Urteil des FG Düsseldorf vom 14.09.2004

FG Düsseldorf: egks, kommission, treu und glauben, eisen, stahl, kohle, amsterdamer vertrag, unechte rückwirkung, recycling, genehmigung

Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 4829/02 Inv
Datum:
14.09.2004
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 4829/02 Inv
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG, die schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des
Recyclings von Metallschrott tätig ist. Die Klägerin kauft von verschiedenen Anbietern
Mischschrott, Schwarzschrott und Metalle jeglicher Art und Form auf, wobei eisen- und
stahlhaltiger Schrott den größten Umfang ausmacht. Da dieser - zum Teil unsortierte -
Metallschrott für eine weitere direkte Verwendung in einem industriellen
Verarbeitungsprozess ungeeignet ist, wird er von der Klägerin zunächst nach den
verschiedenen Metallarten sortiert. Anschließend wird der Schrott einem Reinigungs-
und Shredder- bzw. Scherenprozess unterzogen und in verschiedene Fraktionen
getrennt. Verbleibender Eisenschrott wird in einschmelzfähige Form gebracht. Zum Teil
kauft die Klägerin auch - insbesondere bei der Automobilproduktion angefallenen - fertig
gepressten Schrott ein, der hernach wie erworben (ohne die Lager der Klägerin zu
berühren) weiterverkauft wird. Nach einer von der Klägerin mit Schriftsatz vom 23.
November 2000 eingereichten Berechnung beläuft sich der Anteil der reinen
Handelsgeschäfte bezogen auf die umgeschlagene Gesamttonnage auf etwa 15%. In
der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin den Anteil solcher Streckengeschäfte mit
etwa einem Drittel an. Abnehmer des aufbereiteten bzw. zugekauften Schrotts ist die
Stahlindustrie.
2
Mit Datum vom 27. September 2000 stellte die Klägerin bei dem Beklagten (das
Finanzamt --FA--) einen Antrag auf Investitionszulage nach § 2 des
Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999. Die geltend gemachten betrieblichen
Investitionen wurden auf 1.833.531,29 DM beziffert. Auf dieser Grundlage beantragte die
Klägerin eine Investitionszulage in Höhe von 91.676,56 DM. Laut einem Schreiben der
Klägerin vom 23. November 2000 entfielen die Investitionen fast komplett auf den
Bereich "Lager/ Verarbeitung". Es habe sich um Geräte gehandelt, die unmittelbar der
Verarbeitung der angelieferten Materialien dienen würden.
3
Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. August 2001 ab. Zur Begründung führte
das FA aus, dass gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 eine Investitionszulage nicht
gewährt werden dürfe, wenn die Investitionen auf einem der "sensiblen Sektoren" erfolgt
seien. Zu diesen gehöre nach der Kommissionsentscheidung vom 18. Dezember 1996
Nr. 2496/96/EGKS (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --Abl. EG-- Nr. L 388
vom 28. Dezember 1996, S. 42) auch die Eisen- und Stahlindustrie. Umfasst sei
insoweit auch das Recycling von Eisen-, Stahl- und sonstigem Metallschrott, wie es von
der Klägerin betrieben werde.
4
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Die
Klägerin führte aus, dass sie nicht auf dem Gebiet der Produktion von Stahl und somit
auch nicht auf einem sensiblen Sektor tätig sei. Die Förderfähigkeit ihrer Investitionen
sei daher nicht durch § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 eingeschränkt.
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Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 1. August 2002 als
unbegründet zurück. Gemäß Art. 80 des Vertrags über die Gründung der Europäischen
Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag) vom 18. April 1951 in der Fassung
des Europäischen Unionsvertrages vom 7. Februar 1992 (Bundesgesetzblatt --BGBl-- II
1992, 1253, 1282, zuletzt geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 2. Oktober
1997, BGBl II 1998, 387) seien diejenigen Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie
zuzurechnen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Produktionstätigkeit
auf dem Gebiet des Stahls ausüben würden. Welche Erzeugnisse der Begriff "Stahl"
umfasse, sei in Art. 81 in Verbindung mit Anlage I des EGKS-Vertrags geregelt. Danach
gehöre auch der Rohstoff Schrott zu den Produkten, die der Eisen- und Stahlindustrie
zuzuordnen seien. Dass das Recycling von Schrott unter Anlage I des EGKS-Vertrags
falle, sei durch die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
(künftig: Kommission) vom 9. Dezember 1998 Nr. 1999/592/EGKS (Abl. EG Nr. L 224
vom 25. August 1999, S. 10) nochmals ausdrücklich bestätigt worden. Die Entscheidung
betreffe eine Beihilfe für die Firma N, die - wie die Klägerin - im Recyclingbereich tätig
sei. In den Entscheidungsgründen werde ausgeführt, dass N ein Erzeugnis herstelle,
das in Anlage I zum EGKS-Vertrag aufgeführt sei. Die Tatsache, dass N dabei ein
anderes Recyclingverfahren einsetze, sei für diese Zuordnungsentscheidung
unmaßgeblich.
6
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Zur Klagebegründung trägt die
Klägerin vor, dass zwar die Erzeugung von Schrott in der Anlage I zum EGKS-Vertrag
aufgeführt sei. Dessen Anwendung auf Schrott werde aber, wie sich aus Tz. 2 der
Anlage I zum EGKS-Vertrag ergebe, eingeschränkt. Danach habe die Tätigkeit der
Kommission auf die besonderen Bedingungen der Herstellung und des Handels des
Erzeugnisses Schrott Rücksicht zu nehmen. Eine weitere Einschränkung folge aus
Anlage II zum EGKS-Vertrag. Daraus ergebe sich, dass die Anwendbarkeit des EGKS-
Vertrags in bezug auf das Erzeugnis Schrott auf die Preisfestsetzung gemäß Art. 60 ff.
EGKS-Vertrag beschränkt sei. Diese Beschränkung resultiere aus den Zielen des
EGKS-Vertrags, da die besondere Wettbewerbssituation keine weitergehende
Regulierung, insbesondere kein Beihilfeverbot, erfordere.
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Unabhängig von der eingeschränkten Anwendbarkeit des EGKS-Vertrags sei die
Klägerin auch kein Unternehmen, das eine Produktionstätigkeit auf dem Gebiet von
Kohle und Stahl ausübe. Sie stelle folglich auch keine Produkte im Sinne der Anlage I
des EGKS-Vertrags her. Vielmehr sei sie als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb
anzusehen, der das Recycling von Abfällen, insbesondere von Eisen- und
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Metallabfällen betreibe. Der von anderen Unternehmen aufgekaufte Schrott umfasse
Metalle verschiedenster Art und in verschiedenster Form. Dieser Schrott werde sortiert,
gereinigt und hernach manuell bzw. mechanisch weiterverarbeitet. Als Output
entstünden Sekundärrohstoffe veränderter Art und Güte. Die Klägerin sei daher als
Dienstleister für Stahlunternehmen anzusehen. Diese Differenzierung lasse sich
anhand der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts,
Ausgabe 1993 nachvollziehen. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes werde dort
zwischen Metallerzeugung und Metallverarbeitung auf der einen Seite (Unterabschnitt
DJ 27.10.0) und dem Bereich des Recyclings von Schrott auf der anderen Seite
(Unterabschnitt DN 37.10.0) unterschieden. Die Verarbeitung von Eisen- oder
Stahlabfällen mache im Übrigen nur einen Teil der Tätigkeit der Klägerin aus. Die
Produktion von Sekundärrohstoffen aus Buntmetallen, Ferrolegierungen oder Guss
unterliege jedoch nicht dem EGKS-Vertrag und werde in Anlage I dieses Vertrages auch
ausdrücklich ausgenommen. Die Klägerin sei vor diesem Hintergrund insgesamt nicht
als Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie anzusehen.
Die vom FA angeführte Entscheidung der Kommission vom 9. Dezember 1988 sei nicht
auf die Klägerin übertragbar, da sie ein Unternehmen betreffe, das Baustahl herstelle
und schon aus diesem Grund - anders als die Klägerin - nicht als
Recyclingunternehmen einzustufen sei. Im übrigen ergebe sich nunmehr aus Anhang B
des von der Kommission mit Wirkung vom 24. Juli 2002 eingeführten Multisektoralen
Beihilferahmens für große Investitionsvorhaben, dass das Recycling von Eisen- und
Stahlschrott nicht mehr der Stahlindustrie zuzurechnen sei.
9
Schließlich verstoße die Ablehnung des Antrags auf Investitionszulage gegen den
Grundsatz von Treu und Glauben. Das am 18. August 1997 im BGBl verkündete
InvZulG sei am 1. Januar 1999 in seiner ursprünglichen Fassung in Kraft getreten. Erst
durch das Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22. Dezember
1999 (BGBl I 1999, 2601, Bundessteuerblatt --BStBl-- I 2000, 13) sei der Vorbehalt
hinsichtlich der sensiblen Sektoren eingefügt worden. Wiederum deutlich später sei
durch Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21.6.2000 der 6.
Stahlhilfekodex vom 18. Dezember 1996 bekannt gemacht worden, auf den sich die
Anlage I Nr. 1 zum InvZulG 1999 beziehe. Im Zeitpunkt der Durchführung der
Investitionen habe die Klägerin daher darauf vertrauen dürfen, dass ihr ein Anspruch auf
Investitionszulage zustehe.
10
Die Klägerin beantragt,
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den Ablehnungsbescheid vom 1. August 2001 sowie die Einspruchsentscheidung
vom 1. August 2002 aufzuheben und das FA zum Erlass eines Bescheides
dergestalt zu verpflichten, dass die beantragte Investitionszulage für 1999 gewährt
wird.
12
Das FA beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Das FA hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung
fest und führt ergänzend aus, dass die Definition des Begriffs der Stahlindustrie, wie im
Anhang B des von der Kommission mit Wirkung vom 24. Juli 2002 eingeführten
Multisektoralen Beihilferahmens für große Investitionsvorhaben erfolgt, für das Streitjahr
15
keine Bedeutung habe. Vielmehr seien die Bestimmungen des (ausgelaufenen) EGKS-
Vertrags auf alle Fälle anwendbar, die in sachlicher und rechtlicher Hinsicht bis zum 23.
Juli 2002 abgeschlossen seien.
In der Ablehnung des Antrags liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu
und Glauben. Die Regelung des § 2 InvZulG 1999 habe in vollem Umfang unter dem
Genehmigungsvorbehalt der Kommission gestanden. Die Vorschrift habe daher erst mit
deren Genehmigung in Kraft treten können. Diese sei - nach mehreren Änderungen des
§ 2 InvZulG 1999 - am 28. Februar 2001 erteilt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe
die Klägerin daher nicht darauf vertrauen können, dass ihr ein Anspruch gemäß § 2
InvZulG 1999 zustehe.
16
Selbst wenn jedoch ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung der auf
Investitionszulage bestünde, seien jedenfalls die unter Nr. 2 und 3 der Anlage zum
Antrag auf Investitionszulage aufgeführten Wirtschaftsgüter nicht förderungsfähig. Nach
dem Vermerk auf der Rechnung betreffend das unter Nr. 2 aufgeführte Wirtschaftsgut
"Bagger" sei dieses zunächst ab August 1999 in neuwertigem Zustand angemietet
worden, bevor es die Klägerin im Dezember gekauft habe. Förderungsfähig seien aber
nur neue Wirtschaftsgüter. Bei der Nr. 3 handle es sich um eine Außenanlage, die als
unbewegliches Wirtschaftsgut ebenfalls nicht begünstigt sei.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18
Die Klage ist unbegründet.
19
Das FA hat zutreffend die Gewährung einer Investitionszulage abgelehnt, da die
Tätigkeit der Klägerin gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 in Verbindung mit der
dazu ergangenen Anlage 1 von der Förderung ausgeschlossen ist. Zum sensiblen
Sektor der "Eisen- und Stahlindustrie" (Nr. 1 der zu § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999
ergangenen Anlage 1) gehört auch das Recycling von eisen- und stahlhaltigem Schrott.
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I. Gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999 ist die Anschaffung bzw.
Herstellung bestimmter beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt,
die während eines Fünfjahreszeitraums in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes oder
in Betrieben der produktionsnahen Dienstleistungen verbleiben. Die Begünstigung wird
aber gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 nur gewährt, soweit keiner der in der
Anlage 1 zu diesem Gesetz aufgeführten sensiblen Sektoren betroffen ist. Unter Nr. 1
der im Streitjahr gültigen Fassung dieser Anlage wird die "Eisen und Stahlindustrie"
aufgeführt und insoweit auf die Entscheidung der Kommission vom 18. Dezember 1996
Nr. 2496/96/EGKS zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die
Eisen- und Stahlindustrie (sog. 6. Stahlbeihilfenkodex, ABl. EG Nr. L 338 vom 28.
Dezember 1996, S. 42) sowie auf die Rahmenregelung für bestimmte, nicht unter den
EGKS-Vertrag fallende Stahlbereiche vom 1. Dezember 1988 (ABl. EG Nr. C 320 vom
13. Dezember 1988, S. 3) Bezug genommen.
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Rechtsgrundlage für den Förderausschluss im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie ist
Art. 4 lit. c EGKS-Vertrag. Danach sind "von Staaten bewilligte Subventionen oder
Beilhilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer
geschieht", unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl. Ausnahmen
gelten allerdings für die im 6. Stahlbeihilfenkodex aufgezählten Beihilfen für Forschung,
Umweltschutz und Schließung, die die Kommission auf der Grundlage des Art. 95
22
EGKS-Vertrag genehmigt hat.
Wenn der Gesetzgeber daher die Eisen- und Stahlindustrie als sensiblen Sektor im
Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 einstuft, nimmt er damit - jedenfalls mittelbar -
auf die Regelungssystematik des EGKS-Vertrags Bezug. Der Anwendungsbereich des
EGKS-Vertrags wird durch die Art. 80 und 81 EGKS-Vertrag bestimmt. Gemäß Art. 80
EGKS-Vertrag sind Unternehmen im Sinne dieses Vertrags diejenigen Unternehmen,
die eine Produktionstätigkeit auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ausüben. Nach Art. 81
EGKS-Vertrag sind die Ausdrücke "Kohle" und "Stahl" in der Anlage I zu diesem Vertrag
näher bestimmt. Allerdings beinhaltet auch diese Anlage keine abstrakte
Begriffsbestimmung. Vielmehr wird unter Nr. 1 der Anlage I ausgeführt, dass die Begriffe
"Kohle" und "Stahl" die in der - als Teil der Anlage abgedruckten - nachfolgenden Liste
aufgeführten Produkte umfassen. Die betreffende Liste ist allerdings nicht in die
Bereiche Kohle und Stahl, sondern in die Bereiche "Brennstoffe" und "Eisenindustrie"
untergliedert. Diese Differenzierung beruht auf dem Umstand, dass der EGKS-Vertrag
für Zwecke der Begriffsbestimmung an die sogenannte zolltarifliche und statistische
Nomenklatur der EU anknüpft. Aus der Systematik der Aufzählung folgt jedoch, dass
dem Begriff "Kohle" die unter dem Bereich "Brennstoffe" aufgeführten Erzeugnisse
zuzuordnen sind, während der Begriff "Stahl" die zollrechtlich unter der Überschrift
"Eisenindustrie" aufgezählten Produkte umfasst.
23
In dem letztgenannten Bereich ist unter der Überschrift "Rohstoffe für die Erzeugung von
Roheisen und Stahl" auch das Erzeugnis "Schrott" aufgeführt. Insoweit wird auf die Nr.
4100 der Nomenklatur der
"
verwiesen. Nach der zolltariflichen und statistischen Nomenklatur der EU (zur für das
Jahr 1999 gültigen sog. kombinierten Nomenklatur vgl. ABl. EG Nr. L 292 vom 30.
Oktober 1998, S. 498 ff.), die inzwischen die OEEC-Nomenklatur abgelöst hat, fallen
unter diese Sammelgruppe Abfälle und Schrott aus Eisen oder Stahl, sei es paketiert
oder geschreddert, sortiert oder unsortiert (KN-Code 7204). Da in dem EGKS-Vertrag
somit die Verarbeitung von stahl- und eisenhaltigem Schrott der Erzeugung von Stahl
gleichgestellt wird, führt die Verweisung der Nr.1 der zu § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999
ergangenen Anlage 1 letztlich auch zum Förderausschluss für Unternehmen, die auf
dem Gebiet der Schrottverarbeitung tätig sind, jedenfalls soweit die Produkte unter die
Position 7204 der kombinierten Nomenklatur fallen.
24
II. Unzutreffend ist die Rechtsansicht der Klägerin, durch Anlage II des EGKS-Vertrags
sei dieser hinsichtlich des Erzeugnisses "Schrott" auf Preisfestsetzungen durch die
Kommission gemäß Art. 60 ff. EGKS-Vertrag sowie auf Meldepflichten beschränkt. Eine
solche Einschränkung ist dem Wortlaut der Anlage nicht zu entnehmen. In der
Einleitung heißt es vielmehr: "Die Bestimmungen dieses Vertrags sind auf Schrott unter
Berücksichtigung der nachstehenden, sich aus der Praxis ergebenden Modalitäten
anwendbar, die die besonderen Bedingungen der Erfassung und des Handels mit
Schrott erforderlich machen". Aus diesem Wortlaut wird deutlich, dass der EGKS-
Vertrag zunächst auf Schrott in vollem Umfang anwendbar ist. Nur in bestimmten, im
Folgenden aufgeführten Bereichen sollen die aufgeführten Modifikationen greifen. Eine
weitergehende Einschränkung der Vorschriften des EGKS-Vertrags - insbesondere des
Beihilfeverbots gemäß Art. 4 lit. c EGKS-Vertrag - in Bezug auf das Produkt Schrott lässt
sich der Anlage II dagegen nicht entnehmen.
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Eine solche Ausnahme wäre vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des
EGKS-Vertrags auch nicht plausibel. Mit dem Abschluss des EGKS-Vertrags verbanden
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die Vertragsstaaten das Ziel, die Erzeugung von Kohle und Stahl auszuweiten und
durch eine Steigerung der Produktivität der Montanindustrie zur Hebung des
allgemeinen Lebensstandards in den Mitgliedstaaten beizutragen. Zu diesem Zweck
verpflichtete der Vertrag die Mitgliedstaaten, auf mengenmäßige Beschränkungen des
Warenverkehrs, die Erhebung von Zöllen und die Diskriminierung von Erzeugern und
Verbrauchern von Kohle und Stahl zu verzichten sowie die Freizügigkeit der Bergleute
und Metallfacharbeiter zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Zielsetzung spielte der
Sekundärrohstoff "Schrott" von Anfang an eine entscheidende Rolle. So wurde
beispielsweise am 10. Februar 1953 zunächst der Gemeinsame Markt der Montanunion-
Staaten für Kohle, Eisen und Schrott errichtet. Erst kurze Zeit darauf, nämlich am 1. Mai
1953, wurde dieser auch auf den Bereich der Stahlerzeugung ausgedehnt. Das Produkt
Schrott steht daher gleichwertig neben den Produkten Kohle und Stahl, auch wenn in
der Formulierung des EGKS-Vertrags begrifflich die beiden letztgenannten Erzeugnisse
privilegierte Erwähnung finden.
III. 1. Nach Maßgabe dieser Grundsätze unterfällt die Tätigkeit der Klägerin dem EGKS-
Vertrag, denn die Klägerin stellt unstreitig eisen- und stahlhaltigen Schrott im Sinne der
Position 7204 der kombinierten Nomenklatur her. Dass im Bereich des Schrottrecyclings
tätige Firmen dem EGKS-Vertrag unterliegen, wird mittelbar auch durch mehrere
Entscheidungen der Kommission zum Wettbewerbsrecht - unter anderem auch
betreffend das Fusionsverfahren der Rechtsvorgängerin der Klägerin - bestätigt (vgl. die
Entscheidungen der Kommission vom 19. Mai 1998 Fall IV/M. 1146 - SHV Energy /
Thyssen Klöckner Recycling, Abl. EG Nr. C 208 vom 4. Juli 1998, S. 2; vom 26. Januar
1999 Fall IV/M.1394 - Alba / Otto, Abl. EG Nr. C 41 vom 16. Februar 1999, S. 4; vom 27
Juli 2001 Fall COMP/EGKS - Interseroh / Hansa, abrufbar im Internet). Der
Unternehmenszusammenschluss bedarf danach, soweit die Unternehmen im Bereich
des Recyclings von eisen- und stahlhaltiger Schrott tätig sind, der Genehmigung der
Kommission nach § 66 EGKS-Vertrag.
27
2. Der Einwand der Klägerin, die Kommission habe in der Entscheidung vom 28. Juni
2000 Nr. 2000/797/EGKS (Abl. EG Nr. L 323 vom 20. Dezember 2000, S. 5) direkte
Mitbewerber der Klägerin als Nicht-EGKS-Unternehmen eingestuft, geht fehl. Insoweit
konnte dahingestellt bleiben, welche Tätigkeiten die in der Kommissionsentscheidung
angeführten Unternehmen E und C im einzelnen ausüben. Denn aus den
Entscheidungsgründen lässt sich entnehmen, dass die Kommission die betreffenden
Unternehmen als reine Handelsunternehmen qualifiziert hat (vgl.
Kommissionsentscheidung vom 28. Juni 2000, a.a.O., Rz. 43 und 90). Dies trifft auf die
Klägerin nicht zu, da diese nach ihrem eigenen Vorbringen maximal zu einem Anteil von
einem Drittel Streckengeschäfte im Handelsbereich tätigt.
28
3. Auch eine anteilige Gewährung der Investitionszulage kam vorliegend nicht in
Betracht, und zwar auch nicht insoweit, als die Klägerin im Handelsbereich tätig ist.
Nach Auffassung des Senats ist die Förderung nach dem InvZulG 1999 regelmäßig
auch dann vollständig ausgeschlossen, wenn ein dem EGKS-Vertrag unterliegendes
Unternehmen zum Teil auch im Nicht-EGKS-Bereich tätig ist.
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Mit der Frage, wie Mischbetriebe zu behandeln sind, die sowohl EGKS- als auch Nicht-
EGKS-Bereiche unterhalten, hat sich sowohl die Kommission als auch der Europäische
Gerichtshof (EuGH) bereits mehrfach befasst. Allerdings betrafen diese Fälle die Frage,
ob sich die Zulässigkeit einer Beilhilfe für ein solches Unternehmen einheitlich nach
dem EGKS-Vertrag oder aber hinsichtlich der Nicht-EGKS-Erzeugnisse nach dem
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Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Abl. EG Nr. C 325 vom 24.
Dezember 2002, S. 33, --EG-Vertrag--) richtet. Nach Auffassung der Kommission ist die
Prüfung der Zulässigkeit einer Beihilfe in diesem Fall ausschließlich anhand des EGKS-
Vertrags vorzunehmen (vgl. Entscheidung der Kommission vom 8. Juli 1999 Nr.
1999/720/EG, EGKS, Abl. EG Nr. L 292 vom 13. November 1999, S. 27). Eine
prozentuale Aufteilung nach dem Verhältnis beider Tätigkeitsbereiche kommt dagegen
nicht in Betracht. Allein für den Ausnahmefall, dass beide Bereich vollkommen
voneinander getrennt sind, hält die Kommission eine Beurteilung der Beihilfen für den
Nicht-EGKS-Bereich anhand von Art. 87 und 88 EG-Vertrag für zulässig. Diese
Differenzierung hat die Kommission im Übrigen auch in der von der Klägerin
angeführten Entscheidung vom 28. Juni 2000 (a.a.O., S. 14 ff.) fortgeführt. Danach ist
eine Trennung beider Bereiche nur dann möglich, wenn "jede Gefahr eines Spillover-
Effekts" ausgeschlossen ist. Eine Trennbarkeit kommt nach Auffassung der Kommission
allenfalls dann in Betracht, wenn die betreffenden Produktionsbereiche räumlich und
produktionstechnisch vollkommen voneinander getrennt sind und auch die
Produktionsverfahren nicht ineinander greifen (vgl. insoweit Kommissionsentscheidung
vom 8. Juli 1999, a.a.O., Rz. 34).
Der EuGH hat die Rechtsauffassung der Kommission in seinem Urteil vom 28. Januar
2003 C-334/99 (Sammlung der Rechtsprechung 2003, S. I-01139) bestätigt. Bei
Unternehmen mit gemischten Tätigkeitsbereichen sei die Anwendung des EGKS-
Vertrags auf Beihilfen für einen Produktionsbereich, der nicht in den
Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags falle, dann gerechtfertigt, wenn eine echte
Gefahr einer Zweckentfremdung dieser Beihilfen zugunsten von Produktionstätigkeiten
bestehe, die dem EGKS-Vertrag unterlägen. Angesichts der Besonderheiten des
Stahlsektors und des strikten und absoluten Verbots staatlicher Beihilfen in Art. 4 lit. c
EGKS-Vertrag verstoße es gegen den Zweck des durch den EGKS-Vertrag
geschaffenen Systems, die Prüfung von Beihilfen, die möglicherweise den unter diesen
Vertrag fallenden Produktionsbereichen eines Unternehmens zugute kämen, anhand
der weniger strengen Vorschriften des EG-Vertrags vorzunehmen.
31
Nach Ansicht des Senats ist diese zum Prüfungsmaßstab für Beihilfen entwickelte
Differenzierung auch auf die hier zu entscheidende Frage zu übertragen, ob eine
anteilige Gewährung der Investitionszulage im Nicht-EGKS-Bereich in Betracht kommt.
Bei der Investitionszulage handelt es sich um eine Beihilfe mit regionaler Zielsetzung,
deren Zulässigkeit anhand des Prüfungsmaßstabs der Art. 87 und 88 EG-Vertrag sowie
der insoweit geltenden Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (Abl.
EG Nr. C 74 vom 10. März 1998, S. 18) zu beurteilen ist. Auf bestimmten sensiblen
Sektoren, u.a. dem Stahlsektor, gelten allerdings Sondervorschriften, so dass sich die
Genehmigung des InvZulG nicht auf den EGKS-Bereich erstreckt. Wenn der
Gesetzgeber vor diesem Hintergrund über § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG (unter anderem) die
Stahlindustrie von der Förderung ausnimmt, muss dies auch in Mischfällen regelmäßig
zu einem vollständigen Ausschluss der Förderung führen, da diese Unternehmen
wegen des drohenden "Spillover-Effekts" beihilferechtlich ausschließlich dem EGKS-
Sektor zugerechnet werden.
32
Demnach kam die anteilige Gewährung einer Investitionszulage vorliegend nicht in
Betracht. Die Klägerin hat zum einen schon nicht dargelegt, dass in ihrem
Tätigkeitsbereich eine vollständige Trennung zwischen EGKS-Bereich
(Schrottrecycling) und Nicht-EGKS-Bereich (Handel) gewährleistet ist. Zum anderen
entfallen die im Antrag auf Investitionszulage geltend gemachten Aufwendungen, wie
33
die Klägerin in ihrem Schreiben an das FA vom 23.11.2000 selbst eingeräumt hat,
nahezu ausschließlich auf den Bereich "Lager/Verarbeitung", also den EGKS-Bereich.
Soweit bestimmte Wirtschaftsgüter - wie etwa die angeschafften Computeranlagen -
möglicherweise auch im Handelsbereich zum Einsatz kommen, ist jedenfalls keine
eindeutige Trennung möglich, so dass auch insoweit der Förderausschluss greift.
4. Gleiches gilt in Bezug auf das Recycling von NE-Metallen (etwa von Buntmetallen,
Ferrolegierungen oder Guss), die nicht dem EGKS-Vertrag unterliegen, denn es fehlt an
einer Trennbarkeit beider Bereiche. Vielmehr greifen beide Bereiche untrennbar
ineinander über, da nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ein wesentlicher Teil ihrer
Recyclingtätigkeit gerade darin besteht, unsortierten Mischschrott nach den
verschiedenen Metallarten zu sortieren.
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III. Unbeachtlich war im Streitfall die Tatsache, dass im Rahmen des Multisektoralen
Beihilferahmens für große Investitionsvorhaben die Produktion von Schrott nicht mehr
der Stahlindustrie zugeordnet wird (vgl. Abl. EG Nr. C 70 vom 19. März 2002, S. 8, dort
Anhang B). Der EGKS-Vertrag war bis zum 23. Juli 2002 gültig. Erst ab dem 24.Juli
2002 finden insoweit die allgemeinen Regeln des EG-Vertrags sowie die
Verfahrensregeln und das übrige aus dem EG-Vertrag abgeleitete Recht (und damit
auch der neue Multisektorale Regionalbeihilferahmen vom 13. Februar 2002)
Anwendung. Für Fälle, die in sachlicher und rechtlicher Hinsicht bis zum 23. Juli 2002
abgeschlossen wurden, gelten daher allein die Bestimmungen des EGKS-Vertrags (vgl.
auch die Mitteilung der Kommission über bestimmte Aspekte bei der Behandlung von
Wettbewerbsfällen nach Auslaufen des EGKS-Vertrags, Abl. EG Nr. C 152 vom 26. Juni
2002, S. 5, Absch. 3, Tz. 25). Dieser zeitliche Anwendungsrahmen ist im Streitfall erfüllt,
da die Investitionszulage mit Ablauf des Wirtschaftsjahres entsteht, in dem die
begünstigten Investitionen vorgenommen wurden, hier also mit Ablauf des Jahres 1999.
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IV. Die Versagung der Investitionszulage verstößt schließlich auch nicht gegen den
Vertrauensschutzgrundsatz. Zwar hat der Gesetzgeber den Förderausschluss für
Investitionen auf sensiblen Sektoren gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 erst im
Rahmen des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22.
Dezember 1999 eingefügt. Darin liegt jedoch keine unzulässig Rückwirkung.
Unabhängig von der - hier nicht entscheidungserheblichen - Frage, ob es sich um eine
echte oder unechte Rückwirkung handelt, konnte die Klägerin zum Zeitpunkt der
Tätigung der Investitionen nicht darauf vertrauen, dass ihr deshalb ein Anspruch auf
Investitionszulage zusteht. Insoweit fehlt es bereits an einer schutzwürdigen
Vertrauensgrundlage, da § 2 InvZulG 1999 in seiner ursprünglich verabschiedeten
Gesetzesfassung vom 18. August 1997 bereits ausdrücklich unter dem Vorbehalt der
Genehmigung durch die Kommission stand (vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur
Förderung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern vom 18. August 1997,
BGBl I 1997, 2070). Hinzu kommt, dass die Kommission zwar im Dezember 1998 die
grundsätzliche Genehmigung für das InvZulG 1999 erteilt hat (vgl. BMF-Schreiben vom
12. Januar 1999, BStBl I 1999, 180). Sie verweigerte jedoch die Genehmigung des § 2
InvZulG, und zwar unter anderem mit dem Argument, dass darin keine Regelung über
die Anwendung der EG-rechtlichen Regelungen für sensible Sektoren vorgesehen sei.
Entgegen der Darstellung der Klägerin erstreckte sich der Genehmigungsvorbehalt der
Kommission daher nicht nur auf die Förderfähigkeit von Ersatzinvestitionen. Vielmehr
bot gerade das Fehlen eines Ausschlusstatbestandes für Investitionen in sensiblen
Sektoren der Kommission Anlass dafür, ein Hauptprüfungsverfahren nach Art. 88 Abs. 2
des EG-Vertrags einzuleiten. Das betreffende Informationsschreiben der Kommission an
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die Vertretung Deutschlands bei der Europäischen Union ist zu Informationszwecken im
BStBl veröffentlicht worden (vgl. BStBl I 1999, 181). Darin werden die Gründe für die
Einleitung des Prüfungsverfahrens ausführlich geschildert. Auch die Finanzverwaltung
hat in der Folgezeit mehrfach ausdrücklich auf die EG-rechtlichen Vorbehalte bei
Investitionen in sensiblen Sektoren hingewiesen (vgl. etwa die BMF-Schreiben vom 1.
Dezember 1999, IV A 2 - S 2056 - 2/99, BStBl I 1999, 180; und vom 28. Juni 2001 IV A 5
- InvZ 1271 - 21/01, BStBl I 2001, 379, Tz. 192). Die endgültige Genehmigung des
InvZulG 1999 wurde schließlich (erst) am 28. Februar 2001 erteilt und sodann im BStBl
bekannt gemacht (vgl. BMF-Schreiben vom 3. Juli 2001 IV A 5-S 2056-22/01,
2001, 235, vgl. ferner auch BStBl I 2001, 349). Die Klägerin musste daher zum Zeitpunkt
der Tätigung der Investitionen im Jahr 1999 ernsthaft damit rechnen, dass die
Kommission die Investitionszulage - zumindest im Hinblick auf Investitionen in
sensiblen Sektoren - als verbotene Beihilfe qualifizieren würde. Damit war eine
Berufung auf den Vertrauensschutzgrundsatz von vornherein ausgeschlossen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
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