Urteil des FG Düsseldorf vom 20.03.2008
FG Düsseldorf: treu und glauben, stille reserven, konsortium, verkehrswert, wichtiger grund, substanzwert, einkünfte, rückübertragung, erwerb, gesellschafter
Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 4752/05 E
Datum:
20.03.2008
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 4752/05 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger war seit 1987 zunächst bei der B, später unmittelbar bei der
Muttergesellschaft C im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses beschäftigt. Im Jahr
1992 wurde er zum Partner der B bestellt. Ab 1993 war er – nach Verschmelzung beider
Gesellschaften – Partner der C.
2
Infolge seiner Bestellung zum Partner erwarb der Kläger am 11. August 1995 erstmals
entgeltlich Aktien an seiner Arbeitgeberin, der C. Grundlage dieser Beteiligung waren
die Bestimmungen über das Konsortium II für Aktien der C (künftig KII) in der
seinerzeitigen Fassung vom 22. Juni 1989. Danach konnten u.a. die leitenden
Mitarbeiter mit Partner-Status für die Dauer ihrer Bestellung als Partner Mitglieder des
Konsortiums II werden. Weitere Mitglieder des Konsortiums II waren die Mitglieder des
sog. Konsortiums I, die X-GmbH und die Y-GmbH. Der Konsortialvertrag sah bestimmte
Verfügungsbeschränkungen für die Aktien vor (Art. 3 KII). So durften etwa
konsortialgebundene Aktien grds. nur an die X-GmbH übertragen oder verpfändet
werden. Darüber hinaus verpflichteten sich die Mitglieder des Konsortiums für den Fall
der Beendigung ihrer Mitgliedschaft unwiderruflich dazu, die C-Aktien der X-GmbH zum
Verkauf anzubieten (Art. 5 KII). Der Übernahmekurs bestimmte sich in diesem Fall gem.
Art. 7 KII in Verbindung mit § 7 der Bestimmungen über das Konsortium I für Aktien der
C in der Fassung vom 16. Juni 1992 (KI). § 7 KI sah folgende Berechnung des
Übernahmekurses vor (auszugsweise):
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(1) Der Übernahmekurs für gemäß § 5 Abs. 1 angebotene C-Aktien ist auf der
Grundlage des jeweiligen Bilanzkurses (= Eigenkapital – bestehend aus
Gezeichnetem Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklage, ggf. Sonderposten mit
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Rücklageanteil sowie Gewinnvortrag – bezogen auf das gezeichnete Kapital) unter
Berücksichtigung eines angemessenen Zuschlags (Abs. 2) oder – bei in naher
Zukunft drohender gewichtiger Ergebnisverschlechterung – ausnahmsweise auch
eines notwendigen Abschlags (Abs. 3) zu bilden.
(2) Die für die Bemessung des Zuschlags zum Bilanzkurs maßgeblichen Daten
sind anhand des als Anlage 3 beigefügten Schemas vom Abschlussprüfer der C zu
ermitteln. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens können die Mitglieder des
Konsortiums I mit einer Mehrheit von drei Vierteln, gerechnet nach Köpfen, einen
niedrigeren Zuschlag, als er sich rechnerisch aus den gemäß Satz 1 ermittelten
Daten ergibt, festlegen. (...)
5
(4) Die Entscheidung über die Höhe des Übernahmekurses soll in der Regel für die
Dauer eines Jahres, und zwar anlässlich der Beschlussfassung gemäß § 4 Satz 2,
getroffen werden. Ein Ein-sichtsrecht in die Bücher und Schriften der C besteht
nicht; die aktienrechtlichen Befugnisse für Vorstandsmitglieder bleiben hiervon
unberührt.
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In dem Schema für die Bemessung des Zuschlags zum Bilanzkurs gemäß § 7 Abs. 2 KI
heißt es auszugsweise:
7
Stille Reserven, die sich aus Wertzuwächsen beim ruhenden Vermögen ergeben
haben und somit als unrealisiert anzusehen sind, führen nicht zu einem Zuschlag
zum Bilanzkurs. Gleiches gilt für stille Reserven, die durch Übertragung einer 6b-
Rücklage entstanden sind. Umgekehrt sind insoweit 6b-Rücklagen, die in den
Sonderposten mit Rücklageanteil enthalten sind, nicht in den Bilanzkurs
einzurechnen. Dies gilt solange, wie die Geschäftspolitik der C, Buchgewinne aus
dem Verkauf von Gegenständen des Anlagevermögens zu übertragen, beibehalten
wird. Ist dies nicht mehr der Fall, so ist dieser Betrag, sofern er von einigem
Gewicht ist, nach Abzug der latenten Steuern bei der Bilanzkursermittlung als
Hinzurechnungsposten anzusetzen.
8
Andere stille Reserven bei den Vermögens- und Schuldposten führen zu einem
Zuschlag zum Bilanzkurs, wenn sie in Ausübung eines Bewertungs- oder
Bilanzierungsrechts entstanden sind. Insoweit dürfen bei der Bemessung der stillen
Reserven die ursprünglichen Anschaffungskosten der Vermögenswerte, abzüglich
Normalabschreibungen bei abnutzbaren Gegenständen, nicht überschritten
werden. Dieser Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass durch die
Ausübung der hier angesprochenen Bewertungs- und Bilanzierungswahlrechte
das Ergebnis des aktiven Geschäfts beeinflusst worden ist. Gleichermaßen ist aber
auch zu verfahren, wenn notwendige Sonderabschreibungen vorgenommen
worden sind und später der Grund für die Sonderabschreibungen entfallen ist (...).
9
Für die 1995 erworbenen Namensaktien im Nennbetrag von 18.000 DM zahlte der
Kläger 73.800 DM. Im Veranlagungszeitraum 1995 hatte der Kläger seinen Wohnsitz in
den Niederlanden.
10
Mitte 1998 wurde der Aktienanteil aufgrund eines Beschlusses über die Aufstockung der
Mindestquoten für den Aktienbesitz der Partner um 9.000 DM aufgestockt. Die Aktien
erwarb der Kläger zum Konsortialkurs von 475 %. Der Kaufpreis belief sich auf 42.750
DM. Zugleich wurde 1998 eine Kapitalerhöhung durchgeführt und neue Aktien im
11
Verhältnis 1:1 ausgegeben, so dass der Kläger fortan Aktien im Nennwert von 54.000
DM hielt.
Im Oktober 1999 wurde der Aktienbesitz im Zuge einer Umstellung auf den Euro und
einer damit verbundenen Kapitalherabsetzung in Höhe eines Spitzenbetrages auf
nominal 27.000 EUR umgeschrieben.
12
Im Zuge einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung der C-Gruppe wurde der
Aktienbesitz der Partner der C schließlich durch Geschäftsanteile der Konzern-
Muttergesellschaft der C, der D, ersetzt. Zu diesem Zweck wurde das Stammkapital der
D von .... EUR auf .... EUR erhöht. Die Ausgabe der neuen Stammeinlagen erfolgte mit
einem Agio von 107,50 EUR je 50 EUR Nennbetrag. Der Kläger brachte seine Aktien
an der C zum festgelegten Konsortialkurs von 157,50 EUR je Aktie im Nennwert von 50
EUR ein und erhielt im Gegenzug je eingebrachter Aktie einen Anteil der Gattung A von
50 EUR an der D. Das Stammkapital wurde sodann ein weiteres Mal um .... EUR auf ....
EUR erhöht. Die Ausgabe der neuen Stammeinlagen erfolgte mit einem Agio von
107,50 EUR je 50 EUR des Nennbetrages der neuen Stammeinlagen. Die neuen
Stammeinlagen und das Agio waren in bar zu erbringen.
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Zuletzt hielt der Kläger Geschäftsanteile an der D in einem Nominalwert von insgesamt
62.000 EUR (Anteil der Gattung A i.H.v. 27.000 EUR, Anteil der Gattung B in Höhe von
35.000 EUR). Dies entsprach einer Beteiligungsquote von ....%.
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Im Zuge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung wurde am 9. Februar 2001 ein
neuer Konsortialvertrag über die gemeinsame Beteiligung an der D ("D-Konsortium")
geschlossen, in dem es u.a. heißt:
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Die Mitgliedschaft im Konsortium ist für die Partner auf die Dauer ihrer aktiven
beruflichen Tätigkeit für eine der Gesellschaften der C begrenzt. Wesentliches
Merkmal der befristeten partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist es, dass die
Abfindung eines Konsorten im Falle seines Ausscheidens, gleich aus welchem
Grunde, zu einem einheitlichen, festen Konsortialkurs erfolgt. Im Interesse der
Sicherung des Fortbestandes der C-Gruppe soll diese Regelung künftigen
Partnern den ungehinderten Zutritt zum Konsortium und damit zum Kreis der
Gesellschafter ermöglichen und so den partnerschaftlichen Gedanken fördern. Im
Einzelnen wird hierzu folgendes vereinbart: (...)
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3.3 Ein Konsorte, der nicht mehr die Voraussetzung für die Mitgliedschaft im
Konsortium erfüllt, scheidet mit dem Wegfall der Mitgliedschaftsvoraussetzungen (§
1.1 dieses Vertrages) ohne weiteres aus dem Konsortium aus. Ein Konsorte
scheidet ferner aus, wenn die Konsortialversammlung seinen Ausschluss
beschließt. Der Ausschluss ist zulässig, wenn die konsortialgebundenen Anteile
von einem Gläubiger des Konsorten gepfändet werden oder sonst wie in diese
vollstreckt werden, es sei denn die Vollstreckungsmaßnahme wird innerhalb von
zwei Monaten, spätestens aber bis zur Verwertung des Anteils aufgehoben, oder
wenn über das Vermögen des Konsorten das Insolvenzverfahren eröffnet oder die
Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder der
Konsorte die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides statt zu
versichern hat, oder wenn in der Person des Konsorten ein wichtiger Grund
vorliegt.
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3.4 Jeder Konsorte bietet hiermit für den Fall seines Ausscheidens (nach § 3.2 oder
3.3 dieses Vertrages) seine Anteile unwiderruflich den Erwerbsberechtigten (§ 3.6
dieses Vertrages) an. Dieses Verkaufsangebot gilt als abgegeben auf den Tag des
Ausscheidens. Jeder Konsorte bevollmächtigt hiermit unwiderruflich für den Fall
seines Ausscheidens einen von der Geschäftsführung des Konsortiums
bestimmten Konsorten, das Stimmrecht aus den gemäß Satz 1 angebotenen
Anteilen ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens bis zur Überleitung auf die
Erwerbsberechtigten (§ 3.6 dieses Vertrages) weisungsfrei auszuüben.
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3.5 Der Übernahmepreis für die nach § 3.4 dieses Vertrages angebotenen Anteile
entspricht dem Konsortialkurs (§ 5 dieses Vertrages).(...)
19
5.1 Der Konsortialkurs für die Anteile, gleich welcher Gattung, beträgt einheitlich
stets 157,50 EUR (315 %) für je 50 EUR Nennbetrag. Dabei bleiben insbesondere
das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres und stille Reserven der D im
Interesse des Gesellschaftszwecks unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund sind
sich die Konsorten darüber einig, dass bei der D grundsätzlich eine
Vollausschüttung künftiger Gewinne, allerdings unter angemessener
Berücksichtigung des Liquiditätsbedarfs der D und ihrer
Beteiligungsgesellschaften, anzustreben ist.
20
Zum 28. Februar 2002 schied der Kläger aus seinem Beschäftigungsverhältnis als
Partner der C aus. Anlässlich dieses Ausscheidens verkaufte der Kläger die von ihm
gehaltenen Anteile im Nennwert von 62.000 EUR per Notarvertrag vom 11. November
2002 an die D. Der Verkaufspreis für die Geschäftsanteile wurde gemäß § 3.6 des
Konsortialvertrags ermittelt und belief sich auf 195.300 EUR. Nach Verrechnung mit
Darlehen wurde dem Kläger am 22. November 2002 ein Restbetrag von 165.311,50
EUR überwiesen.
21
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2002 machte der Kläger bei den
Einkünften gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zunächst einen Verlust
i.H.v. 904.700 EUR geltend. Hierzu führte er aus, dass die Übertragung eines
Wirtschaftsguts eines Arbeitnehmers an seinen Arbeitgeber bzw. an dessen
Muttergesellschaft aus Gründen des Anstellungsvertrages negative Einnahmen aus
nichtselbständiger Tätigkeit in Form der Zuwendung eines geldwerten Vorteils darstelle.
Die steuerliche Beurteilung sei – mit umgekehrten Vorzeichen – identisch mit der
Gewährung eines Wirtschaftsgutes durch den Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer
aufgrund des Anstellungsverhältnisses. Da im vorliegenden Fall die übertragenen
Anteile an der D nicht börsennotiert gewesen seien, sei ihr Wert durch Schätzung zu
bestimmen. Die Wertfindung bei Unternehmen der vorliegenden Art erfolge
üblicherweise auf Basis des Jahresumsatzes dieser Unternehmen, wobei der
anwendbare Multiplikator zwischen 100 % und 130 % variiere. Bei seiner Berechnung
für steuerliche Zwecke sei er konservativ von einem Multiplikator von 110 %
ausgegangen, was zu einem Wert der hier in Rede stehenden Anteile von rd. 2,1 Mio.
EUR führe. In einer weiteren Berechnung habe er den reinen Substanzwert der
übertragenen D-Anteile als absoluter Mindestwert ermittelt, ohne dass stille Reserven,
zukünftige Ertragserwartungen oder der Good Will der C-Gruppe Berücksichtigung
finde. Dieser Wert betrage rund 660.000 EUR. Zur Berücksichtigung möglicher
wertmindernder Faktoren (eingeschränkte Handelbarkeit etc.) habe er bei der weiteren
Berechnung einen Mittelwert zwischen echtem Marktwert der Anteile auf
umsatzorientierter Basis und substanzwertorientierte Mindestwert gebildet, den er
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zudem um einen Abschlag für nicht zu vermeidende Ungenauigkeiten bereinigt habe.
Der sich ergebende Wert der Anteile an der D i.H.v. 1.100.000 EUR erscheine daher
angemessen. Unter Ansatz der dem Kläger zugestandenen Vergütung für die Anteile
i.H.v. 195.300 EUR ergäben sich somit die berechneten negativen Einnahmen i.H.v.
904.700 EUR.
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem im Einkommensteuerbescheid für 2002
vom 21. Januar 2004 nicht. Es erfasste Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v.
insgesamt 1.148.002 EUR (86.023 EUR laufender Arbeitslohn zzgl. einer Abfindung in
Höhe von 1.063.023 EUR abzgl. des Werbungskostenpauschbetrags in Höhe von 1.044
EUR). Die festgesetzte Einkommensteuer belief sich auf 431.461 EUR.
23
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein, der u.a. die Frage
des Ansatzes eines negativen Arbeitslohnes umfasste. Mit Einspruchsentscheidung
vom 20. Oktober 2005 setzte das FA die Einkommensteuer für 2002 auf 430.106 EUR
herab. Eine Abhilfe in Bezug auf den hier maßgeblichen Streitpunkt erfolgte nicht. In der
Einspruchsentscheidung führte das FA insoweit aus, dass der "Veräußerungsverlust"
nicht als negative Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt
werden könne. Ein Veräußerungsverlust sei schon gar nicht entstanden. Vielmehr sei
unter Berücksichtigung aller Umstände davon auszugehen, dass der vom Kläger
erzielte Verkaufspreis dem Verkehrswert der Anteile zum Verkaufszeitpunkt
entsprochen habe. Die Ermittlung des Verkehrswertes durch den Kläger könne nicht
übernommen werden. Es bleibe hierbei nämlich unberücksichtigt, dass die Aktien nicht
frei verkäuflich gewesen seien, sondern einer Verfügungsbeschränkung unterlegen
hätten. Durch den Konsortialvertrag sei sichergestellt worden, dass der Kaufpreis für die
Anteile grundsätzlich dem Verkaufspreis entsprochen habe. Abgesehen davon, dass ein
fremder Dritter diese Anteile nicht hätte kaufen können, hätte er zum Verkaufsstichtag
allenfalls den Preis gezahlt, den er im Falle des Wiederverkaufs hätte erzielen können.
Das sei aber lediglich der Konsortialpreis gewesen.
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Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Der Kläger hält im Wesentlichen
an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führt
ergänzend aus: In rechtlicher Hinsicht werde der vom Senat in seinem
Hinweisschreiben vom 29. November 2007 vertretenen Auffassung zugestimmt, dass es
zur Begründung des Klagebegehrens nicht der Rechtsfigur der negativen Einnahmen
bedürfe, sondern dass es sich um Werbungskosten handle. Der Kläger habe mit der
Rückgabe der Aktien Aufwendungen in Geldeswert in Form einer Sachzuwendung
erbracht, um voll steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu erzielen.
Denn ohne das zwangsläufige Vermögensopfer in Gestalt der Zwangsübertragung der
Geschäftsanteile hätte er die Abfindung seines Arbeitgebers nicht erhalten. Nicht gefolgt
werden könne allerdings der vom Senat vertretenen Auffassung, dass der
Werbungskostenabzug nicht in voller Höhe des gemeinen Wertes der
zwangsübertragenen Anteile (abzüglich des tatsächlich gezahlten Kaufpreises) zu
gewähren sei, sondern der Höhe nach durch den Betrag beschränkt sein solle, der bei
ursprünglichem Erwerb durch den Kläger als lohnsteuerlicher Vorteil versteuert wurde
oder hätte versteuert werden müssen. Es sei zwar zutreffend, dass der Erwerb der
Anteile dem Grunde nach der Einkommensteuer unterlegen habe und, wenn und soweit
der Kaufpreis unter dem gemeinen Wert gelegen habe, hätte versteuert werden müssen.
Hierauf komme es aber vorliegend nicht an. Der Abzug von Werbungskosten sei nach
dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht davon abhängig, aus welchen Quellen der
erbrachte Aufwand des Steuerpflichtigen in Geld oder Geldeswert stamme. Es spiele
25
daher keine Rolle, ob dieser aus versteuertem Einkommen oder aus anderen Quellen
stamme. Für die Gewährung des Werbungskostenabzugs komme es daher nicht darauf
an, ob die zurück übertragenen Geschäftsanteile ursprünglich durch einen
einkommensteuerlich relevanten Vorgang erworben worden seien und wie hoch die
einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ggf. gewesen sei. Die Beschränkung des
Werbungskostenabzugs in der vom Senat erwogenen Art erscheine eher wie eine
Billigkeitslösung, für die es im Gesetz weder eine Stütze noch einen Anlass gebe, zumal
der vom Kläger begehrte volle Werbungskostenabzug systemgerecht sei. Denn bei
korrespondierender Behandlung durch den Arbeitgeber reduzierte sich bei diesem in
Höhe des Nettowertes der zwangsübertragenen Anteile der steuerlich voll abzugsfähige
Personalaufwand unter gleichzeitiger Erhöhung der Anschaffungskosten für die
erhaltenen Anteile.
In Bezug auf die Höhe der anzuerkennenden Werbungskosten bleibe es dabei, dass der
Betrag von 195.300 EUR, den er für die Rückveräußerung der Anteile erhalten habe,
weit unter dem tatsächlichen Wert der übertragenen Geschäftsanteile zum
Übertragungszeitpunkt gelegen habe. Grund hierfür sei gewesen, dass der
Konsortialkurs durch Neufassung des Konsortialvertrages unter Abkehr von der
bisherigen Ermittlungsmethode auf einen festen, vom Substanz- oder Ertragswert der C-
Gruppe unabhängigen Kurs von 315 % fixiert worden sei. Diese Änderung der
Festlegung des Konsortialkurses sei mit Rücksicht darauf erfolgt, dass die C im
Wirtschaftsjahr 2001/2002 ihre zum Ende der 90iger Jahre extrem gewachsenen und
seither sehr profitablen Tochter an die E veräußert habe. Dies habe zu einem
Konzernjahresüberschuss der D im Geschäftsjahr 2001/2002 i.H.v. .... EUR geführt.
Durch die Fixierung des Konsortialkurses auf 315 % sei der durch den Verkauf der
Tochter unter Geltung einer Substanzwertbetrachtung unvermeidbare extreme
Kursanstieg der von den Partnern der C-Gruppe gehaltenen Geschäftsanteile verhindert
und die mögliche Realisation von Veräußerungsgewinnen durch abwanderungswillige
Partner unterbunden worden. Ausweislich des Konzernabschluss der D zum 30.
September 2002, also etwa 6 Wochen vor Zwangsveräußerung der Anteile des Klägers,
habe sich das Eigenkapital der D auf .... EUR belaufen, so dass sich abzüglich eines
Ausgleichspostens für die Anteile anderer Gesellschafter von .... EUR und zuzüglich
eines Sonderposten mit Rücklageanteil (50%) von .... EUR ein Substanzwert der
Gesellschaft i.H.v. .... EUR ergeben habe. Entsprechend der Beteiligungsquote von ....%
entfalle – unter Berücksichtigung eigener Anteile der D – auf die streitgegenständlichen
Geschäftsanteile des Klägers ein anteiliger Substanzwert von rund 787.119 EUR.
Abzüglich der geleisteten Zahlung von 195.300 EUR ergäben sich hieraus negative
Einnahmen in Höhe von 591.819 EUR.
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Dieses Ergebnis werde dadurch bestätigt, dass in den auf das Ausscheiden des Klägers
folgenden (etwas mehr als zwei) Jahren die C aus dieser Substanz in erheblichen
Umfang Gewinne ausgeschüttet habe, an denen der Kläger wegen der zwischenzeitlich
erfolgten Zwangsveräußerung seiner Anteile nicht mehr habe partizipieren können.
Diese Ausschüttungen zum 18. Dezember 2002, 17. Mai 2004 und 24. Januar 2005
hätten sich auf insgesamt .... EUR belaufen. Hiervon wäre ein rechnerischer Anteil von
ca. 357.000 EUR auf den Kläger entfallen. Im Falle des Fortbestandes seiner
Gesellschafterstellung hätte der Kläger folglich binnen kurzer Zeit einen erheblichen
Teilbetrag des ihm insgesamt zustehenden Substanzwertes tatsächlich realisieren
können.
27
In rechtlicher Hinsicht sei daher eine Berücksichtigung als Werbungskosten bei den
28
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gerechtfertigt. Überlasse eine
Kapitalgesellschaft Gesellschaftsanteile zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden
Preis, so bilde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. etwa Urteil
des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. April 1980 VI R 47/88, Sammlung der
Entscheidungen des BFH --BFHE-- 156, 468, Bundessteuerblatt --BStBl-- 1989, 608)
der den Mitarbeitern in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem gemeinen Wert
und dem Ausgabepreis der Anteile zugeflossene geldwerte Vorteil einen Teil des
steuerpflichtigen Arbeitslohns. Hieraus müsse konsequenterweise folgen, dass auch im
umgekehrten Fall spiegelbildlich Werbungskosten in Höhe der Differenz zwischen dem
Rücknahmepreis und dem gemeinen Wert der Anteile vorlägen, wenn – wie vorliegend
– aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ein Arbeitnehmer
Gesellschaftsanteile zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden Preis
zurückveräußern müsse. Vorliegend komme es daher maßgeblich auf den gemeinen
Wert der vom Kläger zwangsveräußerten Gesellschaftsanteile der D an. Dieser gemeine
Wert lasse sich nicht aus dem willkürlich festgelegten Konsortialkurs i.H.v. 315 %
ableiten. Der gemeine Wert sei vielmehr zu schätzen auf Basis dessen, was ein
Anteilseigner ohne willkürliche Preisfestsetzung durch Veräußerung der
Geschäftsanteile, aber auch durch sonstige Fruchtziehung, etwa durch Dividenden, aus
den Geschäftsanteilen würde erzielen können. Das absolute Minimum des gemeinen
Werts stelle folglich der Betrag dar, der entweder erwiesenermaßen in der Folgezeit der
Anteilsveräußerung auf die zwangsveräußerten Geschäftsanteile als Dividende
ausgeschüttet worden wäre oder aufgrund des verbliebenen Eigenkapitals der
Gesellschaft über weitere Gewinnausschüttungen oder Liquidationsauskehrungen in
Zukunft an den Anteilseigner auszukehren gewesen wäre, mit anderen Worten, der auf
die Geschäftsanteile entfallende anteilige Substanzwert der Gesellschaft.
Der Kläger beantragt zuletzt,
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den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 21. Januar 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2005 sowie den Änderungsbescheid
vom 15. November 2005 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit 591.819 EUR als negative Einnahmen beziehungsweise
als Werbungskosten berücksichtigt werden, hilfsweise die Revision zuzulassen.
30
Das FA beantragt,
31
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
32
Es hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Im Streitfall
sei bei der Rückübertragung der vom Kläger gehaltenen Geschäftsanteile an der D der
Konsortialpreis anzusetzen. Mithin seien auch keine negativen Einnahmen bzw.
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit entstanden. Selbst
wenn der Senat den Ausführungen des Klägers folgen und bei der Rückübertragung
vom gemeinen Wert der Anteile ausgehen sollte, würde allenfalls ein Verlust in der
Vermögenssphäre anzusetzen sein, der bloße Wertveränderungen in Folge von
Verwertungsmaßnahmen nicht zu negativen Einnahmen bzw. Werbungskosten führen
würden. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 10. November 2005 VI B 47/05
(Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 2006,
296) darauf hingewiesen, dass Wertveränderungen in der Vermögenssphäre bei der
Einkunftsermittlung im Rahmen der Überschusseinkünfte grundsätzlich außer Betracht
zu bleiben hätten.
33
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34
Die Klage ist unbegründet.
35
Das FA hat mit Recht die vom Kläger beantragte Berücksichtigung von negativen
Einnahmen bzw. Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
versagt.
36
Der Senat konnte insoweit die Frage, ob der Kläger die Anteile an der C bzw. an der D
ganz oder zum Teil verbilligt oder zum Verkehrswert erworben hat, dahinstehen lassen,
da in beiden Fällen keine steuerliche Berücksichtigung von Werbungskosten bzw.
negativen Einnahmen in Betracht kommt.
37
I. Für den Fall, dass der Kläger im Streitjahr aufgrund seines Dienstverhältnisses
verbilligt erworbene Anteile zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Verkaufspreis
zurückübertragen hat, ist nach Auffassung des Senats dem Kläger insoweit
zuzustimmen, als in dieser Konstellation dem Grunde nach ein Werbungskostenabzug
prinzipiell in Betracht kommen kann.
38
1. Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG alle Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach der ständigen BFH-
Rechtsprechung ist der Werbungskostenbegriff veranlassungsbezogen auszulegen
(eingehend etwa BFH-Urteil vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BFHE 146, 151, BStBl II
1986, 373). Nach Auffassung des Senats gehört zu den Werbungskosten in diesem
Sinne auch die Rückzahlung von Einnahmen im Sinne des § 19 EStG.
39
Allerdings hatte der BFH in seiner früheren Rechtsprechung die Rückzahlung von
steuerpflichtigen Einnahmen im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung als sog.
negative Einnahmen behandelt, mit der Folge, dass der zurückgezahlte Betrag nicht auf
den Werbungskostenpauschbetrag anzurechnen ist (vgl. etwa BFH-Urteile vom 13.
Dezember 1963 VI 22/61 S, BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184; vom 18. September
1964 VI 244/62 U, BFHE 81, 30, BStBl III 1965, 11; vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BFHE
150, 345, BStBl II 1988, 342). Von dieser Rechtsprechung, der noch der überkommene
"klassische" (nicht veranlassungsbezogene) Werbungskostenbegriff zugrunde lag, ist
der BFH in jüngerer Zeit erkennbar abgerückt, konnte die Streitfrage aber bislang
mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen lassen (vgl. etwa die BFH-Urteile
vom 3. August 1993 VIII R 82/91, BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561; vom 10. Oktober
1995 VIII R 56/91, BFH/NV 1996, 304; vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274,
BStBl II 2000, 396).
40
Der Senat schließt sich der in der Literatur wohl vorherrschenden Meinung an, dass es
eines Rückgriffs auf das Institut der negativen Einnahmen nicht bedarf, da hierfür bei
einer veranlassungsbezogenen Auslegung des Werbungskostenbegriffs keine
Notwendigkeit besteht (vgl. etwa v. Bornhaupt, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar
zum Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 229, Drenseck, in Schmidt, Kommentar zum
EStG, 26. Aufl., § 9 Rn. 61; Kreft, in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 9 Anm. 80; Wüllenkämper, Rückfluss von
Aufwendungen im Einkommensteuerrecht, Köln 1987, 14 ff; vgl. im Übrigen auch das
Urteil des Finanzgerichts -FG- Düsseldorf vom 7. November 2005 17 K 3987/03 F,
Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2006, 1154, Rev. eingelegt, in dem das FG
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ebenfalls von Werbungskosten und nicht von negativen Einnahmen ausging, die Frage
allerdings wohl nicht entscheidungserheblich war).
2. Ein vorangegangener Zufluss von Einnahmen – als "spiegelbildlich" erforderliche
Voraussetzung für eine Behandlung der Rückzahlung als Werbungskosten – läge nach
Auffassung des Senats in einer etwaigen (steuerpflichtigen) verbilligten Überlassung
der Anteile an der C bzw. der D.
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a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG
u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die
für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn
sind dabei alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) und
dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkunftsarten des § 19 EStG zufließen. Werden
Aktien verbilligt erworben, so stellt dies, wenn die Einräumung auf dem Arbeitsverhältnis
beruht, einen geldwerten Vorteil und damit eine Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit
dar (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 16. November 1984 VI
R 39/80, BFHE 142, 475, BStBl II 1985, 136; vom 7. April 1989 VI R 47/88, BFHE 156,
468, BStBl II 1989, 608; vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001,
509).
43
b) Die Veranlassung durch das Dienstverhältnis liegt im Streitfall jedenfalls im Hinblick
auf die Erwerbszeitpunkte 1995 und 1998 vor. Der Umstand, dass mit dem Aufstieg zum
Partner die Möglichkeit zum Erwerb von Anteilen an der Gesellschaft eröffnet werden, ist
eine bei ...-Unternehmen übliche Form der Mitarbeiterbeteiligung und damit eine
Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft. Ob auch die
Teilnahme an der Kapitalerhöhung im Jahr 2001 dem Arbeitsverhältnis zuzurechnen ist
und daher ggf. eine verbilligte Überlassung von Bezugsrechten erfolgte, oder ob der
Kläger in erster Linie als Gesellschafter an der Kapitalerhöhung teilnahm, kann aus den
nachfolgend dargestellten Erwägungen (vgl. II.) letztlich dahingestellt bleiben.
44
c) Im Streitfall liegt es nach Auffassung des Senats nahe, dass dem Kläger die
erworbenen Anteile verbilligt überlassen wurden.
45
aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine verbilligte Überlassung stattgefunden hat, ist
für die fraglichen Anteile – entsprechend der Vorgabe des § 19a Abs. 2 Satz 1 EStG
(§ 19a Abs. 8 EStG a.F.) – der gemeine Wert anzusetzen, da es sich um eine
Vermögensbeteiligung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften
Vermögensbildungsgesetzes (bzw. im Sinne des § 19a Abs. 3 EStG a.F.) handelt. Dass
die Voraussetzungen der Steuerfreiheit gem. § 19a Abs. 1 EStG im Streitfall nicht
vorliegen, ist unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV
2007, 898). Für die Bestimmung des gemeinen Wertes im Sinne des § 19a Abs. 2 Satz
1 EStG (bzw. § 19a Abs. 8 EStG a.F.) greifen die Vorschriften der §§ 9 und 11 des
Bewertungsgesetzes (BewG, vgl. im Übrigen BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R
72/05, BFH/NV 2007, 898).
46
Die Bewertung richtet sich vorliegend nach § 11 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BewG. Eine
Bewertung nach § 11 Abs. 1 BewG scheidet aus, da die Anteile weder im amtlichen
Handel notiert noch zum geregelten Markt zugelassen oder in den Freiverkehr
einbezogen sind. Eine Ableitung aus Verkäufen gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs.
BewG kommt nach Ansicht des Senats ebenfalls nicht Betracht, denn die Vorschrift setzt
– wie sich in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG ergibt – voraus, dass die Verkäufe
47
im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattfinden. Unter dem gewöhnlichen
Geschäftsverkehr ist der Handel zu verstehen, der sich nach den marktwirtschaftlichen
Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner
ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen
zu handeln in der Lage ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 44/77, BFHE 128,
254, BStBl II 1979, 618). Es muss sich gleichsam um einen durch Angebot und
Nachfrage bestimmten offenen Markt handeln (vgl. BFH-Urteile vom 30. März 1994 II R
101/90, BFHE 174, 94, BStBl II 1994, 503; vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV
2007, 898; Urteil des Niedersächsischen FG vom 28. Mai 1991 I 428/85, EFG 1991,
718). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Entsprechend der
Bestimmungen der Konsortialverträge I und II (§ 3 KI bzw. Art. 3 KII) konnten Verkäufe
allenfalls zwischen den Mitgliedern des Konsortiums und der X-GmbH bzw. zwischen
den Mitgliedern untereinander erfolgen. Der Verkaufspreis bestimmte sich ferner in der
Regel nach den in den Konsortialverträgen getroffenen Bestimmungen und gerade nicht
nach den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nach Maßgabe von
Angebot und Nachfrage.
bb) Nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BewG ist die Schätzung des
gemeinen Wertes unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten
der Kapitalgesellschaft vorzunehmen. Der Konsortialkurs, zu dem die Aktien an die
Konsortiumsmitglieder verkauft wurden, orientierte sich dagegen, wie sich aus Anlage 2
zu § 7 KI ergibt, in erster Linie am Substanzwert des Unternehmens. Grundlage der
Bewertung war danach das Eigenkapital der Gesellschaft, modifiziert durch Zuschläge
für stille Reserven, die sich aus der Ausübung eines Bewertungs- oder
Bilanzierungswahlrechts ergeben hatten. Stille Reserven, die sich aus Wertzuwächsen
beim ruhenden Vermögen ergeben hatten, wurden dagegen explizit ausgeklammert.
Bezöge man dagegen zusätzlich die Ertragsaussichten des Unternehmens im Streitfall
ein, indem man z.B. entsprechend dem ursprünglichen Vorschlag des Klägers die
substanzorientierte Bewertung mit einem vereinfachten Ertragswertverfahren in Gestalt
der sog. Umsatzmethode (vgl. etwa Großfeld, Unternehmensbewertung und
Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1994, 83) kombiniert, und zwar in
Anlehnung an die ursprüngliche Schätzung des Anteilswertes durch den Kläger unter
Anwendung eines konservativ gewählten Multiplikators von 110% bezogen auf den
jeweiligen Jahresumsatz, ergäbe sich wohl ein höherer gemeiner Wert der C-Anteile zu
den einzelnen Erwerbszeitpunkten.
48
cc) Selbst wenn dieses Schätzungsverfahren - wie vom Kläger zuletzt vorgetragen – in
den Jahren 1995 und 1998 unzutreffend gewesen sein sollte, da der Gewinn größerer
...-Gesellschaften seinerzeit in erster Linie über die Arbeitslöhne "ausgeschüttet" worden
und daher richtigerweise vom Substanzwert auszugehen wäre – m.a.W. der von der C
ermittelte Konsortialpreis also dem gemeinen Wert entsprochen haben sollte –, gilt dies
jedenfalls nicht für das Jahr 2001. Wie der Kläger selbst eingeräumt hat, war in Bezug
auf dieses Jahr bereits absehbar, dass die hochprofitable Tochter verkauft werden
würde und damit entsprechende stille Reserven realisiert würden. Das von der C
angewendete "modifizierte" Substanzwertverfahren konnte diesem Umstand nach
Auffassung des Senats nicht hinreichend Rechnung tragen, so dass zumindest insoweit
wohl eine verbilligte Überlassung – allerdings möglicherweise als Gesellschafter und
nicht als Arbeitnehmer – stattgefunden haben dürfte.
49
dd) Der Annahme einer verbilligten Überlassung stünde im Streitfall auch nicht der
Umstand entgegen, dass sich der Kläger bei Erwerb der Aktien bestimmten
50
Verfügungsbeschränkungen unterworfen hatte. Gem. § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BewG
sind bei der Feststellung des gemeinen Wertes Verfügungsbeschränkungen in der
Person des Steuerpflichtigen nicht zu berücksichtigen. Hierunter fallen nach der
Rechtsprechung des BFH insbesondere auch Verfügungsbeschränkungen, die ihren
Geltungsgrund in der Mitgliedschaft und den mitgliedschaftlichen Rechtsbeziehungen
zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft haben (vgl. etwa BFH-Urteil vom 17.
Juni 1998 II R 46/96, BFH/NV 1999, 17), z.B. wenn nach dem Gesellschaftsvertrag die
Veräußerung von Anteilen der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf (vgl. BFH-Urteile
vom 17. September 1997 II R 74/94, BFH/NV 1998, 318 und vom 17. Juni 1998 II R
46/96, BFH/NV 1999, 17).
Im Streitfall rechtfertigt daher der Umstand, dass die konsortialgebundenen Anteile nur
mit Zustimmung der Geschäftsführung des Konsortiums verkauft, übertragen, verpfändet
oder mit einem Nießbrauch belastet werden durften, keinen Bewertungsabschlag.
Gleiches gilt auch für die Konsortialvereinbarung, wonach jeder "Konsorte" verpflichtet
war, für den Fall seines Ausscheidens die Anteile dem Konsortium zum Kauf
anzubieten, und zwar zum festen Konsortialkurs. Bei dieser Form des Vorkaufsrechts
handelt es sich ebenfalls um eine in der Person des Klägers liegende
Verfügungsbeschränkung, da dieser auf schuldrechtlicher Basis dem Konsortium
beigetreten ist und die Konsortiumsbildung im gegenseitigen Interesse der Partner
erfolgte, während den Anteilen an der C bzw. D selbst keine Verfügungsbeschränkung
anhaftete (vgl. zu ähnlichen Verfügungsbeschränkungen auch RFH-Urteil vom 12.
September 1940 IIIe 67/39, RStBl 1940, 953 und BFH-Urteil vom 30. März 1994 II R
101/90, BFHE 174, 94, BStBl II 1994, 503).
51
d) Ob die verbilligte Überlassung im Jahr 1995, in dem der Kläger seinen Wohnsitz in
den Niederlanden hatte, in Deutschland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG in der seinerzeit
maßgeblichen Fassung überhaupt steuerpflichtig gewesen wäre, kann ebenfalls
dahingestellt bleiben, denn sollte es schon an einem steuerpflichtigen Sachbezug
fehlen, kommt aus den nachfolgend unter II. dargestellten Erwägungen kein
Werbungskostenabzug in Betracht.
52
3. Freilich setzt der Werbungskostenabzug auch in der hier fraglichen Konstellation
voraus, dass ein entsprechender Veranlassungszusammenhang besteht.
53
a) Entgegen der Auffassung des Klägers begründet zunächst die Hingabe der Anteile
an der D selbst (in Höhe ihres gesamten Verkehrswertes) keinen
Werbungskostenabzug. Zwar umfasst der Begriff der Aufwendungen im Sinne des § 9
Abs.1 EStG – in Übereinstimmung mit dem Begriff der Einnahmen gem. § 8 Abs.1 EStG
– nicht nur Geldzahlungen, sondern auch den Abfluss geldwerter Güter (vgl. etwa BFH-
Urteil vom 22. September 1994 IX R 47/89, BFH/NV 1995, 294 m.w.N). Der
Werbungskostenabzug setzt jedoch einen Veranlassungszusammenhang mit der
fraglichen Einkunftsart voraus. Daran fehlt es hier. Die Anteile verkörpern – wie es einer
Mitarbeiterbeteiligung im Regelfall gerade immanent ist – eine eigenständige
Einkunftsquelle des Privatvermögens, und zwar unabhängig davon, ob sie aus
Lohneinkünften finanziert wurden. Ihre Rückveräußerung ist daher außerhalb der
Einkunftsarten der §§ 17 und 23 EStG (die hier beide nicht greifen) steuerlich grds.
unbeachtlich. Die Anteile bilden insbesondere kein – wie auch immer geartetes –
Einkunftserzielungsvermögen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
(die Frage der Existenz eines Einkunftserzielungsvermögens hat der BFH bislang
indessen offen gelassen, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 18. September 2007 IX R 42/05,
54
BStBl II 2008, 26).
Ein vorrangiger Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit wird auch nicht dadurch begründet, dass der Kläger zur
Rückveräußerung vertraglich verpflichtet war, weil neben der Gesellschafterstellung
auch das Dienstverhältnis endete. Der Umstand, dass die Rückübertragung nicht
freiwillig erfolgte, ändert nichts daran, dass es sich steuerlich um eine selbständige
Einkunftsquelle handelt. Nichts anderes gilt schließlich auch in Bezug auf den Vortrag
des Klägers, dass die Rückveräußerung deshalb erfolgte, weil ansonsten keine
Abfindung gezahlt worden wäre. Selbst wenn zivilrechtlich eine Abwicklung "Zug-um-
Zug" erforderlich gewesen sein sollte, wird hierdurch kein steuerlicher
Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
begründet.
55
b) Ein Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
besteht nach Auffassung des Senats allerdings insoweit, als zum Erwerbszeitpunkt eine
verbilligte Überlassung z.B. von Aktien stattgefunden hat und es aufgrund einer
vertraglichen Vereinbarung dazu kommt, dass die Rückübertragung zu einem unter dem
Verkehrswert liegenden Verkaufspreis erfolgen muss. Denn die Anfangsbesteuerung
einer solchen Zuwendung macht zum Zeitpunkt der Rückveräußerung der Anteile eine
Prüfung notwendig, ob sich der Sachbezug endgültig manifestiert hat oder ob dieser
ganz oder zum Teil durch die Rückübertragung unter Verkehrswert wieder rückgängig
gemacht wurde. Im letztgenannten Fall ist – wie in anderen Fällen von "negativen
Einnahmen" – eine Berücksichtigung als Werbungskosten vorzunehmen (i.E. gl.A.
Breinersdorfer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 19 Rdnr. B 656). Insoweit handelt
es sich um ein notwendiges Korrektiv zur sog. Anfangsbesteuerung von verbilligt
überlassenen Unternehmensanteilen. Denn anders als bei der im Rahmen von nicht
handelbaren Aktienoptionen anzuwendenden sog. "Endbesteuerung" (vgl. etwa BFH-
Urteil vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509 m.w.N.)
besteht hier keine Möglichkeit, auf eine tatsächlich realisierte Vermögensmehrung
abzustellen. Nach Ablauf der Spekulationsfrist besteht zudem bei der
Anfangsbesteuerung auch im Rahmen der Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften keine Möglichkeit mehr, die bereits versteuerte verbilligte
Überlassung zu korrigieren.
56
Ungeachtet der mit einer Anfangsbesteuerung verbundenen Probleme – etwa in Bezug
auf die sich stellenden Bewertungsfragen – hält der Senat in der fraglichen Konstellation
die Anfangsbesteuerung für folgerichtig, da nach derzeitiger Gesetzeslage auch alle
anderen denkbaren Besteuerungsmodelle, wie sie teilweise bereits
finanzverwaltungsintern diskutiert wurden, Nachteile aufweisen. Eine Endbesteuerung
hat der BFH im Zusammenhang mit Belegschaftsaktien in seinem Urteil vom 16.
November 1984 VI R 39/80 (BFHE 142, 475, BStBl II 1985, 136) mit dem Argument
verworfen, dass bei stetig steigenden Kursen ein weitaus höherer Vorteil zu realisieren
wäre als ihn der Arbeitgeber zuwenden wollte. Dem ist zuzustimmen, denn faktisch liefe
die Endbesteuerung auf eine – dem Einkünftedualismus zuwiderlaufende – im Einzelfall
zeitlich nahezu unbegrenzte Steuerverhaftung der Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der
Einkunftsart des § 19 EStG hinaus.
57
Ebenfalls problematisch erscheint aus Sicht des Senats die Sichtweise, dass es von
vornherein an einer verbilligten Überlassung fehlen soll, wenn der Mitarbeiter durch die
Begrenzung des Rückveräußerungspreises nicht an den stillen Reserven beteiligt wird
58
(so wohl die Auffassung von Binz/Sorg, GmbH-Rundschau -GmbHR- 2005, 893). Eine
solche Lösung ließe außer Betracht, dass die Vereinbarung des
Rückveräußerungspreises vertraglich abänderbar ist. Würde beispielsweise die
vertragliche Wertbeschränkung zum Rückveräußerungszeitpunkt gestrichen, wäre eine
nachträgliche Berücksichtigung der (ursprünglichen) verbilligten Überlassung i.d.R. aus
verfahrensrechtlichen Gründen steuerlich nicht mehr berücksichtigungsfähig.
Schließlich kann in vergleichbaren Fällen auch nicht per se von einer "verkappten"
Tantiemenregelung ausgegangen werden, mit der Folge, dass – wie zum Teil vertreten
– Anschaffung und Veräußerung der Anteile als Werbungskosten bzw. Arbeitslohn, die
"Gewinnanteile" hingegen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu behandeln
wären. Zwar weisen die zivilrechtlich als "Mitarbeitermodell" bzw. "Managermodell"
bezeichneten Formen der Unternehmensbeteiligung durch die Beschränkung der
Beteiligung an den bis zum Ausscheiden eingetretenen Wertsteigerungen eine "einer
Tantiemenregelung ähnelnde Gestaltung" mit einer "treuhänderähnlichen Stellung" des
Mitarbeiters auf (so der Bundesgerichtshof -BGH- in seinem Urteil vom 19 September
2005 II ZR 342/03, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs -BGHZ- 164, 107). Aber
auch wenn es sich häufig um eine weitestgehend "entkernte" Beteiligung handeln
dürfte, die sich im Wesentlichen auf eine Partizipation an den Ausschüttungen
beschränkt, geht der Senat nichtsdestoweniger davon aus, dass der
Beteiligungscharakter nicht pauschal in Abrede gestellt werden kann. Maßgeblich für
die Entscheidung dürfte vielmehr sein, ob dem jeweiligen Mitarbeiter nach steuerlichen
Grundsätzen das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung zugerechnet werden kann.
Ist dies der Fall, ist konsequenterweise zwischen Arbeitnehmer- und
Gesellschafterstellung zu differenzieren und es kann nicht davon ausgegangen werden,
dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Vordergrund stehen und die
anderen Einkunftsarten deshalb verdrängt werden (allgemein zur Abgrenzung beider
Einkunftsarten etwa BFH-Beschluss vom 28. Juni 2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870
m.w.N.). Auch die Rechtsprechung zu den partiarischen Darlehensverhältnissen dürfte
auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar sein (vgl. etwa BFH-Beschluss vom
28. Juni 2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870; Urteil des Niedersächsischen FG vom
30. November 2006 11 K 49/03, EFG 2007, 1242; im Ergebnis ähnlich Urteil des FG
Berlin-Brandenburg vom 29. August 2007 1 K 3459/03 B, EFG 2007, 1874). Im Streitfall
geht der Senat aufgrund der vorgelegten Unterlagen davon aus, dass der Kläger wohl
wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen der C erworben haben dürfte. Dem Kläger
standen effektiv (wenn auch durch die Bestimmungen des Konsortialvertrags in
gewissem Maße eingeschränkte) Stimmrechte zu, er erhielt jährliche
Gewinnausschüttungen (über die Verwendung des Bilanzgewinns wurde offenbar –
jedenfalls nach dem neu gefassten Konsortialvertrag – ebenfalls durch die Konsorten
abgestimmt) und nahm – jedenfalls bis zur Fixierung des Konsortialkurses – an der
Wertentwicklung des Gesellschaftsanteils teil, wenn auch unter weitgehendem
Ausschluss der Beteiligung an den stillen Reserven. Darüber hinaus hatte der Kläger
auch das Risiko der Wertminderung in Gestalt eines gesunkenen Bilanzkurses sowie
eines etwaigen Abschlags vom Übernahmekurs (§ 7 KI) bzw. das Insolvenzrisiko zu
tragen. Davon, dass vorliegend kein wirtschaftliches Eigentum bestehen könnte und
daher etwa eine Umqualifizierung der Ausschüttungen in Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit zu erfolgen hätte, gehen im Übrigen auch beide Beteiligte
nicht aus.
59
4. Der dem Grunde nach bei einer verbilligten Überlassung mögliche
Werbungskostenabzug ist im Streitfall jedoch im Ergebnis deshalb ausgeschlossen, da
60
hier der ggf. entstandene Sachbezug infolge einer etwaigen verbilligten Überlassung zu
den jeweiligen Erwerbszeitpunkten tatsächlich nicht der Besteuerung unterworfen
wurde.
a) Das Einkommensteuerrecht kennt allerdings kein allgemeines Korrespondenzprinzip
(vgl. BFH-Urteile vom 26. Juli 1995 X R 113/93, BFHE 179, 34, BStBl II 1996, 157, vom
26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796; sowie BFH-Beschluss
vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, n.v.; vgl. ferner auch Urteil des FG Düsseldorf vom 7.
November 2005 17 K 3987/03 F, EFG 2006, 1154), wonach etwa eine
korrespondierende Behandlung von Einnahmenseite und Ausgabenseite stets
zwingend erforderlich wäre. Der Senat vermag der ständigen BFH-Rechtsprechung zu
den negativen Einnahmen auch nicht zu entnehmen, dass Voraussetzung eines Abzugs
die tatsächliche Versteuerung der zugrunde liegenden Einnahmen sein soll. Soweit der
BFH in den entsprechenden Entscheidungen die Formulierung gewählt hat, "die er in
einem früheren Veranlagungszeitraum zuviel erhalten und versteuert hat" (vgl. etwa
BFH-Urteile vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S, BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184;
vom 10. Oktober 1995 VIII R 56/91, BFH/NV 1996, 304; vom 4. August 1999 VIII B
51/98, BFH/NV 2000, 204), ist dies wohl lediglich als Hinweis auf den Normalfall zu
verstehen, dass die Einnahmen auch tatsächlich erklärt und versteuert wurden. Dass die
vorangegangene Versteuerung gleichsam materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal
der negativen Einnahme sein soll, lässt sich den betreffenden Entscheidungen wohl
nicht entnehmen (so möglicherweise auch die Tendenz im BFH-Urteil vom 18.
September 1964 VI 244/63 U, BFHE 81, 30, BStBl III 1965, 11).
61
b) Einer Geltendmachung des Werbungskostenabzugs steht im Streitfall jedoch der
Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Nach dem auch im Steuerrecht
anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben hat jeder auf die berechtigten
Belange des anderen Teils angemessene Rücksicht zu nehmen und darf sich nicht in
Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzen. Der Grundsatz von Treu und
Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen. Er kann
allenfalls verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden
kann. Das frühere Verhalten des Steuerpflichtigen kann nicht dazu führen, solche
Steuerrechtsfolgen zu begründen oder zu verneinen, die materiell-rechtlich nicht
bestehen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 I R 7/97, BFHE 184, 88, BStBl II 1998,
33).
62
Nach Maßgabe dieser Grundsätze muss dem Kläger im Streitfall die Berufung auf den
Werbungskostenabzug versagt werden. Denn er hatte dadurch einen
Vertrauenstatbestand beim FA geschaffen, dass er in keinem der Jahre, in denen er
jeweils Anteile an der C bzw. der D verbilligt erworben hatte, Sachbezüge erklärt oder
auch nur den zugrunde liegenden Sachverhalt dem FA zur Prüfung unterbreitet hatte.
Zwar hat der Senat weder Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung
oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung feststellen können, zumal die steuerliche
Behandlung vergleichbarer Fallkonstellationen auch auf Seiten der Finanzverwaltung –
trotz mehrerer (stark differierender) Stellungnahmen der Lohnsteuerreferenten der
Länder – nach wie vor ungeklärt ist. Der Umstand, dass eine verfahrensrechtliche
Korrektur nach Ablauf der Festsetzungsfrist nun nicht mehr möglich ist, kann dem Kläger
jedoch nach Ansicht des Senats nicht zum Vorteil gereichen und stellt einen Verstoß
gegen die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme dar.
63
Insoweit rechtfertigt die vorliegende Fallgestaltung keine abweichende Bewertung im
64
Vergleich zu derjenigen, dass z.B. eine steuerpflichtige Einnahme vom FA zu Unrecht
als steuerfrei angesehen und später zurückgezahlt wird. Auch in diesem Fall soll nach
der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur nach dem Grundsatz von Treu und
Glauben keine Berücksichtigung von negativen Einnahmen (respektive nach der hier
vertretenen Auffassung von Werbungskosten) in Betracht kommen können (vgl. v.
Bornhaupt, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O, § 9 Rdnr. B 235; Kreft, in
Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O, § 9 Anm. 81; Drenseck, in Schmidt, a.a.O., § 9 Rn.
63).
Die Auffassung des Senats steht auch nicht im Widerspruch zum Urteil des FG
Düsseldorf vom 7. November 2005 17 K 3987/03 F (EFG 2006, 1154 m. Anm.
Pfützenreuter, Revision eingelegt unter dem Az. VI R 12/06). In dieser Entscheidung
hatte es das FG zwar abgelehnt, den Abzug von zurückgezahlten Einnahmen als
Werbungskosten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben deshalb zu versagen, weil
die Einnahmen tatsächlich nicht der Besteuerung unterworfen wurden. Ursächlich
hierfür war jedoch der Umstand, dass die Kläger im zeitlich vorangegangenen
Klageverfahren betreffend die steuerliche Erfassung der Einnahmen die Auffassung
vertreten hatten, dass die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift nicht vorlägen, und
sich das FA dieser Beurteilung angeschlossen hatte. Während es in diesem Fall also
um eine irrige rechtliche Beurteilung seitens des FA ging, handelt es sich vorliegend um
einen gänzlich anderen Anknüpfungspunkt für den gesetzten Vertrauenstatbestand.
65
II. Ein Werbungskostenabzug ist schließlich auch dann ausgeschlossen, wenn die
Anteile ganz oder zum Teil zum Verkehrswert (bzw. zwar verbilligt, aber nicht im
Rahmen des Dienstverhältnisses, sondern als Ausfluss der Gesellschafterstellung oder
in Bezug auf den Erwerb im Jahr 1995 ggf. im Inland nicht steuerpflichtig) erworben
wurden. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass Fallgestaltungen denkbar sind, bei
denen die Anteile zum Rückgabezeitpunkt aus im Arbeitsverhältnis liegenden Gründen
zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis zurückerworben werden, mit der
Folge, dass es sich um einen steuerpflichtigen Sachbezug handelt. Daraus folgt jedoch
entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass umgekehrt grds. Werbungskosten
anfallen müssen, wenn die Anteile zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Wert
zurückübertragen werden. Denn insoweit fehlt es – wie bereits unter I.3.a) ausgeführt –
an einem Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit, da es sich bei den Anteilen um eine eigenständige Einkunftsquelle des
Privatvermögens handelt. Letztlich greifen hier die gleichen Erwägungen wie in den
Fällen des Verlustes einer GmbH-Beteiligung: Ein solcher kann nach der
Rechtsprechung des BFH selbst dann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden kann, wenn die Beteiligung
Voraussetzung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer der GmbH war (vgl. BFH-Urteil
vom 12. Mai 1995 VI R 64/94, BFHE 177, 472, BStBl II 1995, 644). Da der mögliche
Gewinn aus der Wertsteigerung mit Ausnahme der §§ 17 und 23 EStG nicht
steuerpflichtig ist, soll umgekehrt der eingetretene Verlust auch nicht steuermindernd
berücksichtigt werden können. In diesem Sinne hat es der BFH ebenfalls abgelehnt,
Wertänderungen in der Vermögenssphäre steuerlich als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, selbst wenn der
Arbeitgeber hierfür die Ursachen gesetzt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November
2005 VI B 47/05, BFH/NV 2006, 296). Im Übrigen ist dem Kläger durch die
Herabsetzung des "gleitenden" Konsortialkurses auf einen fixierten Konsortialpreis zwar
möglicherweise ein Teil des Veräußerungsgewinns entgangen, den er bei Fortbestand
der ursprünglichen Berechnung des Konsortialkurses hätte erwarten dürfen. Es handelte
66
sich aber lediglich um eine Gewinnchance, da die Konsortialkursberechnung lt. der
Konsortialvereinbarung abänderbar war. Die konkrete Entscheidung, den Konsortialkurs
abzuändern, ist Teil der "Geschäftspolitik" des Konsortiums als Träger der C und wurzelt
damit als unternehmerische Entscheidung allein im Gesellschafts- und nicht im
Arbeitsverhältnis. Insoweit realisierte sich für den Kläger ein Risiko, dass, nicht anders
als das Insolvenzrisiko, dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob und in
welcher Höhe in der vorliegenden Konstellation ein Werbungskostenabzug
vorzunehmen ist (bzw. eine Berücksichtigung von negativen Einnahmen in Betracht
kommt) und ob die Geltendmachung des Werbungskostenabzugs – wenn eine
verfahrensrechtliche Änderung der Zuflussjahre nicht mehr möglich ist – nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen ist, hat grundsätzliche Bedeutung.
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