Urteil des FG Düsseldorf vom 17.02.2006

FG Düsseldorf: aufschiebende bedingung, grundstück, kaufvertrag, kaufpreis, stadt, aufhebungsvertrag, verkäuferin, grundbuch, schadenersatz, nichterfüllung

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 2949/05 GE
Datum:
17.02.2006
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2949/05 GE
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, den Grunderwerbsteuerbescheid vom
21.9.2004 aufzuheben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Streitig ist die Anwendung von § 16 GrEStG.
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Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 9.9.2004 (UR-Nr. /04 des
Notars B aus Z-Stadt) von Frau C das näher bezeichnete bebaute Grundstück Z-Straße
in zu einem Kaufpreis in Höhe von 305.000 EUR. Zugunsten des Klägers wurde eine
Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Mit Bescheid vom 21.9.2004 setzte
der Beklagte gegen den Kläger GrESt in Höhe von 10.675 EUR fest. Der Bescheid
wurde bestandskräftig.
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In der Folgezeit leistete der Kläger auf den vereinbarten Kaufpreis lediglich einen
Teilbetrag in Höhe von 15.000 EUR. Er wurde nicht als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 6.1.2005 (UR-Nr. /05 des
Notars B aus Z-Stadt) hoben die Vertragsparteien den Kaufvertrag vom 9.9.2004 auf.
Die Aufhebung stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Verkäuferin das
Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von mindestens 295.000 EUR an einen Dritten
verkauft. Von der geleisteten Teilzahlung in Höhe von 15.000 EUR sollten 5.000 EUR
an den Kläger zurückgezahlt werden. Der Restbetrag in Höhe von 10.000 EUR sollte
als Schadensersatz bei der Verkäuferin verbleiben. Mit notariell beurkundetem
Kaufvertrag vom selben Tag (UR-Nr. /05 des Notars B aus Z-Stadt) veräußerte Frau C
das Grundstück zum Kaufpreis in Höhe von 295.000 EUR an die Kaufleute D und E. Am
7.1.2005 bestätigte der beurkundende Notar, dass die Veräußerin das Grundstück
weiterveräußert habe und die Bedingung für die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags
eingetreten sei. Die Erwerber wurden am 17.1.2005 im Grundbuch eingetragen.
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Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Aufhebung der GrESt-Festsetzung
gem. § 16 GrEStG mit Schreiben vom 8.3.2005 ab mit der Begründung, das
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Verpflichtungsgeschäft sei zwar rechtlich, nicht jedoch tatsächlich rückabgewickelt
worden. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 10.6.2005 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich
die Klage.
Der Kläger trägt vor:
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Er habe nach Abschluss des Kaufvertrags den vereinbarten Kaufpreis nicht erbringen
können. Daraufhin habe er beabsichtigt, sich von dem Kaufvertrag zu lösen. Die
Verkäuferin sei dazu nur bereit gewesen, wenn sie bei der Veräußerung an einen
Dritten keinen finanziellen Schaden erleiden würde. Daraus erkläre sich die
aufschiebende Bedingung. Tatsächlich habe die Veräußerin unmittelbar nach
Abschluss des Aufhebungsvertrags das Grundstück weiterveräußert. Damit sei die
Bedingung eingetreten. Die Sachlage sei nicht anders zu beurteilen, als wenn die
Veräußerin vor der Vertragsaufhebung von ihm die Präsentation eines Ersatzkäufers
verlangt hätte. In diesem Fall wäre die Anwendung des § 16 GrEStG aber nicht
ausgeschlossen.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid
vom 21.9.2004 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Er trägt vor:
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§ 16 GrEStG verlange eine rechtliche und tatsächliche Rückgängigmachung des
ursprünglichen Verpflichtungsgeschäfts. Eine tatsächliche Rückgängigmachung liege
nicht vor, wenn das Verpflichtungsgeschäft zwar aufgehoben werde, sein
wirtschaftliches Ergebnis aber durch andere Vereinbarungen aufrecht erhalten bleibe.
Die aufschiebende Bedingung im Auflösungsvertrag beeinflusse wesentlich die
Verfügungsmacht der Veräußerin. Bis zur Weiterveräußerung seien dem Kläger
Einwirkungsmöglichkeiten verblieben. Die Veräußerin habe nicht uneingeschränkt über
das Grundstück verfügen können. Die Motivlage der Veräußerin sei unbeachtlich.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Aufhebung der mit Bescheid vom
21.9.2004 festgesetzten Grunderwerbsteuer ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger hat einen Anspruch
auf Aufhebung der Grunderwerbsteuer gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
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Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind erfüllt. Der Kaufvertrag vom
9.9.2004 ist durch die Vereinbarung der ursprünglichen Vertragsparteien vom 6.1.2005
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rechtlich vollständig rückabgewickelt worden. Zwar stand die Aufhebung des Vertrages
zunächst unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Veräußerin das Grundstück zu
einem Kaufpreis in Höhe von mindestens 295.000 EUR an einen Dritten
weiterveräußern würde. Diese Bedingung ist jedoch noch am selben Tag eingetreten.
Nach ständiger Rechtsprechung sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG
zwar nicht schon dann erfüllt, wenn lediglich das den Steuertatbestand erfüllende
Rechtsgeschäft --zivilrechtlich wirksam-- aufgehoben oder durch einseitige Erklärung
vernichtet wird. Vielmehr setzt die (tatsächliche und vollständige) Rückgängigmachung
i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG voraus, dass die Parteien vom Vollzug des unwirksamen
Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten
Leistungen zurückgewähren. Die Vertragsparteien müssen, um das wirtschaftliche
Ergebnis des zivilrechtlich unwirksam gewordenen Verpflichtungsgeschäfts in diesem
Sinne wieder zu beseitigen, sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben
und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (vgl. zuletzt BFH-Urteil
vom 16. Februar 2005 II R 53/03, BFHE 209, 158, BStBl II 2005, 495; BFH-Beschluss
vom 5. Oktober 2005 II B 152/04, BFH/NV 06, 127; jeweils m.w.N.).
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Im Streitfall ist der Erwerbsvorgang jedoch auch tatsächlich rückabgewickelt worden,
insbesondere hat die Veräußerin ihre ursprüngliche Verfügungsbefugnis
zurückerhalten. Die Vereinbarung der aufschiebenden Bedingung im
Aufhebungsvertrag vom 6.1.2005 steht dem nicht entgegen. Diese Bedingung konnte
nur durch ein Zutun der Veräußerin erfüllt werden. Sie hatte es in der Hand, die
Bedingung eintreten zu lassen oder beim Kläger Schadenersatz wegen Nichterfüllung
einzufordern. Der Kläger hat mit dem Aufhebungsvertrag jegliche Einflussnahme im
Hinblick auf das erworbene Grundstück verloren. Ihm ist keine tatsächliche oder
rechtliche Möglichkeit verblieben, bei der Weiterveräußerung an einen Dritten seine
wirtschaftlichen Interessen an dem Grundstück zu verwirklichen. Im Aufhebungsvertrag
hat er die Löschung der für ihn eingetragenen Auflassungsvormerkung ausdrücklich
unbedingt bewilligt, d.h. nicht unter der aufschiebende Bedingung der
Weiterveräußerung.
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Im übrigen zeigen die gesamten Umstände der Rückabwicklung, dass die
aufschiebende Bedingung allein auf Betreiben der ursprünglichen Veräußerin in den
Vertrag aufgenommen worden sind. Sie hatte ein Interesse daran, sich von dem
Ursprungsvertrag erst zu lösen, wenn sichergestellt war, dass sie das Grundstück zu
dem von ihr vorgesehenen Kaufpreis an einen Dritten weiterveräußern konnte,
anderenfalls hätte sie den Kläger weiterhin auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen
Nichterfüllung in Anspruch nehmen können. Die Sachlage ist mit der vergleichbar, in der
der Veräußerer von dem Ersterwerber zunächst die Benennung eines Ersatzkäufers
verlangt, bevor er sich von dem Kaufvertrag löst. Die Benennung eines Ersatzkäufers
steht § 16 GrEStG jedoch nicht entgegen, solange der Ersterwerber damit keine eigenen
wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen verfolgt (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG 15.
Aufl., § 16 Rdnr. 61b). Für Letzteres bietet der Streitfall keine Anhaltspunkte.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten steht die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin
vom 7. Januar 1993 (I 327/90, EFG 1993, 538) der o.g. Rechtsauffassung nicht
entgegen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Streitfall hatten die
Beteiligten den Erwerbsvorgang unter der Bedingung rückgängig gemacht, dass der
Veräußerer dem Erwerber Gesellschaftsanteile überträgt, die letztlich ebenfalls den
Wert des Grundstücks widerspiegeln. Zu Recht hat das Finanzgericht Berlin aufgrund
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dieser aufschiebenden Bedingung die tatsächliche Rückabwicklung des
Grundstücksgeschäfts verneint, obwohl sie später tatsächlich eingetreten ist. Erwerber
und Veräußerer sollten nach der Aufhebung des Kaufvertrags, der Einbringung des
Grundstücks in eine Gesellschaft und der - grunderwerbsteuerneutralen - Übertragung
der Gesellschaftsanteile wirtschaftlich so gestellt werden wie nach Abschluss des
Grundstückskaufvertrag. Dies trifft in dem hier zu entscheidenden Streitfall nicht zu, im
Gegenteil hat der Kläger durch die Schadenersatzleistung sogar noch einen Nachteil
erlitten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus
keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Revision ist auch nicht
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts
erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Entscheidung basiert auf der ständigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und der übrigen Finanzgerichte.
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