Urteil des FG Düsseldorf vom 13.03.2002

FG Düsseldorf: steuerberater, vermögensverfall, gesetzliche vermutung, finanzielle verhältnisse, gefährdung, konkursverfahren, widerruf, abgabe, verwertung, liquidität

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 2 K 3111/00 STB
13.03.2002
Finanzgericht Düsseldorf
2. Senat
Urteil
2 K 3111/00 STB
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Bestellung als Steuerberater.
Der am geborene Kläger absolvierte nach dem Volksschul- und Handelsschulabschluss
eine Lehre als Industriekaufmann, die er mit der Kaufmannsgehifenprüfung erfolgreich
abschloss. In der Folgezeit war er als Buchhalter bzw. Leiter der Buchhaltung in einem
Wirtschaftsunternehmen beschäftigt und bestand im Jahre die Prüfung zum
Bilanzbuchhalter. Am wurde er zum Steuerbevollmächtigten und am zum Steuerberater
bestellt.
Der Kläger betrieb seit eine Steuerbevollmächtigten- bzw. Steuerberaterpraxis in
Düsseldorf. Seit befand sich der Kläger wegen Steuer- und Abgabenrückstände beim
Finanzamt in Vollstreckung. Im Laufe des Vollstreckungsverfahrens wurde er wiederholt zur
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgeladen, zuletzt im Jahre . Während des vom
Kläger betriebenen Klageverfahrens gegen die Vorladung zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung beantragte das Finanzamt am im Hinblick auf die im Jahre vollständig
ausgebliebenen Tilgungsleistungen auf die Abgabenrückstände des Klägers in Höhe von
DM ) beim zuständigen Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens. Das Finanzamt
nahm eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit des Klägers an, weil dieser über einen
längeren Zeitraum weder aktuelle noch ältere Steuerverbindlichkeiten getilgt hatte,
nachdem er die letzte Zahlung am in Höhe von DM geleistet hatte. Die rückständigen
Steuerbeträge beruhten jeweils auf den vom Kläger abgegebenen Voranmeldungen und
Steuererklärungen.
Das Amtsgericht Düsseldorf eröffnete mit Beschluss vom wegen Zahlungsunfähigkeit das
Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers und ernannte Rechtsanwalt zum
Konkursverwalter. Das Konkursverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Zum beliefen sich die Abgabenrückstände des Klägers auf DM. Das Finanzministerium des
Landes leitete daraufhin gegenüber dem Kläger das Widerrufsverfahren ein. Dieser bestritt,
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sich in Vermögensverfall zu befinden; es ergebe sich vielmehr eine Überdeckung des
Vermögens über die Schulden in Höhe von rund DM. Der Kläger kündigte an, die
rückständigen Steuern aus dem unmittelbar bevorstehenden Verkauf seiner
Steuerberaterpraxis vollständig zu tilgen.
Auf die Aufforderung des Finanzministeriums hin, nunmehr einen vollständigen
Vermögensstatus einschließlich der Steuerschulden sowie die getroffenen Stundungs- und
Tilgungsvereinbarungen und eine Übersicht der monatlichen Einnahmen und Ausgaben
vorzulegen, ermittelte der Kläger für die Zeit nach Verkauf der Steuerberatungspraxis ab
einen monatlichen Überschuss nach Steuern in Höhe von ,-- DM. Dabei ging der Kläger
von Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit von ,-- DM monatlich aus, die er im Hinblick auf
den mit dem Praxiserwerber geschlossenen Vertrag über eine freie Mitarbeitertätigkeit in
Ansatz brachte. Durch die Praxisübertragung erzielte der Kläger einen zum fälligen
Verkaufspreis in Höhe von DM. Im Vermögensstatus auf den wies er eine Überdeckung
von DM aus.
Ausweislich des im Anschluss an den Praxisverkauf erstellten Zwischenberichts des
Konkursverwalters vom sollte von einer Verwertung des Grundstücksteils des Klägers am
Objekt Abstand genommen werden, weil ein Überschuss über die Belastungen nicht zu
erzielen war. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger hatte im Jahre 1977
einen 1/12-Anteil am -Krankenhaus, in erworben. Die übrigen Anteile erwarben weitere
Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (überwiegend Ärzte). Zur Anschaffung
hatte die -Bank AG, , dem Kläger ein Darlehen über DM gewährt. Nach einem im Jahre
erstellten Verkehrswertgutachten sollte sich der Wert des Gesamtobjektes auf .- DM
belaufen.
Nachdem indes das Finanzamt zwischenzeitlich Abgabenschulden in Höhe von DM
geltend gemacht hatte, widerrief das Finanzministerium des Landes mit Bescheid vom die
Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er zunächst vorgetragen:
Er befinde sich trotz des anhängigen Konkursverfahrens nicht in Vermögensverfall. Im
Übrigen sei eine Gefährdung von Mandanteninteressen im Hinblick auf sein einwandfreies
Verhalten in der Vergangenheit nicht zu erwarten.
Anhand der vorgelegten Unterlagen habe er die Vermutung des Vermögensverfalls
widerlegt. Ausweislich der vom Konkursverwalter bestätigten Vermögensübersicht vom
betrage die Unterdeckung lediglich DM. Denn dem Vermögen in Höhe von DM, das sich im
Wesentlichen aus dem durch Praxisverkauf und Forderungseinziehungen gespeisten
Konkursfestgeldkonto in Höhe von DM und aus dem Grundstücksanteil -Krankenhaus in
Höhe von ,-- DM (= 78 % des 1/12 Anteils im Wert von ,-- DM) zusammensetzt, stehen nach
Angaben des Klägers als Schuldposten im Wesentlichen gegenüber:
Rückzahlungsverpflichtung l-Bank in Höhe von ,-- DM, Bank in Höhe von DM,
Stadtsparkasse in Höhe von DM sowie vom Finanzamt zur Konkurstabelle angemeldete
Forderungen in Höhe von insgesamt ,-- DM.
Unter Berücksichtigung seiner laufenden Einkünfte sei ein planmäßiger Abbau der
Schulden gesichert, so dass Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger nicht zu befürchten
seien. So hätten die Stadtsparkasse und die Bank eine Tilgungsvereinbarung nach
Abschluss des Konkursverfahrens in Aussicht gestellt. Eine Verwertung des
Grundstücksanteils am -Krankenhaus werde vermutlich zu Verlusten führen, was nicht im
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Gläubigerinteresse liegen könne. Im Veranlagungszeitraum hätte das Objekt nach Abzug
der Zinsaufwendungen Erträgnisse in Höhe von ,-- DM erbracht. Der Schuldenstand
gegenüber der -Bank verringere sich laufend. Auch nach Abschluss des Konkursverfahrens
werde die Bank den Kreditvertrag fortführen, so dass die Tilgung aus den Erträgnissen
gesichert sei.
Die bevorrechtigten Forderungen des Finanzamtes seien zwischenzeitlich vom
Konkursverwalter aus dem Konkursfestgeldkonto bezahlt worden ( DM ). Für die
verbleibenden Steuerschulden könne erst nach förmlichem Abschluss des
Konkursverfahrens eine Stundungsvereinbarung getroffen werden. Die weiteren
verbleibenden Verbindlichkeiten ( z.B. AOK, Berufsgenossenschaft, Arbeitsamt ) würden im
Rahmen des Konkursverfahrens getilgt werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2001 hat der Kläger ausgeführt, er halte seine
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides nicht mehr aufrecht und
erkenne an, dass dieser Bescheid zu Recht ergangen sei. Auf Grund des unmittelbar vor
dem Abschluss stehenden Konkursverfahrens sei aber die widerrufene Bestellung sogleich
wieder zu gewähren, weil er seine verbleibenden Schulden geordnet werde tilgen können.
Seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien nunmehr in der Weise geordnet, dass er seine
nach Konkursabwicklung noch verbleibenden restlichen Schulden in Höhe von DM .- aus
dem ihm verbleibenden monatlich Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben in Höhe
von DM innerhalb kurzer Zeit werde begleichen können. Die Steuerschulden verminderten
sich nach seinen Berechnungen für das Jahr um etwa DM .-. Inzwischen habe er nämlich
die Einkommensteuererklärung für das Jahr abgegeben; hierin habe er einen Verlust aus
freiberuflicher Tätigkeit erklärt, der den wegen der Veräußerung seiner Steuerberaterpraxis
entstandenen Gewinn teilweise aufgezehrt habe. Die verbleibende Steuerschuld ermäßige
sich daher auf etwa DM .-, während im Konkursverfahren auf Grund des
Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes noch eine Einkommensteuerschuld von
DM .- zur Tabelle angemeldet worden sei.
Die bisher bei dem Vermögensstatus noch nicht berücksichtigten Kosten für das
Konkursverfahren schätze er auf DM .-. Dem stünden aber die auf dem Festgeldkonto nach
seinen Berechnungen erwirtschafteten Zinsen in Höhe von DM gegenüber.
Er sei freiberuflich in der Steuerberaterpraxis eines Kollegen tätig und habe im Jahr 2001
einen Gewinn von DM .- erzielt. Dieser Gewinn sei auch zukünftig ohne weiteres zu
erreichen, so dass ihm unter Berücksichtigung des Gehalts seiner Ehefrau und der
notwendigen beruflichen und privaten Ausgaben ein monatlicher Überschuss zur
Schuldentilgung in Höhe von DM .- verbleibe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
insoweit auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.2.2002 und 5.3.2002 nebst
Gewinnermittlung für 2001, den Vermögensstatus zum 31.1.2002 und Tilgungsplan Bezug
genommen.
Der Kläger beantragt,
den Widerrufsbescheid des Beklagten vom aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, der angefochtene Widerrufsbescheid sei rechtmäßig. Im Zeitpunkt seines
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Ergehens seien die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung als Steuerberater
gegeben gewesen. Nach dem gegenwärtigen Stand habe der Kläger keinen Anspruch auf
Wiederbestellung, weil nicht zu erkennen sei, dass er zwischenzeitlich in geordneten
wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Denn der Kläger habe nicht hinreichend konkret
dargelegt, wie er seine Vermögensverhältnisse in den Griff bekommen wolle. Der Wert des
im vorgelegten Vermögensverzeichnis zum 31.1.2002 enthaltenen Grundstücksanteils am -
Krankenhaus, den der Kläger mit DM .- bemessen habe, sei nicht realistisch. Nach
Einschätzung des Konkursverwalters sei ein Überschuss über die
Darlehensverbindlichkeiten von DM nicht zu erzielen. Die bisher nicht erfolgreiche
Verwertung des Grundstücksanteils belege, dass die Höhe des Verkehrswertes völlig offen
sei.
Der vorgelegte Tilgungsplan bleibe bis zur Beendigung des Konkursverfahrens, das bisher
noch nicht abgeschlossen sei, hypothetisch. Insbesondere sei nicht feststellbar, welche
Forderungen nach Abschluss dieses Verfahrens noch verblieben und ob es dem Kläger
gelinge, mit den verbleibenden Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen zu treffen und
diese dauerhaft einzuhalten. Dass der Kläger vor diesem Hintergrund in der Lage sei, in
absehbarer Zeit seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen, könne derzeit nicht festgestellt
werden.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig.
Die Steuerberaterkammer ist nunmehr der richtige Beklagte. Zwar ist nach § 63 Abs. 2
Finanzgerichtsordnung ( FGO ) die Anfechtungsklage gegen die Behörde zu richten, die
den Verwaltungsakt erlassen hat, im Streitfall also das Finanzministerium des Landes . Das
gilt allerdings dann nicht, wenn während des Klageverfahrens ein gesetzlich angeordneter
Beteiligtenwechsel eingetreten ist. Dann wird unmittelbar die neu zuständig gewordene
Behörde Beklagter (vgl. Bundesfinanzhof,Urteil vom 12.1.1995 - IV R 83/92 -
Bundessteuerblatt BStBl II 1995, 488 ). Das ist hier der Fall.
Denn ein entsprechender Zuständigkeitswechsel auf Seiten des Beklagten ist im Streitfall
während des Klageverfahrens eingetreten.
Gemäß § 46 Abs. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) in der Fassung von Art. 1 Nr.
42 des 7. Steuerberater-Änderungsgesetzes (7. StBÄndG) vom 24.6.2000 (BGBl I 2000,
874) war im Rubrum als Beklagte die zuständige Steuerberaterkammer, im Streitfall also
die Steuerberaterkammer aufzunehmen, weil diese gemäß § 157 Abs. 6 StBerG in der
Fassung des Art. 1 Nr. 100 des 7. StBÄndG seit dem 1.1.2001 für den Widerruf der
Bestellung als Steuerberater zuständig ist. Durch die organisationsrechtliche Übertragung
von Zuständigkeiten ist ein gesetzlicher Wechsel des Beteiligten eingetreten, der auch im
Rubrum zu berücksichtigen ist (vgl BFH, Beschluss vom 8.1.2001 -VII B 239/00- Sammlung
amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2001, 491; ).
Die zulässige Klage ist aber unbegründet.
Der angefochtene Widerrufsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten ( § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ). Der Beklagte hat die Bestellung des Klägers als
Steuerberater zu Recht widerrufen, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2
Nr. 4 Steuerberatungsgesetz - StBerG - in der Fassung des Art. 1 Nr. 14 des
Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 19.12.1998 sind
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erfüllt.
Nach dieser Vorschrift ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der
Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist; es sei denn, dass dadurch die Interessen der
Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird nach dem 2. Halbsatz der
oben genannten Vorschrift vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Steuerberaters eröffnet worden ist. Im Übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der
Schuldner in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in
absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen
nachzukommen ( vgl. BFH, Urteil vom 3.11.1992 - VII R 95/91 - BFH/NV 1993, 624, 625
m.w.N.).
Im finanzgerichtlichen Klageverfahren gegen den Widerrufsbescheid ist einerseits zu
prüfen, ob der Bescheid nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der
Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ergangen ist, zum anderen muss das Gericht aber
auch eine im Zeitpunkt seiner Entscheidung veränderte Sachlage berücksichtigen, wenn
sich aus dieser eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung ergibt (BFH, Urteil vom
22.08.1995 - VII R 63/94 - BStBl. II 1995, 909).
I.
Im Zeitpunkt des Ergehens der Widerrufsverfügung vom hat das damals noch zuständige
Finanzministerium des Landes auf Grund des ihm bekannt gewordenen Sachverhalts zu
Recht angenommen, dass die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu widerrufen ist.
Zum damaligen Zeitpunkt war das Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers
bereits eröffnet und noch nicht abgeschlossen. Die hieraus folgende Vermutung des
Vermögensverfalls hat der Kläger weder zum damaligen Zeitpunkt noch im Rahmen des
Klageverfahrens widerlegt. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers ist nach
wie vor nicht abgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass er seine finanziellen Verhältnisse
im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung geordnet und seinen Verpflichtungen hat
nachkommen können, liegen nicht vor.
Daran ändert auch nichts der Umstand, dass nach den im Klageverfahren vorgelegten
Bescheinigungen der Kreditgeber ( ) der Kläger etwaig noch offen gebliebene
Verbindlichkeiten nach Abschluss des Konkursverfahrens mit den Geldinstituten
einvernehmlich regeln und abwickeln könnte. Denn insbesondere die Dauer des
Konkursverfahrens und die nur schleppende und nur teilweise Befriedigung des
Hauptgläubigers (Finanzamt ) haben gezeigt, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt
des Widerrufsbescheides tatsächlich seine Vermögensverhältnisse nicht aus eigener Kraft
ordnen konnte und somit in Vermögensverfall geraten war. Dies zeigen auch die fortlaufend
wiederholten, aber dennoch stets offen gebliebenen Ankündigungen des Klägers, die
Abgabenschulden nunmehr unverzüglich zu begleichen.
Durch den Vermögensverfall des Klägers ist auch eine Gefährdung von
Mandanteninteressen nicht auszuschließen. Die Gefährdung der Interessen von
Mandanten ist nur dann ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn auf Grund der gesamten
Umstände des einzelnen Falles festgestellt werden kann, dass der Steuerberater
voraussichtlich trotz Vermögensverfalls die Interessen seiner Mandanten in jeder Hinsicht
sorgfältig und zuverlässig wahrnehmen wird. Das erfordert insbesondere z.B. die
pünktliche Abgabe von Steuererklärungen und korrekte Honorarabrechnungen, ohne dass
ihn davon die wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Vermögensverfall) abhalten werden, in
denen er sich befindet. Die in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG getroffene Regelung geht allerdings
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typisierend davon aus, dass im Regelfall bei Vermögensverfall eine potentielle (abstrakte)
Gefährdung der Auftraggeberinteressen anzunehmen ist. Es bedarf daher des Nachweises
außergewöhnlicher Umstände, wenn trotz Vermögensverfalls eine Gefährdung von
Mandanteninteressen soll ausgeschlossen werden können (vgl. BFH, Beschluss vom
19.11.1998 -VII B 196/98 - BFH/NV 1999, 522; Beschluss vom 9.11.2000 - VII B 236/00 -
BFH/NV 2001, 490 ).
Dieser Nachweis obliegt dem betroffenen Steuerberater. Er trägt insoweit die Darlegungs-
und Feststellungslast, auch wenn die Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Nachweis
einer negativen Tatsache nur schwer zu führen ist (vgl. BFH Urteile vom 22.9.1992 - VII R
43/92 - BStBl II 1993, 203; vom 15.11.1994 - VII R 48/94 - BFH/NV 1995, 736 ).
Im Streitfall ist nicht feststellbar, dass eine Gefährdung von Mandanteninteressen
ausgeschlossen ist. Soweit der Kläger im Klageverfahren durch die Behauptung, sich als
Steuerberater in der Vergangenheit einwandfrei verhalten und ausnahmslos das Vertrauen
seiner Mandanten genossen zu haben, eine Gefährdung von Mandanteninteressen in
Abrede gestellt hat, kann der Senat hiervon nicht ausnahmslos ausgehen. Vielmehr zeigt
das pflichtwidrige Verhalten des Klägers in eigenen Steuerangelegenheiten, dass
Mandanteninteressen bei objektiver Betrachtung gefährdet sind. Allein der Umstand, dass
er über lange Zeit hinweg ganz erhebliche Rückstände beim Finanzamt hat auflaufen
lassen, die sich in erheblichem Umfang aus Lohnsteuer und Umsatzsteuer
zusammensetzen, also für den Kläger fremde Gelder darstellen, zeigt, dass er auf fremde
Gelder zurückgreift, wenn er sich selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet.
Deshalb ist eine Gefährdung der Mandanteninteressen nicht allein dadurch
ausgeschlossen, dass der Kläger, wie er weiter vorgetragen hat, keine
Abbuchungsvereinbarungen mit den Mandanten trifft und keine Vollmachten und
Treuhandschaften übernimmt.
Der Kläger räumt inzwischen selbst die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides im
Zeitpunkt des Erlasses ein, denn er hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2001
seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides nicht mehr
aufrechterhalten.
II.
Der Widerruf ist auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats aufrechtzuerhalten
gewesen. Das wäre ausnahmsweise nur dann nicht der Fall, wenn der Kläger im Zeitpunkt
der Entscheidung des Gerichts einen Anspruch auf sofortige Wiederbestellung gehabt
hätte. Dies kann aber im Streitfall nicht festgestellt werden.
Ein Anspruch auf Wiederbestellung als Steuerberater kommt dann nicht in Betracht, wenn
der Vermögensverfall noch andauert ( vgl. BFH, Urteil vom 22.8.1995 -VII R 63/94 - BStBl II
1995, 909, 911 ). Da das Konkursverfahren auch im Zeitpunkt der Entscheidung des
Senats noch nicht, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat,
abgeschlossen ist, besteht nach wie vor die gesetzliche Vermutung seines
Vermögensverfalls.
Ein sofortiger Anspruch auf Wiederbestellung setzte unter diesen Umständen voraus, dass
der Kläger bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt u n z w e i f e l h a f t in geordneten
wirtschaftlichen Verhältnissen lebte. Davon kann aber keine Rede sein.
Eine zweifelsfreie nachhaltige Besserung seiner Vermögenslage im gegenwärtigen
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Zeitpunkt ist nämlich nicht erkennbar.
Der Kläger ist ausweislich des von ihm vorgelegten Vermögensstatus zum 31.1.2002 nach
wie vor hoch überschuldet. Bei wirtschaftlich zutreffender Einschätzung seiner
Vermögenslage beträgt seine Überschuldung mehr als DM .-. Das ergibt sich aus
folgenden Überlegungen:
Der Vermögensstatus des Klägers zum 31.1.2002 ist zunächst sowohl um den
Vermögensansatz "1/12 Grundstücksanteil" als auch um den Schuldpostenansatz für den
Finanzierungskredit dieses Anteils bei der bank zu berichtigen.
Denn ob der Grundstücksanteil von 1/12 an dem - Krankenhaus den vom Kläger
angegebenen Vermögenswert besitzt, ist im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
ohne weiteres feststellbar. Der Konkursverwalter, Rechtsanwalt
, hat den Vermögensstatus des Klägers insoweit mit dem Zusatz versehen, der Wert des
Grundstücksanteils sei kaum zu bestimmen, weil er bislang sich als unverkäuflich erwiesen
habe.
Außerdem sind noch weitere Steuerforderungen, die nicht zur Tabelle angemeldet worden
sind, weil sie erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden sind, als
Schuldposten zu berücksichtigen. Diese betragen nach Angaben des Klägers (Schriftsatz
vom 21.5.2001, Anlage 4 ) DM . Ausgehend von der Vermögensaufstellung des Klägers
ergeben sich unter Berücksichtigung der oben genannten Korrekturen ein ( berichtigtes )
Vermögen von DM und Schulden in Höhe von DM , also eine Überschuldung von
zumindest DM .
Ob sich diese Überschuldungssituation wesentlich zu Gunsten des Klägers geändert hat,
hat der Senat in der mündlichen Verhandlung nicht zweifelsfrei klären können. Selbst wenn
man im Hinblick auf die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen davon ausgeht, dass in
Zukunft - nach Abschluss des Konkursverfahrens - Tilgungsvereinbarungen mit der Bank
und der Stadtsparkasse getroffen werden können sowie die Tilgungsverpflichtungen
gegenüber der N -Bank aus den Erträgnissen des Objektes -Krankenhaus erfüllt werden
können, bleibt offen, ob und ggf. in welchem Zeitraum der Kläger seine Abgabenrückstände
gegenüber dem Finanzamt begleichen kann. Selbst wenn die bevorrechtigten Forderungen
des Finanzamtes, wie der Kläger mit Schriftsatz vom 21.05.2001 vorgetragen hat,
zwischenzeitlich vom Konkursverwalter beglichen worden sind, verbleiben noch nicht
bevorrechtigte Forderungen in Höhe von unstreitig DM. Zu deren Tilgung verblieben - ließe
man die Aktiva und Passiva im Zusammenhang mit dem Grundstücksanteil des Klägers am
-Krankenhaus, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung sich nicht hat verwerten
lassen, außer Betracht - nach Begleichung der bevorrechtigten
Finanzamtsverbindlichkeiten (in Höhe von ca. ,-- DM) als Aktiva noch etwa DM, denen als
Passiva DM als weitere Steuerverbindlichkeiten und DM an Bankverbindlichkeiten
gegenüberstehen. Demgegenüber deckt sich der Wert der Lebensversicherung in Höhe
von DM mit der Höhe der sonstigen Verbindlichkeiten in Höhe von DM. Diese
Unterdeckung seines Vermögens in einer Größenordnung von etwa DM .- hat der Kläger
nicht durch eine geordnete Schuldentilgung zurückzuführen vermocht.
Selbst wenn man weiter zu Gunsten des Klägers davon ausginge, dass nach Abgabe der
Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 eine Einkommensteuerschuld von DM .- für
1999 verbliebe, also die bisher auf Schätzungen beruhende Steuerschulden von DM .- sich
um etwa DM .- verringerten, blieb die Vermögenssituation im Ergebnis nahezu unverändert.
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Denn die Konkursverfahrenskosten sind in der Vermögensbetrachtung des Klägers noch
nicht enthalten; diese belaufen sich bereits nach seinen Angaben auf DM .-. Ob und in
welchem Umfang auf dem Konkurs- Festgeldkonto Guthabenzinsen erwirtschaftet worden
sind, wie der Kläger vorgetragen hat, konnte ebenfalls vom Senat nicht festgestellt werden.
Der Konkursverwalter selbst hat keine Zinsguthaben mitgeteilt; ob die eigenen
Buchungsbelege über Zinsguthaben, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung
überreicht hat, zutreffend sind, steht daher nicht fest.
Es ist weiter auch nicht zweifelsfrei festzustellen, dass der Kläger in der Lage ist, seine
Schulden geordnet und in angemessener Zeit zu tilgen.
Bereits nach der eigenen Berechnung des Klägers in der "Gegenüberstellung der
monatlichen Einnahmen und Ausgaben zum 31.1.2002" ist eine geordnete
Schuldentilgung kaum möglich. Zunächst enthält seine Aufstellung nicht die nicht zur
Tabelle angemeldeten Steuerschulden von DM und ist insoweit unvollständig.
Für die Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten müsste der Kläger einschließlich der
Steuerschulden, die nicht zur Tabelle angemeldet sind, bei einer Tilgungsdauer (ohne
Zinsen ) von 48 Monaten DM monatlich aufwenden. Denn für die bisher von ihm nicht
berücksichtigten Steuerschulden von DM .- bedürfte es für eine Tilgung in 48 Monaten
weiterer monatlicher Raten von zumindest DM ), die zu den von Kläger bisher errechneten
monatlichen Tilgungsraten von DM zu addieren sind ( ).
Nach der eigenen "Überschussrechnung" stehen ihm aber einschließlich der Einkünfte
seiner Ehefrau nur DM .- zur Verfügung, mithin fehlen ihm für eine geordnete
Schuldentilgung in angemessener Zeit nach eigener Ermittlung bereits erhebliche liquide
Mittel.
Bei einer objektiven Einschätzung der Liquiditätsrechnung des Klägers fällt aber weiter zu
seinen Ungunsten ins Gewicht, dass nach Auffassung des Senats die von ihm ermittelten
und zur Schuldentilgung verwendbaren freien Mittel auf Dauer nicht zu erzielen sein
werden. Der Senat ist nämlich davon überzeugt, dass die notwendigen Ausgaben vom
Kläger außergewöhnlich knapp bemessen worden mit dem Ziel, dem Gericht eine
möglichst hohe ungebundene Liquidität darzustellen. Die freie Liquidität ist zumindest um
DM 1000.- niedriger als von ihm errechnet. Das folgt aus folgenden Überlegungen:
Bereits der berufliche Ausgabenansatz, den er mit monatlich DM .- beziffert hat, ist zu
korrigieren. Nach der von ihm eingereichten Gewinnermittlung für seine
Steuerberaterpraxis für das Jahr 2001 betragen die Betriebsausgaben aber insgesamt DM ,
bezogen auf den Monatszeitraum also DM .- und nicht DM .-, wie er dies in seiner
Tilgungsplanrechnung angegeben hat.
Darüber hinaus sind Ausgaben in Höhe von DM .- für eine angemessene Altersversorgung
des Jahre alten Klägers, der wegen des Konkursverfahrens seine bisherigen
Anwartschaften auf private Versorgungsrenten weitgehend eingebüßt hat, gänzlich
unzureichend. Ob er über eine angemessene Rentenanwartschaft in der gesetzlichen
Rentenversicherung verfügt, hat der Kläger nicht vorgetragen, obwohl dieser Gesichtspunkt
in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist. Für eine realistische
Altersvorsorge hält das Gericht zumindest die Beträge für erforderlich, die ein Arbeitnehmer
mit einem vergleichbaren monatlichen Einkommen aufzuwenden hätte. Der
Arbeitnehmerbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 1/2 von 19,1% der
monatlichen Bruttobezüge, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze von DM .-. Für
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den Kläger, dessen Vergleichseinkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt,
beliefe sich der monatliche Rentenversicherungsbeitrag demnach auf DM
Schließlich sind Kraftfahrzeugkosten in Höhe von monatlich DM deshalb nicht
ausreichend, weil hiermit allenfalls die laufenden Betriebskosten beglichen werden
können; für notwendige Reparaturen und für eine Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs kann
der Kläger mit dem Ausgabenansatz von DM .- aber keine Vorsorge getroffen haben. Das
Gericht muss daher bei vernünftiger Betrachtung weitere Kraftfahrzeugkosten in Höhe von
mindestens DM annehmen.
Insgesamt betragen die erforderlichen Mehraufwendungen des Klägers mindestens DM
1000.- ) mit der Folge, dass sich die freie monatliche Liquidität auf nur noch DM .- ermäßigt.
Mit diesem Betrag ist dem Kläger aber eine geordnete Schuldentilgung in angemessener
Zeit nicht möglich, weil ihm hierfür Mittel von mehr als DM .- monatlich fehlen werden ( DM
Bei dieser Sachlage kann eine positive Feststellung dahin, der Kläger lebe trotz
andauernden Konkursverfahrens bereits jetzt unzweifelhaft in geordneten wirtschaftlichen
Verhältnissen, nicht getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.