Urteil des FG Düsseldorf vom 24.04.2006

FG Düsseldorf: nettolohn, arbeitslohn, rückzahlung, verfügung, auszahlung, behandlung, verrechnung, saldo, nettoeinkommen, erlass

Finanzgericht Düsseldorf, 17 K 4592/04 H(L)
Datum:
24.04.2006
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 4592/04 H(L)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten darum, ob die Einkommensteuererstattungen, welche die
Arbeitnehmer der Klägerin an diese abgeführt haben, zu einer Minderung des Brutto-
oder des Nettolohns führen.
2
Die Klägerin hat mit ihren japanischen Arbeitnehmern Nettolohnvereinbarungen
abgeschlossen. Auf deren Grundlage zahlt sie den Angestellten einen vereinbarten
Nettolohn aus und übernimmt die auf diesen Nettolohn anfallenden Steuern als
Arbeitgeberin. Kommt es im Rahmen von Einkommensteuerveranlagungen der
Arbeitnehmer zur Erstattung von Einkommensteuer, werden die Erstattungsbeträge auf
der Grundlage der getroffenen Nettolohnabreden von den Arbeitnehmern an die
Klägerin abgeführt. Dies erfolgt regelmäßig dadurch, dass die im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagungen entstehenden Steuererstattungsansprüche an die
Klägerin abgetreten werden.
3
Die Klägerin behandelte die Erstattungen als negative Einnahmen der Arbeitnehmer.
Sie kürzte in Höhe dieser negativen Einnahmen den laufenden Nettolohn, den sie ihrer
Lohnsteueranmeldung zu Grunde legte. Die Einkommensteuererstattungen waren auf
den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer nicht als Werbungskosten oder negative
Einnahmen eingetragen.
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Bei der Klägerin wurde eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt. Bei dieser Prüfung
vertraten die Prüfer die Auffassung, die negativen Einnahmen seien nicht vom Nettolohn
abzuziehen, sondern minderten nur den Bruttolohn. Der Beklagte erließ
dementsprechend einen Lohnsteuerhaftungsbescheid und nahm die Klägerin in Höhe
der sich ergebenden Differenzen in Anspruch. Die Klägerin legte gegen diesen
Haftungsbescheid Einspruch ein, den der Beklagte als unbegründet zurückwies. Der
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Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung aus, das Finanzamt sei bei der
Entscheidung, ob es Lohnsteuer nachfordere (Entschließungsermessen) und von wem
es die Lohnsteuer nachfordere (Auswahlermessen), nur den gegebenen sachlichen
Merkmalen gefolgt. Seien als negative Einnahmen zu qualifizierende Rückflüsse
festzustellen, minderten sie den Bruttolohn, was auf die Anwendung der Regelung in
der Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - vom 23.03.1994 (in der Fassung vom
15.03.2001 S 2367 A-St 22/St 221, EStG-Kartei NRW, § 19 EStG, Fach 2 Nr. 1000)
hinauslaufe. Wegen näherer Einzelheiten der Einspruchsentscheidung wird auf die
beigezogene Lohnsteuerakte des Beklagten Bezug genommen.
Die Klägerin hat hierauf Klage erhoben. Sie meint, bei der Rückzahlung von
Einkommensteuererstattungen an den Arbeitgeber handele es sich um eine
Verminderung der Nettoeinkünfte des Arbeitnehmers. Sie sei im Ergebnis gleich zu
behandeln mit dem Fall, dass dem Arbeitnehmer die Einkommensteuererstattung
belassen werde und der Arbeitgeber im Hinblick auf diese Erstattung seine weiteren
Nettolohnauszahlungen entsprechend reduziere, um zum vereinbarten Nettolohn zu
gelangen. Dementsprechend habe sie die Einkommensteuererstattungen ihrer
Arbeitnehmer in der Periode des Zuflusses mit den an die Arbeitnehmer ungekürzt
ausgezahlten Boni verrechnet und die Lohnsteuer auf diesen, um den Betrag der
Steuerrückzahlung verminderten Betrag im Wege der Bruttolohnhochrechnung ermittelt
und abgeführt.
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Hiervon abweichend - so die Klägerin - vertrete der Beklagte die Auffassung, dass die
Einkommensteuererstattungen als negativer Arbeitslohn nicht vom Netto-, sondern vom
Bruttolohn zu kürzen seien, was zu einer höheren Lohnsteuer in der Periode der
Einkommensteuerrückzahlung führe. Die Auffassung des Beklagten, dass es sich bei
der Rückzahlung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer um negativen
Bruttolohn handele, sei nicht nachvollziehbar und finde im Gesetz keine Grundlage. Die
Einkommensteuererstattung an den Arbeitgeber habe ihren Rechtsgrund in der mit der
Nettolohnabrede vereinbarten Höhe des dem Arbeitnehmer zustehenden Nettolohnes,
der durch die Rückzahlung der dem Arbeitnehmer zufließenden Steuererstattung an die
Klägerin gewährleistet werde. Damit handele es sich ausschließlich um die
erforderliche Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer in Form der Steuererstattung
zufließenden zusätzlichen Nettolohnzuflüsse bei dem von der Klägerin in der
Rückflussperiode an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Nettobetrag und damit im
Ergebnis um eine entsprechende Korrektur des Nettoeinkommens. Dass die dem
Arbeitnehmer zustehenden Steuererstattungsansprüche an sie abgetreten würden und
sie den ungekürzten Nettobetrag in der Rückzahlungsperiode an die Arbeitnehmer
auszahle, sei nur eine Frage der Gestaltung des Zahlungsweges aus Gründen der
Praktikabilität und könne hinsichtlich der vorstehenden steuerrechtlichen Beurteilung
nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen.
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Selbst wenn man der Finanzverwaltung darin folgen würde, dass es sich bei der
Rückzahlung der Steuererstattungsansprüche um negativen Bruttolohn handele, sei es
in der Finanzverwaltung ständige Praxis, dass bei einer Berücksichtigung dieser
Erstattungsbeträge außerhalb des Lohnsteuerabzugsverfahrens im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagungen die aus einer Kürzung des Bruttolohns resultierenden
weiteren künftigen Steuererstattungen in den folgenden Jahren jeweils bei Zufluss der
Steuererstattung wiederum steuermindernd berücksichtigt werden könnten, sodass es
zu einer zeitlich gestreckten Hochrechnung und damit zu der mit einer Verrechnung mit
dem Nettobetrag vergleichbaren Berücksichtigung der Steuererstattungen komme.
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Nichts anderes könne letztlich bei der Berücksichtigung dieser Erstattungen im Rahmen
von Lohnabrechnungen gelten. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass der
Steuereffekt bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren wirksam werde und die Folgeeffekte
daher ebenfalls zeitgleich in vollem Umfange geltend gemacht werden könnten, sodass
auch diese Hilfsüberlegung zu dem Ergebnis führe, dass eine Hochrechnung der
Einkommensteuererstattungen im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens zu
erfolgen habe. Der angegriffene Haftungs- und Nachforderungsbescheid des Beklagten
gehe unzutreffend von einer Verrechnung mit dem Bruttolohn aus, ohne jedoch die in
diesem Fall konsequenterweise vorzunehmende Hochrechnung der insgesamt dadurch
eintretenden Steuerminderung durchzuführen und sei dementsprechend antragsgemäß
zu ändern.
Die vom Finanzamt beabsichtigte Korrektur würde dazu führen, dass die Folgeeffekte
der Bruttolohnverminderungen überhaupt nicht mehr erfasst würden. Dies würde
wiederum bedeuten, dass das Nettoeinkommen auf Grund von
Nettolohnvereinbarungen der Arbeitnehmer geringer wäre, als das Nettoeinkommen
gemäß den Einkommensteuerveranlagungen.
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Beispiel:
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a. Jahr 01 Jahr 02
11
200
12
(10) * Rückzahlung an den
13
Arbeitgeber aus 01
14
Bruttoarbeitslohn 200 190
15
Lohnsteuer (50 %) 100 95
16
Einkommensteuer auf Grund der
17
Einkommensteuer-Veranlagung 90 95
18
Einkommensteuer-Erstattung 10* -
19
Nettoeinkommen nach
20
Einkommensteuer-Veranlagung* 110 95
21
Netteinkommen auf Grund
22
Nettolohnvereinbarung 100 100
23
Differenz 10 (5)
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Nach diesem Beispiel hätte der Arbeitnehmer gemäß Einkommensteuerveranlagung ein
Nettoeinkommen von 110 EUR + 95 EUR = 205 EUR erzielt. De facto habe er aber nur
200 EUR als Nettolohn erhalten. Der Arbeitnehmer müsse bei dieser Handhabung
25
einen Bruttolohn versteuern, den er in dieser Höhe nicht erhalten habe. Dies sei nicht
sachgerecht und zudem mit dem im Steuerrecht zu beachtenden
Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vereinbar.
Die Klägerin meint, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Finanzverwaltung darauf
bestehe, dass Einkommensteuererstattungen nur vom Bruttolohn abgezogen werden
dürften, sie dagegen in R 122 Abs. 2 Lohnsteuerrichtlinien - LStR - den Abzug von
Freibeträgen vom Nettolohn zulasse und sich insoweit auf Vereinfachungsgründe
berufe. Der Abzug eines Freibetrags vom Bruttolohn sei nicht nennenswert schwieriger
als der Abzug vom Nettolohn.
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Die Klägerin beantragt,
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den Haftungs- und Nachforderungsbescheid des Beklagten vom 21.06.2002 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2004 dahin zu ändern, dass die Nachforderung
für Lohnsteuer um 24.745,50 EUR auf 37.591,73 EUR und die Nachforderung für
Solidaritätszuschlag um 1.642,78 EUR auf 2.063,56 EUR herabgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
30
Der Beklagte vertritt folgende Auffassung: Habe der Arbeitnehmer die ihm zustehenden
Steuererstattungsansprüche im Hinblick auf die Nettolohnvereinbarung dem Arbeitgeber
abgetreten und werde der Erstattungsbetrag wie üblich im Folgejahr erstattet, so könne
er nicht rückwirkend bei der Veranlagung des Jahres, für das er erstattet werde,
berücksichtigt werden. Im Jahr der Erstattung, dem Folgejahr, werde er als negative
Einnahme angesehen.
31
Die Erstattungsbeträge minderten den Bruttolohn bzw. bei der Nettolohnversteuerung
den Betrag, der dem Bruttolohn im Sinne von § 19 Abs. 1 bzw. § 38 a Abs. 2 EStG
begrifflich entspreche. Die angestrebte Sachbehandlung, nämlich der Abzug der
Steuererstattung als negative Einnahme vom vereinbarten Nettolohn, widerspreche dem
System bei der Lohn- und Einkommensteuer. Wenn die negative Einnahme nach dem
System der Lohnsteuer den Bruttolohn vermindere, müsse dies auch so bei der
Nettolohnbesteuerung dargestellt werden. Nach R 122 Abs. 1 LStR seien dann, wenn
der Arbeitgeber die auf den Arbeitslohn entfallende Lohnsteuer selbst tragen wolle, die
von ihm übernommenen Abzugsbeträge Teile des Arbeitslohns, die dem Nettolohn zur
Steuerermittlung hinzugerechnet werden müssten. Die Lohnsteuer sei aus dem
Bruttolohn zu berechnen, der nach Abzug der Lohnsteuer den ausgezahlten Nettobetrag
ergebe. Dementsprechend sei bei Vorliegen negativer Einnahmen - wie sonst - der
Bruttolohn aus dem vereinbarten Nettolohn zu entwickeln, dann davon die negative
Einnahme abzuziehen und von dem neuen verminderten Bruttolohn die Steuer zu
berechnen. Dies sei in der Verfügung der OFD Düsseldorf vom 23.03.1994
(überarbeitung vom 15.03.2001, S 2367 A-St 22/ST 22, EStG-Kartei NRW, § 19 EStG,
Fach 2 Nr. 1000) so vorgesehen.
32
Mit dieser Handhabung stimme überein, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - die bei einer Nettolohnvereinbarung vom Arbeitgeber
übernommene Lohnsteuer Arbeitslohn darstelle (Hinweis auf BFH-Urteile vom
16.08.1979 - VI R 13/77 , Bundesteuerblatt - BStBl. - II 1979, 771; BFH vom 22.06.1990 -
33
VI R 162/86, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -
BFH/NV - 1991, 156).
Nach TZ 3 Abs. 2 der OFD-Verfügung vom 29.11.2005, S 2367 A-St 22/St 221
(entsprechend: OFD-Verfügung vom 15.03.2001 - S 2367 A-St 22/St 221) sei zwar bei
der Rückzahlung eines irrtümlich überhöht gezahlten Nettolohns durch den
Arbeitnehmer diese negative Einnahme auf einen fiktiven Bruttobetrag hochzurechnen.
Insoweit bestehe jedoch ein Unterschied zum Fall der Einkommensteuererstattung. Bei
der Rückzahlung eines irrtümlich zu viel gezahlten Nettolohnes handele es sich um die
technische Korrektur einer überhöhten Auszahlung und nicht um die Rückzahlung von
zunächst zutreffend gezahltem Arbeitslohn. Hier werde der Arbeitgeber so gestellt, als
habe er von vornherein den richtigen Nettolohn ausgezahlt: gedanklich flössen sowohl
der zu viel ausgezahlte Nettobetrag als auch die darauf entfallene Lohnsteuer an den
Arbeitgeber zurück. Hierauf erstrecke sich auch der Rückforderungsanspruch des
Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer. Dieses Ergebnis träte auch ein, wenn der
Arbeitgeber für den betreffenden Lohnzahlungszeitraum eine berichtigte
Lohnsteueranmeldung abgeben würde. Dieser Fall sei nicht vergleichbar mit dem
streitbefangenden Sachverhalt bei einer Einkommensteuererstattung, bei der zunächst
ein zutreffender Nettolohn ausgezahlt werde und es im Rahmen der Veranlagung auf
Grund der erstmaligen Geltendmachung von steuermindernden Tatsachen zu einer
Einkommensteuererstattung zunächst vorschriftsmäßig einbehaltener Lohnsteuer
komme. Hier flösse dem Arbeitnehmer aus dem zutreffend ermittelten Bruttolohn in
Höhe der Einkommensteuererstattung ein weiterer Teilbetrag zu, der ihm als Schuldner
der Lohnsteuer auch zustehe. Zahle der Arbeitnehmer diesen Teilbetrag an den
Arbeitgeber zurück, könne er entsprechend dem Zufluss auch nur als Bruttobetrag
wieder abfließen. Einen Rückforderungsanspruch in Höhe eines hochgerechneten
Bruttobetrages habe der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nicht.
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R 122 Abs. 2 LStR lasse es zwar "aus Vereinfachungsgründen" zu, einen auf der
Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibetrag vom Nettolohn abzuziehen. Diese
Vereinfachungsregelung der Verwaltung stamme aber aus einer Zeit, in der eine
Nettolohnhochrechnung auf einen Bruttobetrag ohne maschinelle Unterstützung sehr
aufwändig im sog. Abtastverfahren vorzunehmen gewesen sei. Hier hätten
ausschließlich Praktikabilitätserwägungen dafür gesprochen, die Freibeträge im
Lohnsteuerabzugsverfahren mit dem Nettolohn zu verrechnen, da andernfalls weitere
Berechnungsschritte zur zutreffenden Ermittlung der monatlichen Lohnsteuer
erforderlich gewesen wären. Diese Schritte wären in einer Vielzahl von Fällen jeden
Monat zu wiederholen gewesen. Insbesondere kleinere Arbeitgeber, die ihre
Lohnbuchhaltung ohne Mithilfe eines steuerlichen Vertreters erledigen, wären damit
überfordert gewesen. Mit der weiteren Verbreitung maschineller
Lohnberechnungsprogramme seien diese Praktikabilitätserwägungen hinfällig
geworden. Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen sei deshalb gebeten worden zu
prüfen, ob die Vereinfachungsregelung im Zuge der Neufassung der
Lohnsteuerrichtlinien 2007 gestrichen werden könne.
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Der Beklagte räumt ein, dass der Steuerpflichtige ein günstigeres Ergebnis erziele,
wenn er die Erstattung der Einkommensteuer erst im Veranlagungsverfahren geltend
mache. Dieses Ergebnis rechtfertige rechtssystematisch gleichwohl keine
Andersbehandlung der Erstattung beim Lohnsteuerabzug. Schließlich werde der
Erstattungsbetrag auch in der ESt-Veranlagung vom Bruttolohn abgezogen und nicht
zuvor auf einen Bruttobetrag hochgerechnet. Wenn sich sodann weitere Erstattungen
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ergäben, weil jede Erstattung im Folgejahr erneut zu einer Bruttolohnminderung führe,
so sei dies die Folge tatsächlich verwirklichter Sachverhalte, denen entsprechende
Geldbewegungen/Zahlungsvorgänge zu Grunde lägen. Dagegen erschöpfe sich die
Verrechnung der Einkommensteuererstattung im Rahmen des Lohnsteuerabzugs in
einer einmaligen Steuerminderung, die sich unmittelbar und ausschließlich auf die
Zahlungsströme des Arbeitgebers auswirke und keinen Leistungstransfer zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Folge habe. Die Ergebnisse müssten daher
divergieren.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet. Der Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Einkommensteuererstattungen sind netto vom
Bruttolohn abzuziehen.
38
I.
39
Bei einer Nettolohnvereinbarung verpflichtet sich der Arbeitgeber, einen bestimmten
Nettolohn zu zahlen und sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben zu tragen.
Dabei können die Vertragsparteien rechnerisch von einem bestimmten Bruttolohn
ausgehen und in Kenntnis der maßgebenden Lohnabzüge zu einem auszuzahlenden
Arbeitslohn gelangen, der als Nettolohn vereinbart wird (so genannte abgeleitete
Nettolohnvereinbarung). Im Regelfall der Nettolohnvereinbarung werden sich die
Vertragsparteien keine Gedanken darüber machen, welcher Bruttolohn dem Nettolohn
entsprechen soll. Der Nettolohn wird als konstanter Betrag geschuldet. Die Höhe der
Abzugsbeträge hängt von den Besteuerungsmerkmalen des Arbeitnehmers ab (so
genannte originäre Nettolohnvereinbarung). Die bei der Nettolohnvereinbarung vom
Arbeitgeber für den Arbeitnehmer zu tragenden Abzugsbeträge, die dem Nettolohn
hinzugerechnet den Bruttolohn ergeben, sind Teil des Arbeitslohnes des Arbeitnehmers.
Dieser Teil des Arbeitslohns fließt dem Arbeitnehmer im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG
zusammen mit der Auszahlung des Nettolohnes zu. Denn da der Arbeitgeber bei der
Nettolohnvereinbarung aus der Sicht des Arbeitnehmers mit der Auszahlung des
Nettolohnes den Bruttolohn "vorschriftsmäßig gekürzt" hat, wird der Arbeitnehmer von
seiner Steuerschuld befreit, sodass die einbehaltene Lohnsteuer beim Lohnsteuer-
Jahresausgleich oder bei der Veranlagung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die
Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers anzurechnen ist (BFH vom 06.12.1991 - VI
R 122/89, BStBl. II 1992, 441).
40
Der Steuereinbehalt (§ 38 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 2, 3 EStG) vollzieht
sich bei der Nettolohnzahlung ebenso wie bei der Bruttolohnzahlung. Die von dem
Arbeitgeber übernommenen Abzugsbeträge müssen als Teil des Arbeitslohns dem
Nettolohn zur Steuerermittlung hinzugerechnet werden. Der Lohn im Sinne von § 38
Abs. 3 Satz 1 EStG besteht aus dem Nettolohn zuzüglich des in der Freistellung
liegenden Vorteils. Die Lohnsteuer ist aus dem Bruttolohn zu berechnen, der nach
Abzug der Lohnsteuer den ausgezahlten Nettobetrag ergibt. Die aus dem Bruttolohn
berechnete Lohnsteuer ist vom Arbeitgeber abzuführen (vgl. R 122 Abs. 1 Satz 1 bis 3
LStR). Ebenso wie sich bei der Bruttolohnvereinbarung der Steuereinbehalt in der
Auszahlung des um die Lohnsteuer gekürzten Lohnes dokumentiert, ist bei der
Nettolohnvereinbarung die Lohnsteuer mit Auszahlung des vereinbarten Nettolohns
vorschriftsmäßig einbehalten (Trzaskalik, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-
Kommentar, § 39 b Rn. C 4).
41
II.
42
Einkommensteuererstattungen stehen dem Arbeitnehmer zu. Tritt der Arbeitnehmer auf
Grund einer Nettolohnvereinbarung diese an den Arbeitgeber ab, sind die
Erstattungsbeträge beim Arbeitnehmer als negative Einnahmen anzusetzen (vgl.
Thürmer, in Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 39 b
Rn. 142). Die Auszahlung der Erstattungsbeträge führt zu einem Rückfluss von
Arbeitslohn vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber.
43
Die Beteiligten sind zu Recht davon ausgegangen, dass die
Einkommensteuererstattungen als negative Einnahmen in dem Jahr zu berücksichtigen
sind, in dem die Erstattungsbeträge dem Arbeitgeber zufließen. Nach der
Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, können, wenn bei einer
Nettolohnvereinbarung zu viel gezahlte Steuern auf Weisung des Arbeitnehmers an den
Arbeitgeber erstattet werden, diese Erstattungsbeträge nicht rückwirkend
steuermindernd berücksichtigt werden. Einkommensteuererstattungen, die bei einer
Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber abgetreten werden, können erst dann als
negative Einnahmen berücksichtigt werden, wenn entsprechende Rückzahlungen vom
Finanzamt an den Arbeitgeber geleistet worden sind (BFH vom 16.08.1979 - VI R 13/77,
BStBl. II 1979, 771; BFH vom 22.06.1990 - VI R 62/86, BFH/NV 1991, 156).
44
III.
45
Der Beklagte hat die Einkommensteuererstattungen im Ergebnis der Höhe nach
zutreffend vom Bruttolohn abgezogen.
46
1. Dem Begehren der Klägerin, die Einkommensteuererstattungen vom Nettolohn
abzuziehen, kann nicht dadurch entsprochen werden, dass bezogen auf einen
bestimmten Lohnzahlungszeitraum die Erstattungsbeträge als negative Einnahmen mit
den laufenden Nettolohnzahlungen saldiert werden und dann erst der verbleibende
Saldo auf einen Bruttolohn hochgerechnet wird.
47
Nach § 38 a Abs. 3 Satz 1 EStG wird die Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn jeweils
mit dem auf den Lohnzahlungszeitraum entfallenden Teilbetrag der Jahreslohnsteuer
erhoben, die sich bei Umrechnung des laufenden Arbeitslohns auf einen
Jahresarbeitslohn ergibt. Diese Regelung des § 38 a Abs. 3 Satz 1 EStG könnte dafür
sprechen, für den Lohnzahlungszeitraum einen Saldo von Zahlungen und Erstattungen
zu bilden und von diesem Nettolohn-Saldo auf einen Bruttolohn hochzurechnen.
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Eine derartige zeitraumbezogene Saldierung stünde aber im Widerspruch zu dem
Grundsatz, wonach Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten ist. § 38 Abs. 3
Satz 1 EStG bestimmt, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des
Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten hat. § 39 b Abs. 5
EStG enthält hiervon eine die Regel bestätigende Ausnahme und ordnet an, dass der
Arbeitgeber, wenn er für den Lohnzahlungszeitraum lediglich Abschlagzahlungen leistet
und eine Lohnabrechnung für einen längeren Zeitraum (Lohnabrechnungszeitraum)
vornimmt, dann den Lohnabrechnungszeitraum als Lohnzahlungszeitraum behandeln
und die Lohnsteuer abweichend von § 38 Abs. 3 EStG bei der Lohnabrechnung
einbehalten kann. Wenn ansonsten aber Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung
einzubehalten ist, ist in Fällen der Nettolohnvereinbarung bei jeder Lohnzahlung der
49
gezahlte Nettolohn auf einen Bruttolohn hochzurechnen und hiervon die Lohnsteuer
einzubehalten.
2. Zu dem von der Klägerin angestrebten Ergebnis kann man auch nicht dadurch
gelangen, dass man fiktiv eine ursprüngliche Nettolohnzahlung rückgängig macht.
50
überlegungen in diese Richtung stünden im Widerspruch zu den zitierten und
zutreffenden Entscheidungen des BFH, dass Einkommensteuererstattungen nicht
rückwirkend steuermindernd berücksichtigt werden können, sondern nur als negative
Einnahmen im Jahr des Rückflusses (BFH BStBl. II 1979, 771; BFH/NV 1991, 156).
51
Dementsprechend wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, dass zwar bei
einer Rückzahlung im Jahr der Zahlung keine Bedenken bestünden, den
Lohnsteuerabzug für den Lohnzahlungszeitraum der Zahlung des rechtsgrundlos
geleisteten Betrages zu korrigieren. Eine derartige Korrektur wird aber als nicht möglich
angesehen, wenn Arbeitslohn erst in einem späteren Jahr zurückgezahlt wird
(Trzaskalik, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 39 b Rn. C 12, C 14 m. w. N.).
52
Hinzu kommt, dass im Streitfall kein zu viel gezahlter Nettolohn zurückgezahlt wurde
und insoweit eine Rückabwicklung erfolgt ist, sondern Einkommensteuererstattungen an
den Arbeitgeber abgetreten wurden, die von einem Dritten (dem Finanzamt) geleistet
wurden.
53
3. Die Erstattungsbeträge können nur als negative Einnahmen bei der Zahlung von
positivem Arbeitslohn von diesem abgezogen werden.
54
Dies entspricht den Auffassungen, die allgemein zur Behandlung von
Lohnrückzahlungen in der Literatur und den Verwaltungsanweisungen vertreten
werden. Werde Arbeitslohn zurückgezahlt, so sei der Rückzahlungsbetrag im
Lohnzahlungszeitraum der Rückzahlung vom steuerpflichtigen Arbeitslohn abzusetzen
(vgl. BMF vom 16.10.2000, Finanzrundschau - FR - 2000, S. 1237; Heuermann, in
Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, III G 109 f; Wermelskirchen in Lademann, EStG, § 39
b Rn. 50 f; Becht, in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, § 39 b
Rn. 20).
55
Dieses Absetzen vom steuerpflichtigen Arbeitslohn entspricht dem Modell des § 39 b
Abs. 2 EStG. § 39 b Abs. 2 EStG schreibt vor, dass der Arbeitgeber für die Einbehaltung
der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn die Höhe des laufenden Arbeitslohns und
den Lohnzahlungszeitraum festzustellen hat. Von dem Arbeitslohn seien die in § 39 b
Abs. 2 Satz 2 EStG genannten Beträge abzuziehen. Außerdem soll der Arbeitslohn
nach Maßgabe der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers um einen
etwaigen Freibetrag (§ 39 a Abs. 1 EStG) vermindert oder um einen etwaigen
Zurechnungsbetrag erhöht werden. Die als negative Einnahmen zu berücksichtigenden
Einkommensteuererstattungen müssen wie zu berücksichtigende Werbungskosten vom
steuerpflichtigen Arbeitslohn abgezogen werden. Dies gilt vor allem auch im Hinblick
darauf, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, derartige Rückzahlungsbeträge
entgegen der Rechtsprechung des BFH nicht als negative Einnahmen, sondern als
Werbungskosten zu qualifizieren, da das EStG nur Werbungskosten, nicht aber
"negative Einnahmen" als Abzugstatbestand kennt (vgl. hierzu Kreft in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 Rn. 80 ff; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, §
20 Rn. B 65).
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Nach § 39 b Abs. 2 EStG aber kann der Abzug nur vom Bruttolohn erfolgen. § 39 b Abs.
2 Satz 1 EStG schreibt vor, dass "für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden
Arbeitslohn" die Höhe des "laufenden Arbeitslohns" festzustellen ist, von dem dann
bestimmte Beträge abzusetzen sind. Wenn die Lohnsteuer "vom laufenden Arbeitslohn"
einbehalten werden soll, kann dies nur der Bruttolohn sein, der die Lohnsteuer noch
umfasst. Eine entsprechende Auffassung scheint im übrigen auch R 122 Abs. 2 Satz 2
LStR zu Grunde zu liegen, da dort ein Abzug vom Nettolohn nur "aus
Vereinfachungsgründen" zugelassen wird.
57
Es kann im vorliegenden Verfahren unentschieden bleiben, ob ein Abzug der
Einkommensteuererstattungsbeträge nicht in vollem Umfang daran scheitert, dass § 39
b Abs. 2 Satz 3 EStG eine Verminderung des Arbeitslohns nur "nach Maßgabe der
Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte" vorsieht, die Einkommensteuererstattungen aber
auf der Lohnsteuerkarte nicht eingetragen waren. Auf diese Frage kommt es nicht an, da
die Klage schon aus anderem Grund abzuweisen ist. Im übrigen hat die
Finanzverwaltung eine derartige Eintragung auch nicht als notwendig angesehen und
auf das Fehlen einer derartigen Eintragung bei dem Erlass des Haftungsbescheides
nicht abgestellt.
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4. Die Erstattungsbeträge lassen sich auch nicht auf Bruttobeträge hochrechnen.
59
a) Es ist keine gesetzliche Grundlage dafür gegeben, zusätzlich zu einem
zurückgezahlten Nettolohn die bei der ursprünglichen Nettolohnzahlung in einem
früheren Veranlagungszeitraum einbehaltene Lohnsteuer als negative Einnahme von
dem zu kürzenden Bruttolohn abzusetzen. Denn die einbehaltene Lohnsteuer stand
dem Arbeitnehmer als Guthaben zur Verfügung. Sie ist im Wege des
Lohnsteuerjahresausgleichs oder nach der Einkommensteuerveranlagung erstattet
worden oder auf die festgesetzte geschuldete Einkommensteuer angerechnet worden.
60
b) Auch eine Hochrechnung nach den Verhältnissen des Lohnzahlungszeitraums
entsprechend der Hochrechnung des laufenden Nettolohnes scheidet aus.
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Auszugehen ist davon, dass nur ein Abzug der Erstattungsbeträge als negative
Einnahmen in Betracht kommt. Es sind die Beträge vom Arbeitslohn abzusetzen, die
entsprechend dem für die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und die Lohnsteuer
maßgebenden Abflussprinzip beim Arbeitnehmer abfließen. Ein Abfluss beim
Arbeitnehmer aber ist nur in Höhe des Betrages gebeben, der dem Arbeitgeber vom
Finanzamt überwiesen wird. Eine auf den Erstattungsbetrag draufzurechnende
Lohnsteuer fließt beim Arbeitnehmer nicht ab und beim Arbeitgeber nicht zu.
62
Eine derartige Hochrechnung erscheint sachlich auch nicht geboten. Bei einer
Lohnzahlung "erhält" der Arbeitnehmer all das, was ihm im steuerlichen Sinne
zugeflossen ist. Hierzu zählt neben dem Nettobetrag die für Rechnung des
Arbeitnehmers abgeführte Lohnsteuer, da Steuerschuldner der Arbeitnehmer ist. Der
Arbeitgeber tilgt mit der Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt die zivilrechtliche
Lohnforderung des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat den Bruttobetrag "erhalten",
muss dementsprechend, wenn er zur Rückzahlung des Arbeitslohnes verpflichtet ist,
auch diesen Bruttobetrag (einschließlich der an das Finanzamt abgeführten Steuern)
zurückzahlen (Bundesarbeitsgericht vom 15.03.2000 - 10 AZR 101/99, Sammlung der
amtlichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts - BAGE - 94, 73 = Der Betrieb -
63
DB - 2000, 1621). Wendet der Arbeitnehmer demgegenüber dem Arbeitgeber die ihm
zustehende Einkommensteuererstattung auf Grund der bestehenden
Nettolohnvereinbarungen zu, "verliert" er zwar den Erstattungsbetrag, aber kein
Lohnsteuerguthaben, das dem Arbeitgeber zuflösse.
c) Die Zahlung der Einkommensteuererstattung an den Arbeitgeber lässt sich auch nicht
in der Weise "hochrechnen", dass eine Rückzahlung von Bruttolohn unter gleichzeitiger
Erstattung von Lohnsteuer unterstellt wird.
64
Eine derartige Erstattung von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber allein dadurch, dass
der Arbeitnehmer eine Zahlung erbringt, ist gesetzlich nicht vorgesehen.
65
Außerdem ließe sich, wenn ein Bruttobetrag unter gleichzeitiger Erstattung von
Lohnsteuer unterstellte würde, kein Bruttobetrag mehr als negative Einnahme abziehen.
66
IV.
67
Der Senat geht davon aus, dass die Rückzahlung von Arbeitslohn im Regelfall der
Bruttolohnvereinbarung ebenfalls nur zu einem Abzug in Höhe des zurückgezahlten
Betrages führt und damit die Behandlung der Rückzahlung bei einer
Nettolohnvereinbarung der Behandlung bei einer Bruttolohnvereinbarung entspricht.
68
Nach dem Erlass des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 19.02.1986 zu 2.2
(Deutsches Steuerrecht - DStR - 1986, 261) sind bei einer Rückzahlung von
versteuertem Arbeitslohn die zurückgezahlten Beträge negative Einnahmen des
Rückzahlungsjahres. Ebenso heißt es auch in einem BMF-Schreiben vom 16.10.2000
zu 2.1 und 2.2 (FR 2000, 1237), es könne der Arbeitgeber "den zurückgezahlten Betrag"
im Lohnzahlungszeitraum der Rückzahlung oder in dem auf die Rückzahlung folgenden
Lohnzahlungszeitraum sowie im Lohnsteuer-Jahresausgleich nach § 42 b EStG vom
steuerpflichtigen Arbeitslohn absetzen (in dem selben Sinne: OFD Erfurt vom
19.12.1996, FR 1997, 240).
69
Auch Heuermann (in Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, III G 109 f) stellt fest, der
Arbeitgeber könne "den Rückzahlungsbetrag" mit ausstehendem Arbeitslohn
verrechnen. Entsprechend zu verstehen sein dürften die Ausführungen von
Wermelskirchen (in: Lademann, § 39 b Rn. 50 f), es sei der zurückgezahlte Betrag vom
Arbeitslohn abzusetzen; die Verrechnung könne nur in der Weise vorgenommen
werden, dass der gesamte Rückzahlungsbetrag (einschließlich der zurückzuzahlenden
Steuerabzugsbeträge) von dem laufenden Arbeitslohn abgesetzt und die
Steuerabzugsbeträge dann von dem so verminderten Arbeitslohn berechnet werden. In
dem selben Sinne äußert sich Thürmer (in Blümich, § 39 b Rn. 141): Der Arbeitgeber
könne "den Rückzahlungsbetrag (brutto)" mit noch ausstehendem Arbeitslohn
verrechnen (ähnlich, allerdings nicht völlig eindeutig: Becht in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 39 b Rn. 20, Hartz/Meessen/Wolf in ABC-Führer
Lohnsteuer, Stichwort "Rückzahlung von Arbeitslohn"; Drenseck in Schmidt, EStG, 24.
Auflage, § 39 b Rn. 8; Barein in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, § 39 b Rn.
38).
70
V.
71
Die Klägerin weist darauf hin, dass sich bei einem Abzug von negativen Einnahmen
72
vom Bruttolohn ein unterschiedliches Ergebnis ergibt, je nach dem, ob der Arbeitnehmer
dem Arbeitgeber die Einkommensteuererstattung zukommen lässt oder ob dem
Arbeitnehmer die Einkommensteuererstattung belassen wird und lediglich die Differenz
zum vereinbarten Nettolohn vom Arbeitgeber gezahlt wird. Hierzu lässt sich die
Auffassung vertreten, dass in diesem Fall ein Zahlungszufluss beim Arbeitnehmer durch
Verrechnung des Arbeitgeberanspruchs auf Weiterleitung der
Einkommensteuererstattung mit dem Arbeitnehmeranspruch auf den monatlichen
Nettolohn gegeben ist, mit der Folge, dass der monatliche Nettolohn hochzurechnen ist.
Ansonsten ist das unterschiedliche Ergebnis die Folge davon, dass die einzelne
Nettolohnzahlung auf einen Bruttolohn hochzurechnen ist, die negativen Einnahmen als
solche aber nur in Höhe ihres Nettobetrages mit zu zahlendem Bruttolohn zu verrechnen
sind. Wird vom Arbeitgeber nur der Saldo zwischen Erstattungsbetrag und vereinbartem
Arbeitslohn gezahlt, ist auch nur dieser Betrag auf einen Bruttobetrag hochzurechnen.
VI.
73
Die Klägerin macht außerdem geltend, dass es in der Finanzverwaltung ständige Praxis
sei, bei einer Berücksichtigung des Erstattungsbetrages außerhalb des
Lohnsteuerverfahrens und im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen die aus
einer Kürzung des Bruttolohns resultierenden weiteren künftigen Steuererstattungen in
den folgenden Jahren jeweils bei Zufluss der Steuererstattungen wieder steuermindernd
zu berücksichtigen. Diese Hochrechnung müsse auch im Lohnsteuerabzugsverfahren
erfolgen. Zu diesem Hinweis ist festzustellen, dass es zu einer Kette von
Einkommensteuererstattungen kommt, wenn im Rahmen des
Lohnsteuerabzugsverfahrens die Einkommensteuererstattungen nicht berücksichtigt
werden, sich dann aber bei den Einkommensteuerveranlagungen auswirken. Ob es
auch im Lohnsteuerabzugsverfahren zu einer derartigen Hochrechnung kommt, hängt
davon ab, ob die Ermäßigung der Lohnsteuer, die sich aus dem Abzug des
Erstattungsbetrages vom Bruttoarbeitslohn ergibt, dem Arbeitnehmer oder dem
Arbeitgeber zu Gute kommt. In dem früheren Musterverfahren 17 K 6995/96 H(L) wurde
von Klägerseite davon ausgegangen, dass sich der Nettolohn erhöht, der Arbeitnehmer
diesen Mehrbetrag wiederum an den Arbeitgeber zurück zahlt und er auf diese Weise
ebenfalls eine Kette von Erstattungen auslöst. Die Klägerin geht demgegenüber davon
aus, dass der Nettolohn konstant bleibt und die Ermäßigung der Lohnsteuer unmittelbar
dem Arbeitgeber zu Gute kommt. Für diese letztere Ansicht spricht, dass der Arbeitgeber
nur zur Zahlung eines bestimmten Nettolohns verpflichtet ist und der Arbeitgeber die
Lohnsteuer nur insoweit zu übernehmen hat, wie sie konkret anfällt. Dies aber würde
bedeuten, dass tatsächlich der Erstattungsbetrag nicht hochgerechnet wird. Hierzu aber
kann dann nur darauf hingewiesen werden, dass es eine gesetzliche Grundlage für ein
vergleichbares "Hochrechnen" im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens nicht gibt.
74
VII.
75
Die Inanspruchnahme der Klägerin ist auch nicht im Hinblick auf die
Vereinfachungsregel in R 122 Abs. 2 LStR für die Berücksichtigung eines Freibetrags
oder im Hinblick auf die Behandlung der Rückzahlung eines irrtümlich überhöht
gezahlten Nettolohns ermessensfehlerhaft. Der Beklagte hat sein
Entschließungsermessen ohne Ermessensfehler ausgeübt, als er in der
Einspruchsentscheidung ausgeführt hat, das Finanzamt sei bei der Frage, ob es die
Lohnsteuer nachfordere, nur den gegebenen sachlichen Merkmalen gefolgt. Es sei
entsprechend der OFD-Verfügung der Bruttolohn zu mindern.
76
1. Es vermag sachlich nicht zu überzeugen, wenn bei Freibeträgen aus
Vereinfachungsgründen ein Abzug vom Nettolohn zugelassen wird und ebenso bei der
Rückzahlung irrtümlich zu viel gezahlten Nettolohns, dagegen bei der Weiterleitung
einer Einkommensteuererstattung ein Abzug vom Bruttolohn gefordert wird.
77
Zu der Frage des Abzugs vom Nettolohn bei Freibeträgen weist die Finanzverwaltung
selbst darauf hin, dass diese Vereinfachungsregel nicht mehr zeitgemäß erscheine.
Diese Regelung stösst vor allem deshalb auch auf Bedenken, weil die
Finanzverwaltung einerseits einen Abzug der Einkommensteuererstattungen auch ohne
Eintragung auf der Lohnsteuerkarte zulässt, bei Fehlen der Eintragung aber den Abzug
vom Nettolohn verweigert (zur Eintragungsfähigkeit der Einkommensteuererstattungen
als negative Einnahmen: Drenseck, in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 39 a Rn 10; a. A.
Eisgruber in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 39 a Rn. 7 - jeweils m. w. N. -).
78
Aber auch die Differenzierung, bei einer Einkommensteuererstattung einen Abzug vom
Bruttolohn zu fordern, bei der Rückzahlung irrtümlich zu viel gezahlten Nettolohns
dagegen einen Abzug vom Nettolohn zuzulassen, vermag nicht zu überzeugen. Die
Finanzverwaltung verweist darauf, bei der Rückzahlung eines irrtümlich zu viel
gezahlten Nettolohns handele es sich um eine technische Korrektur einer überhöhten
Auszahlung. Hier werde der Arbeitgeber so gestellt, als habe er von vornherein den
richtigen Nettolohn ausgezahlt: Gedanklich flösse der zu viel ausgezahlte Nettobetrag
als auch die darauf entfallene Lohnsteuer an den Arbeitgeber zurück. Hierauf erstrecke
sich auch der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer.
Dieses Ergebnis träte daher auch ein, wenn der Arbeitgeber für den betreffenden
Lohnzahlungszeitraum eine berichtigte Lohnsteueranmeldung abgeben würde. Dem ist
entgegenzuhalten, dass grundsätzlich nur bei einer Rückzahlung innerhalb des selben
Veranlagungszeitraums eine fiktive Rückgängigmachung für möglich erachtet wird (vgl.
hierzu die Ausführungen oben zu III. 2., Abs. 1-3). Es erscheint zutreffend, dass sich der
Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers auf die Rückzahlung des Nettobetrags
zuzüglich der Lohnsteuer erstreckt (vgl. hierzu unter III. 4. b., 3. Abs.). Es kann allerdings
nur dann ein Abzug des hochgerechneten Nettobetrags (also einschließlich Lohnsteuer)
erfolgen, wenn tatsächlich der Arbeitnehmer auch die Lohnsteuer zurückzahlt. Von einer
derartigen Rückzahlung der Lohnsteuer geht die OFD-Verfügung aber gerade nicht aus.
79
2. Obwohl insoweit die Ungleichbehandlung gegenüber dem Fall des Abzugs eines
Freibetrags und dem Fall der Rückzahlung irrtümlich zu hoch gezahlten Nettolohns
sachlich nicht begründet erscheint, stellt es sich nicht als ermessensfehlerhaft dar, wenn
der Beklagte für den Fall der Einkommensteuererstattung auf die Gesetzeslage
verweist. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, dass die Finanzverwaltung die frühere
Verwaltungspraxis, nach der auch bei Einkommensteuererstattungen ein Abzug vom
Nettolohn zugelassen wurde (vgl. hierzu das frühere Musterverfahren 17 K 6995/96),
seit der OFD-Verfügung vom 23.03.1994 - S 2367 A-St 15 - nicht mehr fortführt, sondern
sich an der gesetzlichen Regelung orientiert, und nunmehr auch die
Ungleichbehandlung zwischen der Behandlung der Einkommensteuererstattung und
dem Abzug eines Freibetrags durch Aufhebung der Regelung R 122 Abs. 2 LStR
beseitigen will. Der Beklagte hat insoweit für den vorliegenden Prüfungszeitraum ab
01.01.1999 seine Absicht, an der früheren Ausnahme auch für
Einkommensteuererstattungen nicht mehr festhalten zu wollen, im Vorhinein
ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht.
80
VIII.
81
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
82
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen, da die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine
Entscheidung des BFH erfordert.
83