Urteil des FG Düsseldorf vom 13.05.2005

FG Düsseldorf: siloanlage, vermietung, herstellungskosten, getreide, verwaltung, forstwirtschaft, gewerbesteuer, personengesellschaft, nebentätigkeit, auslagerung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 1 K 597/02 G
13.05.2005
Finanzgericht Düsseldorf
1. Senat
Urteil
1 K 597/02 G
Der Gewerbsteuermessbescheid 1996 vom 28.05.1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 04.01.2002 wird dahingehend abgeändert,
dass der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag auf 0.- EUR festgesetzt
wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Klägerin die erweiterte Kürzung des
Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zusteht.
Die Klägerin - eine GmbH & Co KG - betrieb ursprünglich einen Handel mit Landprodukten
in "A". Diese Tätigkeit stellte sie Mitte 1995 ein. Die bisher für den Betrieb des Landhandels
genutzten Lagerhallen vermietete die Klägerin an verschiedene Mieter. Wegen der
mietvertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird auf die mit Schreiben des
Prozessvertreters vom 23.10.2000 übersandten Mietverträge Bezug genommen. Im
Betriebsvermögen der Klägerin befindet sich außerdem eine 1955 errichtete und in den
Jahren 1958/1959 erweiterte Getreide-Siloanlage mit einem Fassungsvermögen von 4.000
t. Ab 01.07.1995 vermietete die Klägerin Siloraum von 1.000 t Fassungsvermögen an die
"B" GmbH & Co. KG. Neben einer monatlichen Grundmiete von zunächst 1.500.- DM
(netto) hatte die Mieterin eine mengenabhängige Miete von 0,40 DM pro 100 Kilo sowie
weitere Kosten für Umlauf des Getreides und Kühlung zu entrichten. In der Folgezeit
mietete die "B" GmbH & Co. KG den gesamten Siloraum mit einem Fassungsvermögen
von 4.000 t an. Die vereinbarte Grundmiete erhöhte sich dadurch ab Juli 1996 auf
monatlich 3.333.- DM (netto). Hinsichtlich der mietvertraglichen Vereinbarungen wird auf
den Mietvertrag vom 25.04.1995 nebst Nachtrag vom 15.07.1995 und auf das Schreiben
der Klägerin vom 11.04.1995 Bezug genommen. Wegen der im Streitjahr aus der
Vermietung der Getreide-Siloanlage erzielten Erlöse wird auf die von der Klägerin als
Anlage 1 zum Schriftsatz vom 25.02.2002 eingereichte Übersicht (Bl. 10 d. A.) verwiesen.
Im Verlauf einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Betriebsprüfung der Land- und
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Forstwirtschaft beantragte die Klägerin, ihr die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags
nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu gewähren. Dies lehnte das Finanzamt für Betriebsprüfung
der Land- und Forstwirtschaft ab und führte aus, im Rahmen der Vermietung der Getreide-
Siloanlage seien als Betriebsvorrichtungen zu qualifizierende Wirtschaftsgüter -
Elevatoren, Redler, Kühlgebläse und Temperaturfühler - mitvermietet worden. Diese
Wirtschaftsgüter seien auch nicht nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch die Mieterin
als Betriebsvorrichtungen anzusehen. Außerdem habe die Klägerin im Rahmen der
Siloanlagenvermietung folgende Leistungen an die "B" GmbH & Co. KG erbracht: Hilfe
beim Be- und Entladen der Transportfahrzeuge, Übernahme der Ein- und Auslagerung im
und am Silo, beleg- und mengenmäßige Überwachung der Zu- und Abgänge sowie
Umlauf, Kühlung, Belüftung und Begasung des gelagerten Getreides.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung mit geändertem
Gewerbesteuermessbescheid 1996 vom 28.05.1999. Hiergegen legte die Klägerin
Einspruch ein und machte geltend: Die vom Beklagten aufgeführten Wirtschaftsgüter -
Elevatoren, Redler, Kühlgebläse und Temperaturfühler - seien keine Betriebsvorrichtungen
des Betriebes der Klägerin. Die Annahme einer Betriebsvorrichtung setze Anlagen voraus,
durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben werde. Danach seien die maschinellen Teile
des Silos seit dem Zeitpunkt der Vermietung nicht mehr Betriebsvorrichtungen des
Betriebes der Klägerin. Diese Wirtschaftsgüter erhielten ihre Rechtsnatur als
Betriebsvorrichtungen erst wieder im Rahmen der Nutzung durch die Mieterin. Dies sei im
Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG unschädlich. Darüber hinaus sei die Überlassung
dieser Wirtschaftsgüter als zwingend notwendiger Teil einer sinnvoll gestalteten
Verwaltung eigenen Grundbesitzes anzusehen. Die Überlassung dieser Wirtschaftsgüter
sei im Rahmen der Gesamtbetätigung der Klägerin von völlig untergeordneter Bedeutung
und die Klägerin erziele aus ihr keinen Gewinn. Somit stehe die Überlassung der
genannten Wirtschaftsgüter der Gewährung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz
2 GewStG selbst dann nicht entgegen, wenn man die Wirtschaftsgüter als
Betriebsvorrichtungen ansehe. Neben den Vermietungsleistungen erbringe die Klägerin
gegenüber der "B" GmbH & Co. KG nur gelegentliche und nach den vertraglichen
Vereinbarungen unentgeltliche Hilfeleistungen. Bei der Klägerin sei lediglich deren
Geschäftsführer "C" angestellt, so dass der Mieterin kein ständiger Arbeitnehmer zur
Verfügung gestellt werden könne.
Der Einspruch blieb erfolglos. In der zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom
04.01.2002 führte der Beklagte aus, die Gewährung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr.
1 Satz 2 GewStG komme nicht in Betracht, weil die Klägerin in nicht nur völlig
unwesentlichem Umfang Betriebsvorrichtungen vermietet habe. Soweit die Klägerin
geltend mache, dass die fraglichen Gegenstände mit dem Beginn der Vermietungstätigkeit
ihre Eigenschaft als Betriebsvorrichtungen verloren hätten, könne ihr nicht gefolgt werden.
Zwar sehe es der BFH im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG als unschädlich an, wenn
bestimmte Wirtschaftsgüter nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch den Mieter als
Betriebsvorrichtungen anzusehen seien. Ein solcher Fall liege aber nicht vor, weil die
Funktion der betreffenden Wirtschaftsgüter sich durch die Vermietung nicht geändert habe.
Die Mieterin nutze diese Gegenstände vielmehr in gleicher Weise wie vor ihr die Klägerin
im Rahmen des von ihr ursprünglich betriebenen Landhandels. Die Überlassung der
Betriebsvorrichtungen stelle auch keine unschädliche Nebentätigkeit von völlig
untergeordneter Bedeutung dar. Die Baukosten für die in 1955 errichtete Getreide-
Siloanlage hätten 120.000.- DM betragen. Die Bilanz der Klägerin zum 31.12.1955 weise
die maschinellen Einrichtungen der Siloanlage mit 24.695,60 DM aus. Nach der
Erweiterung der Siloanlage in 1958 habe dieser Bilanzansatz zum 31.12.1958 120.058,30
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DM betragen. Die Bilanz zum 31.12.1959 weise insoweit weitere Zugänge aus. Im Bericht
der Großbetriebsprüfungsstelle vom 25.10.1957 werde das 1955 erstellte Silogebäude
"nach eingehender Erörterung und Besichtigung des Gebäudes" insgesamt als
Betriebsvorrichtung qualifiziert. Auch die Siloerweiterung in 1958 sei insgesamt als
Betriebsvorrichtung behandelt worden.
Mit der hiergegen gerichteten Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus
dem Einspruchsverfahren. Sie trägt ergänzend vor, der Gewinn der Klägerin aus der
Vermietung der Siloanlage habe lediglich 8,53 % ihres Gesamtgewinns betragen. Die
Herstellungskosten der Siloanlage beliefen sich auf lediglich 10,94 % der gesamten
Herstellungskosten der Lagerhallen und der Siloanlage. Auf die entsprechenden
Berechnungen (Bl. 11/12. d. A.) wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbsteuermessbescheid 1996 vom 28.05.1999 dahingehend zu ändern, dass
der Gewerbeertrag gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG um insgesamt 509.875.- DM gekürzt
werde, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält an seiner Auffassung fest, § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei im Streitfall nicht anwendbar,
weil die Klägerin in nicht nur unerheblichem Umfang Betriebsvorrichtungen vermietet habe.
Bereits die absolute Höhe der Herstellungskosten für die Getreide-Siloanlage von
666.961.- DM stünden der Annahme entgegen, dass die Vermietung der Siloanlage
lediglich von untergeordneter Bedeutung sei.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid 1996 vom 28.05.1999 und die
Einspruchsentscheidung vom 04.01.2002 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der
Klägerin die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu.
Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist die Summe
des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 v.H. des Einheitswerts des zum
Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes zu kürzen. An die Stelle
dieser Kürzung tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die
ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes
Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder
Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und
veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und
Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Während § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG darauf zielt,
die Doppelbelastung von Grundsteuer und Gewerbesteuer zu vermeiden, war das
Regelungsanliegen der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in seiner
ursprünglichen Fassung (§ 9 Nr. 1 GewStG 1936) darauf gerichtet, die
Gewerbesteuerbelastung der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen
Kapitalgesellschaften derjenigen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften
anzunähern, die sich nur mit der Verwaltung von Grundvermögen befassen und damit nicht
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der Gewerbesteuer unterliegen. Auch wenn der Geltungsbereich dieser
Kürzungsbestimmung in der Folgezeit in sachlicher (Zulassung sog. unschädlicher
Nebentätigkeiten wie Wohnungsbaubetreuung, Errichtung und Verkauf bestimmter Ein-
und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen) und persönlicher Hinsicht
(Einbeziehung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen) ausgedehnt wurde,
blieb ihr Grundgedanke, nämlich die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung
eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer zum Zwecke der Gleichbehandlung mit nur
Grundstücksverwaltung betreibenden Steuerpflichtigen freizustellen, erhalten (BFH, Urteile
vom 28.06.1973 IV R 97/72, BStBl II 1973, 688 und vom 31.07.1990 I R 13/88, BStBl II
1990, 1075).
Nach dem Gesetzeswortlaut ist die sog. erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9
Nr. 1 Satz 2 GewStG - abgesehen von den Fällen der in der Vorschrift ausdrücklich
genannten unschädlichen Nebentätigkeiten - nur zu gewähren, wenn der Unternehmer
ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet. Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu
den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten gehört,
schließt die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages somit grundsätzlich auch dann aus,
wenn sie von nur untergeordneter Bedeutung ist. Eine i. S. v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG
gewerblich geprägte Personengesellschaft, die eigenen Grundbesitz verwaltet, kann die
erweitere Kürzung danach grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen, wenn sie mit dem
Grundbesitz auch Betriebsvorrichtungen gegen Nutzungsentgelt überlässt. Da sich der
Begriff des Grundbesitzes i. S. v. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nach den bewertungsrechtlichen
Vorschriften richtet (vgl. BFH, Urteil vom 22.06.1977 I R 50/75, BStBl II 1977, 778), zählen
Betriebsvorrichtungen nicht dazu (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Gleichwohl stellt sich die
Frage, ob eine Personengesellschaft, die (nur) kraft gewerblicher Prägung gem. § 15 Abs. 3
Nr. 2 EStG der Gewerbesteuer unterliegt, auch dann "ausschließlich" eigenen Grundbesitz
verwaltet, wenn sie durch die Vermietung von Betriebsvorrichtungen in § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG nicht genannte und - für sich gesehen - nicht gewerbliche Hilfs- oder
Nebengeschäfte im Dienste der Grundstücksverwaltung tätigt. Nach der Rechtsprechung
des BFH kann ein Grundstücksverwaltungsunternehmen die erweiterte Kürzung auch dann
in Anspruch nehmen, wenn zu dem vermieteten Objekt Grundstücksteile gehören, die nur
wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch die Mieter Betriebsvorrichtungen sind (BFH, Urteil
vom 22.06.1977 I R 50/75, BStBl II 1977, 778). Der BFH hat die Anforderungen an eine
hiernach unschädliche Hilfstätigkeit im Dienste der Grundbesitzverwaltung in der Folgezeit
dahin präzisiert, dass die Vermietung der Betriebsvorrichtungen von untergeordneter
Bedeutung sein müsse und dieses Erfordernis jedenfalls dann nicht erfüllt werde, wenn
entweder der auf die Vermietung entfallende Gewinnanteil 20 % des
(gewerbesteuerpflichtigen) Gesamtgewinns erreiche (BFH, Urteil vom 26.02.1992 I R
53/90, BStBl II 1992, 738) oder die auf die Betriebsvorrichtungen entfallenden
Herstellungskosten 20 % der Herstellungskosten des vermieteten Grundbesitzes
überschreiten (BFH, Urteil vom 26.08.1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338). In dem zuletzt
genannten Urteil hat der BFH zudem ausgeführt, dass eine Ausnahme vom Gebot der
ausschließlichen Grundbesitzverwaltung nur für unbedeutende Neben- oder Hilfsgeschäfte
gelten könne, die als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten
Grundstücksverwaltung anzusehen seien, und hat darüber hinaus offengelassen, ob das
Ausschließlichkeitsgebot überhaupt Ausnahmen gestattet. Im Urteil vom 18.04.2000 (VIII R
68/98, BStBl II 2001, 359) hat der VIII. Senat des BFH - ohne dies abschließend zu
entscheiden - ausgeführt, er neige - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit - zu der Auffassung, dass eine in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht
genannte, für sich betrachtet nicht gewerbliche Tätigkeit dann der Anwendbarkeit dieser
Bestimmung nicht entgegensteht, wenn die Tätigkeit in jeder Hinsicht - d. h. sowohl mit
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Blick auf die absolute und relative Höhe der in Frage stehenden Aufwendungen als auch
im Hinblick auf die hieraus erzielten Erträge - völlig unwesentlich und damit in ihrem
wirtschaftlichen Gewicht vernachlässigbar ist.
Nach Auffassung des erkennenden Senats steht eine in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht
genannte, für sich betrachtet nicht gewerbliche Tätigkeit der Anwendung dieser
Bestimmung nicht entgegen, wenn es sich um eine in jeder Hinsicht völlig unwesentliche
und in ihrem wirtschaftlichen Gehalt vernachlässigbare Tätigkeit handelt (vgl. auch FG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.2002 1 K 2373/00, EFG 2003, 408). Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gebietet es, den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten Begriff
"ausschließlich" dahingehend auszulegen, dass es sich auch dann noch um eine
ausschließliche Grundstücksverwaltung i. S. dieser Norm handelt, wenn neben dem
Grundbesitz in völlig unwesentlichem und wirtschaftlich vernachlässigbarem Umfang auch
Betriebsvorrichtungen mitvermietet werden. Das sich aus dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebende Gebot der Proportionalität ist nicht mehr
gewahrt, wenn eine kaum in Erscheinung tretende Tätigkeit von ganz untergeordneter
Bedeutung dazu führt, dass die Gesamttätigkeit steuerlich anders behandelt wird; in diesem
Fall würde die "schädliche" Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslösen und
damit eine Bedeutung erlangen, die ihr von ihrem Gewicht her nicht zukommt (vgl. BFH,
Urteil vom 11.08.1999 XI R 12/98, BStBl II 2000, 229).
In Anwendung dieser Grundsätze bejaht der Senat im Streitfall eine in jeder Hinsicht völlig
unwesentliche und in ihrem wirtschaftlichen Gehalt vernachlässigbare Vermietung von
Betriebsvorrichtungen, die der Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht entgegen
steht. Die Erlöse aus der Vermietung von Betriebsvorrichtungen betrugen nach den
Feststellungen des Senats im Streitjahr 16.039.- DM bei Miet- und Pachterlösen von
insgesamt 1.310.548.- DM. Dies entspricht einem Anteil von 1,22 %. Bei dieser
Berechnung ist zu berücksichtigen, dass im Streitfall nicht die gesamte Siloanlage als
Betriebsvorrichtung zu qualifizieren ist, sondern insoweit eine Aufteilung in Gebäude
einerseits und Betriebsvorrichtungen andererseits zu erfolgen hat (vgl. dazu auch BFH,
Urteil vom 05.02.1965 III 35/61 U, BStBl III 1965, 220). Dabei stellt die äußere bauliche
Umschließung einer Siloanlage ein Gebäude dar, wenn sie ausreichenden Schutz gegen
äußere Einflüsse bietet, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet
und ausreichend standfest ist (Gürsching/Stenger, BewG/VStG, § 68 BewG, Rn. 200,
Stichwort: Silobauten). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Aus den im
Einspruchsverfahren übersandten Fotografien lässt sich entnehmen, dass das Silogebäude
diese Voraussetzungen erfüllt. Dies entspricht auch den Feststellungen des Finanzamtes
für Betriebsprüfung der Land- und Forstwirtschaft , wonach lediglich die in der Siloanlage
befindlichen maschinellen Anlagen - Elevatoren, Redler, Kühlgebläse und
Temperaturfühler - Betriebsvorrichtungen darstellen. Die für die Siloanlage im Streitjahr
erzielten Mieterlöse von 60.984.- DM (29.000.- DM Grundmiete + 31.984.- DM
mengenabhängige Miete, Bl. 10 d. A.) sind somit in einen Anteil "Gebäudemiete" und einen
Anteil "Miete Betriebsvorrichtungen" aufzuteilen. Teilt man die Mieterlöse im Verhältnis der
jeweiligen Herstellungskosten (Siloanlage insgesamt. 666.961.- DM, davon Maschinen
175.671.- DM, Bl. 12 d. A.) auf, ergibt sich ein auf die Betriebsvorrichtungen entfallender
Anteil von 26,3 % = 16.039.- DM. Bei Miet- und Pachterlösen von insgesamt 1.310.548.-
DM (1.175.360.- DM lt. GuV + 10.200.- DM (Werkswohnung) + 124.988.- DM (Tz. 13, 14 des
Betriebsprüfungsberichtes v. 05.02.1998) entspricht dies einem Anteil von 1,22 %. Ein
derart geringer Anteil "schädlicher" Einnahmen steht der Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG nach Auffassung des Senats nicht entgegen. Der Senat sieht sich in dieser
Ansicht bestätigt durch das die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG betreffende
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BFH-Urteil vom 11.08.1999 XI R 12/98 (BStBl II 2000, 229), wonach die umqualifizierende
Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei einem Anteil von 1,25 % der originär gewerblichen
Tätigkeit nicht eingreift. Auch die absolute Höhe der Einnahmen aus der Vermietung der
Betriebsvorrichtungen steht einer Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht entgegen.
Denn diese Einnahmen - und somit erst recht der insoweit erzielte Gewinn - lagen deutlich
unter der Freibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG (zu diesem Maßstab vgl. das
BFH-Urteil in BStBl II 2000, 229). Etwas Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der
absoluten Höhe und dem Anteil der Herstellungskosten der Betriebsvorrichtungen von
175.671.- DM an den Gesamtherstellungskosten von 6.095.792.- DM. Die absolute Höhe
von 175.671.- DM und der Anteil von 2,88 % sind jedenfalls nicht so gewichtig, als dass
allein deshalb eine Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausscheidet.
Andere schädliche Nebentätigkeiten der Klägerin hat der Senat nicht feststellen können.
Soweit das Finanzamt für Betriebsprüfung der Land- und Forstwirtschaft ursprünglich
ausgeführt hatte, die Klägerin habe im Rahmen der Siloanlagenvermietung Hilfe beim Be-
und Entladen der Transportfahrzeuge geleistet sowie die Ein- und Auslagerung im und am
Silo, die beleg- und mengenmäßige Überwachung der Zu- und Abgänge und Umlauf,
Kühlung, Belüftung und Begasung des gelagerten Getreides übernommen, hat es dies mit
Schreiben vom 28.07.1999 deutlich eingeschränkt und lediglich auf die ständige
Überwachung der Getreidelagerung abgestellt. Der Beklagte hat diesen Gesichtspunkt gar
nicht weiter verfolgt. Auch aus dem Schreiben der Klägerin an die "B" GmbH & Co KG vom
11.04.1995, das ausdrücklich Bestandteil des Mietvertrages geworden ist, ergibt sich, dass
die Ein- und Auslagerung sowie die Begasung durch die Mieterin erfolgen. Gegen
nennenswerte Hilfeleistungen der Klägerin spricht auch, dass diese außer ihrem
Geschäftsführer kein weiteres Personal beschäftigte. Soweit dieser der Mietern
gelegentlich behilflich war, erfolgte dies nach den vertraglichen Vereinbarungen
unentgeltlich und somit ohne Gewinnerzielungsabsicht.
Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist der Gewerbeertrag somit um den Teil zu kürzen, der
auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Die erweiterte
Kürzung betrifft jedoch nicht den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Vermietung der
Betriebsvorrichtungen entfällt (BFH, Urteil vom 22.06.1977 I R 50/75, BStBl II 1977, 778).
Gleichwohl kann im Streitfall eine genaue Berechnung des auf die Vermietung der
Betriebsvorrichtungen entfallenden Gewerbeertrages unterbleiben, da dieser bei
Einnahmen von 16.039.- DM jedenfalls unterhalb des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 Nr. 1
GewStG liegt, so dass der Gewerbesteuermessbetrag 0.- EUR beträgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Ob eine ausschließliche
Grundstücksverwaltung i. S. v. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann noch vorliegt, wenn
eine gewerblich geprägte Personengesellschaft eine völlig unbedeutende Nebentätigkeit
ausübt, und wie bejahendenfalls die Grenze für die Schädlichkeit der Nebentätigkeit zu
bestimmen ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. auch BFH, Beschluss vom
27.02.2002 IV S 7-10/01, BFH/NV 2002, 1052).