Urteil des FG Düsseldorf vom 20.03.2003

FG Düsseldorf (Transport, Gesellschaftsanteil, Erwerb, Anschaffungskosten, Bestandteil, Abschreibung, Stillen, Zahl, Reserven, Kaufpreis)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 7704/00 F
20.03.2003
Finanzgericht Düsseldorf
15. Senat
Urteil
15 K 7704/00 F
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Behandlung des Auftragsbestandes einer Kommanditgesellschaft als
Firmenwert statt als immaterielles Einzelwirtschaftsgut in der Ergänzungsbilanz eines
Kommanditisten.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der "A" KG (im
folgenden KG). Gegenstand der Gesellschaft war die Durchführung von Transporten aller
Art, insbesondere von Kraftfahrzeugen sowie alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten.
Beteiligt waren zum 31.12.1990 als Kommanditisten Frau "B" und Herr "C" jeweils mit
einen Kapital von 295.000 DM und Herr "D" mit einem Kapital von 590.000 DM. Herr "D"
erwarb zum 02.01.1991 einen weiteren Kommanditanteil von 472.000 DM (40%) jeweils in
Höhe von 295.000 DM von Frau "B" und in Höhe von 177.000 DM von Herrn "C" zum
Kaufpreis von insgesamt 5.800.000 DM hinzu.
Die KG schloss mit Automobilherstellern als Rahmenverträge bezeichnete Vereinbarungen
und Speditionsaufträge zum Transport von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen an
Fahrzeughändler ab. Die Rahmenverträge hatten unterschiedliche Laufzeiten von drei
Monaten bis zu einem Jahr und drei Monaten. Im Regelfall betrug die Vertragsdauer ein
Jahr. In den Verträgen wurden nur das Entgelt pro zu transportierendem Fahrzeug sowie
die Transportbedingungen, nicht aber die Zahl der Transporte insgesamt, festgelegt.
Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass das Transportvolumen im Hinblick auf die
Produktions- und Absatzmöglichkeiten des jeweiligen Herstellers erheblichen
Schwankungen unterliegt. Lediglich in der Anlage zur Vereinbarung mit der Firma "E" AG
waren Zahlen aufgeführt. Daneben schloss die KG mit einzelnen Kraftfahrzeughändlern
Verträge mit einer Laufzeit von jeweils einem Jahr für das Entkonservieren der gelieferten
Fahrzeuge. In diesen Verträgen wurde ebenfalls nur der Preis für das Entkonservieren
geregelt, nicht aber die Gesamtzahl der zu behandelnden Fahrzeuge. Auf diese beiden
5
6
7
8
9
Vertragsarten entfielen in den Streitjahren insgesamt zwischen 62% und 70% der Umsätze
der KG. Auf die entsprechenden Verträge (Bl. 276ff der BP-Handakte) wird verwiesen.
In der Ergänzungsbilanz des Kommanditisten "D" war zum 02.01.1991 ein Auftragsbestand
von 1.976.000 DM aus dem Anteilserwerb als immaterielles Wirtschaftsgut aktiviert, der in
1991 mit 960.000 DM abgeschrieben wurde. Zum 31.12.1992 wurde der Auftragsbestand
mit 1.016.000 DM auf 0 DM abgeschrieben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die
Erläuterungen zu den Ergänzungsbilanzen 1991 und 1992 verwiesen.
Die Höhe des aktivierten Auftragsbestandes wurde aus dem durchschnittlichen
abgezinsten Betriebsergebnis für die Jahre 1987 und 1988 ermittelt. Es wurde auf der
Grundlage dieser beiden, für repräsentativ erachteten Jahre ein bereinigtes
Betriebsergebnis von 7,9% auf den Jahresumsatz ermittelt. Entsprechend wurde die
Gewinnerwartung aus den auf die Transport- und Entkonservierungsverträge entfallenden
Jahresumsätzen in 1991 ermittelt und darauf ein Sicherheitsabschlag von 10%
vorgenommen (vgl. Bl. 270 der BP-Handakte). Dies ergab für 1991 bei auf diese Verträge
entfallenden anteiligen Umsätzen von 35.721.000 DM einen darauf entfallenden Gewinn
von 2.822.000 DM. Davon ergab sich nach Vornahme eines Sicherheitsabschlags von 10%
ein Gewinn von 2.540.000 DM. Diese Gewinnerwartung wurde unter Berücksichtigung
einer Abzinsung von 5,5% für eine Vertragsdauer von zwei Jahren angesetzt. Damit ergab
sich für den Auftragsbestand insgesamt ein Wert von 2.540.000 + (2.540.000 ./. 5,5%) =
4.940.000 DM (gerundet). Auf den hinzuerworbenen Anteil des Kommanditisten "D" (40%)
entfielen demnach 1.976.000 DM.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 kam
es zwischen den Beteiligten zum Streit, ob die von der KG mit verschiedenen
Automobilherstellern abgeschlossenen Verträge zum Transport von Kraftfahrzeugen und
die Verträge über die Entkonservierung als selbständig bewertbares immaterielles
Wirtschaftsgut anzusetzen sind oder ob es sich dabei um einen (unselbständigen)
Bestandteil des Geschäftswerts handelt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den
Betriebsprüfungsbericht vom 10.06.1998, Tz. 28 verwiesen. Das Finanzamt -- FA -- folgte
der Auffassung des Betriebsprüfers und änderte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
ergangenen Gewinnfeststellungsbescheide 1991 bis 1993. Es behandelte den
Auftragsbestand als Bestandteil des Firmenwerts und erhöhte dementsprechend den
Gewinn um die Differenz zwischen der zweijährigen Abschreibung auf das immaterielle
Wirtschaftsgut und der fünfzehnjährigen Abschreibung auf den Firmenwert.
Gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide vom 03.12. und vom 07.12.1998
legte der Prozessbevollmächtigte der KG mit Schreiben vom 07.01.1999 Einspruch ein. Zur
Begründung trug er vor, dass es sich bei dem Auftragsbestand um die selbständig
bewertbare Gewinnchance aus Speditionsaufträgen und damit ein selbständiges
immaterielles Wirtschaftsgut handele.
Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 15.11.2000 als
unbegründet zurück. Zur Begründung führte es an, aus den vorgelegten
Rahmenvereinbarungen und Speditionsaufträgen könnten keine konkreten und
bezifferbaren Gewinnerwartungen aus schwebenden Geschäften, sondern lediglich
Gewinnhoffnungen aus späteren Geschäften entnommen werden. Diese dürften nach dem
Vorsichtsprinzip nicht bilanziert werden. Die Voraussetzungen für die Aktivierung eines
Auftragsbestandes, der eine selbständig bewertbare Gewinnchance enthalte, könnten
durch die vorgelegten Verträge nicht als erfüllt angesehen werden. Denn diese regelten
nicht den Umfang der zu erbringenden Leistung. Der konkrete Umfang der Transporte
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
richte sich vielmehr nach den jeweiligen (marktbedingt schwankenden) Produktions- und
Absatzmöglichkeiten. Ziel und Zweck der Rahmenvereinbarungen sei es lediglich, die
immer wiederkehrende Bedingungen wie Leistungsentgelt und Leistungsabgrenzung nicht
immer wieder neu festlegen zu müssen.
Mit der dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger nunmehr vor, bei den als
Rahmenvereinbarung bezeichneten Verträge handele es sich um konkrete Aufträge, die
den Transport von Kraftfahrzeugen für ein bestimmtes Fahrgebiet exklusiv dem
beauftragten Spediteur zuteilten. Die Vereinbarungen hätten jeweils konkrete
ausgehandelte Mengen und Preise zum Gegenstand. Die pauschale Berechnung des zu
aktivierenden Werts anhand zweier Jahresumsätze sei aus Vereinfachungsgründen erfolgt.
Dabei habe die gewählte pauschale Ermittlungsmethode zu einer sehr vorsichtigen
Bewertung geführt, so dass nach heutigen Erkenntnissen eine wesentlich höhere
Bewertung gerechtfertigt sei. Es liege daher ein konkret bestimmbares und bewertbares
immaterielles Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von mehr als einem Jahr vor. Die
Verträge würden zwar Kündigungsrechte beinhalten. Sie würden jedoch regelmäßig
verlängert. Die praktische Handhabung zeige zudem, dass von dem Kündigungsrecht in
der Praxis kein Gebrauch gemacht werde. Die Konkretisierung des Wertes des
Auftragsbestandes zeige sich auch darin, dass in der Vergangenheit entsprechend hohe
Kaufpreise für Gesellschaftsanteile erzielt worden seien. Darüber hinaus bestehe in der
Branche ein sogenannter "Käufermarkt". Neue Aufträge könnten nur schwer akquiriert
werden. Ein wesentlicher Teil des Unternehmenswertes bestehe daher in den
vorhandenen, langfristigen Aufträgen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Be-
steuerungsgrundlagen für die "A" KG für die Jahre 1991 bis 1993 vom
07.12.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 15.11.2000 da
hingehend zu ändern, dass die für die Jahre 1991 und 1992 festgestellten
Verluste um jeweils 525.840 DM erhöht werden und der Gewinn des Jah-
res 1993 um 525.840 DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
Das Gericht hat den Kommanditisten "D" nach § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -
zu dem Verfahren beigeladen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die
gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2003
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen
24
25
26
27
Rechten. Der Auftragsbestand und die Gewinnerwartungen aus den als Rahmenverträgen
bezeichneten Verträgen sind dem Geschäftswert nach § 255 Abs. 4 Handelsgesetzbuch --
HGB -- zuzuordnen und stellen kein eigenständiges, selbständig bewertbares
immaterielles Wirtschaftsgut dar. Daher sind sie nach § 7 Abs. 1 Satz 3
Einkommensteuergesetz -- EStG -- in der Ergänzungsbilanz über eine Nutzungsdauer von
15 Jahren abzuschreiben.
1. Wird ein Personengesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) oder ein Bruchteil eines
solchen Anteils an einen neu eintretenden Gesellschafter oder einen von mehreren der
bisherigen Gesellschafter gegen Entgelt veräußert, so hat der Erwerber seine
Aufwendungen für den Gesellschaftsanteil, soweit diese höher sind als der in der
Steuerbilanz der Gesellschaft fortgeführte Buchwert des Gesellschaftsanteils
(Kapitalkonto), in einer Ergänzungsbilanz der Gesellschaft als Anschaffungskosten zu
aktivieren. Denn Gegenstand der Anschaffung sind einkommensteuerrechtlich nicht der
Gesellschaftsanteil (als einheitliches nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut) als
solches, sondern entsprechende Anteile an den einzelnen materiellen und immateriellen,
bilanzierten und nichtbilanzierten Wirtschaftsgütern des gesamthänderisch gebundenen
Gesellschaftsvermögens (vgl. Urteil des BFH vom 07.11.1985 IV R 7/83, BStBl II 1986, 176;
vom 06.07.1995 IV R 30/93, BStBl II 1995, 831). Die Aufwendungen des Erwerbers "D" für
den Gesellschaftsanteil sind demgemäß, soweit diese höher sind als der Buchwert des
Gesellschaftsanteils, in einer Ergänzungsbilanz als Anschaffungskosten für einen
entsprechenden Anteil an den stillen Reserven zu aktivieren.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG, der auch den Erwerb eines Mitunternehmeranteils erfasst
(Werndl in Kirchhof/Söhn, EStG, § 6, Rdnr. H 7) sind in der Ergänzungsbilanz die bisher
nicht bilanzierten Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den
Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Als Teilwert ist der Betrag
anzunehmen, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises
für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist von einer Fortführung des
Unternehmens durch den Erwerber auszugehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Ein
originärer, bisher nicht bilanzierter Geschäftswert ist beim Erwerb eines
Mitunternehmeranteils daher in einer Ergänzungsbilanz des Erwerbers zu aktivieren,
soweit es sich nicht um sonstige (selbstgeschaffene) immaterielle Wirtschaftsgüter handelt,
die nach §§ 247 Abs. 2 Handelsgesetzbuch - HGB --, 5 Abs. 2 EStG in der
Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft bisher nicht bilanziert werden konnten.
2. Im Streitfall sind die bestehenden Kundenbeziehungen, die auf den als Rahmenverträge
bezeichneten Vereinbarungen beruhen, dem Geschäftswert der KG nach § 255 Abs. 4
HGB (vgl. auch H 31a Einkommensteuerrichtlinien --EStR-- "Geschäfts- und Firmenwert")
zuzuordnen und demzufolge nach § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Ergänzungsbilanz auf 15
Jahre abzuschreiben.
a. Geschäftswert ist der Mehrwert, der einem gewerblichen Unternehmen über den Wert der
einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens hinaus
innewohnt. Er ist Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in
den einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind, sondern durch den Betrieb des
eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen gewährleistet sind (Urteil des
BFH vom 07.11.1985 IV R 7/83, BStBl II 1986, 176). Er setzt sich aus einzelnen, nicht
messbaren Faktoren wie Kundenkreis, Ruf des Unternehmens, Absatzmöglichkeiten,
Standort, Mitarbeiterstamm und Organisation zusammen (Urteil des BFH vom 28.10.1987 II
R 224/82, BStBl II 1988, 50; vgl. auch Schuhmann, Die Steuerliche Betriebsprüfung --StBP-
28
29
30
31
- 1999, 206). Der Geschäftswert gehört zu den abnutzbaren Wirtschaftsgütern im Sinne des
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Ein entgeltlich erworbener Firmenwert ist daher nach § 7 Abs.
1 Satz 3 EStG über 15 Jahre abzuschreiben.
Eine Aktivierung von Anschaffungskosten für einen Anteil am Geschäftswert und die
Abschreibung über 15 Jahre in einer Ergänzungsbilanz scheidet nur aus, soweit die
Aufwendungen nachweisbar als Entgelt für die stillen Reserven in bestimmten materiellen
oder immateriellen Einzelwirtschaftsgütern bezahlt worden sind (Urteil des BFH vom
07.11.1985 IV R 7/83, BStBl II 1986, 176; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer-
und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 EStG, Anm. 852).
Entfällt ein Teil des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil daher nicht auf die stillen
Reserven aktivierter Wirtschaftsgüter, ist vor einer Aktivierung des Differenzbetrags als
Firmenwert zu prüfen, ob nicht anteilig die Beteiligung an nicht bilanzierten immateriellen
Wirtschaftsgütern erworben wird. Voraussetzung dafür ist, dass das jeweilige immaterielle
Wirtschaftsgut in der Ergänzungsbilanz gesondert bilanzierungs- und bewertungsfähig ist.
Dies setzt u. a. voraus, dass das immaterielle Wirtschaftsgut Gegenstand eines
gegenseitigen Vertrages ist, bei dem Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen
Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden und bei dem die Leistung der einen
Vertragspartei in der Übertragung des Wirtschaftsgutes besteht (Urteil des BFH vom
09.07.1986 I R 218/82, BStBl II 1987, 14; vom 12.08. 1982 IV R 184/79, BStBl II 1982, 696).
b. Ein übernommener Auftragsbestand kann neben dem Geschäfts- und Firmenwert ein
derartiges selbständig bewertungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut darstellen (Urteil
des BFH vom 01.02.1989 VIII R 361/83, BFH/NV 1989, 778; vom 28.05.1998 IV R 48/97,
BStBl II 1998, 775; Köhler, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 297;
Breidenbach/Niemeyer, DStR 1991, 2500, 2501; a.A. Siegel, Der Betrieb --DB-- 1997, 941
und Flies, DB 1996, 846, 847). Der Auftragsbestand umschreibt den zu erwartenden
Gewinn, der sich aus rechtsverbindlich abgeschlossenen (schwebenden) Verträgen ergibt.
Es handelt sich um einen firmenwertähnlichen Vermögensgegenstand des
Anlagevermögens, der aufgrund des Vollständigkeitsgebots des § 246 Abs. 1 HGB bei
entgeltlichem Erwerb zwingend zu aktivieren ist. Eine getrennte Betrachtung des
Auftragsbestands neben dem Firmenwert ist dabei auch nach Wegfall des Wortes
"Geschäfts- oder Firmenwert" im Klammerzusatz in § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG und Einführung
des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG vom 19.12.1985,
BGBl I 1985, 2355) geboten, da die Neufassung der beiden Vorschriften im Hinblick auf die
Abgrenzung des Geschäfts- und Firmenwerts von den anderen immateriellen
Wirtschaftsgütern keine Änderung gebracht hat (Urteil des BFH vom 15.12.1993 X R
102/92, BFH/NV 1994, 543; vgl. auch Köhler, DStR 1997, 297, 300;
Breidenbach/Niemeyer, DStR 1991, 2500, 2501).
Ein Auftragsbestand ist dementsprechend gesondert bilanzierungsfähig, wenn er als
werthaltige greifbare Einzelheit gegenüber dem Geschäftswert abgegrenzt werden kann
(Urteil des BFH vom 13.09.1989 II R 1/87, BStBl II 1990, 47). Diese Voraussetzung ist nur
dann erfüllt, wenn er rechtlich verselbständigt werden kann oder er von der
Verkehrsanschauung als selbständig bewertbar anerkannt wird und darauf
Anschaffungskosten entfallen (Urteil des BFH vom 28.10.1987 II R 224/82, BStBl II 1988,
50).
c. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze scheidet vorliegend die Aktivierung eines
Auftragsbestandes als selbständiges Wirtschaftsgut in der Ergänzungsbilanz des
Kommanditisten und Beigeladenen "D" aus. Denn nach den vom Kläger insoweit
32
33
34
vorgelegten Verträgen und Vereinbarungen bestand im Zeitpunkt des Erwerbs des
Mitunternehmeranteils durch den Kommanditisten "D" kein verbindlicher Auftragsbestand,
mit dem konkrete Gewinnerwartungen hätten verbunden werden können. Ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang die Vertragsparteien bei oder vor Abschluss des
Vertrags über die Gesellschaftsanteile im Rahmen der Preisfindung eine konkrete
Bewertung der vorliegenden, als Rahmenvereinbarungen bezeichneten Verträge
vorgenommen und damit deren selbständige Bewertbarkeit vorausgesetzt haben, kann
deshalb dahinstehen.
aa. Zwingende Voraussetzung für die Aktivierung eines Auftragsbestands als
selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut ist das Vorliegen von schwebenden Geschäften
im Zeitpunkt des Anteilserwerbs (Urteil des BFH vom 15.12.1993 X R 102/92, BFH/NV
1994, 543; vom 02.01.1989 VIII R 361/83, BFH/NV 1989, 778 m. w. N.; vom 07.11.1985 IV
R 7/83, BStBl II 1986, 176). Es müssen im Zeitpunkt des Anteilserwerbs konkrete,
verbindlich vereinbarte Aufträge vorhanden sein, die noch nicht (vollständig) erfüllt sind und
die eine selbständig bewertbare Gewinnchance nach sich ziehen. Dagegen reicht die
bloße Gewinnerwartung aufgrund zukünftig erwarteter Aufträge, deren Umfang noch
ungewiss ist, ebenso wenig aus (vgl. etwa Siegel, DB 1997, 941) wie die Aussicht auf
zukünftige Gewinne, die mit dem Kaufpreis abgegolten werden sollen.
bb. Bestand und Höhe derartiger Aufträge, die als Gewinnerwartungen aus noch nicht
erfüllten schwebenden Geschäften hätten aktiviert werden können, ergeben sich aus den
mit der Automobilindustrie getroffenen Vereinbarungen nicht. Die vorgelegten, als
Rahmenverträge bezeichneten Vereinbarungen verpflichten die Vertragsparteien nicht zu
bestimmten Leistungen und lassen keinen Schluss auf einen bestimmten Auftragsbestand
zu. Nach den Unterlagen ist es gerade offen, in welchem Umfang sich die KG den
Auftraggebern gegenüber für die Zeit nach Erwerb des Gesellschaftsanteils zu Leistungen
verpflichtet hat und dafür ein Entgelt erhalten wird. Selbst in der Vereinbarung mit der Firma
"E" AG, die als einzige Vereinbarung in der Anlage konkrete Zahlen hinsichtlich der
voraussichtlich zu transportierenden Fahrzeuge enthält, richtet sich der Umfang der
Transporte allein nach dem Bedarf und den Produktions- und Absatzmöglichkeiten des
Autoherstellers. Es sind weder eine Mindestmenge noch ein maximales Transportvolumen
festgelegt. Nach dem Vertragswortlaut der einzelnen Vereinbarungen ist vielmehr
ausdrücklich mit erheblichen Schwankungen im zu befördernden Volumen zu rechnen.
Auch die Vereinbarungen mit den einzelnen Vertragshändlern über das Entkonservieren
der gelieferten Fahrzeuge sind allgemein gehalten und lassen nicht auf die Zahl der
behandelten Fahrzeuge schließen. Bei dieser Sachlage kommt es auf den vom
Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu der
Behauptung, dass neben den als Rahmenvertrag bezeichneten Vereinbarungen weder
konkrete Einzelaufträge noch weitere Absprachen hinsichtlich der im einzelnen zu
transportierenden Fahrzeuge zustande kommen und die Vereinbarungen daher keine
bloßen Rahmenverträge darstellten, nicht an. Ungeachtet der Tatsache, dass es bei
unterstellter Richtigkeit des klägerischen Vortrags im Unklaren bliebe, wie der Spediteur im
Einzelfall von Zahl und Art der transportierenden Fahrzeuge sowie dem Ort der Abholung
Kenntnis erlangen soll, betrifft die Auslegung der Rahmenvereinbarungen eine reine
Rechtsfrage, über die der Senat selbst zu befinden hat.
cc. Nach Überzeugung des Senats dienen die abgeschlossenen Vereinbarungen nicht nur
ihrem Wortlaut nach, sondern auch nach ihrem Zweck vorrangig dazu, für konkrete,
einzelne Beförderungs- oder Entkonservierungsaufträge die immer wiederkehrenden
(Transport-) Bedingungen und Preise nicht jeweils erneut festlegen zu müssen. Ein
35
36
37
verpflichtendes Umsatzvolumen und eine damit verbundene Gewinnerwartung wie
beispielsweise bei aktivierten halbfertigen Arbeiten in der Bauwirtschaft (vgl. Küting/Weber,
Handbuch der Rechnungslegung, § 247 HGB, Rdnr. 84) lässt sich ihnen auch nicht
ansatzweise entnehmen. Aufgrund ihres allgemeinen und unbestimmten Charakters führt
ihr Abschluss noch nicht zu schwebenden Geschäften. Die Gewinnerwartungen aus diesen
Vereinbarungen stellen lediglich einen geschäftswertbildenden Faktor dar und können
nicht selbständig bilanziert werden.
Der Senat verkennt nicht, dass mit den Rahmenverträgen konkrete Gewinnerwartungen
verbunden waren, die für die Bestimmung des Kaufpreises für den Geschäftsanteil
maßgebend waren. Derartige konkrete Gewinnerwartungen bestehen beispielsweise aber
auch, wenn ein Unternehmen einen festen Kundenstamm hat, aus dessen Verhalten in der
Vergangenheit sich ein bestimmter Umsatz und Gewinn prognostizieren lässt. Dieser
Kundenstamm ist, soweit er nicht selbständig übertragen wird und damit zu einem
immateriellen firmenwertähnliches Einzelwirtschaftsgut führt, ebenfalls Bestandteil des
umfassenden Geschäftswerts, die damit verbundenen Gewinnerwartungen sind typische
geschäftswertbildende Faktoren.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und § 139 Abs. 4 FGO.
5. Die Revision ist zuzulassen, da die Abgrenzung von Firmenwert und Auftragsbestand
beim Abschluss von Rahmenverträgen mit unbestimmtem Auftragsvolumen
höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.