Urteil des FG Düsseldorf vom 16.10.2003

FG Düsseldorf (vorsteuer, kläger, bundesrepublik deutschland, der rat, vorsteuerabzug, anschaffungskosten, ausschluss, umsatzsteuer, vorschrift, begründung)

Finanzgericht Düsseldorf, 14 K 5000/00 E
Datum:
16.10.2003
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 5000/00 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob die gemäß § 15 Abs. 1 b Umsatzsteuergesetz - UStG - nicht abziehbare
hälftige Vorsteuer zu den Anschaffungskosten des erworbenen Wirtschaftsguts gehört
oder sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig ist.
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Der Kläger ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG -.
Er erwarb im Streitjahr 1999 einen zu betrieblichen und in gewissem Umfang auch zu
privaten Zwecken genutzten Pkw. Im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 1999
berücksichtigte er gemäß § 15 Abs. 1 b UStG nur die Hälfte der gezahlten Umsatzsteuer
als Vorsteuer. Im Rahmen der Gewinnermittlung rechnete er die nicht abzugsfähige
Hälfte der Vorsteuer (3.165,52 DM) den Anschaffungskosten des Pkw hinzu.
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Der Beklagte veranlagte den Kläger erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 1999. Der
entsprechende Einkommensteuerbescheid vom 12.04.2000 erging unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung - AO -.
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Mit Schreiben vom 14.04.2000 beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid
1999 zu ändern. Die nicht als Vorsteuer abziehbare Hälfte der Umsatzsteuer in Höhe
von 3.165,52 DM sei nach § 9 b Abs. 1 EStG sofort als Betriebsausgaben abziehbar.
Dementsprechend sei die Abschreibung für den Pkw von bisher 5.344,48 DM auf
4.946,96 DM zu vermindern. Der Verlust aus Gewerbebetrieb belaufe sich danach auf
11.808 DM. Bezüglich der Umsatzsteuer 1999 hat der Kläger keinen Änderungsantrag
gestellt.
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Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.04.2000 die beantragte Änderung des
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Einkommensteuerbescheides ab. Zur Begründung führte er aus, der nicht abziehbare
Vorsteuerbetrag gehöre zu den Anschaffungskosten des Pkw. § 9 b Abs. 1 Satz 2 EStG
finde auf die nach § 15 Abs. 1 b UStG nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge keine
Anwendung.
Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung
vom 14.07.2000 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird
auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.
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Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend: Bezüglich des
nicht abziehbaren Vorsteuerbetrages greife die zweite Ausnahmeregelung des § 9 b
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ein, weil zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führende
Umsätze im Sinne dieser Vorschrift nicht vorlägen. Gesamtumsatz im Sinne der
Vorschrift sei "die Summe aller zum Vorsteuerabzug berechtigenden und aller zum
Ausschluss des Vorsteuerabzuges führenden Umsätze". Bei der Vorsteuerkürzung des
§ 15 Abs. 1 b UStG handele es sich jedoch nicht um einen den Vorsteuerabzug
ausschließenden Umsatz. Solche Umsätze habe er nämlich nicht getätigt, sodass im
Ergebnis die nichtabziehbare Vorsteuer als sofort abziehbare Betriebsausgabe
berücksichtigt werden müsse.
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Der Kläger beantragt,
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den Ablehnungsbescheid vom 20.04.2000 und die Einspruchsentscheidung vom
14.07.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den
Einkommensteuerbescheid 1999 vom 12.04.2000 dahingehend zu ändern, dass
die Einkommensteuer auf 732 DM festgesetzt wird,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsansicht fest.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten
(§ 101 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den
hälftigen Vorsteuerabzug als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe zu berücksichtigen
und den Einkommensteuerbescheid 1999 entsprechend zu ändern.
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Die Vorsteuer aus der Rechnung über den Autokauf ist nach § 15 Abs. 1 b UStG nur zu
Hälfte abziehbar. Ob § 15 Abs. 1 b UStG mit der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie
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(77/388/EWG) vereinbar ist und der Rat (durch seine Entscheidung vom 28.Februar
2000, 2000/186/EG) die Bundesrepublik Deutschland rückwirkend wirksam zur
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Einführung der Beschränkung des Vorsteuerabzuges ermächtigt hat, kann offen bleiben.
Ein möglicher Richtlinienverstoß bewirkt nämlich nicht die Nichtigkeit des § 15 Abs. 1 b
UStG, sondern erlaubt dem Steuerpflichtigen nur, sich gegenüber dem Mitgliedstaat auf
die Richtlinienwidrigkeit zu berufen. Der Kläger hat aber in seiner Umsatzsteuer-
Jahresanmeldung den § 15 Abs. 1 b UStG angewandt und ist davon in der Folgezeit
auch nicht abgerückt. Der Ausgang des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof
auf Grund der Vorlage durch den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 13.11.2000 (V
R 30/00, Der Betrieb 2001, 246) muss daher nicht abgewartet werden.
Die danach nicht abziehbare Vorsteuer erhöht die Anschaffungskosten des Pkw und ist
nicht sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig.
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Aus § 9 b Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt sich, dass grundsätzlich die nicht abziehbare
Vorsteuer zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts gehört. Hiervon macht § 9 b
Abs. 1 Satz 2 EStG zwei Ausnahmen, die jedoch im Streitfall nicht eingreifen.
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§ 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG kommt nicht zum Zuge, weil der Prozentsatz der
nichtabziehbaren Vorsteuer sowohl 25 v. H. des Vorsteuerabzugs als auch 500 DM
übersteigt. Entgegen der Auffassung des Klägers greift aber auch § 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 EStG nicht ein. Nach dieser Vorschrift braucht der nicht abzugsfähige Vorsteuerbetrag
nicht den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des angeschafften oder hergestellten
Wirtschaftsgut zugerechnet werden, wenn die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug
führenden Umsätze nicht mehr als 3 v. H. des Gesamtumsatzes betragen. Diese
Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben, weil der Kläger überhaupt keine zum
Ausschluss des Vorsteuerabzugs führenden Umsätze getätigt hat. Die
Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte der Vorsteuer aus dem Pkw-Kauf folgt hier aus der
Sonderregelung des § 15 Abs. 1 b UStG. Hierauf findet aber § 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
EStG schon dem Wortlaut nach keine Anwendung. Denn ein fehlender Umsatz mit
Vorsteuerabzug ist eben kein solcher Umsatz unterhalb von 3 v. H. des
Gesamtumsatzes. Hinzu kommt, dass der hälftige Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs.
1 b UStG auf eine bestimmte Art von Wirtschaftsgütern beschränkt und daher eher mit
der wirtschaftsgutbezogenen Regelung des § 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG vergleichbar
ist, der vom Kläger für anwendbar gehaltene § 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG dagegen an
die Verwendung jedweder Art von Wirtschaftsgütern zu Umsätzen mit oder ohne
Berechtigung zum Vorsteuerabzug anknüpft. Auf ähnlichen Überlegungen dürfte die
Auffassung der Finanzverwaltung beruhen, die die Regelung des § 9 b Abs. 1 Satz 2
EStG in den Fällen des § 15 Abs. 1 b UStG "ihrem Wesen nach" nicht für anwendbar
hält (vgl. R 86 Abs. 5 Sätze 4 und 5 Einkommensteuer-Richtlinien 2001; ähnlich
Dziadkowski, Deutsches Steuerrecht 2000, 456).
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Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten nicht eine andere Auslegung. Die
Regelungen in § 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EStG sind als Ausnahmen von der
grundsätzlichen Zuordnung der nichtabziehbaren Vorsteuer zu den Anschaffungskosten
nur als Vereinfachungsregelungen gerechtfertigt. Es soll bei absolut kleinen Beträgen
oder einem nur geringen Prozentsatz nicht abziehbarer Vorsteuer keine Aufteilung und
Zuordnung dieser Teilbeträge zu den Anschaffungskosten vorgenommen werden
müssen. In Fällen des § 15 Abs. 1 b UStG treffen diese Überlegungen aber nicht zu (a.
A. Fuhrmann in Korn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 b EStG, Rz. 19
sowie Simon in Deutsches Steuerrecht 1999, 1516). Der hälftige Vorsteuerausschluss
betrifft nämlich keinen geringen Prozentsatz und seine Zuordnung zu § 9 b Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 EStG wäre auch ein Wertungswiderspruch zu § 9 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, der
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bei geringerem Prozentsatz bereits nicht anwendbar ist und zusätzlich noch eine
absolute Betragsgrenze enthält.
Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Begründung zum
Steueränderungsgesetz 2001 (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache
14/6877, B. Besonderer Teil zu Art. 1 - Einkommensteuergesetz - zu Nr. 5 (§ 9 b Abs. 1
Satz 2)). Dort wird ausgeführt, dass sich durch die Streichung des § 9 b Abs. 1 Satz 2
EStG eine klarstellende Anpassung der Nr. 2 an die Änderungen des Vorsteuerabzugs
durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 erübrigt.
Ergänzend wird dann ausdrücklich vermerkt, dass die 3-vom-Hundert-Umsatzgrenze
nach Nr. 2 nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf einen Vorsteuerbetrag anwendbar sei,
der nach § 15 Abs. 1 b UStG mit 50 v. H. vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, obwohl es sich um
auslaufendes Recht handelt. Die Rechtsfrage kann noch in einer Vielzahl von
Steuerfällen auftreten. Angesichts der unterschiedlichen Auffassungen im Schrifttum
besteht folglich ein Interesse an einer höchstrichterlichen Entscheidung, die bisher noch
nicht vorliegt.
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