Urteil des FG Düsseldorf vom 17.01.2007

FG Düsseldorf: rangrücktritt, gesellschafter, auflösung, verfügung, darlehensvertrag, anschaffungskosten, fremdkapital, stammeinlage, firma, kapitalgesellschaft

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 1982/05 E
Datum:
17.01.2007
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1982/05 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Die Kläger begehren die Berücksichtigung eines Verlustes der Klägerin aus ihrer
Beteiligung an der Y GmbH (nachfolgend: GmbH) gem. § 17 EStG.
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Die Klägerin erwarb am 28.1.1999 26.000 DM der Stammeinlage in Höhe von 52.000
DM an der GmbH, nachdem sie zuvor aufgrund eines Treuhandvertrages bereits die
Hälfte der Anteile als Treugeberin hielt. Geschäftsführer der GmbH war Herr C. Ziel des
Unternehmens war neben dem Vertrieb eines vorhandenen Produkts für die
Rückgewinnung größerer Mengen von Bremsenergie die Eigenentwicklung, die
Produktion und der Vertrieb eines Produktes für die Rückgewinnung kleinerer
Energiemengen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das von der Klägerin vorgelegte
Konzept zur Markteinführung (Bl. 22 der Gerichtsakte) verwiesen. Am 19.7.1999 schloss
die GmbH mit der Firma D GmbH einen Kooperationsvertrag (Bl. 83 ff.). Dabei wurde ein
Jahresumsatz in Höhe von ca. 10 Mio DM prognostiziert. In der Finanzplanung der
GmbH war erst für das Jahr 2001 mit einem positiven Jahresüberschuss gerechnet
worden. Bis dahin benötigte die GmbH erhebliche finanzielle Mittel. Veranschlagt wurde
ein Finanzbedarf in Höhe von 1,4 Mio DM, der zu 200.000 DM aus Eigenmitteln und zu
1,2 Mio DM aus Fremdmitteln aufgebracht werden sollte.
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Am 23.6.1999 gewährte die E-Bank der GmbH ein Darlehen über 500.000 DM, für das
die Klägerin am 29.6.1999 eine auf 100.000 DM begrenzte Höchstbetragsbürgschaft
begab. Der Kredit wurde im April 2001 zurückgezahlt und die Klägerin aus der
Bürgschaft entlassen. Ebenfalls am 29.6.1999 unterzeichnete die Klägerin mit der
GmbH einen Darlehensvertrag, dessen Inhalt nach die Klägerin der GmbH ein
verzinsbares Darlehen in Höhe von 100.000 DM gewährte. Der Darlehenszins betrug 8
v.H.. Zur Laufzeit sieht der Vertrag folgende Regelung vor:
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"Die Parteien gehen davon aus, dass das Darlehen längstens bis 30.
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September 2000 in Anspruch genommen wird. Die Darlehensnehmerin wird,
sollte der Termin zur Rückzahlung nicht einzuhalten sein, die Darlehensgeberin
rechtzeitig über diese Änderung informieren, um eine Verlängerung zu
vereinbaren."
Die Möglichkeit der Darlehensgeberin, das Darlehen vorzeitig fällig zu stellen, war auf
die Fälle der zweckwidrigen Verwendung des Darlehens und die Einstellung des
Geschäftsbetriebs beschränkt (Ziffer 7 des Vertrages).
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Am 29.3.2000 erklärte die Klägerin gegenüber der GmbH den Rangrücktritt gegenüber
anderen Gläubigern, machte den Rangrücktritt jedoch von einer ähnlichen Erklärung
zweier weiterer Darlehensgeberinnen (Frau C und Frau F) abhängig. Wegen des
genauen Wortlaut des Rangrücktritts wird auf die in Kopie in den Gerichtsakten (Bl. 77)
abgeheftete Erklärung Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung
erklärte die Klägerin, der Rangrücktritt sei erklärt worden, um eine
Überschuldungssituation bei der GmbH zu vermeiden.
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Am 27.5.2002 beschlossen die Gesellschafter der GmbH deren Auflösung, nachdem
sich die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verschlechtert
hatten und weiteres Fremdkapital mangels positiver Entwicklungsprognosen nicht
aufgebracht werden konnte. Die Liquidation wurde am 11.7.2002 abgeschlossen.
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In ihrer Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 machten die Kläger einen
Verlust der Klägerin nach § 17 EStG in Höhe von 63.762,24 EUR geltend. Der Beklagte
erkannte davon lediglich 12.633,05 EUR an, die er nach dem Halbeinkünfteverfahren in
Höhe von ./. 6.316,53 EUR im Steuerbescheid vom 5.11.2003 berücksichtigte. Den
Verlust des Darlehens berücksichtigte er nicht. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren
haben die Kläger am 13.5.2005 Klage erhoben.
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Sie tragen vor:
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Das Darlehen sei von Anfang an dazu bestimmt gewesen, der GmbH die
Darlehensmittel unter nicht marküblichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Es
handele sich um ein sog. Finanzplandarlehen im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes (BFH). Zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens habe sich die
GmbH noch nicht in einer Krise befunden. Alle Beteiligten hätten zwar auf eine positive
Entwicklung gehofft, das Darlehen sei jedoch bereits von vornherein krisenbestimmt
gewesen. Für die Startphase der GmbH sei das Darlehen unentbehrlich gewesen. Ein
Außenstehender hätte der GmbH im Zeitpunkt der Gewährung ein Darlehen in dieser
Höhe nicht gewährt. Man habe zwar angesichts der zu erwartenden Umsätze mit der
Firma D-GmbH damit rechnen können, dass das Darlehen kurzfristig wieder
zurückgezahlt werden würde, gleichwohl habe es nicht nur einen vorübergehenden
Geldbedarf abdecken sollen. Beide Vertragsteile hätten signalisiert, eine Einigung über
eine Vertragsverlängerung über den 30.9.2000 hinaus erzielen zu wollen.
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Die Kläger beantragen,
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den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 5.11.2003 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.4.2005 zu ändern
und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Verlustes der
nachträglichen Anschaffungskosten an der GmbH in Höhe von
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100.000 DM neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor:
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Voraussetzung für ein Finanzplandarlehen sei eine Bindungsdauer von 10 Jahren,
zumindest aber eine langfristige Bindung. Diese sei hier mit 15 Monaten deutlich
unterschritten. Ferner sei erforderlich, dass der Gesellschafter lange vor der Krise
verbindlich erkläre, dass er das Darlehen im Falle einer Krise stehen lassen werde.
Eine entsprechende Regelung enthalte der Darlehensvertrag nicht. Der später erklärte
Rangrücktritt reiche dafür nicht aus.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger
nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der
Verlust des Darlehens in Höhe von 100.000 DM führt nicht zu einer Erhöhung der
negativen Einkünfte der Klägerin gem. § 17 EStG.
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Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zwar
auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter
innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und
die Beteiligung im Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung
einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. Oktober
1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340 ; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91 ,
BFHE 172, 407 , BStBl II 1994, 162 , und vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92 , BFH/NV 1994,
459). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung und Löschung der
GmbH wegen Vermögenslosigkeit auch erfüllt, denn die Klägerin war seit dem
28.1.1999 am Stammkapital der GmbH wesentlich beteiligt.
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Anders als der vom Beklagten bereits berücksichtigte Verlust der Stammeinlage zählt
der Verlust des Darlehens über 100.000 DM jedoch nicht zu den Anschaffungskosten
der GmbH-Beteiligung. Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören zwar
auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (vgl. BFH-Urteil vom 10. November
1998 VIII R 6/96, BStBl. Ii 1999, 348 m.w.N.). Dazu kann auch die Wertminderung des
Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen zählen. Ein
solcher Veranlassungszusammenhang liegt hier jedoch nicht vor.
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Da das Darlehen - unstreitig - zu einem Zeitpunkt gewährt worden ist, zu dem sich die
GmbH noch nicht in einer wirtschaftlichen oder finanziellen Krise befand und mit Eigen-
und Fremdkapital hinreichend ausgestattet war, finden im Streitfall nicht die Grundsätze
Anwendung, die die Rechtsprechung für ein in der Krise zur Verfügung gestelltes -
eigenkapitalersetzendes - Gesellschafterdarlehen entwickelt hat (vgl. BFH Urteil vom
24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402). Für Darlehen, die vor der Krise gewährt
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werden und die der Gesellschafter stehen lässt, obwohl er in der Lage gewesen wäre,
sie abzuziehen, gilt zwar grundsätzlich dasselbe wie für ein in der Krise gewährtes
eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen. Maßgeblich für die Höhe der
Anschaffungskosten ist im Falle eines stehengelassenen Darlehens jedoch der Wert in
dem Zeitpunkt, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das
Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht (BFH Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE
183, 402). Dass das Darlehen in dem Zeitpunkt des Stehenlassens durch die Klägerin
noch einen Wert hatte, konnte der Senat nicht feststellen. Die Darlehen aller
Darlehensgeberinnen waren verloren. Keine hat nach Angaben der Klägerin einen
Teilbetrag aus den Darlehen erhalten.
Der Nennbetrag des in der Krise stehengelassenen Darlehens könnte nur dann
berücksichtigt werden, wenn das Darlehen als sog. Finanzplandarlehen von vornherein
dazu bestimmt war, der GmbH in der Krise wie Eigenkapital zur Verfügung zu stehen.
Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht gegeben. Insbesondere ist nicht
feststellbar, dass die Klägerin vor Eintritt der Krise mit bindender Wirkung gegenüber der
Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt hat, dass sie das Darlehen auch
in der Krise stehenlassen werde.
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Aus dem Darlehensvertrag lässt sich eine solche Bestimmung des Darlehens
ausdrücklich nicht entnehmen. Er war ersichtlich darauf angelegt, der GmbH nur in der
Startphase die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Alle Beteiligten
gingen davon aus - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigte - dass
sich die GmbH bereits im Folgejahr mit den zu erwartenden Provisionen aus dem
Geschäft mit der D-GmbH selbst finanzieren könne. Folgerichtig wurde die
Darlehenslaufzeit auch auf den 30.9.2000 kurzfristig (ca. 15 Monate) bemessen, ohne
der Darlehensnehmerin die Möglichkeit einzuräumen, das Darlehen durch einseitige
Erklärung zu verlängern. Dass die Beteiligten sich im Grunde einig waren, das Darlehen
ggf. auch zu verlängern, ändert nichts daran, dass zunächst nur eine kurze Laufzeit
rechtsverbindlich vereinbart war. Bestimmungen für den Fall, dass die GmbH in eine
finanzielle Krise gerät oder das Darlehen aus einem anderen Grund notleidend wird,
finden sich im Darlehensvertrag nicht. Insbesondere hat die Klägerin nicht auf das ihr
bei Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs zustehende außerordentliche
Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch verzichtet. Aus den
weiteren Umständen der Darlehensbegebung lässt sich ebenfalls nicht feststellen, dass
das Darlehen als sog. Finanzplandarlehen hingegeben wurde. Zwar wurde es, wie
häufig bei solchen Darlehen, in der Startphase des Unternehmens gewährt. Besonders
günstige Konditionen wurden jedoch nicht vereinbart. Die finanzierende Bank hatte ihr -
abgesichertes - Darlehen zu einem Zinssatz von 7 v.H. gewährt. Die Klägerin sollte
hingegen für ihr - unbesichertes - Darlehen 8 v.H. erhalten.
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Der am 29.3.2000 erklärte Rangrücktritt führt zu keiner anderen Beurteilung. Es
bestehen bereits Bedenken, ob der Rangrücktritt nicht zu einem Zeitpunkt erklärt worden
ist, zu dem der Rückforderungsanspruch aus dem Darlehen wegen der drohenden
Überschuldung ohnehin bereits wertlos war. Jedenfalls ist der Erklärung nicht zu
entnehmen, dass die Klägerin auf ihren Rückforderungsanspruch aus dem Darlehen für
den Fall der Krise unbedingt verzichtet. Sie enthält lediglich eine der GmbH gegenüber
wirksame Bestimmung dazu, in welcher Reihenfolge das Darlehen zu bedienen ist.
Gegenüber den Gläubigern der GmbH ist die Erklärung nicht erteilt worden. Zudem
wurde an der kurzen Laufzeit des Darlehens (zu diesem Zeitpunkt noch 6 Monate)
ausdrücklich festgehalten und lediglich festgehalten, dass das Darlehen verlängerbar
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sei. Einen Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht wurde auch in diesem
Zusammenhang nicht erklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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