Urteil des FG Düsseldorf vom 04.03.2009

FG Düsseldorf: luftfahrt, eugh, steuerbefreiung, energiesteuer, flugzeug, vergütung, schifffahrt, ausnahme, beförderung, luftfahrzeug

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 3898/08 VE
Datum:
04.03.2009
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3898/08 VE
Tenor:
Das beklagte Hauptzollamt wird unter Aufhebung seines Bescheids vom
17.03.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008
verpflichtet, dem Kläger 129,06 EUR Energiesteuer zu vergüten.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger, ein Rechtsanwalt, mietete von der A e.V. (Verein) das vereinseigene
Flugzeug ...... mit dem Kennzeichen .... für den 25.07.2007 trocken und übernahm es
nach den Bedingungen des Vereins vollgetankt. Am 25.07.2007 flog er mit diesem
Flugzeug vom Flugplatz C nach D, nahm vor dem dortigen Landgericht einen Termin als
Prozessvertreter wahr und kehrte noch am gleichen Tag zum Flugplatz C zurück. Dort
tankte er das Flugzeug entsprechend den Mietbedingungen wieder voll. Für die dabei
getankten versteuerten 179 l Flugbenzin beantragte er am 19.12.2008 beim Beklagten
auf dem amtlichen Vordruck unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen 129,09 EUR
Vergütung nach § 52 des Energiesteuergesetzes – EnergieStG .
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Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2008 ab, da der Kläger nicht
die nach § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung zur Durchführung des
Energiesteuergesetzes (Energiesteuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV)
erforderliche Genehmigung als Luftfahrtunternehmen vorgelegt habe.
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Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug der Kläger unter
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Hinweis auf das Senatsurteil vom 31.10.2007, 4 K 3864/06 VM, vor, § 52 Abs. 2 Satz 2
Nr. 4 Buchst. a EnergieStV widerspreche der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur
Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 27.10.2003 – RL 2003/96 . Danach
sei die Steuerbefreiung für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nicht gewerblichen
Luftfahrt zu gewähren. Diese liege nur vor, wenn das Luftfahrzeug von einer
nutzungsberechtigten Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere
nicht für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen genutzt werde. Hier aber habe
er das Flugzeug nur für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins als Prozessvertreter
und damit für die gewerbliche Erbringung von Dienstleistungen genutzt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück, da es sich bei seinen Flügen nicht um begünstigte Luftfahrt im
Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes – EnergieStG in Verbindung
mit § 60 Abs. 4 und 5 EnergieStV gehandelt habe. § 52 EnergieStV widerspreche auch
nicht Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96, da Art. 14 Abs. 2 RL 2003/96 den
Mitgliedstaaten eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf internationale oder
innergemeinschaftliche Flüge erlaube. Für die Ausgestaltung nur auf innerdeutsche
Flüge mache die EnergieStRL keine Vorgaben, so dass § 52 EnergieStV
richtlinienkonform sei.
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Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und
trägt ergänzend vor: § 66 Abs. 1 Nr. 8 EnergieStG stelle auch für § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4
Buchst. a EnergieStV keine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Auch habe
Deutschland von der Ermächtigung in Art. 14 Abs. 2 RL 2003/96 keinen Gebrauch
gemacht.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 17.03.2008 in der Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008 zu verpflichten, ihm 129,06 EUR
Energiesteuer zu vergüten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und wiederholt zur Begründung die Argumentation seiner Einspruchsentscheidung.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Im Streitfall entscheidet das Gericht nach § 94a der Finanzgerichtsordnung FGO ohne
mündliche Verhandlung, weil der Streitwert unter 500 EUR lag, eine mündliche
Vehandlung nicht beantragt wurde und dem Gericht diese auch nicht erforderlich
erscheint.
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In dem angefochtenen Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008 hat der Beklagte dem Kläger zu Unrecht die
Vergütung der Energiesteuer in der beantragten Höhe versagt. Der angefochtene
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Bescheid war deshalb aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, dem Kläger 129.06
EUR Energiesteuer zu vergüten, § 101 Satz 1 FGO.
Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für
nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die zu den in § 27 EnergieStG
genannten Zwecken verwendet worden sind. Die Steuerentlastung kann in der
Vergütung der Steuer bestehen (§ 45 EnergieStG). Nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG
darf u.a. Flugbenzin steuerfrei in Luftfahrzeugen für die Luftfahrt mit Ausnahme der
privaten nichtgewerblichen Luftfahrt verwendet werden. § 60 Abs. 4 EnergieStV definiert
in dem hier interessierenden Zusammenhang die private nichtgewerbliche Luftfahrt im
Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG als die Nutzung eines Luftfahrzeugs durch
seinen Eigentümer oder den durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen
Nutzungsberechtigten zu anderen Zwecken als zur gewerbsmäßigen Beförderung von
Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen und zur gewerbsmäßigen
Erbringung von Dienstleistungen. Gewerbsmäßigkeit soll nach § 60 Abs. 5 EnergieStV
vorliegen, wenn die mit dem Luftfahrzeug gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit mit
Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und der Unternehmer auf eigenes Risiko und
eigene Verantwortung handelt.
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Danach hat der Kläger das Flugbenzin, für das er die Vergütung begehrt,
steuerbegünstigt verwendet. Zwar scheidet schon nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 4
Nr. 1 EnergieStV eine begünstigte Verwendung aus, ohne dass es darauf ankommt, ob
diese Verwendung nur zugelassenen Luftfahrtunternehmen i. S. des § 52 Abs. 2 Satz 2
Nr. 4 EnergieStV zusteht, weil Beförderung von Personen dahin zu verstehen ist, dass
neben dem Piloten noch Fluggäste befördert werden. Davon geht auch die erst vor
kurzem erlassene Verwaltungsvorschrift zu § 27 Abs. 2 und 3, § 52 und § 66 Abs. 1 Nr. 8
und 11 Energiesteuergesetz – VwV Energieerzeugnisse für die Luftfahrt – (E-VSF N 09
2009 Nr. 32) in ihrem Abs. 10 aus. Im Streitfall hat der Kläger nämlich niemand anderen
befördert.
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Gleichwohl sind seine Flüge von C nach D und zurück nach § 60 Abs. 4 Nr. 2
EnergieStV begünstigt, denn sie erfolgten zur gewerbsmäßigen Erbringung von
Dienstleistungen. Der Kläger ist geflogen, um beim Landgericht D eine Dienstleistung
durch Wahrnehmung einer Prozessvertretung zu erbringen. Dass die gewerbsmäßige
Erbringung von Dienstleistungen in § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV nur Dienstleistungen
umfasst, die unmittelbar mit der Luftfahrt zu tun haben müssen, wovon Abs. 12 der VwV
Energieerzeugnisse für die Luftfahrt auszugehen scheint, lässt sich dem Wortlaut dieser
Bestimmung nicht entnehmen, zumal die Definition der Gewerbsmäßigkeit in § 60
Abs. 5 EnergieStV derartige Einschränkungen nicht enthält.
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Für die weite, auch die vom Kläger erbrachte Dienstleistung umfassende Auslegung
des § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV spricht der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b
Unterabs. 1 der RL 2003/96. Danach haben die Mitgliedstaaten die Verwendung von
Energieerzeugnissen als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten
nichtgewerblichen Luftfahrt - "autre que l’aviation de tourisme privée" in der
französischen Fassung und "other than in private pleasure-flying" in der englischen
Fassung der Bestimmung - von der Steuer zu befreien. Unter privater nichtgewerblicher
Luftfahrt ist zu verstehen, dass das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch
Anmietung oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder
juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die
entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche
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Erbringung von Dienstleistungen genutzt wird, Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 RL
2003/96. Der damit deutlich werdende Umfang der Befreiung schließt eine
Beschränkung auf bestimmte, mit der Luftfahrt verbundene Zwecke aus. Vielmehr
genügen kommerzielle Zwecke wie im Streitfall die Wahrnehmung eines Termins als
Prozessvertreter.
Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung des EuGH. In den Urteilen vom 1. April
2004 C-389/02, Slg. 2004, I-3537, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern ZfZ 2004,
261 ff. Rzn. 23 und 25 sowie vom 1. März 2007 C-391/05, Slg. 2007, I-1793, ZfZ 2007,
81, Rz. 36 hat der EuGH nämlich zum Begriff der "Schifffahrt" im Sinne von Art. 8 Abs. 1
Buchst. c der Richtlinie 92/81 entschieden, dass jede Schifffahrt zu kommerziellen
Zwecken in den Anwendungsbereich der in dieser Bestimmung vorgesehenen
Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer fällt. Die Regelung unterscheide
nicht nach dem jeweiligen Zweck der Schifffahrt, weil die Wettbewerbsverzerrungen, die
durch die Richtlinie verhindert werden sollten, unabhängig von der Art der betreffenden
gewerblichen Schifffahrt auftreten könnten. Der Senat hat keine Bedenken, die vom
EuGH zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 92/81 entwickelten Grundsätze auf die
vergleichbare Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 zu
übertragen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b
der Richtlinie 2003/96 auf bestimmte Arten kommerzieller Zwecke sieht das
Gemeinschaftsrecht nicht vor. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hätte, wenn er über die
private nichtgewerbliche Luftfahrt hinaus bestimmte Arten kommerzieller Luftfahrt von
der obligatorischen Steuerbefreiung hätte ausnehmen wollen, eine solche
Beschränkung der Befreiung ausdrücklich regeln müssen (EuGH-Urteil vom 1. April
2004 C389/02 aaO. Rz. 26 - zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 92/81 -).
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Soweit die Auslegung des Begriffs der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt in § 60 Abs.
4 und 5 EnergieStV Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der RL 2003/96 widerspricht, weil sie die
Verwendung eines Luftfahrzeugs zu kommerziellen Zwecken von dem
Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 EnergieStG ausnimmt, kann sich der Beklagte
darauf nicht stützen, denn Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 ist als
höherrangiges Gemeinschaftsrecht unmittelbar anwendbar (EuGH-Urteil vom 10. Juni
1999 C346/97, Slg. 1999, I-3419, ZfZ 1999, 341 f., Rz. 31).
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Im Hinblick darauf kann dahingestellt bleiben, ob die Regelungen des § 60 Abs. 4 Nrn. 1
und 2 EnergieStV in der vom Beklagten vertretenen engen Fassung durch die
Ermächtigungsgrundlage des § 66 Abs. 1 Nr. 8 EnergieStG gedeckt sind, denn
angesichts der durch Art. 14 Abs. 1 Buchst. b bestimmten obligatorischen
Steuerbefreiung ist nicht zu ersehen, warum zur Verfahrensvereinfachung und zur
Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steueraufkommens der
Bereich der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt ausgeweitet werden darf.
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Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, kann sich der Kläger auch für die von ihm
getätigten innerdeutschen Flüge auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96
berufen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der ihm durch Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der
Richtlinie 2003/96 eingeräumten Befugnis, die Steuerbefreiung gemäß Art. 14 Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 2003/96 auf internationale oder innergemeinschaftliche
Transporte zu beschränken, keinen Gebrauch gemacht. Unbeschadet dessen kann sich
ein Mitgliedstaat, der seine Verpflichtungen zur Umsetzung einer Richtlinie verletzt hat,
auch nicht darauf berufen, dass er die durch die Richtlinie begründeten Rechte des
einzelnen hätte begrenzen können, wenn er die Richtlinie umgesetzt hätte (EuGH-
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Urteile vom 19. November 1991 C-6/90 und C-9/90, Slg. 1990, I-5357, NJW 1992, 165
ff., 166, Rz. 21, vom 29. April 2004 C-102/02, Slg. 2004, I-5405 Rz. 63, vom 14. Juli 2005
C-142/04, Slg. 2005, I-7181 Rz. 35). Zudem hätte, wäre nicht der vom Gericht
vertretenen Auslegung des § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV zu folgen, der deutsche
Verordnungsgeber in § 60 Abs. 4 und 5 EnergieStV den Kreis der steuerbefreiten
Tatbestände zu eng definiert, wie bereits dargelegt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10,
711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2
FGO zugelassen.
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