Urteil des FG Düsseldorf vom 10.02.2009

FG Düsseldorf: treu und glauben, steuerhinterziehung, in dubio pro reo, strafbefehl, beihilfe, steuersatz, strafbefreiung, bestimmtheit, abgabe, anweisung

Finanzgericht Düsseldorf, 8 V 2461/08 A (H)
Datum:
10.02.2009
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 V 2461/08 A (H)
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Auszugsweise Wiedergabe aus den Gründen:
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...
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Der Antrag ist unbegründet.
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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung
eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche
Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen
Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände
zu Tage treten, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der
Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (BFH-Urteil
vom 10. November 1994 IV R 44/94, BStBl II 1995, 814). Vorliegend bestehen keine
ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit und an der Rechtmäßigkeit des
Haftungsbescheides vom .... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom .....
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2. Die Wirksamkeit des angefochtenen Haftungsbescheides ist nicht ernstlich
zweifelhaft. Der Senat vermag sich der Ansicht des Antragstellers, der
Haftungsbescheid sei nichtig, weil es ihm ohne Angabe der Steuerschuldner und der
Höhe der einzelnen Steuerschulden an der hinreichenden Bestimmtheit mangele, nicht
anzuschließen. Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend
bestimmt sein. Die hinreichende Bestimmtheit setzt die festgesetzte Steuer nach Art und
Betrag und die Person des Steuerschuldners voraus (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Die
Besteuerungsgrundlagen müssen hingegen, soweit sie nicht gesondert festzustellen
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sind, nicht im anfechtbaren Teil des Steuerbescheides angegeben werden. Übertragen
auf den Haftungsbescheid bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BFH, der sich
der Senat anschließt, dass ein besonders schwerer Fehler nur dann anzunehmen ist,
wenn der Haftungsbescheid nicht die ihn erlassende Behörde, den Haftungsschuldner,
die Haftungsschuld und/oder die Art der Steuer angibt, für die der Haftungsschuldner
haften soll (BFH in BStBl II 1997, 306). Es ist für die inhaltliche Bestimmtheit eines
Haftungsbescheides nicht erforderlich, dass aus ihm der oder die Steuerschuldner
hervorgehen, und dass erkennbar ist, in welcher Höhe die Steuerschuld auf den
jeweiligen Steuerschuldner entfällt (BFH-Urteile vom 09. März 1982 VII R 47/79, Juris,
und vom 17. März 1994 VI R 120/92, BStBl II 1994, 536; BFH in BStBl II 1997, 306). Da
der angefochtene Haftungsbescheid den Antragsgegner als erlassende Behörde, den
Antragsteller als Haftungsschuldner, die Haftungsschuld der Höhe und der Art
(Einkommensteuer 1993) nach sowie den Haftungsgrund in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht ausreichend erkennen lässt, ist er hinreichend bestimmt und wirksam.
3. Bei summarischer Prüfung bestehen auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des
Haftungsbescheides keine ernstlichen Zweifel. Nach §§ 191 i.V.m. 71 AO kann
derjenige durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der an einer
Steuerhinterziehung teilnimmt. Er haftet für die verkürzten Steuern und für die Zinsen
nach § 235 AO.
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a) Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Aussetzungsverfahrens davon
überzeugt, dass eine Einkommensteuerschuld 1993 besteht, für die der Antragsteller
haftet, und dass diese Steuer von nicht enttarnten Kunden der A-Bank hinterzogen
wurde.
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aa) Das STRAFA-FA und das AG haben festgestellt, dass Kunden der A-Bank im
Hinblick auf die bevorstehende Einführung der sogenannten Zinsabschlagsteuer bereits
zu Beginn des Jahres 1992 durch die Verlagerung von Vermögenswerten ins Ausland
die späteren Erträge der deutschen Besteuerung endgültig entziehen wollten. Um vor
Nachforschungen der deutschen Steuerbehörden geschützt zu sein, hatten diese
Kunden ein Interesse, bei den Transfers keine Spuren zu hinterlassen, die eine
kundenbezogene Zuordnung der über die A-Bank getätigten Auslandstransfers
zuließen. Ihnen war an einem anonymen Transfer gelegen. Zahlreiche Kunden der A-
Bank machten von der seitens der Bank geschaffenen Möglichkeit, Bargeld und
Wertpapiere ohne Legitimationsprüfung anonym ins Ausland zu transferieren,
Gebrauch.
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Das STRAFA-FA hat während der 1996 begonnenen Steuerfahndungsprüfung wegen
des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch mehrere Mitarbeiter in
unterschiedlicher Stellung bei der A-Bank mit Hilfe der Bank einen Teil der Kunden, die
anonym Bargeld und/oder Wertpapiere zu den Auslandstöchtern der A-Bank transferiert
hatten, enttarnen können. Der Antragsgegner beziffert die Zahl der enttarnten Kunden
unwidersprochen auf "etwa ....". Bei diesen Kunden hat das STRAFA-FA festgestellt,
dass es so gut wie keinen Kunden gab, der die Kapitalerträge aus dem anonym
transferierten Vermögen in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte. Das
Motiv für die Anonymisierung der Transfers habe in der Absicht bestanden, die
Kapitaleinkünfte aus diesem Vermögen nicht zu versteuern. Lediglich bei rund 6 % habe
keine Steuerverkürzung festgestellt werden können. Bei etwa 94 % der identifizierten
Kunden ist es nach diesen - unstreitigen - Feststellungen tatsächlich zu einer
Steuerhinterziehung der Kapitaleinkünfte gekommen.
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bb) Der Senat hält es - entgegen der Ansicht des Antragstellers - für zulässig, die
Erkenntnisse über das Entstehen einer Steuerschuld und das Vorliegen einer
Steuerhinterziehung bei den etwa .... enttarnten Kunden für die Überzeugungsbildung
heranzuziehen, ob auch bei den nicht enttarnten Wertpapierkunden eine
Einkommensteuerschuld 1993 auf Kapitaleinkünfte aus den ins Ausland transferierten
Wertpapieren entstanden ist und ob die Steuer auf diese Erträge hinterzogen wurde. Die
..... Wertpapierkunden, die das STRAFA-FA nicht identifizieren konnte, haben wie die
enttarnten Kunden über die A-Bank Wertpapiere ohne Legitimationsprüfung anonym ins
Ausland transferiert. Sie bedienten sich wie die enttarnten Kunden der von der A-Bank
geschaffenen und vom Bundesgerichtshof (BGH) als "Verschleierungssystem für
anonyme Kapitaltransfers" bezeichneten (BGH-Urteil vom 01. August 2000 5 StR
624/99, BStBl II 2002, 79, unter A. der Gründe) Möglichkeit, Wertpapiere zu Gunsten der
beiden Auslandstöchter nicht unter ihrem Namen, sondern unter einem Kennwort oder
einer Nummer bei den Schaltern oder Anlageberatern der A-Bank effektiv einzuliefern,
statt - wie bis dahin erforderlich - die Identität offen zu legen.
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Der Senat kann keine vernünftigen Zweifel daran entdecken, dass auch für die nicht
enttarnten Kunden, die Wertpapiere anonym ins Ausland transferiert haben, eine
Steuerschuld entstanden ist und dass auch sie eine Steuerhinterziehung begangen
haben. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die nicht identifizierten Kunden im
Gegensatz zu den enttarnten die Erträge aus den anonym ins Ausland transferierten
Wertpapieren in ihren Einkommensteuererklärungen 1993 angegeben oder die Erträge
wegen anderer Besteuerungsgrundlagen nicht zu einer Steuerverkürzung geführt
hätten. Das Erlöschen einer aufgrund nicht erklärter Kapitaleinkünfte entstandenen
Steuerschuld durch Zahlung oder Aufrechnung, wie es der Antragsteller in Erwägung
zieht, hält der Senat für nicht möglich. Ferner ist nicht erkennbar, dass die Motivation
dieser Kunden für den anonymen Transfer eine andere hätte sein können, als bei den
rund .... identifizierten Kunden, zumal ein steuerehrlicher Kunde kein Interesse an einem
seine Identität verschleiernden Wertpapiertransfer unter ausschließlicher Angabe eines
Kennwortes oder einer Nummer hat. Die Entstehung der Steuerschuld und das
Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch die nicht enttarnten Wertpapierkunden
erachtet das Gericht für so wahrscheinlich, dass kein vernünftiger, die
Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch, Zweifel daran haben könnte.
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cc) In der Heranziehung der Feststellungen zu den identifizierten Kunden zwecks
Überzeugungsbildung hinsichtlich der Steuerhinterziehung der nicht enttarnten Kunden
liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz "in dubio pro reo". Dieser
strafverfahrensrechtliche Grundsatz, der auch im Finanzgerichtsverfahren zu beachten
ist, bedeutet keine Übernahme von Grundsätzen des Strafverfahrensrechts, sondern
lässt sich daraus ableiten, dass die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die
objektive Beweislast (Feststellungslast) für steueranspruchsbegründende Tatsachen
trägt (BFH-Urteil vom 07. November 2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364, unter II.1.a
der Gründe m.w.N.). Bezüglich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung ist kein
höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für
die das Finanzamt die Feststellungslast trägt. Da sich das Gericht - wie oben unter
II.3.a.bb dargelegt - die Überzeugung vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung der nicht
enttarnten Wertpapierkunden (sog. Haupttäter) verschafft hat, bedarf es, anders als bei
einem non liquet, keiner Feststellungslastentscheidung.
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dd) Für die vom Antragsteller für möglich gehaltene Abgabe strafbefreiender
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Erklärungen durch die nicht identifizierten .... Kunden und die sich daraus nach Ansicht
des Antragstellers ergebende Strafbefreiung für alle Tatbeteiligten gibt es keinerlei
Hinweise. Darüber hinaus käme - eine Abgabe entsprechender Erklärungen unterstellt -
die Unwirksamkeit solcher strafbefreienden Erklärungen in Betracht. Nach § 7 Nr. 2
StraBEG tritt die Strafbefreiung nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden
Erklärung einem Tatbeteiligten (hier dem Antragsteller) die Einleitung des
Strafverfahrens bekannt gegeben worden ist und der Erklärende (hier der nicht
identifizierte Kunde) dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit
rechnen musste.
Unabhängig von der Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und einem Ausschluss
der Strafbefreiung hätten wirksame strafbefreiende Erklärungen der nicht enttarnten
Wertpapierkunden keinen Einfluss auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen
des § 71 AO. Nach dieser Vorschrift haftet derjenige, der an einer Steuerhinterziehung
teilnimmt. Dazu muss der objektive und subjektive Tatbestand einer
Steuerhinterziehung sowie einer Beihilfe erfüllt sein. Ob eine Bestrafung des (Haupt-)
Täters und/oder des Gehilfen wegen eines Strafausschließungs- oder
Strafaufhebungsgrundes ausscheidet, ist hingegen unbeachtlich. Die Strafbefreiung, die
aufgrund einer wirksamen Strafbefreiungserklärung eintritt, stellt einen
Strafaufhebungsgrund dar, der keinen Einfluss auf die Verwirklichung des objektiven
und subjektiven Tatbestandes der Steuerhinterziehung und der Beihilfe hat (vgl. Rüping
in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 StraBEG Rz. 2 m.w.N.).
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b) Es ist ferner nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsteller an der
Steuerhinterziehung der nicht enttarnten Wertpapierkunden teilgenommen hat. Er hat
zur Überzeugung des Gericht vorsätzlich den nicht identifizierten Kunden zu deren
Steuerhinterziehung Hilfe geleistet. Als Hilfeleistung i.S. des § 27 des
Strafgesetzbuches ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung
des Taterfolgs des (Haupt-) Täters objektiv fördert (BGH in BStBl II 2002, 79, unter B.I.1.
der Gründe).
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aa) Mit den von ihm und ... erstellten Anweisungen vom .... 1992 und vom .... 1992
förderte der Antragsteller objektiv die Herbeiführung einer Steuerverkürzung der nicht
enttarnten Kunden. Erst durch die Anweisung vom .... 1992, die am ..... 1992 den mit
Wertpapiergeschäften betrauten Mitarbeitern zugeleitet wurde, konnten die Kunden, die
Wertpapiere anonym ins Ausland transferieren wollten, ihre effektiven Wertpapiere ohne
die bis dahin von den Mitarbeitern geforderte Legitimationsprüfung bei der A-Bank
entsprechend ihrer Angaben (z. B. Kennwort oder Kundennummer) einliefern. Seit der
Erweiterung dieser Anweisung durch die Anweisung vom .... 1992 war es darüber
hinaus möglich, bei einer vom Kunden gewünschten Auslandsverwahrung der
effektiven Stücke auf die Aneignungsermächtigung gemäß § 13 DepotG zu verzichten.
Die Ermöglichung eines anonymen Wertpapiertransfers ins Ausland durch die
Anweisungen vom ........ und ......... 1992 förderte die Steuerhinterziehung der nicht
enttarnten Kunden, weil die Anonymität das Entdeckungsrisiko bei Nichtangabe der
Kapitalerträge in den Steuererklärungen stark verringerte (zur Verringerung des
Entdeckungsrisikos als objektive Förderung der Haupttat s. BGH in BStBl II 2002, 79,
unter B.I.3.a der Gründe).
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Bei den Handlungen des Antragstellers, dem Erstellen der genannten Anweisungen,
handelt es sich um kausale Hilfeleistungen für die Steuerhinterziehung der nicht
identifizierten Wertpapierkunden. Nach den unwidersprochenen Ausführungen des
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Antragsgegners erfolgten alle anonymen Wertpapiereinlieferungen der nicht enttarnten
Kunden bis auf eine Ausnahme erst ab dem .... 1992. Bis dahin hatten die Mitarbeiter
der A-Bank bei von Kunden gewünschten anonymen Einlieferungen effektiver Werte
banküblich - auf einer Legitimation bestanden. Nur im Fall des nicht identifizierten
Kunden hat ein Mitarbeiter der A-Bank am ...... 1991 pflichtwidrig einen anonymen
Wertpapiertransfer vorgenommen, der aber - zutreffend - keinen Eingang in die
Berechnung der Haftungssumme gefunden hat.
bb) Der Antragsteller hielt es - zur Überzeugung des Senats - bei Erstellung der beiden
Arbeitsanweisungen zumindest für überaus wahrscheinlich (vgl. BGH in BStBl II 2002,
79, unter B.I.3.a der Gründe), dass die Bankkunden, die einen anonymen Transfer ihrer
effektiven Werte ohne Legitimationsprüfung zu einer Auslandstochter der A-Bank
wünschten, in der Absicht handelten, die aus den übertragenen Wertpapieren zu
erzielenden Erträge nicht zu versteuern. Dies war der plausibelste Grund und damit das
nächstliegende Motiv für einen anonymen Transfer. Für andere mit einem Transfer
verfolgte Ziele, wie etwa das Erlangen eines Liquiditätsvorteils durch den im Ausland
nicht erfolgenden Zinsabschlag und die erst nachgelagerte Besteuerung im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung, hätte es keiner Anonymisierung bedurft.
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Der Antragsteller, der ... über wirtschaftliches Verständnis verfügte, hat zwar in seiner
Klagebegründung behauptet, er habe keine Kenntnis vom Vorliegen einer geplanten
Haupttat gehabt. Er hat jedoch nicht erläutert, welche anderen Gründe eine
Anonymisierung des Wertpapiertransfers ins Ausland notwendig gemacht haben
könnten und warum es gerade vor dem Hintergrund der Einführung der
Zinsabschlagsteuer zu der enormen Nachfrage von Kunden auf Verzicht einer
Legitimationsprüfung bei der Einlieferung effektiver Werte kam. Die
Hinterziehungsabsicht der Kunden, die einen anonymisierten Wertpapiertransfer zu
einer Auslandstochter der A-Bank durchführen wollten, zumindest für überaus
wahrscheinlich haltend hat der Antragsteller die Arbeitsanweisungen vom .... und ....
1992 erstellt und dabei billigend in Kauf genommen, diesen Kunden die Erreichung
ihres Ziels zu erleichtern.
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cc) Dem Umstand, dass die Beihilfehandlungen des Antragstellers erhebliche Zeit vor
den jeweiligen (Haupt-) Taten der nicht enttarnten Kunden (Hinterziehung der
Einkommensteuer 1993) lagen, kommt keine Bedeutung zu. Für die tatsächliche
Förderung der (Haupt-) Taten durch den Gehilfen reicht es aus, dass dieser die (Haupt-)
Tat im Vorbereitungsstadium fördert (BGH-Urteil vom 21. Oktober 1999 4 StR 376/99,
Neue Zeitschrift für Strafrecht 2000, 86, unter II.3. der Gründe) solange die
Teilnahmehandlung wie hier - mit dem Willen und dem Bewusstsein geleistet wird, die
Tat zu fördern (BGH in BStBl II 2002, 79 unter B.I.3.c der Gründe).
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c) Des Weiteren begegnet es keinen ernstlichen Zweifeln, dass der Antragsgegner die
Höhe der hinterzogenen Steuern zu Recht unter Berücksichtigung der Feststellungen
bei den enttarnten Kunden nach § 162 AO geschätzt hat. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO
hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht
ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die
Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO). Es entspricht der
Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, dass für die Feststellung der
Höhe der hinterzogenen Steuern grundsätzlich eine Schätzung zulässig ist (BFH-Urteil
vom 01. August 2001 II R 48/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH 2002, 155, unter II.2.a der Gründe; BFH in BStBl II 2007, 364,
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unter II.1.d der Gründe).
Bei der Schätzung der hinterzogenen Einkommensteuer 1993 hat der Antragsgegner
den Nennwert der von den nicht enttarnten .... Kunden transferierten Wertpapiere i.H.
von ..... DM zu Grunde gelegt und darauf den festgestellten durchschnittlichen
Kapitalertrag der identifizierten Kunden i.H. von 8 % angewandt. Die sich daraus
ergebenden Kapitalerträge hat der Antragsgegner einem durchschnittlichen Steuersatz
von 35 %, den er aus den Veranlagungen von identifizierten Kunden errechnet hat,
unterworfen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass u.a. wegen anderer
Besteuerungsgrundlagen bei etwa 6 % der enttarnten Kunden hinsichtlich der
Kapitalerträge im Ausland keine Steuerverkürzung festgestellt wurde, sowie im Hinblick
darauf, dass eine Schätzung der hinterzogenen Steuern nicht an der oberen Grenze des
Schätzungsrahmens auszurichten ist, hat der Antragsgegner einen Abschlag von 25 %
vorgenommen und so eine hinterzogene Einkommensteuer 1993 von ...... DM (entspricht
......... Euro) errechnet.
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Zwar handelt es sich - worauf der Antragsteller zu Recht verweist - bei der Annahme
eines Steuersatzes von 35 % um eine Schätzung. Der genaue Steuersatz der nicht
enttarnten Kunden kann aufgrund der Anonymität, die der Antragsteller durch seine
Anweisungen vom ...... und ...... 1992 ermöglicht hat, nicht ermittelt werden. Allerdings
deutet die Spannbreite der Wertpapiertransfers nicht auf einen Durchschnittssteuersatz
von unter 35 % hin. Zudem beruht der Steuersatz von 35 % auf Ermittlungen bei den
enttarnten Kunden, bei denen sich auch der vom Antragsteller angeführte Aspekt des
nicht ausgenutzten Freibetrages bereits ausgewirkt hat. Es ist nichts dafür erkennbar,
dass der durchschnittliche Steuersatz bei der Gruppe der nicht enttarnten Kunden
deutlich von dem der Gruppe der identifizierten Kunden abweichen könnte. Zudem liegt
der angenommene Steuersatz von 35 % deutlich unter dem damaligen
Spitzensteuersatz von 53 %. Durch den Abschlag i.H. von 25 % ist weiteren
Unsicherheiten im Rahmen der Schätzung hinreichend Rechnung getragen worden.
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d) Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides ist ferner nicht ernstlich zweifelhaft,
soweit der Antragsgegner den Antragsteller für die Zinsen nach § 235 AO i.H. von ........
Euro in Haftung genommen hat. Der Teilnehmer einer Steuerhinterziehung haftet gem. §
71 AO auch für die Hinterziehungszinsen. Die Berechnung der Hinterziehungszinsen im
angefochtenen Haftungsbescheid ist schlüssig und wird vom Antragsteller nicht gerügt.
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e) Es bestehen darüber hinaus keine ernstlichen Zweifel, dass die Entscheidung des
Antragsgegners, den Antragsteller für hinterzogene Einkommensteuer 1993 i.H. von .......
Euro sowie für Hinterziehungszinsen i.H. von ....... Euro in Haftung zu nehmen,
ermessensgerecht war.
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aa) Der Antragsgegner hat - entgegen der Ansicht des Antragstellers - sein
(Entschließungs-)Ermessen nicht überschritten. Wie oben unter II.3.a und b der Gründe
dargelegt, haben das STRAFA-FA und das AG Feststellungen getroffen, die sich der
Antragsgegner zu Eigen gemacht und aus denen der Senat die Überzeugung
gewonnen hat, dass eine Steuerhinterziehung von nicht enttarnten Kunden begangen
wurde und der Antragsteller dazu Beihilfe geleistet hat.
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bb) Im Hinblick auf die gleichzeitige Inhaftungnahme von mehreren Mitarbeitern in
unterschiedlicher Stellung bei der A-Bank bestehen keine Zweifel, dass der
Antragsgegner sein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der Haftungsschuldner in nicht
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zu beanstandender Weise ausgeübt hat.
cc) Der Antragsgegner hat sein Ermessen zur Inhaftungnahme des Antragstellers auch
nicht deshalb missbräuchlich ausgeübt, weil er mit dem Erlass des Haftungsbescheides
gegen den Sinn und Zweck der Haftungsnorm und gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben verstoßen haben könnte.
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Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass § 71 AO dem Ausgleich des
Vermögensschadens dient, den der Steuerhinterzieher oder der Teilnehmer zu Lasten
des Fiskus verursacht hat (BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BStBl II 1995, 198,
unter B.II. der Gründe). Demgegenüber erfüllte die im Strafbefehl (betreffend M) gegen
die A-Bank als Nebenbeteiligte festgesetzte Geldbuße (§ 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4
OWiG) keinen Schadensersatzzweck, sondern diente der Abschöpfung des
wirtschaftlichen Vorteils, den die A-Bank durch die Straftat ihres Mitarbeiters M erlangt
hatte. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Strafbefehl, in dem das AG ausführt, dass bei
der Verhängung der Geldbuße der geschätzte wirtschaftliche Vorteil der A-Bank, der ihr
aus der Betreuung der identifizierten und nicht identifizierten Kunden erwachsen sein
dürfte, berücksichtigt worden sei. Durch die Inhaftungnahme des Antragstellers wird
nicht nochmals der wirtschaftliche Vorteil der A-Bank abgeschöpft, sondern Ersatz für
den Schaden, den der Fiskus durch die Hinterziehung der Einkommensteuer 1993
seitens der nicht enttarnten Kunden erlitten hat, verlangt.
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Ein Ermessensmissbrauch wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Antragsteller weist zwar zutreffend darauf hin,
dass im Strafbefehl - wie dargelegt - bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße
ausdrücklich auch auf die nicht identifizierten Kunden Bezug genommen worden sei.
Das AG erwähnt "ca. .... teilweise noch nicht identifizierte Kunden", die im
Schalterbereich der A-Bank insgesamt etwa ..... DM anonym an die Auslandstöchter der
A-Bank transferiert hätten. Dadurch sei ein Gesamtsteuerschaden von ... DM entstanden
(Strafbefehl, Seite 40). Dem Strafbefehl lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass durch
die Geldbuße i.H. von ... DM der dem Fiskus entstandene Steuerschaden ausgeglichen
werden sollte. Unabhängig davon, dass nicht erkennbar ist, wie durch eine Zahlung von
.... DM ein Schaden von .... DM ausgeglichen werden könnte, führt das AG aus, dass bei
der Festsetzung der Geldbuße der "geschätzte wirtschaftliche Vorteil’" der A-Bank, der
ihr "aus der Betreuung der Kunden und ihrer Vermögen erwachsen sein dürfte",
berücksichtigt worden sei. Der Antragsgegner setzt sich nicht - wie der Antragsteller
meint - in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten, wenn er nach Abschöpfung des
wirtschaftlichen Vorteils bei der A-Bank durch den Strafbefehl den Antragsteller für den
Vermögensschaden, der aufgrund der Steuerhinterziehung durch die nicht enttarnten
Kunden entstanden ist, in Haftung nimmt.
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4. Die Beschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob
bei der Überzeugungsbildung vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch
unbekannte Täter, zu der der in Haftung Genommene Beihilfe geleistet hat,
Feststellungen zu anderen Steuerhinterziehungen berücksichtigt werden können, auf
die sich der angefochtene Haftungsbescheid nicht erstreckt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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