Urteil des FG Düsseldorf vom 14.10.2004

FG Düsseldorf (Eugh, Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Wohnsitz im Ausland, Ewr, Steuerrecht, Luxemburg, Steuerfreie Einkünfte, Getrennt Leben, Europarechtskonforme Auslegung, Steuerliche Vergünstigung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 567/01 E
14.10.2004
Finanzgericht Düsseldorf
16. Senat
Urteil
16 K 567/01 E
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 2.
November 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2001
verpflichtet, den Kläger für den Veranlagungszeitraum 1997 zusammen
mit der Beigeladenen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Z-Stadt. Streitig ist, ob der
Kläger und seine in Y-Stadt(Österreich) wohnhafte Ehefrau, die Beigeladene, die
Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 26 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit §§ 1a Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3 EStG
erfüllen.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1997 in der Bundesrepublik Deutschland Einkünfte aus
selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) sowie aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) in Höhe von
insgesamt 138.422 DM. Die Beigeladene war im Streitjahr nicht berufstätig. Sie erhielt
jedoch laut der am 23. März 1999 vom Finanzamt (FA) Y-Stadt ausgestellten amtlichen
Bescheinigung EU/EWR von der Republik Österreich im Streitjahr ein Wochengeld von
142.586 österreichischen Schillingen (öS) sowie ein Karenzgeld von 47.117 öS
(zusammen 189.703 öS) ausgezahlt. Des Weiteren hat sie laut einer Bestätigung des FA Y-
Stadt vom 20. April 1999 für diesen Zeitraum für ihre am 26. Januar 1997 geborene Tochter
Familienbeihilfe in Höhe von 15.600 öS bezogen.
Für das Streitjahr beantragten Kläger und Beigeladene die Zusammenveranlagung nach §
26 EStG. Der Beklagte (das FA) wies im Rahmen einer Anhörung vor Erlass des
Steuerbescheides darauf hin, dass er beabsichtige, den Antrag auf Zusammenveranlagung
abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG nicht
gegeben seien. Zum einen liege der Anteil der inländischen Einkünfte beider Ehegatten
unter 90%. Zum anderen sei auch die absolute Grenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG in
Verbindung mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG von 24.000 DM überschritten, da die Beigeladene
5
6
7
8
9
10
11
laut der Bescheinigung EU/EWR Lohnersatzleistungen von insgesamt 189.703 öS,
umgerechnet 26.994,73 DM, vom österreichischen Staat bezogen habe. Diese
Lohnersatzleistungen seien nicht nach § 3 Nr. 1 lit. d EStG steuerfrei, da sie nicht nach den
inländischen Bestimmungen gezahlt worden seien. Vielmehr seien diese als
wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG bei der Prüfung der
Wesentlichkeitsgrenze des § 1 Abs. 3 EStG einzubeziehen.
Der Kläger legte daraufhin eine "berichtigte" Bescheinigung EU/EWR für das Jahr 1997
vor, auf der das FA Y-Stadt der Beigeladenen mit Datum vom 28. Mai 1999 bescheinigte,
im Veranlagungszeitraum 1997 keine Einkünfte im Ansässigkeitsstaat Österreich bezogen
zu haben.
Im Rahmen des nachfolgenden Schriftwechsels räumte die Beigeladene ein, dass ihr
tatsächlich Lohnersatzleistungen in der besagten Höhe zugeflossen seien, vertrat aber den
Standpunkt, dass auf der Bescheinigung EU/EWR nur solche Einkünfte einzutragen seien,
die in Österreich der Besteuerung unterlägen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die
betreffenden Lohnersatzleistungen in Österreich - ebenso wie die vergleichbaren
Leistungen in Deutschland - steuerfrei seien. Bei der Einführung des § 1 Abs. 3 EStG habe
der Gesetzgeber nicht im Sinn gehabt, steuerfreie ausländische Sozialleistungen als
steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln.
Das FA folgte dem nicht, sondern führte eine Einzelveranlagung durch. Mit
Einkommensteuerbescheid vom 2. November 1999 setzte das FA gegen den Kläger eine
Einkommensteuer von 46.046 DM fest. Hiergegen richtete sich sein fristgerechter
Einspruch, mit dem er sich darauf berief, dass die Voraussetzungen für eine
Zusammenveranlagung gegeben seien. Mit der geänderten Bescheinigung EU/EWR vom
28. Mai 1999 hätten sie, die Eheleute, den Beweis geführt, dass ihre gemeinsamen
Einkünfte die Einkünftegrenze von 24.000 DM nicht überschritten hätten. Zur weiteren
Beweisführung seien sie nicht verpflichtet. Die vom FA vertretene Auslegung des § 1 Abs.
3 EStG, wonach im Ausland bezogene Einnahmen nur dann nach § 3 EStG steuerfrei
seien, wenn sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen würden, verstoße gegen
höherrangiges EU-Recht. Nach der "Schumacker"-Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) dürfe ein Steuerpflichtiger eines EU-Landes nicht schlechter gestellt
werden als ein inländischer Steuerpflichtiger. Eine derartige Ungleichbehandlung trete
jedoch ein, wenn man die nach österreichischem Recht steuerfreien Ersatzleistungen für
Zwecke des § 1 Abs. 3 EStG nicht auch in analoger Anwendung des § 3 Nr. 1 lit. d EStG
als steuerfrei behandeln würde.
Das FA hielt an seiner zuvor vertretenen Auffassung fest und wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2001 als unbegründet zurück.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der fristgerecht erhobenen Klage. Ergänzend trägt er
vor, dass das Mutterschaftsgeld - entgegen der Darstellung des FA - nicht in Höhe von
189.703,00 öS dem Jahr 1997 zuzuordnen sei. Vielmehr werde das Mutterschaftsgeld in
Österreich allgemein einen Monat vor der Entbindung (hier dem 26. Januar 1997) und
einen Monat nach der Entbindung gezahlt. Daher entfalle auf 1996 ein Anteil von 30.337,50
öS, während sich das Mutterschaftsgeld für 1997 auf 112.248,75 öS belaufe. Eine
entsprechende Bestätigung sei dem FA zugeleitet worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 2. November 1999 und der
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2001 zu verpflichten, ihn mit der Beigeladenen für
den Veranlagungszeitraum 1997 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ob das Mutterschaftsgeld anteilig für 1996 oder 1997 ausgezahlt werde, sei ohne Belang,
da es gemäß § 11 EStG allein auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankomme. Es sei weiterhin
daran festzuhalten, dass das von der Beigeladenen bezogene Mutterschaftsgeld bzw.
Erziehungsgeld im Inland nicht nach § 3 Nr. 67 bzw. § 3 Nr. 1 lit. b EStG steuerfrei sei. Die
betreffenden Zahlungen würden zwar keine Einkünfte im Sinne des § 22 EStG darstellen,
da sie nicht in der abschließenden Aufzählung des § 49 EStG aufgeführt seien, sie
unterlägen jedoch dem Progressionsvorbehalt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht die beantragte Zusammenveranlagung
abgelehnt und den Kläger im Rahmen einer Einzelveranlagung nach dem Grundtarif
besteuert.
I. Über die Vorschrift des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG können nicht dauernd getrennt lebende
Ehegatten auf Antrag auch dann gemäß § 26 EStG zusammen veranlagt werden, wenn nur
einer von ihnen die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach §
1 Abs. 1 EStG oder der "fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht" nach § 1 Abs. 3
EStG erfüllt. Voraussetzung ist zum einen, dass der (fiktiv) unbeschränkt steuerpflichtige
Ehegatte Staatsangehöriger eines EU oder EWR-Staates ist, während der andere Ehegatte
seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im EU/EWR-Ausland haben muss. Darüber
hinaus ist die Einkünftegrenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG (in der im Streitjahr gültigen
Fassung) zu beachten. Hierbei ist auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der
Betrag von 12.000 DM zu verdoppeln (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Eine
Zusammenveranlagung ist danach nur dann möglich, wenn entweder die Einkünfte beider
Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer
unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen
Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Betrag von 24.000 DM nicht übersteigen
(sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze). Die Höhe der nicht der deutschen
Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss zudem gemäß § 1a Abs. 1 i.V.m. § 1
Abs. 3 Satz 4 EStG durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen
Steuerbehörde nachgewiesen werden.
Die Einkünfteermittlung im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG vollzieht sich in zwei
Stufen. Zunächst ist in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte des
Steuerpflichtigen zu ermitteln. Diese ist sodann in einem zweiten Schritt in die Einkünfte,
die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die diese
Voraussetzung nicht erfüllen, aufzuteilen.
1. Bei der Ermittlung der Einkünfte auf der ersten Stufe sollen nach der ganz herrschenden
Ansicht in der Literatur alle in- und ausländischen Einkünfte, die bei unterstellter
Inlandsbesteuerung nach dem EStG steuerbar und steuerpflichtig wären, zusammen zu
21
22
23
rechnen sein (vgl. statt vieler etwa Heinicke in Schmidt, Kommentar zum EStG, 23. Aufl., §
1 Rn. 55). Begriff und Ermittlung der Einkünfte bestimmen sich nach dieser Auffassung also
ausschließlich nach deutschem Steuerrecht und nicht nach dem Recht des jeweiligen
Wohnsitzstaates.
Dieses Auslegungsverständnis wird zum einen mit der Entstehungsgeschichte der
Vorschrift begründet. Eine dem § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG vergleichbare Verhältnisrechnung
wurde erstmals im Zuge des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I 1994,
1395) in das EStG eingeführt (§ 50 Abs. 4 EStG a.F.). Vorbild für beide Vorschriften war
unterdessen die Regelung des § 2 des Ausführungsgesetzes Grenzgänger Niederlande
(AGGrenzg NL) vom 21. Oktober 1980 (BGBl. I 1980, 1999). Nach § 5 Satz 1 i.V.m. § 2
AGGrenzg NL konnten Arbeitnehmer mit Wohnsitz in den Niederlanden die Durchführung
eines Lohnsteuerjahresausgleichs beantragen, wenn "deren Summe der Einkünfte im
Kalenderjahr mindestens zu 90 v.H. in der Bundesrepublik der Einkommensteuer
unterliegt". Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zum Einkünftebegriff des § 2 AGGrenzg NL
entschieden, dass dieser mangels spezieller Regelung im AGGrenzg NL dem deutschen
Einkommensteuerrecht zu entnehmen sei. Aus der Maßgeblichkeit des deutschen
Einkünftebegriffs folge, dass die Einkünfte nach deutschem Recht zu ermitteln seien (vgl.
BFH-Urteil vom 12. November 1986 I R 222/82, BFHE 148, 449, BStBl II 1987, 256). Da
auch § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG keine Sonderregelung zur Ermittlung der "Einkünfte"
beinhaltet, will die herrschende Literaturmeinung das Auslegungsverständnis des BFH im
Fall des AGGrenzg NL auch auf diese Bestimmung übertragen, zumal der Gesetzgeber
den technischen Begriff der Einkünfte unverändert in diese, dem § 2 AGGrenzg NL
nachempfundene Vorschrift übernommen habe.
Lehner/Waldhoff (in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum EStG, § 1 Rdnr. D 49) weisen zudem
darauf hin, dass diese Auslegung auch im Einklang mit der Gesetzessystematik stehe. Der
Gesetzgeber verwende die Begriffe "Einkünfte, die mindestens zu 90 v.H. der deutschen
Einkommensteuer unterliegen" und "die nicht der deutschen Einkommensteuer
unterliegenden Einkünfte" als komplementäre Begrifflichkeiten. Die absolute
Wesentlichkeitsgrenze bilde das Surrogat für die 90%-Grenze. Da die der deutschen
Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte naturgemäß nur nach deutschem Recht
ermittelt werden könnten, müsse dies auch für den Gegenbegriff gelten, denn andernfalls
wäre das Verhältnis der Komplementarität zerstört. Würde man nämlich die "nicht der
deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte" nach ausländischem Recht
bestimmen, könnte dies bei einer divergierenden Rechtslage zu dem (untragbaren)
Ergebnis führen, dass bestimmte Vermögensmehrungen gleichzeitig "der deutschen
Einkommensteuer unterliegen" und "nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen"
oder umgekehrt. Wenn daher systematisch sowohl die "der deutschen Einkommensteuer
unterliegenden" als auch die "nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden"
Einkünfte nach deutschem Recht zu ermitteln seien, müsse das erst Recht für die zu
ermittelnden Welteinkünfte ("ihre Einkünfte") gelten, da sich diese aus der Summe der
beiden genannten Teilbeträge zusammen setzen würden.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze käme im Streitfall eine Zusammenveranlagung nicht
in Betracht, da zwar grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr.2 EStG
vorliegen, jedoch die Wesentlichkeitsgrenze nicht gewahrt wäre. Der Beigeladenen ist im
Veranlagungszeitraum 1997 ein Wochen- und Karenzgeld von umgerechnet 26.994 DM
zugeflossen (vgl. die Umrechungskurse für 1997 in BStBl I 1998, 175). Entgegen der vom
Kläger vertretenen Auffassung kommt es insoweit nicht darauf an, ob das Geld auch für
andere Zeiträume gezahlt wurde. Maßgeblich ist nicht die Anspruchsentstehung, sondern
24
25
26
27
allein der Zufluss i.S. von § 11 EStG. Ebenso unmaßgeblich ist die Tatsache, dass auf der
vom FA Y-Stadt berichtigten Bescheinigung EU/EWR keine im Ansässigkeitsstaat der
Besteuerung unterliegenden Einkünfte mehr bescheinigt werden, da dieser Bescheinigung
keine Bindungswirkung beizumessen ist (so auch die herrschende Ansicht in der Literatur,
vgl. etwa Kumpf/Roth, Steuer und Wirtschaft 1996, 259, 264; Lehner/Waldhoff, in
Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 1 Rdnr. D 164; Schulze zur Wiesche, Internationales Steuerrecht --
IStR-- 1996, 105, 106). Das von der Beigeladenen bezogene Wochen- und Karenzgeld ist,
obgleich im Wohnsitzstaat steuerfrei, bei unterstellter Inlandsbesteuerung nach deutschem
Steuerrecht auch steuerbar und steuerpflichtig. Die für vergleichbare deutsche
Sozialleistungen in Gestalt des Mutterschaftsgeldes bzw. Erziehungsgeldes geschaffenen
Steuerbefreiungen gemäß § 3 Nr. 1 lit. d EStG bzw. § 3 Nr. 67 EStG greifen tatbestandlich
nicht, da das Wochen- bzw. Karenzgeld nicht auf der Basis der inländischen
Bestimmungen ausgezahlt wird. Eine Ausdehnung der Befreiungstatbestände des § 3
EStG auf vergleichbare ausländische Leistungen kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil
vom 14. August 1991 I R 133/90, BFHE 165, 276, BStBl II 1992, 88, 89). Sowohl Wochen-
als auch Karenzgeld wären somit im Rahmen der Einkünfteermittlung des § 1 Abs. 3 Satz 2
EStG einzubeziehen.
Da es sich bei dem von der Beigeladenen bezogenen Wochen- bzw. Karenzgeld jedoch
nicht um inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG handelt, wären diese Leistungen
auf der zweiten Stufe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte-
Teilmenge zuzuordnen, mit der Folge, dass im Streitfall eine Zusammenveranlagung schon
wegen Überschreitung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze von 24.000 DM nicht in
Betracht käme.
Die Frage, ob der Beigeladenen im Veranlagungszeitraum 1997 darüber hinaus auch eine
dem deutschen Kindergeld vergleichbare, aber nicht auf der Bescheinigung EU/EWR
ausgewiesene Familienbeihilfe in Höhe von 15.600 öS (umgerechnet 2.219 DM)
zugeflossen ist, kann dabei dahingestellt bleiben, da diese - in Österreich ebenfalls
steuerfreie - Sozialleistung schon betragsmäßig weder in Bezug auf die absolute noch in
Bezug auf die relative Wesentlichkeitsgrenze entscheidungserheblich ist.
3. Der Senat folgt dieser Auffassung zur Einkünfteermittlung im Rahmen der Regelung des
§ 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG jedoch für die im Streitfall vorliegende
Konstellation, dass ein von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch machender EU-
Ausländer nicht nur im Inland Einkünfte erzielt, sondern dort auch seinen Wohnsitz nimmt
und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtig wird, nicht.
a) Der
dem Streitfall vergleichbaren Konstellation bereits in seinem Urteil vom 16. Mai 2000 (Fall
"Zurstrassen", Rechtssache --Rs.-- C-87/99, Sammlung der Rechtsprechung --Slg. -- 2000,
Seite I-03337) auseinandergesetzt. Der EuGH entschied, dass die in Art. 48 EG-Vertrag
a.F. (jetzt Art. 39 EG-Vertrag) geregelte Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Anwendung
einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zusammenveranlagung von Ehegatten,
die weder tatsächlich noch aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung getrennt leben, von
der Voraussetzung abhängig macht, dass sie beide im Inland wohnen, und diese
steuerliche Vergünstigung einem Arbeitnehmer verweigert, der im Inland wohnt und dort
praktisch das gesamte Einkommen des Haushalts erzielt und dessen Ehegatte in einem
anderen Mitgliedstaat wohnt. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der
belgische Staatsangehörige Zurstrassen im Tätigkeitsstaat Luxemburg einer
unselbständigen Beschäftigung nachging und zu diesem Zweck seinen Wohnsitz dorthin
28
29
30
verlegt hatte, während seine nicht berufstätige Ehefrau weiterhin in Belgien lebte. Das
luxemburgische Steuerrecht machte die Gewährung des Splittingtarifs jedoch davon
abhängig, dass entweder beide Ehegatten in Luxemburg ansässig oder aber beide dort
nicht ansässig, ihre Einkünfte aber zu mehr als 50% in Luxemburg steuerpflichtig waren.
Der EuGH sah die Tatsache, dass die Zusammenveranlagung von Ehegatten davon
abhängig war, dass beide Ehepartner ein bestimmtes Wohnorterfordernis erfüllen, als
potentielle (verschleierte) Diskriminierung an. Denn nach Ansicht des EuGH können
Inländer diesem Wohnsitzkriterium leichter genügen als Staatsangehörige anderer
Mitgliedsstaaten, die sich in Luxemburg niedergelassen haben, um dort einer
wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen, und deren Familienangehörige häufiger außerhalb
Luxemburgs wohnen.
In seinen Entscheidungsgründen verwies der EuGH zunächst auf die erstmals in der
"Schumacker"-Entscheidung (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Februar 1995 Rs. C-279/93, Slg.
1995, I-225) geprägte, später z.B. in der Entscheidung "Gschwind" (EuGH-Urteil vom 14.
September 1999 Rs. C-391/97, Slg. 1999, I-5451) bestätigte Doktrin, dass sich
Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern zwar in der
Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, da das Einkommen, das ein
Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, meist nur einen Teil seines
Gesamteinkommens darstellt, dessen Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt, und da die
persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner
Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, am
leichtesten an dem Ort beurteilt werden kann, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen
Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt; nämlich in der Regel dem ständigen
Aufenthaltsort des Betroffenen.
Nach Auffassung des EuGH traf diese "Grundregel" jedoch auf den Fall "Zurstrassen" aus
zwei Gründen nicht zu. Zum einen handelte es sich bei dem Kläger Zurstrassen um einen
gebietsansässigen Steuerpflichtigen. Zum anderen verwies der EuGH darauf, dass
angesichts der Tatsache, dass die Ehefrau kein eigenes Einkommen erwirtschaftete,
Luxemburg der einzige Staat sei, der die persönliche Lage und den Familienstand der
Eheleute Zurstrassen berücksichtigen könne. Mit dem letztgenannten Argument knüpft der
EuGH ersichtlich wiederum an die Schumacker-Doktrin an. Danach ist die Versagung
bestimmter Steuervergünstigungen, die Gebietsansässigen, nicht aber Gebietsfremden
gewährt werden, in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der
Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der
Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen
Verhältnisse und des Familienstands im Allgemeinen nicht diskriminierend. Etwas anderes
gilt aber dann, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten
Einkünfte erzielt und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer
Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so dass der Wohnsitzstaat nicht in
der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung
seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergeben (vgl. Urteile
"Schumacker", a.a.O., Rn. 36; und "de Groot" vom 12. Dezember 2002 Rs. C-385/00, Slg.
2002, I-11819, Rn. 89). Im Fall eines Gebietsfremden, der in einem anderen Mitgliedstaat
als dem seines Wohnsitzes den wesentlichen Teil seiner Einkünfte erzielt, besteht die
Diskriminierung darin, dass seine persönlichen Verhältnisse und sein Familienstand weder
im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat berücksichtigt werden (Urteil "Schumacker",
a.a.O., Rn. 38).
31
32
33
34
Da der Kläger Zurstrassen das gesamte Familieneinkommen im Tätigkeitsstaat Luxemburg
erzielte und daher eine steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Lage und des
Familienstandes im Wohnsitzstaat der Ehefrau Belgien nicht in Betracht kam, hielt der
EuGH es für zwingend geboten, dass diese Umstände - unter anderem durch Gewährung
des Splittingtarifs - im Tätigkeitsstaat Luxemburg berücksichtigt werden.
b) Dementsprechend steht dem Kläger, der, vergleichbar der Ausgangslage im Fall
"Zurstrassen", ebenfalls das gesamte (steuerbare) Familieneinkommen erzielt hat, ein aus
der Niederlassungsfreiheit abzuleitender Anspruch auf Zusammenveranlagung mit der
Beigeladenen zu. Die zur Arbeitnehmerfreizügigkeit entwickelten Grundsätze der
"Zurstrassen"-Entscheidung gelten auch dann, wenn - wie hier - die Niederlassungsfreiheit
(Art. 43 ff. EG-Vertrag) betroffen ist. Wie der EuGH bereits in den Entscheidungen
"Wielockx" (EuGH-Urteil vom 11. August 1995 Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493) und
"Asscher" (EuGH-Urteil vom 27. Juni 1996 Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-03089) klargestellt
hat, bestehen zwischen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit
Selbständiger keine Unterschiede hinsichtlich der Reichweite des Schutzumfangs.
Der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären
Situation ist danach schon deshalb gerechtfertigt, weil er im Tätigkeits- und Wohnsitzstaat
BRD unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und daher seine steuerliche Situation mit
derjenigen eines unbeschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsbürgers vergleichbar ist.
Diese Vergleichbarkeit wird vom EuGH selbst lediglich angedeutet (vgl. Urteil
"Zurstrassen", Rn. 22). Der Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer hat in seinen
Schlussanträgen zu diesem Verfahren (vgl. Schlussanträge "Zurstrassen" vom 27. Januar
2000, Slg. 2000, I-03337, dort Rn. 28 und 37) jedoch klar herausgestellt, dass Herr
Zurstrassen als Gebietsansässiger - und genau darin besteht der Unterschied zu den
EuGH-Entscheidungen in Sachen "Schumacker" oder "Gschwind", in denen beide
Ehegatten gebietsfremd waren - schon nach den Regeln des internationalen Steuerrechts
einen Anspruch auf Berücksichtigung der familiären und persönlichen Umstände im
Wohnsitzstaat (und zugleich Tätigkeitsstaat) Luxemburg hat (vgl. auch Cordewener,
Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002, 733). Der Tätigkeits-
und Wohnsitzstaat, in dem ein unbeschränkt steuerpflichtiger EU-Ausländer sein
berufliches Einkommen versteuert, ist danach auch dann, wenn der andere Ehegatte
seinen Wohnsitz nicht dorthin verlegt hat, zur Berücksichtigung der persönlichen und
familiären Umstände verpflichtet, und zwar ohne die aus der "Schumacker"-Entscheidung
abgeleitete Einschränkung, dass der andere Ehegatte in seinem Wohnsitzstaat keine
nennenswerten Einkünfte erzielen darf.
c) Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man aber auch dann, wenn man die Ausführungen
des EuGH in der Entscheidung "Zurstrassen" so verstünde, dass die Kriterien der
"Schumacker"-Entscheidung auch auf die Regelung der Zusammenveranlagung im
Wohnsitzstaat eines dort berufstätigen, unbeschränkt steuerpflichtigen EU-Ausländers
anwendbar sein sollen (so im Ergebnis wohl auch das BFH-Urteil vom 15. Mai 2002 I R
40/01, BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660, in dem allerdings lediglich auf die Entscheidung
"Gschwind" verwiesen wird, obwohl diese den Fall betraf, dass beide Ehegatten ihren
Wohnsitz im Ausland hatten). In diesem Fall stünde der Einführung einer
Wesentlichkeitsgrenze, wie im Zusammenhang mit den §§ 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG
erfolgt, auch in dieser Konstellation kein Hindernis entgegen. Die Europarechtskonformität
der vom deutschen Gesetzgeber als Reaktion auf die "Schumacker"-Entscheidung
geschaffenen Regelung des § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG hat der EuGH in der
Entscheidung "Gschwind" sogar ausdrücklich bestätigt. Jedoch hat der EuGH stets betont,
35
36
37
dass bei einer solchen Grenzziehung sichergestellt bleiben muss, dass die Verpflichtung
zur Berücksichtigung der persönlichen und familiären Situation, die zumindest nach der
Logik der Entscheidungen "Schumacker" und "Gschwind" auch die Gewährung des
Splitting-Tarifs umfasst, auf den Beschäftigungsstaat übergeht, wenn im Wohnsitzstaat
keine wesentlichen Einkünfte erzielt werden. Unklar war unterdessen bislang, wann diese
Voraussetzung im einzelnen vorliegt. In der unlängst ergangenen Entscheidung "Wallentin"
(EuGH-Urteil vom 1. Juli 2004 C-169/03, abrufbar in juris (CELEX), Dok.-Nr.: 603J0169) hat
der EuGH aber nunmehr klargestellt, dass dies jedenfalls dann der Fall ist, wenn eine
gebietsfremde Person im Wohnsitzstaat keine steuerbaren oder steuerpflichtigen Einkünfte
erzielt.
Der Entscheidung "Wallentin" lag der Sachverhalt zugrunde, dass der in Deutschland
ansässige Student Wallentin in Schweden gegen Entgelt als Praktikant bei der Kirche
beschäftigt war, während er in Deutschland im entscheidungserheblichen Zeitraum
lediglich nach deutschem Steuerrecht steuerfreie Einkünfte aus einem Stipendium
(monatlich 350 DM) sowie Unterstützungsleistungen von seinen Eltern (monatlich 650 DM)
bezog. Unter Bezugnahme auf die "Schumacker-Doktrin" verweist der EuGH darauf, dass
die Verweigerung eines Grundfreibetrages im Rahmen der schwedischen
Einkommensbesteuerung zu einer Diskriminierung führe, weil "Herr Wallentin (...) in
seinem Wohnsitzstaat keine steuerpflichtigen Einkünfte hatte (...), da die monatlichen
Unterstützungszahlungen seiner Eltern und das Stipendium, das er vom deutschen Staat
erhielt, nach dem Steuerrecht dieses Staates kein steuerpflichtiges Einkommen (darstellt)"
(vgl. Urteil "Wallentin", Rn. 18). Obwohl Herrn Wallentin im entscheidungserheblichen
Zeitraum daher durchaus Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zuflossen, stellte der
EuGH allein darauf ab, dass diese im Wohnsitzstaat mangels Steuerbarkeit
(Unterhaltszahlungen) bzw. Steuerpflichtigkeit (Stipendium) nicht der Besteuerung
unterfielen.
d) Diese Grundsätze der "Wallentin"-Entscheidung sind nach Ansicht des Senats auch im
Streitfall zu berücksichtigen. Der Senat teilt insoweit zwar die vereinzelt in der Literatur
geäußerte Kritik, dass die EuGH-Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt, dass
der Wohnsitzstaat die subjektive Leistungsfähigkeit auch im Rahmen von nichtsteuerlichen
Regelungen berücksichtigen kann (vgl. etwa Lüdicke, Gedächtnisschrift für Brigitte
Knobbe-Keuk (1997), 647, 648; Schön, IStR 1995, 119, 121). So kann etwa auch durch
eine Steuerfreistellung bestimmter Einkünfte der persönlichen und familiären Situation des
Steuerpflichtigen Rechnung getragen werden.
Der Senat hält vor dem Hintergrund der Entscheidung "Wallentin" im Streitfall gleichwohl
eine europarechtskonforme Auslegung des Einkünftebegriffs des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG für
geboten, da sich der EuGH in dieser Entscheidung offensichtlich mit den genannten
Gegenargumenten auseinander gesetzt und diese für nicht tragfähig befunden hat. Wie
sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Léger vom 11. März 2004 (abrufbar in
juris (CELEX), Dok.-Nr.: 603C0169) ergibt, hat insbesondere die französische Regierung in
einer zum Verfahren abgegebenen Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass schon
deshalb keine Diskriminierung vorliegen könne, da Herr Wallentin seine Einkünfte im
Wesentlichen im Wohnsitzstaat Deutschland bezogen habe. Dem stehe nicht entgegen,
dass die Einkünfte dort nicht steuerbar seien, denn Deutschland habe seinem
Familienstand und seiner persönlichen Lage gerade durch die Steuerbefreiung Rechnung
getragen (vgl. Schlussanträge "Wallentin", Rn. 17). Der Generalanwalt folgte dieser
Argumentation jedoch nicht. Er vertrat vielmehr die Auffassung, dass Herr Wallentin -
ungeachtet seiner in Deutschland bezogenen Unterhaltsleistungen und des Stipendiums -
38
39
40
41
42
43
hinsichtlich des Freibetrags in Schweden einem Gebietsansässigen gleichzustellen sei.
Eine Berücksichtigung der persönliche Lage und des Familienstandes im Wohnsitzstaat
sei nur möglich, wenn der Betroffene dort steuerbare Einkünfte erziele (vgl. Schlussanträge
"Wallentin", Rn. 27). Die im deutschen Steuerrecht vorgesehene Steuerbefreiung des
Stipendiums und des Unterhalts könne nicht als Berücksichtigung der persönliche Lage
und des Familienstandes gewertet werden. Denn die Befreiung führe nicht dazu, dass die
Besteuerung der steuerbaren Einkünfte des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung
seiner Steuerkraft nach Maßgabe seiner persönlichen Lage und seines Familienstandes
verringert werde (vgl. Schlussanträge "Wallentin", Rn. 32). Der Senat geht angesichts der
Tatsache, dass der EuGH in seinen Entscheidungsgründen nicht weiter auf die Argumente
Frankreichs eingegangen ist, davon aus, dass dieser sich den Standpunkt des
Generalanwalts zu eigen gemacht hat.
Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG ist daher im Streitfall europarechtskonform
dahingehend auszulegen, dass die von der Beigeladenen in Österreich erzielten Einkünfte
nicht nach dem deutschen, sondern nach dem österreichischen EStG zu ermitteln sind. Auf
der (ersten) Stufe der Ermittlung der "Welteinkünfte" im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG
ist daher weder das Wochengeld noch das Karenzgeld zu berücksichtigen, da diese
Leistungen nach dem Recht des Wohnsitzstaats Österreich nicht steuerpflichtig sind und
daher außer Ansatz bleiben. Sowohl die absolute als auch die relative
Wesentlichkeitsgrenze ist damit im Streitfall gewahrt, denn nunmehr sind allein die vom
Kläger in Deutschland erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. aus selbständiger
Arbeit maßgeblich, die in vollem Unfang der deutschen Einkommensteuer unterliegen.
II. Der hier vertretenen Auslegung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die
Finanzverwaltung überfordert wäre, wenn sie die "nicht der deutschen Einkommensteuer
unterliegenden Einkünfte" stets nach dem Recht des Heimatstaats ermitteln müsste. Auch
bisher hat sich die Finanzverwaltung bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenze auf die
vom Steuerpflichtigen beizubringende Bescheinigung der ausländischen Finanzbehörden
über die im Wohnsitzstaat erzielten Einkünfte gestützt. Der Unterschied zur bisherigen
Praxis besteht einzig darin, dass nunmehr keine Prüfung mehr erfolgen muss, ob die
bescheinigten Einkünfte auch tatsächlich nach deutschem Einkommensteuerrecht
steuerbar und steuerpflichtig sind. Im Übrigen hat der EuGH eine Rechtfertigung von
Diskriminierungen mit verwaltungstechnischen Schwierigkeiten in seiner ständigen
Rechtsprechung unter Hinweis auf die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG abgelehnt (vgl.
Urteil "Schumacker", Rn. 43 ff.).
Ebenso unmaßgeblich ist die Tatsache, dass eine Zusammenveranlagung des Klägers mit
der Beigeladenen nach österreichischem Recht nicht in Betracht gekommen wäre, da das
österreichische EStG dem Grundsatz der Individualbesteuerung folgt. Die Grundfreiheiten
richten sich in ihrer gleichheitsrechtlichen Komponente allein gegen die Maßnahmen des
jeweiligen Staates, während die rechtlichen Regelungen anderer Mitgliedsstaaten, hier
also des Wohnsitzstaates der Beigeladenen, außer Betracht bleiben müssen (im Ergebnis
wohl gl.A. Cordewener, a.a.O., 913).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Sache
grundsätzliche Bedeutung hat.