Urteil des FG Düsseldorf vom 13.02.2004

FG Düsseldorf (Stadt, Privatvermögen, Erlass, Einspruch, Steuerfestsetzung, Steuerberater, Willenserklärung, Erwerb, Kaufpreis, Rücknahme)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 2917/02 E
13.02.2004
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 2917/02 E
Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 20.7.2000 und die dazu
ergangene Einspruchsentscheidung werden dahingehend geändert,
dass der Entstrickungsgewinn in Höhe von 971.936 DM nicht der
Besteuerung unterworfen wird.
Die Berechnung der Einkommensteuer 1998 wird dem Beklagten
auferlegt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Entstrickung einbringungsgeborener Anteile gem. § 21 Abs. 2
Umwandlungssteuergesetz (UmwStG).
Der Kläger brachte 1996 seine Steuerberater-Einzelpraxis zu Buchwerten in die Q-
Steuerberatungsgesellschaft mbH, , N-Stadt, gegen Gewährung von Gesellschafterrechten
zum Nennwert in Höhe von 10.000 DM ein. Für diese einbringungsgeborenen Anteile
beantragte er am 30.10.1998 die Entstrickung gem. § 21 Abs. 2 UmwStG. Diesen Antrag
nahm er mit Schreiben vom 17.11.1998 zurück. Am 3.12.1998 stellte er erneut einen Antrag
auf Entstrickung der Anteile.
Am 23.2.2000 reichten die Kläger eine gemeinsame Einkommensteuererklärung 1998 ein.
Der Kläger erklärte darin einen Veräußerungsgewinn aus selbständiger Tätigkeit in Höhe
von insgesamt 1.601.426,00 DM. Dieser setzte sich zusammen aus einem Gewinn aus der
Veräußerung der Steuerberatungspraxis in O-Stadt in Höhe von 629.490 DM und einem
Gewinn gem. § 21 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 UmwStG in Höhe von 971.936 DM. Der Beklagte
folgte diesen Angaben und setzte die Einkommensteuer 1998 mit Bescheid vom 20.7.2000
auf 401.865,00 DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 20.7.2000 mit Schreiben vom 17.8.2000
Einspruch ein und nahm darin den Antrag auf Entstrickung der einbringungsgeborenen
Anteile zurück. Zur Begründung führte er aus, der Antrag auf Entstrickung sei bis zur
Bestandskraft der Steuerfestsetzung widerrufbar. Demzufolge sei im Streitjahr 1998 kein
Entstrickungsgewinn entstanden. Hilfsweise beantragt er, einen Entstrickungsgewinn in
Höhe von 527.884,00 DM der Besteuerung zugrunde zu legen. Bei der ursprünglichen
Berechnung habe er fälschlicherweise einen Faktor von 1,5 auf den Durchschnittsumsatz
der letzten Jahre angewandt. Richtig sei es, einen solchen von 0,8 anzuwenden. Der
Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2.5.2002 als unbegründet
zurück. Dagegen richtet sich die Klage.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Die Kläger tragen vor:
Den Antrag auf Entstrickung habe er zurückgenommen. Ein Entstrickungsgewinn sei daher
nicht angefallen. Die Rücknahme des Antrags sei bis zur Bestandkraft des
Einkommensteuerbescheides möglich gewesen, weil das UmwStG nichts Gegenteiliges
anordne. In anderen, ähnlich gelagerten Fällen sehe das Gesetz ausdrücklich vor, dass der
Antrag unwiderruflich sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinen Urteilen insoweit
stets auf den Wortlaut des Gesetzes abgestellt. Der Vorgang sei auch nicht mit dem einer
Entnahme vergleichbar. Einbringungsgeborene Anteile gehörten nämlich zum
Privatvermögen. Hinsichtlich der Höhe des Entstrickungsgewinns sei zu beachten, dass
der Berechnungsfaktor 1,5 nicht die tatsächlichen Gegebenheiten wiederspiegele. Der
Kaufpreis für vergleichbare Einzelpraxen, die die Q-Steuerberatungs mbH 1996 und 1997
erworben habe, habe 1,0 bzw. 0,85 des jeweiligen Jahresumsatzes betragen. Daher
komme der Faktor 0,9 den tatsächlichen Verhältnissen nahe.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 20.7.2000 und die dazu
ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1998 ohne den
Entstrickungsgewinn in Höhe von 971.936 DM festzusetzen;
hilfsweise
die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1998
unter Berücksichtigung eines Entstrickungsgewinns in Höhe von 527.884 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Den Antrag auf Entstrickung habe der Kläger nicht zurücknehmen können. Er sei mit einer
Entnahme vergleichbar, bei der weder der Vorgang selbst noch seine steuerlichen Folgen
beseitigt werden könnten. Nicht erforderlich sei, dass § 21 UmwStG eine konkrete
Unwiderruflichkeit des Antrags vorsehe. Der Kläger habe mit dem Antrag den Zeitpunkt für
die Besteuerung selbst gewählt. Dass es sich bei den Anteilen um Privatvermögen
handele, sei dabei unerheblich. Hinsichtlich der Höhe des Entstrickungsgewinns habe der
Kläger keine konkreten und nachvollziehbaren Fakten vorgetragen, warum der
ursprünglich auf der Basis des Durchschnittsumsatzes der letzten drei Jahre und dem
Faktor 1,5 errechnete Gewinn falsch sein solle. Der Erwerb der Einzelpraxen sei mit der
Praxisgröße und den Umsätzen nicht vergleichbar. Hier handele es sich nicht um einen
Verkauf. Insoweit sei schon eher die Veräußerung der Praxis in O-Stadt heranzuziehen.
Diese sei mit einem Faktor in Höhe von 1,5 veräußert worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in
ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Kläger hat keinen Entstrickungsgewinn gem. § 21 Abs. 1 UmwStG für die
einbringungsgeborenen Anteile an der Q-Steuerberatungs-GmbH erzielt. Zwar hat der
Antragsteller die Entstrickung gem. § 21 Abs. 2 UmwStG beantragt und damit die
Rechtsfolgen des § 21 Abs. 1 UmwStG herbeigeführt. Er hat diesen Antrag jedoch im
Rahmen der Einspruchsentscheidung ausdrücklich zurückgenommen.
Der Kläger konnte den Antrag bis zur Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids
zurücknehmen. Dass der Antrag auf Entstrickung nach § 21 Abs. 2 UmwStG nur
unwiderruflich erklärt werden kann, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen.
20
21
22
Anders als z. B. §§ 13 Abs. 4 Satz 2, 52 Abs. 21 a. F. Einkommensteuergesetz hat der
Gesetzgeber nämlich einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Antrag unwiderruflich
ist oder nur innerhalb einer bestimmten Frist erklärt werden kann, nicht in das Gesetz
aufgenommen. Fehlt ein solcher Hinweis, kann ein Antrag nach Auffassung des
erkennenden Gerichts zumindest bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung
zurückgenommen werden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes
(BFH) in ähnlich gelagerten Fällen, in denen dieser stets auf den Wortlaut des Gesetzes
abgestellt hat (vgl. BFH Urteil vom 17.1.1995, IX R 37/91, Bundessteuerblatt -BStBl.- II
1995, 410 [411]; vom 25.6.1994, III R 32/91, BStBl. II 1993, 824; vom 9.8.1989, X R 110/87,
BStBl. II 1990, 195).
Die gegenteilige Auffassung in der Kommentarliteratur (vgl. u.a. Widmann/Meyer,
Umwandlungsrecht, § 21 UmwStG Tz. 207; Dehmer/Schmidt, Umwandlungsrecht,
UmwStG, § 21 UmwStG Tz. 38; Klingberg in Blümich, § 21 UmwStG Tz. 47) überzeugt
nicht, denn sie lässt eine Begründung vermissen. Soweit sich die Autoren auf ein
Schreiben der Finanzverwaltung vom 16.6.1978 (BStBl. I 1978, 235 [244]) beziehen, reicht
dies zur Begründung nicht aus. Zwar führt die Finanzverwaltung darin aus, dass der Antrag
nach § 21 Abs. 2 UmwStG 1977 einer Entnahme gleicht. Damit wird jedoch lediglich
begründet ("gleicht
insoweit
Zeitpunkt zurückbezogen werden kann. Im übrigen nimmt die Finanzverwaltung in diesem
Schreiben lediglich zu den Wirkungen des Antrags, nicht zu seiner Widerrufbarkeit
Stellung. Im Erlass der Finanzverwaltung zu dem hier streitigen § 21 Abs. 2 UmwStG 1996
(v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268 [333]) findet sich ebenfalls kein Hinweis zur
Widerrufbarkeit. Auch wird in diesem Erlass der Antrag nach § 21 Abs. 2 UmwStG nicht
(noch nicht einmal "insoweit") einer Entnahme gleichgestellt. Dies ist auch folgerichtig,
denn als Willenserklärung kann der Antrag lediglich die Wirkungen einer Entnahme
entfalten. Ob der Antrag widerrufen, zurückgenommen oder erneut gestellt werden kann, ist
eine davon zu unterscheidende Frage. Daher ist der Streitfall entgegen der vom Beklagten
geäußerten Ansicht auch nicht mit dem Fall der Umwidmung gewillkürten
Betriebsvermögens vergleichbar. Dafür ist nämlich neben der bloßen Erklärung gegenüber
der Finanzbehörde zusätzlich ein Entnahmeakt, z. B. die buchtechnische Berücksichtigung,
erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zuzulassen. Die Entscheidung hat angesichts fehlender
höchstrichterlicher Rechtsprechung und einer gegenteiligen Auffassung in der Literatur
über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).