Urteil des FG Düsseldorf vom 26.11.2003

FG Düsseldorf: kommission, bangladesch, form, fahrlässigkeit, ware, hersteller, vermittler, ausstellung, höhere gewalt, regierung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 2251/00 AO
26.11.2003
Finanzgericht Düsseldorf
4. Senat
Urteil
4 K 2251/00 AO
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt den Erlass von Zoll.
Die Klägerin, die nur mit wenigen Angestellten arbeitet, führte seit ihrer Gründung im
Dezember 1992 Textilien aus Bangladesch ein. Diese Einfuhren bildeten auch den größten
Teil ihrer Gesamteinfuhren. 1996 kamen 90 % ihrer Einfuhren aus Bangladesch. Daneben
hatte sie bis dahin nur noch Textilien aus der Türkei und anderen EG-Ländern eingeführt.
Die Klägerin ließ die aus Bangladesch eingeführten Textilien zum zollrechtlich freien
Verkehr abfertigen. Die Textilien hatte sie etwa 8 Monate vor ihrer Einfuhr an Großkunden,
insbesondere große Handelsketten mit engen Terminbindungen für die spätere Lieferung
und unter Inkaufnahme von teilweise hohen Vertragsstrafen bei nicht fristgerechten
Lieferungen verkauft. Dabei beinhalteten die Verträge mit ihren Kunden für die Klägerin
Rohmargen von 15 bis 20%. Die Kalkulationen der Klägerin beruhten auf einer zollfreien
Einfuhr.
Nur in ganz wenigen Fällen hatte die Klägerin Textilien mit Ursprung in Bangladesch ohne
Präferenznachweis gekauft und dafür nach ihren Angaben einen um den Zoll ermäßigten
Preis gezahlt, so dass ihre Gestehungskosten letztlich gleich geblieben sind.
Im Rahmen eines gegen den Geschäftsführer der Klägerin wegen anderer, tatsächlich nicht
präferenzbegünstigter Einfuhren aus Bangladesch am 14.11.1995 eingeleiteten, später
aber eingestellten Steuerstrafverfahrens gab der Geschäftsführer der Klägerin am
14.11.1995 gegenüber Beamten des Zollfahndungsamts und durch Schreiben vom
02.02.1996 an, die Vertragsverhandlungen nehme er per Telefon, Telefax oder seltener
persönlich vor Ort auf. Sofern eine Einigung möglich erscheine, würden die Gespräche
intensiviert. Dabei kalkuliere er seine Einkaufpreise unter Einschluss der
Präferenzbegünstigung und der Verwendung lokaler Ware. Dies stelle er auch bei den
Verhandlungen in den Vordergrund. Zu einem Vertragsschluss komme es nur, wenn der
Bezug von lokaler Ware mit entsprechenden Präferenzen zugesichert werden könne. Nach
Abschluss des mit Akkreditiv gesicherten Kaufvertrags gehe dieser an den Vertragspartner
in Bangladesch, der die Produktion aufnehme.
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Die Kaufverträge beruhten nur auf den Zusagen und Garantien der Lieferanten. Seien
Unterlagen fehlerhaft, könne sie weder die Verträge rückgängig machen, noch den ihr
dadurch entstandenen Schaden von ihren Lieferanten einfordern, zumal einige der
Lieferfirmen bereits ihren Betrieb eingestellt hätten.
Die Klägerin kaufte die von ihr eingeführten Textilien bei den Herstellern in Bangladesch,
die nach Angaben der Klägerin ihrerseits die Stoffe, die sie für die Herstellung der Textilien
benötigten, bei Webereien in Bangladesch kauften. Die Webereien erwarben nach
Angaben der Klägerin die zur Stoffherstellung benötigten Garne bei Spinnereien in
Bangladesch.
Zwischen der Klägerin und den Herstellern war ein Vermittler, die und im Bereich der
Oberbekleidung die B International Ltd. (B ) als Untervertreterin eingeschaltet.
Nach dem Vertretervertrag vom 20.06.1994 war der Vermittler (Vertreter) verpflichtet,
kompetente Hersteller der Rohware im asiatischen Raum (Pakistan, Indien, VR-China,
Taiwan etc.) als auch Hersteller der Produkte in Bangladesch für die Veredelung der
Produkte, die in die EG ausgeführt werden sollten, zu finden. Der Vermittler hatte nach dem
Vertrag alles vorzubereiten, damit die Aufträge an die Hersteller ordentlich erledigt werden,
insbesondere die Produktion des Rohmaterials als auch die Herstellung der Endprodukte
in Bangladesch zu kontrollieren. Der Vermittler war berechtigt, verschiedene Aufgaben wie
Kontrolle und Verschiffung der Waren der Tochtergesellschaft B International Ltd. zu
übertragen.
Die B fertigte Inspektionszertifikate.
Die Hersteller wurden durch den Vermittler oder die B auch unter Berücksichtigung der
Produktionskapazitäten und der termingerechten Fertigung und Verschiffung ausgewählt.
Genauere Aufträge nach Stil, Größe, Label, Verpackung sowie Preisen waren in "Order
Sheets" enthalten, die über den Vermittler oder die B International Ltd. an die jeweiligen
Hersteller weitergegeben wurden.
Trotz gerichtlicher Aufforderung hat die Klägerin die "Order Sheets" nicht vorgelegt.
Nach der weiteren Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin vom 02.02.1996 in dem
bereits erwähnten Steuerstrafverfahren wurde die bestellte Ware nach vollständiger
Fertigstellung zur Verschiffung in den Hafen transportiert.
Nachdem der Frachter mit der Ware den Hafen verlassen hatte, wurde durch die Behörde
vor Ort eine Exportbescheinigung ausgestellt, danach wurden die weiteren, vertraglich
vereinbaren Unterlagen zusammengestellt und vollständig einer Bank vor Ort zur
Überprüfung geschickt. Nach deren Überprüfung wurden die gesamten Unterlagen an eine
mit der Abwicklung in Deutschland beauftragte Bank übersandt. Wenn die Bank in
Deutschland die Überprüfung erfolgreich abgeschlossen hatte, war die Klägerin zur
Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Erst danach wurden ihr die Unterlagen ausgehändigt.
Bis dahin konnte die Klägerin nicht prüfen, ob die Unterlagen sachlich richtig und von der
zuständigen Behörde ausgestellt worden waren.
Am 02.01.1995 schloss die Klägerin mit der C Ltd. als Lieferantin allgemeine Bedingungen
für Kaufverträge ab, nach denen zusätzliche Bestimmungen und Bedingungen nur gültig
sein sollten, wenn sie schriftlich niedergelegt und durch die Gegenseite bestätigt worden
sind.
Weiter hatten die bestellten Artikel der Beschaffenheit der Muster in der
Materialzusammenstellung, der Form, der Herstellung und dem Stil zu entsprechen. Muster
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waren von der Lieferantin sofort nach Erteilung des Auftrags zu übersenden. Erst nach
Erhalt der Musterbestätigung durfte die Lieferantin die Herstellung aufnehmen.
Sofern der Kaufvertrag nichts anderes beinhaltete, war das Einkaufsland auch das
Ursprungsland. Die Lieferantin war für Schäden haftbar, wenn sie Abweichungen vom
Ursprung nicht vor Lieferung schriftlich mitteilte.
Die Zahlung erfolgte nach den im Kaufvertrag genannten Bedingungen. ... Die Lieferantin
war für die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Dokumente verantwortlich, die unter den
Dokumenten-Akkreditiven einzureichen waren.
Weiter wurde die Geltung deutschen Rechts und als Gerichtsstand der Sitz der Klägerin
vereinbart.
Vom 12.11. bis zum 05.12.1996 prüfte eine Delegation von UCLAF die Ausstellung der
Präferenzursprungszeugnisse in Bangladesch. Das Prüfungsergebnis ist im Bericht vom
18.03.1997 zusammengefasst.
Dabei wurde u.a. festgestellt, dass nur in sehr wenigen Fällen eine direkte Verbindung
zwischen dem Kauf von Garn, das in einer Spinnerei Bangladeschs hergestellt wurde, und
dem Enderzeugnis, das im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems ausgeführt wurde,
gefunden werden konnte. Üblicherweise wurde bei dem auf dem Markt Bangladeschs
gekauften Garn nicht dessen Herkunft berücksichtigt. Aus diesem Grund sind die meisten,
für gewirkte Waren ausgestellten Ursprungszeugnisse der Form A zu Unrecht ausgestellt
worden.
Das Untersuchungsergebnis fasste die Gemeinschaftsmission hinsichtlich der
Ursprungszeugnisse wie folgt zusammen:
Liste A: 157 Ursprungszeugnisse nach Form A, die in den Registern des EPB nicht
verzeichnet waren, für die in den Registern des EPB keine Kopien zu finden waren und bei
denen Stempel und Unterschriften der ausstellenden Beamten gefälscht waren. 259
Ursprungszeugnisse nach Form A, die zwar in den Registern des EPB geführt worden
waren, bei denen die Ausfuhr aber nicht durch die genannten Firmen in Bangladesch
erfolgt war.
Liste B: Ca. 6.000 Ursprungszeugnisse nach Form A fast ausschließlich für Gewirke, denen
unrichtige Angaben zu den bei der Herstellung verwendeten Rohstoffen zugrunde lagen.
Liste C: Ca. 8.000 Ursprungszeugnisse nach Form A, die sich in erster Linie auf Gewirke
bezogen und die aus Zeitgründen nicht geprüft werden konnten. Diese
Ursprungszeugnisse waren ebenfalls meistens zu Unrecht ausgestellt worden, da die
erforderliche Menge des vor Ort gesponnenen Garns nicht zur Verfügung stand.
Zudem ging die Gemeinschaftsmission davon aus, dass weitere 10.000
Ursprungszeugnisse nach Form A nicht im Einklang mit den präferenziellen
Ursprungsmerkmalen ausgestellt worden waren.
Am 20.09.1996 meldete die Klägerin eine Sendung gewebte Baumwoll-Herrenhemden der
Unterposition 6205 2000 KN aus Bangladesch zur Überführung in den zollrechtlich freien
Verkehr an (vereinfachte Zollanmeldungen des Zollamts mit der Ordnungsnummer 729372,
Sammelzollanmeldung des Hauptzollamts vom 04.10.96 BS 40260 Pos. 12). Dazu legte
sie u.a. ein Textilursprungszeugnis vom 22.08.1996 vor. Hersteller und Verkäufer war die C
Ltd. Die Sendung ist am 12.08.1996 verschifft worden.
Für die Sendung legte die Klägerin eine Rechnung mit folgender Warenbeschreibung vor:
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Shirt 100 % Cotton,
Die Zahlung des Kaufpreises war durch Akkreditiv gesichert. Im Akkreditiv war bestimmt,
dass für die Waren ein Ursprungszeugnis der Form A vorzulegen war.
Die Sendung war nach den vorgelegten Unterlagen den D -Großmärkten in Teilsendungen
auszuliefern, und zwar am 16.09.1996 in , am 24.09.1996 in und am 08.10.1996 in .
Da die Klägerin für diese Sendung den Präferenznachweis, das Ursprungszeugnis nach
Form A, nicht vorlegen konnte, erhob der Beklagte mit Steueränderungsbescheid vom
08.12.1997 von der Klägerin 6.921,53 DM Zoll nach. Den dagegen eingelegten Einspruch
nahm die Klägerin mit Schreiben vom 17.01.2000 zurück.
Mit Schreiben vom 17.12.1997 und vom 06.04.1999 beantragte die Klägerin, den
nachgeforderten Zoll nach Art. 239 der VO (EWG) Nr. 2913/92 zur Festlegung des
Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - zu erlassen. Insoweit trug sie vor, im Zusammenhang
mit der Wareneinfuhr liege weder eine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche
Fahrlässigkeit ihrerseits vor. Besondere Umstände hätten sich aus dem Fehlverhalten der
Europäischen Kommission (Kommission) und der Regierungsbehörden in Bangladesch in
bezug auf die Abwicklung des Präferenzsystems ergeben.
Auch liege es außerhalb des normalen Geschäftsrisikos, wenn sie einen Schaden zu
tragen habe, der durch die Ausnutzung handelspolitischer Maßnahmen hervorgerufen
worden sei.
Sie sei der Auffassung gewesen, dass das EPB auch während des Einfuhrzeitraumes
Januar bis August 1997 Ursprungszeugnisse der Form A - ggf. auch nachträglich -
ausstellen werde. Tatsächlich aber habe das EPB im Hinblick auf die Verhandlungen mit
der Kommission keine Ursprungszeugnisse erteilt. Das sei sogar dann vorgekommen,
wenn die Lieferanten den Ursprung in Bangladesch nachgewiesen hätten. Sie habe ihre
Ausführer wiederholt auf die Beschaffung der Ursprungszeugnisse hingewiesen, sei von
diesen aber immer wieder bis März 1999 vertröstet worden. Erst danach habe sie vom EPB
erfahren, dass man nachträglich für diese Einfuhren keine Ursprungszeugnisse der Form A
ausstellen werde.
Mit Verfügung vom 20.08.1999 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Dazu führte er aus,
wenn auch bei der Klägerin im Zusammenhang mit der Abgabe der Zollanmeldung und
den vorgelegten Unterlagen weder betrügerische Absicht noch offensichtliche
Fahrlässigkeit zu erkennen sei, gebe es bei der Anwendung der Präferenzregelung keinen
Gutglaubensschutz, weil die Klägerin schon bei Abgabe der Zollanmeldung keine
Präferenznachweise vorgelegt habe und deshalb nicht auf eine Präferenzbegünstigung
habe vertrauen können. Das gelte selbst dann, wenn ihr von anderer Seite positive
Zusicherungen gegeben worden sein sollten. Vielmehr habe sie im Rahmen
kaufmännischer Vorsicht Vorsorge für den eventuell zu zahlenden Zoll treffen müssen.
Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch, den die Klägerin nicht begründete, wies
der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.03.2000 als unbegründet zurück.
Dazu führte er aus, den Exporteuren in Bangladesch sei offensichtlich bewusst gewesen,
dass ihre in Bangladesch hergestellten Ursprungserzeugnisse nicht die Kriterien erfüllten,
um für sie Ursprungszeugnisse Form A und damit die Zollpräferenz im Einfuhrland zu
erlangen. Sie hätten sich deshalb Ursprungszeugnisse für textile Produkte vom EPB
ausstellen lassen, die die Klägerin bei Abgabe der vereinfachten Zollanmeldung vorgelegt
habe. Dem Vertragstext des Musterliefervertrags sei nicht zu entnehmen, dass der Lieferant
den Ursprung zu Präferenzbedingungen zu garantieren gehabt habe. Der Vertragstext
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lasse vielmehr den Ursprungsnachweis nach allgemeinen Bedingungen durch textile
Ursprungszeugnisse zu, die jedoch keine Präferenznachweise seien. Genau damit hätten
die Lieferanten ihre Verpflichtungen über den Nachweis der Ursprungseigenschaft aus
dem jeweiligen Kaufvertrag erfüllt.
Da schon die Exporteure auf die Ausstellung von Präferenznachweisen verzichtet hätten,
könne es hinsichtlich der Präferenznachweise gar nicht mehr zu einem Fehlverhalten der
Kommission oder der für die Ausstellung von Präferenznachweisen zuständigen Behörden
in Bangladesch kommen. Daher liege kein besonderer Umstand vor.
Persönliche Billigkeitsgründe seien ebenfalls keine besonderen Umstände.
Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, soweit das EPB
Ursprungszeugnisse nicht ausgestellt habe, dürfte das daran liegen, dass das EPB
aufgrund der Verhandlungen mit der Kommission generell keine Ursprungszeugnisse mehr
ausgestellt habe. Im Rahmen des Art. 239 ZK könne ein derartiges Verhalten nicht anders
beurteilt werden als die in der Vergangenheit vorgenommene unrichtige Ausstellung von
Ursprungszeugnissen, zumal sie und ihre Lieferanten bei Abschluss der Verträge davon
ausgegangen seien, dass Ursprungszeugnisse erteilt werden würden.
Auch seien von 1994 bis 1996 Tausende unrichtiger Ursprungszeugnisse der Form A
durch das EPB ausgestellt worden, auf deren Überprüfung die Kommission im Hinblick auf
die Flutkatastrophe 1998 und die Gleichbehandlung aller Einführer verzichtet habe. Dieser
Maßstab müsse auch für sie gelten, zumal sie für die von ihr eingeführten Waren die
Stellung von Ursprungszeugnissen vereinbart und einen höheren Preis akzeptiert habe.
Sie habe nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt, da ein offizieller Warnhinweis erst am
05.04.1997 erfolgt sei und vom EPB auch weiterhin Ursprungszeugnisse ausgestellt
worden seien.
Sie habe ein handelsübliches Geschäft getätigt und den Preis gezahlt, der bei Vorlage des
Ursprungszeugnisses der Form A üblich gewesen sei. Insoweit sei es Sache der
Verwaltung, ihr eine offensichtliche Fahrlässigkeit nachzuweisen.
Hinsichtlich des Ursprungs der Stoffe habe ihre Sorgfaltspflicht bei den Gesprächen mit
den Herstellern geendet, die ihr die Verwendung von Stoffen mit Ursprung in Bangladesch
zugesichert hätten.
In jedem Einzelfall sei mit dem Hersteller bei der Auftragserteilung abgesprochen worden,
dass ein Ursprungszeugnis der Form A vorliegen müsse und dass der Hersteller deshalb
lokale Ware zu verarbeiten habe. Darauf habe ihre Kalkulation beruht.
Soweit in den Verträgen von Warenursprung die Rede sei, sei damit selbstverständlich der
Präferenzursprung gemeint gewesen.
Besondere Umstände im Sinne des Art. 239 ZK und des Art. 905 Abs. 1 ZKDVO, die einen
Rechtsanspruch auf einen Erlass begründeten, lägen darin, dass der Regierung
Bangladeschs und dem EPB vorzuwerfen sei,
dass sie eindeutig gewusst hätten, dass es für die von ihnen ausgestellten
Ursprungszeugnisse für Textilien Vormaterialien nur in einem sehr begrenzten Umfang
gegeben habe,
dass sie bewusst Kontrollen der Ursprungsvoraussetzungen unterlassen hätten und
dass sie die Abweichung von den Ursprungsregelungen der EG erst am 13.05.1996 und
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nicht früher beantragt hätten.
Die Kommission habe zu Unrecht und zu Lasten der Einführer die Bewilligung einer
Abweichung von den Ursprungsregeln vom Widerruf bestimmter Präferenznachweise
abhängig gemacht, zu der die Regierung Bangladeschs sonst nicht bereit gewesen wäre.
Auch habe die Kommission Bangladesch erst 1993 auf die Möglichkeit der Derogation
hingewiesen.
Der Kommission sei vorzuwerfen,
dass sie einen ihr bekannten Zustand der unrichtigen Behandlung der
Ursprungsvorschriften durch die Behörden Bangladeschs über Jahrzehnte geduldet habe,
dass sie die Einführer erst mit der Bekanntmachung vom 05.04.1997 gewarnt habe, als die
streitigen Einfuhren schon getätigt worden seien,
dass sie vor und während der Mission im Herbst 1996 die relevanten Beweismittel nicht
zusammengestellt habe und
dass sie die Entscheidung über den Derogationsantrag schuldhaft verzögert habe.
Auch habe die Kommission - wie bereits dargelegt - auf die Überprüfung von mit Sicherheit
unrichtigen Präferenznachweisen verzichtet.
Im Rahmen des Art. 239 ZK müsse eine Gewichtung der festgestellten Vorwerfbarkeit und
eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche erfolgen. Dabei habe sie schuldlos
gehandelt, während den Behörden Bangladeschs und der Kommission erhebliche
Vorwürfe zu machen seien. Lägen wie hier Amtsfehler vor, führe das bei der
Risikozuordnung in Art. 239 ZK zu einem Erlass.
Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Ursprungszeugnisse pauschal widerrufen
worden seien und der gesamte Zoll nacherhoben worden sei, obwohl für etwa 15 % der
Einfuhren die Ursprungsvoraussetzungen gegeben gewesen sein müssten. Das sei
unverhältnismäßig.
Zudem könne das gesamte Verhalten der Kommission und der Behörden Bangladeschs
nur dahingehend verstanden werden, dass auf eine Einhaltung der Präferenzregeln bis
zum Inkrafttreten der Derogation verzichtet worden sei. Daher wäre die Ablehnung eines
Erlasses willkürlich.
Die sog. Textilursprungszeugnisse seien seinerzeit von den Herstellern (Ausführern)
mitgeliefert worden. Ob diese Ursprungszeugnisse zusätzlich zu den Ursprungszeugnissen
der Form A noch benötigt würden, habe sie, die Klägerin, nicht überprüft.
Wenn die Behörden Bangladeschs und der Kommission faktisch das gesamte vertraglich
geregelte Präferenzsystem außer Kraft gesetzt hätten, müssten auch
Präferenzbescheinigungen, von denen das EPB behaupte, sie stammten nicht von ihm, so
wie diejenigen Bescheinigungen behandelt werden, die das EPB bewusst unrichtig erstellt
habe.
Für das Missmanagement bei Durchführung und Kontrolle der Ursprungsregeln dürfe sie
nicht verantwortlich gemacht werden.
Auch zahle sie bei Kauf präferenzbegünstigter Ware einen höheren Preis als bei Ware
ohne Ursprungszeugnis. Die Differenz liege durchschnittlich in der Höhe des Zolls und
fließe dem Ausführer zu. Daher habe sie durch die präferenzbegünstigte Einfuhr
grundsätzlich keinen Vorteil.
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Hinsichtlich des Ursprungs der Stoffe habe ihre Sorgfaltspflicht bei den Gesprächen mit
den Herstellern geendet, die ihr die Verwendung von Stoffen mit Ursprung Bangladeschs
zugesichert hätten. Damals sei ihr im Gegensatz zur Kommission und den Behörden
Bangladeschs noch nicht bekannt gewesen, dass in Bangladesch nur in begrenztem
Umfang die Möglichkeit bestanden habe, für ausgeführte Textilien die
Ursprungseigenschaften sicherzustellen.
In jedem Einzelfall sei mit dem Hersteller bei der Auftragserteilung abgesprochen worden,
dass ein Ursprungszeugnis der Form A vorliegen müsse und dass der Hersteller deshalb
lokale Ware zu verarbeiten habe.
Wenn nicht von einigen Kunden ausdrücklich die Verwendung chinesischen Stoffs verlangt
worden sei, was im Kundenauftrag und im "Order Sheet" vermerkt worden sei und was
mangels Präferenzberechtigung zu einem niedrigeren Kaufpreis geführt habe, sei den
Lieferanten klar gewesen, dass die Waren den Ursprung Bangladeschs hätten haben
müssen. Andernfalls hätte dies schriftlich mitgeteilt werden müssen.
Sie habe nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt, denn die Abhilfe der Kommission im
Verfahren T-337/00 sei nur möglich, wenn eine offensichtliche Fahrlässigkeit zu verneinen
sei. Auch zeige der von ihr vorgelegte Vorlageentwurf des BMF auch für den Streitfall (Bl.
179 bis 183 der Gerichtsakte 4 K 8598/99 Z), dass das BMF von einer fehlenden
offensichtlichen Fahrlässigkeit ausgegangen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 20.08.1999 in der
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2000 zu verpflichten, ihren
Erstattungsantrag der Europäischen Kommission vorzulegen,
hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom
20.08.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2000 zu verpflichten, ihr
3.538,92 EUR. (6.921,53 DM) Zoll zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus,
die von der Klägerin vorgelegten Vertragsmuster schrieben nur die Vorlage von
Ursprungszeugnissen schlechthin, nicht aber die Vorlage von präferenziellen
Ursprungszeugnissen vor. Textilursprungszeugnisse seien der Klägerin von ihren
Lieferanten zur Verfügung gestellt worden.
Die Klägerin habe offensichtlich fahrlässig gehandelt. Einem Importeur, dessen
wirtschaftliche Existenz von der Inanspruchnahme von Zollpräferenzen abhänge, sei es
zuzumuten, sich über die Voraussetzungen der Präferenzgewährung genau zu informieren
und ihre Lieferanten entsprechend zu überwachen. Dies habe die Klägerin offensichtlich
unterlassen. Auch habe die Klägerin ihre Lieferanten nicht verpflichtet,
Ursprungszeugnisse der Form A vorzulegen. Den Lieferanten dürften ausweislich der
Handhabung in Parallelfällen die unterschiedlichen Bedeutungen der Ursprungszeugnisse
bekannt gewesen sein.
Ein Fehlverhalten wegen der vom EPB nicht ausgestellten Ursprungszeugnisse könne
weder dem EPB noch der Kommission angelastet werden.
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Besondere Umstände lägen nicht vor. Diese seien allenfalls bei vorgelegten
Präferenznachweisen denkbar.
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Derogationsverordnung, der VO (EG) Nr. 2260/97 stelle
keinen besonderen Umstand dar, der einen Erlass rechtfertigen könne.
Ein Verzicht auf Präferenznachweise, wie er aufgrund der späteren Flutkatastrophe
hingenommen worden sein könne, komme hier nicht Betracht, da die Einfuhren vor dieser
Katastrophe gelegen hätten.
Ein Warnhinweis sei aufgrund der exemplarisch dargelegten Verhältnisse unnötig.
Soweit die dänische Regierung die Dokumente der Listen A, B und C als einheitlichen
Vorgang betrachtet habe, seien unterschiedliche Sachverhalte beurteilt worden. Während
es bei den Listen B und C um von den zuständigen Behörden ausgestellte, später
widerrufene Präferenznachweise gegangen sei, seien die Dokumente der Liste A gar nicht
vom EPB ausgestellt worden.
Die Klägerin hat während des Klageverfahrens 4 K 8598/99 Z ihre Schriftsätze und eine
Stellungnahme der dänischen Regierung im Verfahren T-337/00 vor dem EuG vorgelegt. In
diesem Verfahren hatte die Klägerin den Erlass von Zoll für unzutreffend ausgestellte
Ursprungszeugnisse des EPB hauptsächlich für gewirkte Textilien begehrt. Diese
Ursprungszeugnisse waren in den Listen B und C zum o.a. Bericht der
Gemeinschaftsmission aufgeführt. Bei ihrer Ablehnung des Erlassantrags der Klägerin
hatte sich die Kommission u.a. darauf berufen, dass der Klägerin offensichtliche
Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, weil sie für andere als die vorm der EuG streitbefangenen
Einfuhren 160 falsche Ursprungszeugnisse verwendet habe. Auch habe die Klägerin als
mit üblicher Sorgfalt handelnder Wirtschaftsbeteiligter den Ursprung der Vormaterialien und
die Herstellungsbedingungen in Bangladesch feststellen müssen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Schriftsätze verwiesen.
Im Laufe des Klageverfahrens T-337/00 half die Kommission der Klage ab.
Das Gericht hat die Klägerin nach § 79b der Finanzgerichtsordnung - FGO - u.a.
aufgefordert, geordnet nach den o.a. Einfuhren unter Vorlage beweiskräftiger Belege
darzulegen,
wie die Kundenaufträge für die eingeführten Waren lauteten,
welche genauen Aufträge nach Stoffen, Stil, Größen, Farben, Druck, Verpackungen,
Auszeichnungen und anderen Merkmalen sie den Herstellern in Bangladesch erteilt habe,
wer die anweisungsgemäße Herstellung der Textilien überwacht habe und
wie die anweisungsgemäße Herstellung der Textilien überwacht worden sei.
Dazu hat die Klägerin die Zollbelege, Kopien der Präferenznachweise und
Handelsrechnungen sowie Bestellungen der D und Auftragbestätigungsschreiben der
Klägerin an die GmbH & Co. sowie handschriftlich ausgefüllte Aufträge der , die
ausschließlich Mengenangaben für die einzelnen Lager enthielten, vorgelegt. Die für die
Produktion nach Angaben der Klägerin maßgebenden "Order Sheets" hat sie nach eigenen
Angaben nicht vorlegen können.
In den im Verfahren 4 K 8598/99 AO vorgelegten "Order Sheets", die an die B gerichtet
waren, wird die Ware wie folgt beschrieben:
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Article.No. L&S Art.Nr. 8704363
Article Mens Flanell Full Sleve Shirt in Check-Design with one chest Pocket
Fabrics 100 % Cotton
Size/Ratio M L XL XXL
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Button Poly Button
Darüber hinaus haben die "Order Sheets" eingehende Beschreibungen der Verpackungen,
Label, Packmaße, Stückzahlen sowie die Angabe des Verschiffungstermins und des
Preises enthalten.
Weiter hat die Klägerin ausgeführt, bei den eingeführten Flanellhemden handele es sich
um einen festen Bestandteil ihres Lieferprogramms, den sie auch auf Lager habe.
Gleichwohl seien für alle Bestellungen "Order Sheets" gefertigt und dem Vermittler oder der
B zur Weiterleitung an die Hersteller erteilt worden. Die Überwachung der Herstellung sei
durch die der B stichprobenweise vor Ort und in Form einer Endkontrolle zur Einhaltung
von Termin und der Qualität erfolgt.
Das Gericht hat in den von der Klägerin betriebenen Verfahren 4 K 5220/97 Z, 4 K 8598/99
AO und 4 K 2251/00 AO, die sämtlich Einfuhren von Textilien aus Bangladesch betreffen,
die Gerichts- und Verwaltungsakten zum Gegenstand der jeweils anderen Verfahren
gemacht.
Weiter hat das Gericht mitgeteilt, nach Vorberatung sei davon auszugehen, der Regierung
Bangladeschs und dem EPB sei im Allgemeinen hinsichtlich der Nutzung des APS
vorzuwerfen,
dass sie eindeutig gewusst hätten, dass es Vormaterialien für die von ihnen
ausgestellten Ursprungszeugnisse für Textilien nur in einem sehr begrenzten Umfang
gegeben habe,
dass bewusst Kontrollen der Ursprungsvoraussetzungen unterlassen worden seien und
dass die Abweichung von den Ursprungsregelungen der EG erst 1996 und nicht früher
beantragt worden sei.
Der EG-Kommission sei in diesem Zusammenhang vorzuwerfen,
dass sie einen ihr bekannten Zustand der unrichtigen Behandlung der
Ursprungsvorschriften durch die Behörden Bangladeschs über Jahrzehnte geduldet habe
und
dass die Einführer erst mit der Bekanntmachung vom 05.04.1997 gewarnt worden seien.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die beantragte Erstattung abgelehnt. Der Klägerin steht kein
Erstattungsanspruch nach Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich ZK zu, so dass der Beklagte zu einer
Erstattung auch nicht nach § 101 FGO verpflichtet werden konnte.
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Die Klägerin hat nämlich offensichtlich fahrlässig gehandelt, so dass ihr
Erstattungsanspruch nach Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich ZK schon deshalb entfällt.
Der Begriff der offensichtlichen Fahrlässigkeit ist aufgrund seiner systematischen Stellung
in Art. 239 ZK, der eine Ausnahmevorschrift des gewöhnlichen Ein- und Ausfuhrsystems
darstellt und eine Erstattung nur in eigens dafür vorgesehenen, zwangsläufig begrenzten
Fällen erlaubt, eng auszulegen (EuGH, Urteil v. 11.11.1999, C-48/98, Rz. 52 Slg. 1999, I-
7877 ff.). Dabei ist insbesondere auf die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung
die Zollschuld begründet, abzustellen sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des
Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen (EuGH, Urteil v. 11.11.1999, C-48/98, Rz. 56
aaO.; Urteil v. 13.03.2003, C-156/00 Rz. 92).
Die offensichtliche Fahrlässigkeit in Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich entspricht nämlich der
Erkennbarkeit des Irrtums in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK (EuGH Urteil v. 01.04.1993, C-
250/91, Rz. 46, Slg. 1993 I-1819; Urteil v. 26.11.1998, C-370/96, Rz. 30, Slg. 1998, I-7711
ff., ZfZ 1999, 86 f., 87; Urteil v. 13.03.2003, C-156/00 Rz. 92 bis 101).
Der Zoll, dessen Erstattung die Klägerin begehrt, ist aufgrund der Nichtvorlage der
Präferenzursprungszeugnisse entstanden.
Das Erfordernis der Vorlage eines Ursprungszeugnisses der Form A ist für 1996 Art. 1 Abs.
4 VO (EWG) Nr. 3281/94 in Verbindung mit Art. 77 ZKDVO in der Fassung der VO (EG) Nr.
3254/94 (ABl. Nr. L 346/1) zu entnehmen.
Diese Vorschriften sind einfach.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen erfahrenen Wirtschaftsbeteiligten, der in
erheblichem Umfang Textilien aus Bangladesch unter Ausnutzung der
Präferenzbegünstigung einführte. Diese Erfahrung verlangt bei einem normalen
Geschäftsrisiko, zu dem neben Unrichtigkeit und Fälschung von vorgelegten
Präferenznachweisen auch deren Fehlen gehört (s. EuGH Urteil v. 17.07.1997, C-97/95,
Rz. 59, ZfZ 1997, 372 ff., 375), Vorsorgemaßnahmen, deren Unterlassen in erheblicher
Weise sorgfaltswidrig ist.
Vorsorgemaßnahmen waren im Streitfall schon deshalb angebracht und geboten, weil
gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin wegen gefälschter
Präferenzursprungszeugnisse am 14.11.1995 die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens
bekannt gegeben worden ist. Damit war der Klägerin unmittelbar bekannt geworden, dass
mit Ursprungszeugnissen Manipulationen begangen worden sein können.
Zudem war die Klägerin aufgrund ihrer geringen Gewinnspanne darauf angewiesen, die
erworbene Ware zollfrei und damit präferenzbegünstigt einführen zu können, weil sie
andernfalls Verluste erlitten hätte.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die präferenzbegünstigte Herstellung der eingeführten
gewebten Herrenhemden der Position 6205 nur ursprungsbegründend ist, wenn die
Hemden gemäß Art. 69 Abs. 2 ZKDVO in Verbindung mit Anhang 15 zur ZKDVO aus
Garnen hergestellt sind. Das bedeutet, dass die für sie verwendeten Stoffe in Bangladesch
gewebt worden sein müssen. Auf den Ursprung der Garne und auf die Verwendung
importierter Garne kommt es insoweit nicht an.
Der Klägerin müssen diese Voraussetzungen jedenfalls dem Grunde nach bekannt
gewesen sein, denn sie will nach ihrem Vortrag bei den Herstellern auf die Verwendung
lokaler Ware gedrungen haben.
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Vorsorgemaßnahmen derart, dass die Klägerin im Streitfall nur die Lieferung von Waren,
die eindeutig präferenziellen Warenursprung hatten, vereinbart hatte, ließen sich nicht
feststellen.
Den von der Klägerin mit den Herstellern/Verkäufern abgeschlossenen Verträgen kann
nicht eindeutig entnommen werden, dass für die hier streitbefangenen Sendungen die
Vorlage von Ursprungszeugnissen der Form A vereinbart war.
Eine derartige Vereinbarung ist weder den vorgelegten Handelsrechnungen, noch den
Allgemeinen Bedingungen für Kaufverträge zu entnehmen. Die Handelsrechnungen
enthielten keinen Hinweis auf die geforderten Präferenznachweise.
Zwar war nach den mit der C Ltd. abgeschlossenen Allgemeinen Bedingungen für
Kaufverträge das Einkaufsland auch das Ursprungsland. Zudem hatten die Lieferanten für
Schäden zu haften, wenn sie Abweichungen vom Ursprung nicht vor Lieferung schriftlich
mitteilten.
Allein aus der vertraglichen Bestimmung des Ursprungslands in den Allgemeinen
Bedingungen für Kaufverträge ergibt sich nicht, dass sich im konkreten Fall das
Ursprungsland aus den Regelungen über den Präferenzursprung zu ergeben hatte.
Darüber hinaus lassen die Allgemeinen Bedingungen für Kaufverträge als auch der Vertrag
mit dem Vermittler die Möglichkeit der Verwendung anderer, nicht ursprungsbegründender
Vorerzeugnisse zu. Der Vermittler war u.a. mit der Ermittlung kompetenter Hersteller von
Rohware im asiatischen Raum befasst.
Welche Vereinbarungen für die o.a. Einfuhren konkret geschlossen wurden, hat die
Klägerin nicht dargetan. Die sogenannten "Order Sheets", aus denen sich Einzelheiten der
Aufträge für die konkreten Lieferungen ergaben, hat die Klägerin nicht vorgelegt.
Zwar hat die Klägerin vorgetragen, in jedem Einzelfall sei mit dem Hersteller bei der
Auftragserteilung abgesprochen worden, dass ein Ursprungszeugnis der Form A vorliegen
müsse und dass der Hersteller deshalb lokale Ware zu verarbeiten habe. Auch sei, soweit
in den Verträgen von Warenursprung die Rede sei, damit selbstverständlich der
Präferenzursprung gemeint gewesen.
Dieser Vortrag kann jedoch nicht überzeugen. Für die konkreten Einfuhren ist auch unter
Berücksichtigung der von der Klägerin dargestellten Auftragsabwicklung nicht erkennbar,
dass Präferenzursprungsware Bangladeschs geliefert werden sollte. Insoweit sind die von
ihr vorgelegten Unterlagen, bei denen die insoweit maßgebenden "Order Sheets" fehlen,
lückenhaft.
Darüber hinaus sind die "Order Sheets", die im Verfahren 4 K 8598/99 AO vorgelegt
wurden, in bezeichnender Weise "beredt". Aus ihnen kann nämlich die Stoffqualität in einer
Weise, die einen Rückschluss auf eine präferenzbegünstigte Herstellung zulässt, nicht
entnommen werden. Aus den "Order Sheets" sind zwar neben der Artikel-Nummer, der
Bezeichnung der Ware, den zu liefernden Größen und der zu verwendenden Knöpfe
eingehende Beschreibungen der Verpackungen, Label, Packmaße, Stückzahlen sowie die
Angabe des Verschiffungstermins und des Preises zu entnehmen. Hinsichtlich der
Stoffangabe erschöpfen sich die "Ordersheets" jedoch in der Angabe "100 % Cotton". Mit
dieser Stoffbezeichnung ist nicht nachvollziehbar, wie der Stoff auszusehen hatte, der den
von der Klägerin bestellten Waren zugrunde zu liegen hatte. Zu seiner Dicke,
Oberflächenbeschaffenheit und den verwendeten Farben und Designs gibt es keine
Angaben. Mangels dieser Angaben ist nicht nachvollziehbar, ob die verwendeten Stoffe
auch in Bangladesch gewebt wurden oder hätten gewebt werden können. Auch ist damit
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aus den "Order Sheets" allein nicht zu erkennen, wie die bestellten Hemden auszusehen
hatten.
Dass die Warenbeschreibung auch unter Berücksichtigung der "Order Sheets" ungenau ist,
zeigt sich auch an den Handelsrechnungen. In der Rechnung der C Ltd. wird die Ware
hinsichtlich des zu verwendenden Stoffs nur mit 100 % Cotton und der Schnitt mit "24X13
42x44, Normal Back-Length" bezeichnet.
Zudem nehmen die Handelsrechnungen auf trotz gerichtlicher Aufforderung nicht
vorgelegte Aufträge Bezug.
Diese Lückenhaftigkeit der vorgelegten Vertragsunterlagen ist umso erstaunlicher, wenn
weiter berücksichtigt wird, dass gerade die für die Klägerin existenzwichtige Frage der
präferenzbegünstigten Herstellung nicht schriftlich, sondern nur mündlich vereinbart
worden sein soll.
Darüber hinaus spricht auch der Umstand, dass die Klägerin die Lieferung von Ware ohne
Präferenznachweis hingenommen und nur auf das Versprechen, ein Präferenznachweis
werde nachgereicht, den vollen Kaufpreis gezahlt hat, gegen die feste Vereinbarung eines
präferenzbegünstigten Ursprungs nebst Verpflichtung zur Vorlage eines entsprechenden
Präferenznachweises.
Der Senat sieht keinen Anlass, diesen in Bangladesch stattgefunden habenden
Sachverhalt weiter aufzuklären, denn die Klägerin ist nach § 79b Abs. 2 FGO u.a. zur
Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens offensichtlicher Fahrlässigkeit
aufgefordert worden, ihre genauen Aufträge an die Hersteller in Bangladesch darzustellen.
Dem ist sie nur in der dargestellten Weise nachgekommen.
Eine sich aus dem zuvor Dargestellten ergebende Zusammenschau aller Umstände lässt
nur den Schluss zu, dass eine eindeutige Vereinbarung eines präferenzbegünstigten
Ursprungs mit der Vorlage des entsprechenden Ursprungszeugnisses nicht vereinbart
worden ist. Sind wie im Streitfall alle Vereinbarungen, die auf eine präferenzbegünstigte
Herstellung und die Einhaltung der diesbezüglichen Regelungen schließen lassen, unklar
und lückenhaft dargestellt und beruhen sie angeblich nur auf mündlichen Absprachen,
obwohl wesentlich unwichtigere Teile der Vertragsabwicklung eindeutig schriftlich
vereinbart wurden, muss angenommen werden, dass diese Vereinbarungen tatsächlich
nicht getroffen worden sind.
Aufgrund dieser Umstände besteht auch kein Anlass zur Annahme, die Verträge mit der C
Ltd. seien nach gängiger Handelspraxis geschlossen worden.
Weitere Vorsorgemaßnahmen, mit der die Klägerin die präferenzbegünstigte Herstellung
überwacht hat, sind gleichfalls nicht zu erkennen.
Die Klägerin hatte sowohl den Vermittler als auch die B mit der Produktionsüberwachung
beauftragt. Dazu wurde die Herstellung stichprobenweise vor Ort und in Form einer
Endkontrolle zur Einhaltung von Termin und der Qualität durchgeführt.
Eine Nutzung dieser Kontrollen zur Feststellung der präferenzbegünstigten Herstellung ist
nicht erkennbar. Dies wäre durchaus möglich gewesen, da für die gewebte Ware dem
Vermittler und der B nur der Erwerb der verwendeten Stoffe von Webereien aus
Bangladesch hätte nachgewiesen werden müssen.
Im Hinblick auf die behaupteten Vereinbarungen zur präferenzbegünstigten Herstellung
hätten sich die Hersteller dieser Prüfung kaum widersetzen können.
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Das Unterlassen von möglichen und zumutbaren Vorsorgemaßnahmen stellt ein erheblich
sorgfaltswidriges Verhalten der Klägerin dar, das für sich allein schon eine offensichtliche
Fahrlässigkeit begründet, die den Erstattungsanspruch ausschließt.
Weiter hat die Klägerin die ihr eingeräumten Befugnisse aus dem Akkreditiv nicht genutzt.
Bedingung des Akkreditivs war nämlich die Stellung eines Ursprungszeugnisses der Form
A. Damit hätte es die Klägerin in der Hand gehabt, unter Drohung der Nichtabnahme der
gesamten Sendung eine Kaufpreisminderung um die Zollbelastung zu erreichen. Indem sie
das nicht getan hat, ließ sie ein handelsübliches und naheliegendes Sicherungsmittel
ungenutzt. Schon deshalb hat sie grob sorgfaltswidrig gehandelt, als sie der
Kaufpreiszahlung in vollem Umfang zugestimmt hat.
Das gilt auch dann, wenn der Termindruck der Abnehmer der Klägerin keine
Neuverhandlungen über den Kaufpreis unter Berücksichtigung des fehlenden
Präferenznachweises zugelassen haben sollten. In diesem Fall handelt es sich
ausschließlich von der Klägerin zu tragende kaufmännische Entscheidungen. Die Klägerin
hat ihre Käufer unter Inkaufnahme von deren engen Terminplänen ausgewählt und hätte für
den Fall von durchaus denkbaren Schwierigkeiten ausreichende zeitliche Puffer vorsehen
müssen, die beispielsweise auch die Berücksichtigung von vorzulegenden, nun aber
fehlenden Präferenznachweisen erlaubt hätten.
Auch die Hinnahme eines Termindrucks, der der Klägerin die naheliegende Verwirklichung
eigener Rechte versagt, stellt ein erheblich sorgfaltswidriges Verhalten dar, das für sich
allein schon eine offensichtliche Fahrlässigkeit der Klägerin begründet.
Die von der Klägerin genannten Gründe für ihre Annahme, offensichtliche Fahrlässigkeit
sei ihr nicht vorzuwerfen, können nicht überzeugen.
Soweit die Klägerin meint, die Abhilfeentscheidung der Kommission im Verfahren T-337/00
zeige, dass auch die Kommission von einer fehlenden offensichtlichen Fahrlässigkeit
ausgegangen sei, kann dies für den Streitfall nicht überzeugen.
Der Entscheidung der Kommission lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. In dem vor der
Kommission zu entscheidenden Fall waren von der Klägerin nur inhaltlich unzutreffende
Ursprungszeugnisse der Form A vorgelegt worden, so dass es dort auf das Vertrauen der
Klägerin in die inhaltliche Richtigkeit dieser Ursprungszeugnisse ankam. Hier aber ist gar
kein Präferenznachweis vorgelegt worden, so dass eine Prüfung eines Erstattungsantrags
zur Folge hat, dass zunächst Gründe für ein Vertrauen in die Ausstellung eines
Präferenznachweises und erst danach die Annahme eines berechtigten Vertrauens in
seine Richtigkeit festzustellen gewesen wäre. Damit war im Streitfall erst die Verpflichtung
zur Vorlage eines Präferenznachweises und dann die Verpflichtung zur
präferenzbegünstigten Herstellung und die Überwachung beider Pflichten zu prüfen.
Darüber hinaus war der Sachverhalt hinsichtlich der gesamten vertraglichen Bindungen der
Klägerin und ihrer Einfuhrabwicklung in dem von der Kommission entschiedenen Fall
anders als im Streitfall nicht in dem erforderlichen Umfang dargestellt worden.
Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift im Verfahren T-337/00 bei der Darstellung des
Sachverhalts einen in wesentlichen Punkten von dem im Streitfall anzunehmenden
Sachverhalt abweichenden Sachverhalt dargestellt.
Im Verfahren T-337/00 hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie sich in Bangladesch
sowohl eines Vermittlers, der A , als auch der B bediente. Auch blieb im Verfahren T-
337/00 verborgen, dass der Vermittler die vertragliche Aufgabe hatte, alles so
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vorzubereiten, damit die Aufträge an die Hersteller ordentlich erledigt werden konnten.
Dazu hatte der Vermittler insbesondere auch die Produktion des Rohmaterials als auch die
Herstellung und Endprodukte in Bangladesch zu kontrollieren.
Gerade die zuletzt genannten Umstände hätten dazu geführt, dass der auch im Verfahren
T-337/00 erhobene und von der dänischen Regierung unterstützte Vortrag der Klägerin,
ihre Sorgfaltspflichten hätten bei den Gesprächen mit den Herstellern geendet und es sei
nicht ihre Aufgabe gewesen, den Ursprung der Vormaterialien und die konkreten
Herstellungsbedingungen festzustellen, widerlegt worden wäre.
Zudem wäre aufgrund der Unterlagen, die die den Herstellern in Bangladesch erteilten
Aufträge wiedergeben sollten, nebst den weiteren, in diesem Verfahren vorgelegten
Unterlagen erkennbar gewesen, dass die Klägerin eine Einfuhr präferenzbegünstigter
Waren gar nicht vereinbart hatte.
Diese Mängel in der Darstellung des Sachverhalts lagen ebenfalls den Beurteilungen
durch die dänische Regierung und durch die deutsche Zollverwaltung in Gestalt des
Beklagten, der Oberfinanzdirektion und des BMF zugrunde, so dass die Klägerin aus deren
Beurteilung ihrer offensichtlichen Fahrlässigkeit nicht mehr herleiten kann als aus der
Beurteilung der Kommission.
Wenn auch die deutsche Zollverwaltung den tatsächlichen Sachverhalt durch Anordnung
einer Außenprüfung (Art. 78 ZK in Verbindung mit §§ 193 ff. AO) leicht hätte ermitteln
können und sich eine Außenprüfung angesichts des Volumens der begehrten
Erstattungsansprüche auch aufgedrängt hätte, führt dieses Unterlassen nicht dazu,
nunmehr zugunsten der Klägerin von einem Fehlen der offensichtlichen Fahrlässigkeit
auszugehen. Vielmehr kannte die Klägerin den zutreffenden Sachverhalt und damit die in
der Beurteilung der Kommission fehlenden Teile.
Im Streitfall gibt es auch keinen Anlass, wegen des gegenüber dem Geschäftsführer der
Klägerin eingestellten Steuerstrafverfahrens vom Fehlen einer offensichtlichen
Fahrlässigkeit auszugehen. Die Voraussetzungen für den Vorwurf einer durch die
Verwendung gefälschter Präferenznachweise begangenen Steuerhinterziehung gegenüber
dem Geschäftsführer der Klägerin sind ganz andere als für die hier zu prüfende
offensichtliche Fahrlässigkeit. Das Steuerstrafverfahren war einzustellen, als erkennbar
war, dass dem Geschäftsführer der Klägerin eine Kenntnis von den Fälschungen oder eine
Beteiligung daran nicht nachgewiesen werden konnte. Dabei waren diesbezügliche
Ermittlungen in Bangladesch, die allein in der Lage gewesen wären, die genaue Herkunft
der vorgelegten Papiere zu ermitteln, faktisch unmöglich. Demgegenüber kommt es für die
Frage einer offensichtlichen Fahrlässigkeit nur auf die bereits oben dargestellten
Grundsätze an.
Die fehlende offensichtliche Fahrlässigkeit kann auch nicht mit der Zahlung der für
präferenzbegünstigte Waren höheren Preise angesichts der geringen Handelsmargen der
Klägerin begründet werden.
Selbst wenn die Klägerin für die Einfuhren des Streitfalls die Vereinbarung höherer Preise
als für nicht präferenzbegünstigte Einfuhren hätte nachweisen können, hätte sie dieser
Umstand gerade angesichts ihres geringen Handelsaufschlags und der seinerzeit noch
hohen Zollsätze für Textilien veranlassen müssen, die für ihre Einfuhren insgesamt
lebenswichtige Präferenzberechtigung zu ermitteln und zu überwachen. Da es daran aber,
wie bereits dargestellt, gefehlt hat, begründen derartige Geschäfte vielmehr die
offensichtliche Fahrlässigkeit.
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Die von der Klägerin gerügten fehlenden Überwachungsmaßnahmen der Kommission -
und auch der Behörden Bangladeschs haben gleichfalls keinen Einfluss auf das Vorliegen
offensichtlicher Fahrlässigkeit. Mit den pflichtwidrig unterlassenen Maßnahmen wäre
lediglich sichergestellt worden, dass nur für Textilien, für die EG in der ZKDVO eine
ursprungsbegründende Herstellung annimmt, Ursprungszeugnisse der Form A erteilt
werden. Damit ist aber nicht dargetan, dass die Klägerin für ihre o.a. Einfuhr einen
Präferenznachweis erhalten hätte oder auf deren Erhalt hätte vertrauen können.
Darüber hinaus wäre der Erstattungsantrag unabhängig von dem von der Klägerin
anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab auch mangels eines besonderen Falles nach Art. 239
Abs. 1 2. Anstrich ZK, Art. 905 Abs. 1 ZKDVO unbegründet.
Das Finanzgericht wäre hier in vollem Umfang zur Entscheidung befugt.
Der Beklagte ist als zuständige Zollbehörde - unabhängig von verwaltungsinternen
Berichtspflichten und Entscheidungsvorbehalten vorgesetzter nationaler Behörden - nur
unter den Voraussetzungen des Art. 905 Abs. 1 1. bis 3. Anstrich ZKDVO in der Fassung
der VO (EG) Nr. 1335/2003 (ABl. Nr. L 187/16 v. 26.07.2003) nicht zur Entscheidung über
einen Erstattungsantrag nach Art. 239 Abs. 1 ZK aufgrund eines besonderen, nicht
anderweit ausdrücklich geregelten Falls befugt. Da im Streitfall die Voraussetzungen einer
Vorlage an die Kommission nach des Art. 905 Abs. 1 1. bis 3. Anstrich ZKDVO nicht
gegeben sind, kann auch die Entscheidungsbefugnis des Finanzgerichts, die sich allein
aus § 101 FGO ergibt, nicht durch Art. 905 Abs. 1 ZKDVO beschränkt sein.
Selbst der Umstand, dass Art. 905 Abs. 1 ZKDVO die hier anzuwendende Fassung erst
durch die VO (EG) Nr. 1335/2003 (ABl. Nr. L 187/16 v. 26.07.2003) erhalten hat und damit
weder im Zeitpunkt der Zollschuldentstehung noch in dem der letzten
Verwaltungsentscheidung galt, ändert an der Anwendbarkeit dieser Vorschrift nichts. Art.
905 Abs. 1 ZKDVO trifft nämlich ausschließlich eine verfahrensrechtliche Regelung, die auf
jeden im Zeitpunkt ihres jeweiligen Inkrafttretens noch offenen Fall angewandt werden
kann. Davon geht auch die VO (EG) Nr. 1335/2003 aus, denn sie bestimmt in Art. 2 2.
Absatz, dass die Regelungen dieser Verordnung auf alle der Kommission bis zum
01.08.2003 noch nicht vorgelegten Fälle anzuwenden ist. Dazu gehört auch der Streitfall.
Ein Fehlverhalten der Kommission, das nach Art. 905 Abs. 1 1. Anstrich ZKDVO eine
Vorlage rechtfertigen könnte, wäre zudem auch nicht erkennbar.
Soweit das EPB keine Ursprungszeugnisse der Form A ausgestellt hat, ist im Streitfall nicht
ersichtlich, warum dies geschehen ist. Es ist noch nicht einmal dargetan worden, dass der
Ausführer beim EPB wie üblich unmittelbar nach der Ausfuhr vergeblich die Erteilung eines
Ursprungszeugnisses beantragt hat.
Die diesbezügliche Darstellung der Klägerin in ihrem Antrag betrifft nur hier nicht
interessierende Einfuhren ab Januar 1997.
Ein Verhalten der Kommission, aufgrund dessen das EPB die Ausstellung des
Präferenzursprungszeugnisses abgelehnt hat, ist gleichfalls nicht erkennbar, denn die
Verschiffung fand am 12.08.1996 und die Ausstellung des Textilursprungszeugnisses am
22.08.1996 statt. Damit erfolgte die Verschiffung zwei Monate vor Beginn der Missionsreise
der UCLAF am 12.11.1996. Selbst das Textilursprungszeugnis wurde noch etwa sechs
Wochen vor Beginn der Missionsreise ausgestellt.
Soweit die Klägerin vermutet, das EPB habe das Ursprungszeugnis aufgrund der
Verhandlungen mit der Kommission generell nicht mehr ausgestellt, gibt es hierfür aufgrund
des dargestellten Zeitablaufs keinen konkreten Anhaltspunkt.
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Wenn die Klägerin meint, im Rahmen des Art. 239 ZK könne die Nichtausstellung von
Präferenzursprungszeugnissen nicht anders beurteilt werden als die in der Vergangenheit
vorgenommene unrichtige Ausstellung dieser Zeugnisse, begehrt sie die Beibehaltung
eines rechtswidrigen Zustands. Da sie hierauf wie auch auf eine bestimmte, allein
wirtschafts- und entwicklungspolitisch zu entscheidende Ausgestaltung der
Präferenzregeln im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems keinen Anspruch hat, stellt
auch die Nichtbeachtung von Verträgen, die unter der Annahme der bisherigen,
rechtswidrigen Praxis geschlossen wurden, keine Pflichtverletzung dar.
Eine Pflichtverletzung der Kommission aufgrund eines unbeachtet gebliebenen Anspruchs
der Klägerin auf eine rückwirkende Ausgestaltung der Ursprungsregeln des Allgemeinen
Präferenzsystems in der Form der VO (EG) Nr. 2260/97 ist, da die Ausgestaltung des
Präferenzsystems auch hinsichtlich einer Derogation gemäß Art. 5 VO (EWG) Nr. 693/88,
Art. 77 ZKDVO aF oder Art. 76 ZKDVO in der hier anwendbaren Fassung der VO (EG) Nr.
3254/94 (ABl. Nr. L 346/1) im Ermessen der Kommission stand und steht, ebenfalls nicht
erkennbar. Innerhalb des eingeräumten Ermessens ist eine Entscheidung, die bisherigen
Regelungen beizubehalten und nunmehr auch tatsächlich anzuwenden, nicht zu
beanstanden.
Einen wie auch immer gearteten Vertrauenstatbestand dahingehend, die bisher
rechtswidrig unterlassene Anwendung des geltenden Rechts beizubehalten oder durch
Änderung der Regelungen zu legalisieren, gibt es nicht. Die betroffenen
Wirtschaftsteilnehmer konnten nämlich aufgrund des bislang geltenden Rechts die
Voraussetzungen, die für eine Präferenzbegünstigung tatsächlich erfüllt sein mussten, im
Streitfall den doppelten Tarifsprung, kennen.
Zudem gibt es auch keinen Anhaltspunkt, dass eine nach Auffassung der Klägerin
rückwirkende Ausgestaltung der Ursprungsregeln des Allgemeinen Präferenzsystems in
der Form der VO (EG) Nr. 2260/97 in der Lage gewesen wäre, für die streitbefangene
Sendung die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Präferenznachweises zu schaffen.
Welche der Ursprungsvoraussetzungen die Lieferung der C tatsächlich erfüllt hat, hat die
Klägerin nicht dargetan.
Im Rahmen des der Kommission hinsichtlich einer Derogation eingeräumten Ermessens ist
es auch nicht zu beanstanden, dass die Derogation nach Art. 77 ZKDVO aF oder Art. 76
ZKDVO von einem Widerruf zu Unrecht erteilter Präferenzursprungszeugnisse abhängig
gemacht wurde. Hierbei kommt es auch nicht auf einen Vertrauensschutz der in der
Gemeinschaft ansässigen Einführer an. Dieser wird vielmehr durch Art. 220 Abs. 2 Buchst.
b ZK oder Art. 239 ZK gewährleistet.
Soweit die Kommission zu Unrecht und zu Lasten der Einführer die Bewilligung einer
Abweichung von den Ursprungsregeln vom Widerruf bestimmter Präferenznachweise
abhängig gemacht haben sollte, zu der die Regierung Bangladeschs sonst nicht bereit
gewesen wäre, hat dies mit der konkreten Einfuhr nichts zu tun. Das von der Kommission
und dort von Beamten der UCLAF aufgestellte Junktim zwischen der Derogation und dem
Widerruf von unrichtigen Präferenznachweisen betraf nur diejenigen Präferenznachweise,
die Gegenstand der Gemeinschaftsmission vom 12.11. bis zum 05.12.1996 gewesen
waren. Dazu gehörte die streitgegenständliche Einfuhr nicht.
Darüber hinaus muss das Junktim keineswegs rechtswidrig gewesen sein.
Auch der Umstand, dass die Kommission Bangladesch erst 1993 auf die Möglichkeit der
Derogation, der Abweichung von den Ursprungsregeln gemäß Art. 5 VO (EWG) Nr. 693/88,
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Art. 77 ZKDVO aF oder Art. 76 ZKDVO in der hier anwendbaren Fassung der VO (EG) Nr.
3254/94 (ABl. Nr. L 346/1) hingewiesen hat, ist für die Einfuhren in 1996 ohne
Auswirkungen, denn von 1993 bis 1996 hätte Bangladesch einen entsprechenden Antrag
stellen können, aufgrund dessen im Zeitpunkt der Ausfuhr eine Abweichung von den
Ursprungsregeln hätte in Kraft gesetzt werden können. Zudem hätte sich eine Derogation
nur auf die Fälle ausgewirkt, in denen tatsächlich Präferenzursprungszeugnisse beantragt
worden waren. Davon ist aber hier mangels entsprechender Darlegung nicht auszugehen.
Die allgemeine Warnung der Einführer durch die Bekanntmachung vom 05.04.1997 ist
zwar im Allgemeinen angesichts der schon lange bekannten unrichtigen Behandlung der
Ursprungsvorschriften durch die Behörden Bangladeschs verspätet gewesen. Diese
Pflichtverletzung spielt aber im Streitfall keine Rolle, weil die Klägerin durch die
Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens am 15.11.1995 wegen gefälschter
Ursprungszeugnisse selbst auf Unregelmäßigkeiten mit den Ursprungszeugnissen
hingewiesen worden ist. Damit hatte sie genügend Zeit, für die Einfuhren im September
1996 Sicherungsmaßnahmen zu treffen.
Der Umstand, dass aufgrund der Flutkatastrophe 1998 von der Überprüfung bislang nicht
überprüfter Präferenznachweise abgesehen wurde, lässt ebenfalls keinen Ermessensfehler
erkennen.
Da die Textilindustrie Bangladeschs gewebte Textilien aufgrund vorhandener Webereien
und aufgrund vorhandener Spinnereien in geringem Umfang gewirkte Textilien
präferenzursprungsbegründend herstellen konnte, konnte der Widerruf von
Präferenznachweisen nicht pauschal, sondern nur aufgrund einer konkreten Prüfung des
Einzelfalls erfolgen.
Damit hing die Feststellung der Unrichtigkeit erteilter Präferenznachweise davon ab,
inwieweit die Verwendung von bestimmten ursprungsbegründenden Vorprodukten mit
Ursprung in Bangladesch im Einzelfall nachvollziehbar war. Da aufgrund der
Flutkatastrophe Belege zum Nachweis der Verwendung ursprungsbegründender
Vorprodukte weitgehend verloren gegangen sind, hätte eine Fortführung der Prüfungen in
einem erhöhten Maße zur Feststellung geführt, dass Präferenznachweise zu Unrecht
ausgestellt worden sind, weil die Verwendung ursprungsbegründender Vorprodukte nicht
mehr nachweisbar war. Damit hätte der Widerruf auch Präferenznachweise betroffen, für
die die diesbezüglichen Belege aufgrund der Flutkatastrophe verlorengegangen sind.
Die in der Flutkatastrophe liegende höhere Gewalt rechtfertigte angesichts der
Notwendigkeit von Einzelfallprüfungen erteilte, bislang aber noch ungeprüfte
Präferenznachweise nicht mehr weiter zu überprüfen.
Soweit die Klägerin der Kommission vorwirft, sie habe einen ihr bekannten Zustand der
unrichtigen Behandlung der Ursprungsvorschriften durch die Behörden Bangladeschs über
Jahrzehnte geduldet, ist diese Pflichtverletzung für die unterlassene Ausstellung des
Präferenznachweises im Streitfall nicht ursächlich, da der Klägerin aufgrund der Einleitung
des Steuerstrafverfahrens am 14.11.1995 gegenüber ihrem Geschäftsführer bekannt war,
dass bei Präferenzursprungszeugnissen aus Bangladesch Vorsicht geboten war.
Im Hinblick auf diese Warnung kommt es auch nicht darauf an, dass die Kommission die
Einführer offiziell erst mit der Bekanntmachung vom 05.04.1997 gewarnt hat.
Gleichfalls ist es im Streitfall unerheblich, ob im abschließenden Bericht der Missionsreise
vom 18.03.1997 Beweismittel nicht in der erforderlichen Weise geordnet zusammengestellt
gewesen sein sollen.
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Eine Vorlage an die Kommission kommt auch nicht nach Art. 905 Abs. 1 2. Anstrich
ZKDVO in Betracht, denn der betreffende Fall, die Nichtvorlage des Präferenznachweises,
steht nicht mit den Ergebnissen gemeinschaftlicher Ermittlungen im Zusammenhang. Die
Ausfuhr und die Erstellung eines Textilursprungszeugnisses erfolgten nämlich vor dem
Beginn der Gemeinschaftsmission am 12.11.1996, so dass, wenn im Streitfall die
Ausstellung eines Ursprungszeugnisses der Form A beantragt worden sein sollte, dies
gleichfalls erstmals vor dem Beginn der Gemeinschaftsmission geschehen ist.
Selbst unter Berücksichtigung der gleichgelagerten Fälle - von der Klägerin als Liste D
bezeichnet - wird die Summe von 500.000 EUR. streitigem Zoll nicht erreicht, so dass auch
eine Vorlage nach Art. 905 Abs. 1 3. Anstrich ZKDVO ausscheidet.
Ein " besonderer Fall" ist nicht erkennbar.
Auf "einen besonderen Fall, der sich aus den Umständen ergibt, bei denen weder eine
betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt", im
Sinne von Art. 905 Abs. 1 ZKDVO kann geschlossen werden, wenn im Licht des an der
Billigkeit ausgelegten Regelungszwecks des Art. 239 ZK Umstände festgestellt werden,
aufgrund deren sich die Klägerin in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen
anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist
(ständige Rechtsprechung, s. EuGH Urteil v. 27.09.2001, C-253/99, Rz. 56, Slg. 2001, I-
6493 ff., -6552).
Der Umstand, dass die Klägerin für eine Einfuhr keinen Präferenznachweis vorlegen
konnte, so dass deshalb Zoll nacherhoben werden musste, stellt für sich allein keinen
besonderen Umstand dar.
Das gilt auch dann, wenn der Präferenznachweis mangels Antrags des Ausführers gar
nicht ausgestellt worden ist.
Selbst wenn das EPB die Ausstellung eines Präferenznachweises für eine Ware
verweigert haben sollte, deren präferenzbegünstigte Herstellung die Klägerin noch nicht
einmal behauptet hat, stellt dies keinen besonderen Umstand dar. Diese Verfahrensweise
entsprach und entspricht vielmehr dem geltenden Recht.
Auch wäre das EPB nicht gehindert gewesen, sollte ihm ein Antrag auf Ausstellung eines
Präferenzursprungszeugnisses tatsächlich vorgelegen haben, seine bisherige,
rechtswidrige Praxis aufzugeben, und den Nachweis präferenzbegünstigter Herstellung der
eingeführten Hemden daran zu knüpfen, dass die Hemden aus in Bangladesch gewebtem
Stoff hergestellt sind und dies beispielsweise durch Vorlage der Stoffrechnungen
nachgewiesen wird.
Auf die Beibehaltung einer rechtswidrigen Praxis besteht kein Anspruch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.