Urteil des FG Düsseldorf vom 24.03.2009

FG Düsseldorf: einlage, abzug von schuldzinsen, rechtsnachfolger, einkünfte, verlustvortrag, betriebsinhaber, forstwirtschaft, betriebsübertragung, kopie, kaufpreis

Finanzgericht Düsseldorf, 17 K 3718/07 F
Datum:
24.03.2009
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 3718/07 F
Tenor:
Der Bescheid vom 31.12.2003 über die gesonderte Feststellung des ver-
bleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer wird dahin abgeändert,
dass
für den Kläger vortragsfähige negative Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft auf den 31.12.2003 von 38.340,00 EUR festgestellt
werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
1
Die Beteiligten streiten um die Hinzurechnung von Schuldzinsen als nicht abzugsfähige
Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 a Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von
85,00 EUR.
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Die Kläger reichten für das Jahr 2003 zunächst keine Einkommensteuererklärung ein
und auch keine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustes zur
Einkommensteuer auf den 31.12.2003.
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Der Beklagte schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen. Er schätzte Einkünfte
aus Land- und Forstwirtschaft des Ehemannes von 36.759,00 EUR, verminderte diese
um einen Verlustvortrag von 29.017,00 EUR und setzte bei einem zu versteuernden
Einkommen von ./. 1.070,00 EUR mit Bescheid vom 12.01.2006 eine Steuer von 0,00
EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Bescheid des
selben Datums stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2003
auf 0,00 EUR fest. Dieser Bescheid erging ebenfalls unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Der Vorbehalt der Nachprüfung im Einkommensteuerbescheid vom 12.01.2006 und im
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Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den
31.12.2003 hob der Beklagte mit Bescheid vom 01.03.2007 auf. Die Kläger legten
gegen beide Bescheide Einsprüche ein.
Da die Kläger ihre Einsprüche trotz Aufforderung des Finanzamts nicht begründeten,
wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
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Die Kläger haben daraufhin gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2003 Klage
erhoben. Sie haben eine Einkommensteuererklärung und eine Erklärung zur
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für 2003 eingereicht, in der sie Einkünfte
aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 von 13.518,00 EUR
und für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 von ./. 32.334,00 EUR angaben, von denen
6.759,00 EUR und ./. 16.167,00 EUR für das Wirtschaftsjahr 2003 erklärten.
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Der Erklärung war eine Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen für den Zeitraum
01.07.2003 bis 30.06.2004 beigefügt. In dieser wurden für das laufende Wirtschaftsjahr
Entnahmen von 33.480,46 EUR, Einlagen von 548.586,67 EUR und damit
Unterentnahmen von 515.100,21 EUR erklärt. Es wurde ein nicht abzugsfähiger Anteil
der betrieblichen Schuldzinsen von 0,00 EUR errechnet.
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Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 18.02.2008 mit, die auf Grund der Hofübertragung
zum 01.03.2004 gebuchte Einlage könne bei der Berechnung der Überentnahmen nach
§ 4 Abs. 4 a EStG nicht in die Berechnung einbezogen werden. Es ergäben sich für das
Wirtschaftsjahr 2003/2004 nicht abzugsfähige Schuldzinsen von 170,00 EUR. Der
Beklagte forderte die Kläger auf, eine detaillierte Berechnung des Einlagewertes auf
Grund der Hofübergabe hinsichtlich des Grund und Bodens unter Benennung der
jeweiligen Grundstücksbezeichnungen zu übersenden.
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Die Kläger reagierten auf dieses Schreiben nicht. Eine Erinnerung durch das Gericht
blieb erfolglos. Auf nochmalige telefonische Erinnerung übersandten die Kläger zum
Nachweis der Einlagewerte zur Hofübergabe ein Verzeichnis über den Grund und
Boden sowie auszugsweise die betreffenden Sachkonten zum Transfer und über die
Bewertung der Einlagen (Blatt 40 f der FG-Akte). Die Kläger vertraten die Ansicht, die
Hofübergabe sei uneingeschränkt als Einlage zu bewerten. Die Wirtschaftsgüter des
ursprünglich an den Kläger verpachteten Betriebes seien im Rahmen der Hofübergabe
in den bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb eingelegt worden. Die
Zuwendung von Wirtschaftsgütern beziehungsweise eines ganzen Betriebes zu
Lebzeiten der Mutter des Klägers stelle unbestreitbar eine Einlage in das vorhandene
Betriebsvermögen dar. Es gälten die Grundsätze des § 6 Abs. 3 EStG. Hiernach erfolge
die Bewertung der Einlage zu Buchwerten des Rechtsvorgängers.
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Der Beklagte erwiderte, entgegen den Ausführungen der Kläger sei die Hofübergabe
nicht als Einlage zu bewerten und die Schuldzinsen seien in der mitgeteilten Höhe
anzusetzen. Der unentgeltliche Übergang eines Betriebes oder eines
Mitunternehmeranteiles führe beim bisherigen Betriebsinhaber nicht zu Entnahmen im
Sinne des § 4 Abs. 4 a EStG und beim Betriebsübernehmer nicht zu Einlagen im Sinne
dieser Vorschrift (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 17.11.2005, Tz. 10 a, BStBl I 2005,
S. 1019). Es könne dem Klagebegehren nicht entsprochen werden.
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Die Kläger teilten hierauf mit Schreiben vom 15.08.2008 mit, es bleibe nach Aktenlage
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die Berechnung der Zinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG in Verbindung mit der Einlage der
Wirtschaftsgüter im Rahmen der Hofübertragung in das Betriebsvermögen des
vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebes streitig. Das BMF-Schreiben vom
17.11.2005 stelle lediglich die Auffassung der Finanzverwaltung dar, es sei rechtlich
unbegründet und stehe nicht im Einklang mit dem EStG. Die zugrundeliegende
Vorschrift des § 4 Abs. 4 a EStG sei ein Unterpunkt zum Gewinnbegriff und der
Definition von Betriebsausgaben. Diese umfasse damit einzig und allein die
periodengerechte Gewinnermittlung und die exakte Darstellung der Einlagen und
Entnahmen des Unternehmers. Im Zusammenhang mit der Betriebsübertragung
hingegen sei der Blick ausschließlich auf die Bewertung der übertragenen
Wirtschaftsgüter zu richten. So gälten in diesem Zusammenhang Grundsätze, die
zunächst über die Unentgeltlichkeit (Buchwertfortführung) oder Entgeltlichkeit
(Teilwertansatz) aller übertragenen Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt der
Betriebsübertragung entschieden. Entsprechend der Anwendung vorbezeichneter
Grundsätze sei die Einlage in das vorhandene Betriebsvermögen zu bewerten mit dem
Buchwert (Kapitalkonto) oder dem Kaufpreis der Wirtschaftsgüter.
Auf Aufforderung des Berichterstatters übersandten die Kläger mit Schreiben vom
20.10.2008 eine Kopie des Hofübergabevertrages vom 19.02.2004 (vgl. Blatt 50 f zu
17 K 3716/07).
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In einem Telefongespräch vom 20.11.2008 mit dem Berichterstatter teilte der
Prozessbevollmächtigte mit, er werde die Klage voraussichtlich in der nächsten Woche
zurücknehmen. Eine Klagerücknahme wurde in der Folge nicht erklärt. Auf die Anfrage
des Berichterstatters vom 22.12.2008, ob die Klage zurückgenommen oder fortgeführt
werde, hielten die Kläger an der bisherigen Auffassung fest und beantragten mündliche
Verhandlung.
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Die Kläger beantragen,
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den verbliebenen Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2003 für den
Kläger auf 38.425,00 EUR negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
festzustellen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Das Finanzamt beantragt,
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den verbliebenen Verlustvortrag auf den 31.12.2003 auf 38.340,00 EUR
festzustellen.
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Die Klage ist teilweise begründet.
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I.
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Die Klage ist begründet, soweit die Kläger im Einklang mit dem Antrag des Beklagten
die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs in Höhe von 38.340,00 EUR
begehren. Die Kläger haben durch die Einreichung der Einkommensteuererklärung für
2003 sowie der Erklärung zur Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den
31.12.2003 der Schätzung des Beklagten die Grundlage entzogen.
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II.
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Unbegründet ist die Klage dagegen, soweit sich die Kläger gegen die Zurechnung von
nicht abzugsfähigen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG in Höhe von 85,00 EUR
wenden. Entgegen der Auffassung der Kläger ist keine Einlage von 548.586,67 EUR
anzusetzen, so dass eine Überentnahme entfiele.
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Der Kläger hat durch Übergabevertrag vom 19.02.2004 den bis dahin von ihm
gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
von seiner Mutter übernommen. Diese Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes
ist nicht als Einlage in den von dem Kläger bisher betriebenen (gepachteten)
landwirtschaftlichen Betrieb zu qualifizieren.
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1. Der Beklagte verweist auf das BMF-Schreiben vom 17.11.2005 (BStBl I 2005, 1019).
In Textziffer 10 dieses BMF-Schreibens heißt es, die Überführung und Übertragung von
Wirtschaftsgüter aus einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen sei als
Entnahme aus dem abgebenden Betriebsvermögen und als Einlage in das
aufnehmende Betriebsvermögen zu behandeln, auch wenn dieser Vorgang nach § 6
Abs. 5 EStG zu Buchwerten erfolge. Nach Textziffer 10a dieses BMF-Schreibens soll
dagegen der unentgeltliche Übergang eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils
beim bisherigen Betriebsinhaber (Mitunternehmer) nicht zu Entnahmen im Sinne des § 4
Abs. 4 a EStG und beim Rechtsnachfolger nicht zu Einlagen im Sinne dieser Vorschrift
führen. Die beim bisherigen Betriebsinhaber entstandenen Über- oder Unterentnahmen
sowie verbliebene Verluste gingen auf den Rechtsnachfolger über.
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2. Gegen diese Verwaltungsanweisung bestehen keine Bedenken, soweit diese beim
unentgeltlichen Übergang eines Betriebes die Annahme einer Einlage beim
Rechtsnachfolger ablehnt (vgl. Wied in Blümich, Kommentar zum EStG, § 4 RdNr. 619;
gegen die Annahme von Entnahmen auch bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern:
Ley KÖSDI 2009, S. 16333, 16335).
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a) § 4 Abs. 4 a EStG versagt den Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben,
soweit Überentnahmen getätigt wurden. Die Frage, ob und in welchem Umfang
Überentnahmen vorliegen, beantwortet § 4 Abs. 4 a EStG danach, inwieweit Entnahmen
erfolgt sind, welche die Einlagen und Gewinne übersteigen. Bei dem Übergang eines
Betriebes aber erfolgt anders als bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus einem
Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen keine "Entnahme" aus dem
Betrieb, sondern eine Übertragung des gesamten Betriebes. Entnahmen sind nach § 4
Abs. 1 Satz 2 EStG alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für
betriebsfremde Zwecke entnommen hat.
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Entsprechend stellt der Übergang des Betriebes auch beim Rechtsnachfolger keine
Einlage dar. Einlagen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG alle Wirtschaftsgüter, die der
Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat.
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Die Frage, ob der Übergang des Betriebes bei dem Rechtsnachfolger eine Einlage im
Sinne des § 4 Abs. 4 a EStG darstellt, kann im Streitfall, in dem der Kläger bereits einen
(gepachteten) Betrieb unterhielt, nicht anders beurteilt werden, als der Fall eines
Rechtsnachfolgers, der bisher noch nicht Betriebsinhaber war.
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b) Wollte man den Betriebsübergang als Einlage qualifizieren, wäre bei dem Übergang
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eines buchmäßig überschuldeten Betriebs eine Einlage mit negativem Vorzeichen
anzusetzen. Es würde dem Betriebsübernehmer das buchmäßige Kapital des
Rechtsvorgängers zugerechnet, ohne dass unterschieden würde, ob dieses auf einem
Saldo von Einlagen, Gewinnen und Entnahmen beruht, oder ob dieses aus Verlusten
resultiert. Es ergäbe sich ein Widerspruch zum grundsätzlichen Ansatz des § 4 Abs. 4 a
EStG.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136, 137 Finanzgerichtsordnung. Soweit der
Kläger obsiegt hat, beruht dies darauf, dass er eine Einkommensteuer- und eine
Feststellungserklärung eingereicht hat. Diese hätte er bereits im Rahmen des
Veranlagungsverfahrens einreichen können und sollen.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung, und es erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
relativen Rechtsprechung auch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs.
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