt waren und
diesem auch sogleich zugeführt worden seien.
Überdies treffe es nicht zu, dass die "Renditen" in voller Höhe bis zum 1.1.1995 gezahlt
worden seien. Erhebliche Teile der zurückgeflossenen Einlagen seien mit beträchtlicher
Verzögerung erst in 1995 gezahlt worden und für 1995 sei gar nichts mehr geflossen.
Auch der Hinweis auf die weitere Kapitaleinlage in 1995 führe nicht weiter. Was für die
Zahlungen im Jahre 1995 gelte, das gelte gleichermaßen auch für alle früheren
Einzahlungen.
Im Vermögensteuer-Änderungsbescheid auf den 01.01.1995 vom 26. November 1997
setzte der Beklagte die seitens der "A" an die Kläger entrichteten Gelder mit insgesamt
57.400 DM an und die Vermögensteuer auf 12.530,- DM fest.
Mit Schreiben vom 8. Februar 1998 übersandten die Kläger ein Schreiben der "B" vom 16.
Januar 1998 und gaben an, die vorliegenden Unterlagen belegten, dass das Kapital nicht
bei der "B" sondern bei der "A" "angelegt" worden sei. Die "B" sei von Herrn "G"
eigenmächtig zwischengeschaltet worden. Damit stehe auch fest, dass sie in 1995 vom
Schuldner "A" keine Zahlungen auf irgendwelche nach dem 31. Dezember 1994
entstandenen Ansprüche erhalten hätten.
Mit Schreiben vom 17. Juli 1998 wiesen die Kläger erneut darauf hin, dass es sich - nicht
nur - bei den Zahlungen des ersten Quartals 1995 nicht um Leistungen der Schuldnerin
("A"), sondern um Überweisungen eines Dritten - nämlich der "B" - gehandelt habe, mit
dem sie in keinen Rechtsbeziehungen gestanden hätten. Warum und weswegen die
vermutlich vom Geldvermittler "G" beherrschte "B" solche Zahlungen geleistet habe,
wüssten sie nicht. Sie wüssten dies auch nicht bezüglich der Zahlungen im Jahre 1994, die
eine "I" (nachfolgend: "I") getätigt habe. Entsprechendes gelte für die Überweisung des
Herrn "G" laut Tagesauszug der "J" Bank vom 26. September 1994. Einen
Rechtsgrundsatz, wonach Zahlungen eines unbekannten Dritten an einen
Darlehensgläubiger bei diesem als Zinszahlungen seines Darlehnsschuldners erfassbar
seien, gebe es nicht. Daraus könne auch nicht abgeleitet werden, der Darlehensschuldner
sei zahlungsfähig gewesen. Es müsse schon nachvollziehbar dargelegt werden, dass "B",
"I" und "G" mit "A" identisch und ihnen alles bekannt gewesen sei. Von den
Machenschaften hätten sie aber erst Kenntnis bekommen, nachdem sie schließlich zu der
endgültigen Erkenntnis gekommen seien, dass "A" vermögenslos sei. Konkrete
Zinsberechnungen seien ihnen von keiner Seite zugegangen. Eine Zuordnung der
Zahlungen zu von der "A" fälligen Zinsen sei überhaupt nur recht pauschal und mit großen
Schwierigkeiten unvollkommen möglich.
Mit Schreiben vom 30. Juli 1998 erklärten die Kläger, der den BFH-Urteilen vom 22. Juli
1997 zu Grunde liegende Sachverhalt habe mit dem vorliegenden nichts gemein. Die Mittel
seien auf ein vom vermögenslosen "Treuhänder" auf ihren Namen eröffnetes Bankkonto,
über das sie weder verfügt hätten noch hätten verfügen können, gelangt. Das Konto habe
allein der Verfügungsgewalt des "Treuhänders" unterlegen.
Den Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17.
November 1999 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus:
Dass die Auszahlungen in 1995 nicht direkt von der "A" erfolgt seien, sondern über die "B"
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stattgefunden hätten, führe nicht zu der Annahme der Wertlosigkeit der Kapitalforderung.
Die Kapitalanlage sei von Beginn an über das bei der "B" geführte Kapitalanlagekonto
abgewickelt worden. Bereits über die erste Zahlungsanweisung über 314.000 DM liege ein
Bestätigungsschreiben der "B" vom 28. Dezember 1992 vor, wonach die Überweisung auf
einem Konto der "B" eingegangen sei. Des Weiteren hätten die Kläger eine
"Beteiligungsvereinbarung" mit der "B" geschlossen, die zeitgleich mit dem
Kapitalanlagevertrag der "A" am 29. Februar 1996 durch die Kläger gekündigt worden sei.
Schließlich sei die gesamte Verwaltung der eingezahlten Gelder von der "B" übernommen
worden, wogegen sich die Kläger jedoch nie gewandt hätten. Dabei habe die "B" als eine
Art Abwicklungsgesellschaft fungiert, die den überwiegenden Teil der Geldtransaktionen,
wie Einzahlungen und Vergütungsauszahlungen, übernommen habe. Den Klägern sei -
durch Abschluss der "Beteiligungsvereinbarung" und auf Grund der
Abrechnungsmitteilungen - von Anfang an klar gewesen, dass die "B" in enger Beziehung
mit der "A" gestanden und die Gelder der Anleger nur weitergeleitet habe.
Somit könne der Darstellung der Kläger nicht gefolgt werden, dass sie nicht gewusst
hätten, "warum und weswegen die vermutlich vom Geldvermittler "G" beherrschte "B"
solche Zahlungen" geleistet hatte. Die "B" sei für die Kläger zum Stichtag 01.01.1995 keine
unbekannte Dritte gewesen. Die Darstellung der Kläger stehe vielmehr im Widerspruch zu
ihrer eigenen Selbstanzeige vom 28. Februar 1996, bei der sie sehr wohl von
Kapitalforderungen gegen "A" ausgegangen seien, obwohl die Zahlungen durch "B"
erfolgten.
Mit der am 15. Dezember 1999 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Ergänzend machen sie geltend, auf Grund des von ihnen dargelegten Sachverhalts stehe
fest, dass die ihnen gegen Herrn "D" zustehende Forderung über 1 Millionen DM bereits
am Tage der Einzahlung in den Jahren 1992/ 1993 wertlos gewesen sei. Das Geld sei
sofort veruntreut worden und damit verloren gewesen. Bezüglich der Unterbeteiligung an
einer Einlage der "B" bei der "A" gelte das vorstehende entsprechend. "A" habe allein dem
Zweck gedient, die zu veruntreuenden Mittel der Anleger anzusaugen, um sie alsdann den
dahinter stehenden Betrügern auszuliefern. Zinsen seien nie geflossen. Die in 1995
verzeichneten Eingänge sollten angeblich rückständige Fälligkeiten aus 1994 zum
Gegenstand gehabt haben. Unter Zugrundelegung der staatsanwaltschaftlichen und
strafgerichtlichen Feststellungen habe es sich jedoch um Beträge gehandelt, die aus
anderen, ihnen unbekannten Quellen stammten.
Schuldner der vom Beklagten angesetzten Forderung seien die Treuhänder "D" und "K"
und nicht die "A" gewesen. Die Treuhänder, die die Gelder entgegen genommen hätten,
seien ausschließlich ihre Treuhänder und nicht solche der "A" gewesen. Der bzw. die
Treuhänder schuldete(n) keine Zinsen. Die den "Nonsens-Zins" schuldende "A" habe kein
Kapital geschuldet.
Mit Bescheid vom 23. August 2000 hat der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen
erneut die Vermögensteuerfestsetzung auf den 1.1.1995 geändert, nachdem er bereits
unter dem 21. Juni 2000 zuvor einen an die Kläger selbst adressierten Änderungsbescheid
gleichen Inhalts erlassen hatte. Die Kläger haben beide Bescheide zum Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens gemacht.
Insoweit machen die Kläger geltend, zwei deckungsgleiche Steuerbescheide über
denselben Steuerfall seien unzulässig. Der Bescheid vom 21. Juni 2000 sei dem
Prozessbevollmächtigten auf Rückfrage in Kopie von ihnen überlassen worden. Damit sei
der ursprüngliche Zustellungsmangel geheilt und der Bescheid wirksam geworden.
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Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Vermögensteuerbescheides auf den 1. Januar 1995 vom 23.
August 2000 die Vermögensteuer auf 960,- DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend macht er zur Begründung geltend, es hätten am fraglichen Stichtag keine
Zweifel an der (vollständigen) Werthaltigkeit der Forderungen gegenüber der "A"
bestanden. Es seien vor und auch in den Monaten nach dem 1. Januar 1995 laufend die
vereinbarten Zinsen gezahlt worden. Dies gelte auf jeden Fall für die Zeit bis zum 2. März
1995. Selbst als die Zinszahlungen - im Frühjahr 1995 - gestockt hätten und schließlich - im
zweiten Quartal 1995 - gänzlich ausgeblieben seien, sei daraus nicht zwingend herzuleiten
gewesen, die Kapitalanlage sei (gänzlich) verlustig. Dies dokumentiere insbesondere der
Umstand, dass die Kläger nach dem 1. Januar 1995, nämlich am 18. /22. Mai 1995, eine
weitere Einlage in Höhe von immerhin 166.780,- DM getätigt hätten. Dies wäre nicht zu
erwarten gewesen, wenn sie die Firmen "A" bzw. "B" für illiquide gehalten hätten.
Nicht statthaft sei es, die erst später - in der Zeit nach dem 2. März 1995 - gewonnenenen
Erkenntnisse im Wege einer retrospektiven Betrachtungsweise auf den Stichtag
zurückzuprojizieren. Dies liefe auf eine nicht gerechtfertigte und angesichts der
Zinszahlungen vom Frühjahr 1995 auch nicht sachgerechte Durchbrechung des
Stichtagsprinzips hinaus. Es sei daher irrelevant, dass die Initiatoren des
Schneeballsystems die von ihnen eingesammelten Mittel "zu Zinszahlungen,
Rückzahlungen und für eigene Mittel" verwendeten. In Anbetracht der noch bis zum März
1995 vorgenommenen Zinszahlungen sei nicht auszuschließen, dass das hingegebene
Kapital - hätte man es seinerzeit angefordert - noch zurückgeflossen wäre, und sei es auch
aus den Einlagen anderer, neu gewonnener Investoren.
Belanglos sei, dass die im Jahre 1995 gezahlten Zinsen in Höhe von 57.400,- DM den
Klägern von der "B" überwiesen worden sei. Immerhin handele es sich bei dieser
Gesellschaft, wie die Kläger selbst ausführten, um eine "Zahlstelle für die "A"". Wenn
zudem Geldanlagen über die "B" getätigt worden seien, sei es nur folgerichtig, dass
umgekehrt Zinszahlungen denselben Weg genommen hätten.
Zudem hätten die Kläger ausweislich des an die StA gerichteten Schreibens ihres
Prozessvertreters vom 11. Januar 1997 auch der "B" erhebliche Mittel anvertraut.
Die Zinszuflüsse noch in 1995 verifizierten die Werthaltigkeit der Forderungen gegenüber
den Firmen "A" und "B". Wäre das bei den vorgenannten Unternehmen angelegte
Vermögen von Anbeginn "vernichtet" gewesen, hätte es keine Früchte in Form von Zinsen
generieren können. Auf welche Weise die Anlagegesellschaft ihre Ausschüttungen
erwirtschaftet habe, ob sie überhaupt Einnahmen gehabt habe, sei belanglos. Tatsächlich
hätten die Firmen "A" bzw. "B" Vergütungen auf die in § 6 bzw. § 5 der
Kapitalanlageverträge vom 12.12.1992 bzw. 31.03.1994 so bezeichneten Festgeldanlagen
geleistet, z.B. werde der Rechtsgrund für die Zahlungen ausdrücklich in den Nachweisen
der Geldinstitute erwähnt. Die Kläger hätten zudem die Geldeingänge als Entgelt für die
Zurverfügungstellung von Kapital aufgefasst. Es könne davon ausgegangen werden, dass
sie ansonsten bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Erfüllung ihrer Ansprüche geltend
gemacht hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zugehörigen Gerichtsakte und der des Verfahrens 14 K 8407/99 E sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1995 vom 23. August
2000 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger insoweit in ihren Rechten, als der
Beklagte bei der Berechnung des Gesamtvermögens die Kapitalforderung gegenüber der
"A"/"B" in Höhe von 1.208.623,37 DM mit ihrem Nennwert berücksichtigt hat.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist der Bescheid vom 23. August 2000 der Gegenstand
des Verfahrens, über dessen Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit das Gericht vorliegend zu
entscheiden hat. Es mag dahinstehen, ob angesichts der Übersendung des Bescheides
vom 21. Juni 2000 durch die Kläger an den Prozessbevollmächtigten eine Heilung des
(ursprünglichen) Bekanntgabemangels jenes Verwaltungsaktes eingetreten ist oder nicht.
Denn der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt ist in jedem Falle letztlich durch den
Bescheid vom 23. August 2000 i. S. d. § 68 Finanzgerichtsordnung -FGO- "ersetzt" worden.
Ist durch die Übersendung des Bescheides vom 21. Juni 2000 keine Heilung eingetreten,
war Gegenstand des Verfahrens damit zunächst ein Scheinverwaltungsakt, da die Kläger
den vorgenannten Bescheid mit Schriftsatz vom 2. August 2000 gemäß § 68 FGO zum
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht haben. Dieser Bescheid wurde sodann
durch den später erlassenen und ordnungsgemäß bekannt gegebenen Bescheid vom 23.
August 2000, den die Kläger ebenfalls zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
erklärt haben, ersetzt. Denn § 68 FGO findet auch Anwendung, wenn Gegenstand des
Verfahrens ein Scheinverwaltungsakt ist und während dieses Verfahrens der
Verwaltungsakt durch erneute, fehlerfreie Bekanntgabe des zu erlassenden Bescheides
wirksam wird (vgl. Bundesfinanzhof -BFH- Urteil v. 25. Februar 1999 IV R 36/98, Sammlung
amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes -BFH/NV- 1999,
1117).
Ist hingegen durch die Weiterleitung des Bescheides vom 21. Juni 2000 seitens der Kläger
an ihren Prozessbevollmächtigten eine Heilung des Bekanntgabemangels eingetreten,
müsste der Bescheid vom 23. August 2000 als wiederholende Verfügung betrachtet
werden, für die ebenfalls § 68 FGO gilt (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 1999 XI B
4/99, BFH/NV 2000, 586 m.w.N.).
Der Änderungsbescheid vom 23. August 2000 ist in dem eingangs genannten Umfang
rechtswidrig.
Die Vermögensteuer wird nach den Verhältnissen zum Beginn des Kalenderjahres
(Veranlagungszeitpunkt) festgesetzt (vgl. § 5 Abs. 1 Vermögensteuergesetz -VStG-).
Kapitalforderungen werden dabei grundsätzlich mit dem Nennwert angesetzt. Etwas
anderes gilt lediglich dann, wenn besondere Umstände einen höheren oder geringeren
Wert begründen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz -BewG-). Eine solche besondere
Sachlage liegt vor, wenn Zweifel an der (vollen) Durchsetzbarkeit einer Forderung
bestehen; uneinbringliche Kapitalforderungen bleiben gänzlich außer Ansatz (§ 12 Abs. 2
BewG). Eine Forderung ist dann uneinbringlich, wenn feststeht, dass eine Bezahlung nicht
erreicht wird und sie in voller Höhe ausfallen wird.
Bei der Bewertung von Kapitalforderungen kommt es - wie bei der Bewertung aller anderer
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Wirtschaftsgüter auch - auf die Verhältnisse des Einzelfalls an, wie sie zu dem Zeitpunkt
bestanden haben, auf den die Bewertung durchzuführen ist (sog. Stichtagsprinzip). Das gilt
sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Forderung bestanden hat, sowie dafür, wie sie zu
bewerten ist.
Umstände, die für den Bestand und die Bewertung von Forderungen von Bedeutung sind
und am Stichtag bereits bestanden haben, aber erst nach dem Stichtag bekannt geworden
sind, dürfen berücksichtigt werden, wenn sie durch eine Prüfung der in Betracht
kommenden Verhältnisse am Stichtag hätten festgestellt werden können. In diesem Fall
handelt es sich um eine Klärung oder Aufhellung eines am Stichtag bereits vorhandenen
und gleich gebliebenen Sachverhalts. Dies widerspricht nicht dem Grundsatz der
Stichtagsbewertung, denn dabei kommt es darauf an, den objektiv richtigen Wert für den
Stichtag festzustellen. Nach dem Stichtag eingetretene Umstände müssen
dementsprechend allerdings außer Betracht bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1997 II
R 52/94, BFH/NV 1997, 550; Reichsfinanzhof -RFH- Urteil vom 10. Februar 1938 III 215/37,
Reichssteuerblatt -RStBl- II 1938, 537, 538; Gürsching/ Stenger, Kommentar zum
Bewertungs- Vermögensteuergesetz, Stand: Mai 2002, § 12 BewG Rn. 12).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist vorliegend die streitige Kapitalforderung als
uneinbringlich i. S. d. § 12 Abs. 2 BewG zu bewerten und bei der Berechnung des
Gesamtvermögens der Kläger gänzlich außer Ansatz zu lassen. Denn es waren bereits am
Stichtag 1.1.1995 Umstände vorhanden, die die Annahme rechtfertigten, dass die
Bezahlung der Forderung nicht erreicht und sie in voller Höhe ausfallen werde. Diese
Umstände wurden zwar allen Beteiligten erst im Nachhinein bekannt, sie hätten aber durch
eine Prüfung der in Betracht kommenden Verhältnisse am Stichtag festgestellt werden
können:
Aus dem Ermittlungsbericht des "Z" LKA vom 25. Oktober 1996 geht hervor, dass die StA
"Y-Stadt" mit Verfügung vom 20. Januar 1995 dem LKA das Ermittlungsverfahren gegen
den sog. Treuhänder, Herrn "D" zuwies. Der Anfangsverdacht war ausgelöst worden durch
die Strafanzeigen zweier Geschädigter, deren Kapitalanlagen über Herrn "D" abgewickelt
worden waren. Die Anzeigen der beiden Geschädigten erfolgten danach schon vor dem
hier maßgeblichen Stichtag (1.1.1995).
Ausweislich des Ermittlungsberichts kam es überdies bereits im dritten Quartal 1994 zu
Auszahlungsschwierigkeiten seitens des hinter der "A" stehenden Herrn "E". Nur in
wenigen Ausnahmefällen konnten die für die "A" tätigen Vermittler noch Renditezahlungen
mit neu eingehenden Kundengeldern begleichen. Die Nichtzahlung der Renditen führte
dann dazu, dass mehrere Anleger Strafanzeigen erstatteten.
Nach den Feststellungen des LKA ist schließlich seit 1992 in der Fachpresse,
insbesondere im sog. "Info-Dienst" (3/94), sowohl der Bankgarantienhandel im
Allgemeinen wie auch im Speziellen der Firma "A", als unseriös beschrieben worden.
Hinzu kommt Folgendes: Die wirtschaftlichen Verhältnisse der "A", auf die es letztlich auch
hinsichtlich der Unterbeteiligung an einer Einlage der "B" bei der "A" ankommt, waren
dadurch gekennzeichnet, dass bei der "A" von Anfang an - jedenfalls aber vor dem Stichtag
- tatsächlich überhaupt kein "eigenes" Kapital vorhanden war, hier also ein "reines
Schneeballsystem" betrieben wurde. Was bei der "A" hereinkam, wurde von ihr
ausweislich der im Rahmen des strafgerichtlichen Verfahrens gemachten Angaben des
Herrn "D" und anderer Mittäter zur Auszahlung von Renditen, zur Einzahlung auf Anlagen,
die keinen Gewinn abwarfen, und zur Finanzierung des Unterhalts der beteiligten Betrüger
ausgegeben.
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Angesichts dessen erscheint die Annahme, die Wertlosigkeit der Kapitalforderung habe
objektiv erst mit Erlass des Haftbefehls für den "Treuhänder" "D" im November 1995
festgestellt werden können, nicht gerechtfertigt. Davon zu trennen ist die Tatsache, dass
sich darüber hinaus nach dem Stichtag 1.1.1995 die Verhältnisse (z.B. durch Erlass des
Haftbefehls) weiter verändert haben. Dies hindert jedoch nicht, im Hinblick auf die
vorstehend aufgeführten Fakten von der Uneinbringlichkeit der Forderung jedenfalls zum
1.1.1995 auszugehen.
Die Vermögensteuer auf den 1.1.1995 berechnet sich danach wie folgt:
1.832.786,- Rohvermögen
- 1.350.607,-Summe der Abzüge
482.000 Gesamtvermögen (gerundet)
- 290.000Freibeträge
192.000 steuerpflichtig x 0,5 % = 960,- DM.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.