Urteil des FG Düsseldorf vom 18.06.2004

FG Düsseldorf: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, unechte rückwirkung, evangelische kirche, kirchensteuer, einkünfte, gütertrennung, katholische kirche, veranlagung, bemessungsgrundlage, güterstand

Finanzgericht Düsseldorf, 1 K 6487/02 Ki
Datum:
18.06.2004
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 6487/02 Ki
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
Streitig ist die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe.
2
Die Klägerin ist Mitglied der Evangelischen Kirche; ihr Ehemann gehört keiner Kirche
an.
3
Die Klägerin und ihr Ehemann werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie
leben im Güterstand der Gütertrennung. Die Klägerin hatte im Streitjahr keine
steuerpflichtigen Einkünfte; ihr Ehemann erzielte Einkünfte von 88.981 DM.
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Mit Bescheid vom 19.08.2002 über Einkommensteuer 2001, Solidaritätszuschlag und
Kirchensteuer setzte das Finanzamt A gegenüber der Klägerin ein evangelisches
Kirchgeld von 180 DM fest.
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Die Klägerin und ihr Ehemann legten gegen den Einkommensteuerbescheid am
09.09.2002 Einspruch ein. Mit an das Finanzamt A adressiertem Schreiben vom
10.09.2002 erweiterten die Klägerin und ihr Ehemann ihren Einspruch dahin, dass er
sich auch gegen die Kirchgeldfestsetzung richte; ein besonderes Kirchgeld verletze sie
beide in ihren Rechten, weil sie im Güterstand der Gütertrennung lebten und die
Klägerin über kein eigenes Einkommen verfüge. Das Finanzamt A leitete das am
13.09.2002 erhaltene Schreiben an den Beklagten weiter, bei dem es am 25.09.2002
einging. Das Finanzamt A erließ am 25.09.2002 einen auf § 172 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der
Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid, mit dem es die
Einkommensteuer herabsetzte; das Kirchgeld betrug weiterhin 180 DM.
6
Mit Entscheidung vom 23.10.2002 wies der Beklagte den Einspruch gegen die
Festsetzung des besonderen Kirchgeldes als unbegründet zurück. Die Erhebung des
besonderen Kirchgeldes sei verfassungsrechtlich abgesichert und entspreche dem
Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bestätigt, dass der
als Bemessungsgrundlage für das besondere Kirchgeld herangezogene
Lebensführungsaufwand des Kirchenmitgliedes im Rahmen der typisierenden
Betrachtungsweise nach dem zu versteuernden Einkommen bemessen werden könne.
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In der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2004 hat der Beklagte erklärt, die
Kirchgeldbescheide und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit diese sich
dem Rechtsschein nach gegen den Ehemann richteten. Nachdem das Gericht das
Verfahren des Ehemannes abgetrennt hatte, haben die Beteiligten des abgetrennten
Verfahrens übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Die Klägerin begründet die Klage im Wesentlichen wie folgt:
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Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes sei rechtswidrig und nichtig. Ihr Ehemann
werde durch die faktische Verpflichtung zur Zahlung des Kirchgeldes in seiner
Glaubensfreiheit i.S.v. Art. 4 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Er lehne die praktizierte
Glaubensrichtung der Evangelischen Kirche ab, so dass es ihm nicht zuzumuten sei,
diese Kirche zu unterstützen, indem er - mangels eigener Einkünfte der Klägerin - das
Kirchgeld aus seinem eigenen Vermögen bezahlen müsse. Der Steuergegenstand dürfe
in ihrem Fall nicht nach dem allgemeinen Lebensführungsaufwand bemessen werden,
weil sie beide im Güterstand der Gütertrennung lebten und die Unterhaltsverpflichtung
nach §§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), speziell hinsichtlich der
Übernahme von Kirchensteuer oder Kirchgeld, abbedungen hätten. Die Leistungen
ihres Ehemannes gingen bereits über den Lebensbedarf hinaus, so dass ihr gemäß §
1578 BGB keine weiteren Geldforderungen zuständen. Auch ihr selbst gegenüber sei
die Festsetzung des Kirchgeldes rechtswidrig. Das gelte bereits deshalb, weil die
Steuerbemessungsgrundlage weder die Abdingbarkeit der Unterhaltsverpflichtungen
unter Eheleuten noch etwaige familiäre Sonderbelastungen - in ihrem Fall etwa
besonders hohe Benzinkosten für die Fahrten zur Arbeit, Zinsbelastungen -
berücksichtige, die Kirchgelderhebung auf Fälle der Zusammenveranlagung beschränkt
sei und auch bei Gütertrennung erfolge, obwohl die Vereinbarung dieses Güterstandes
zum Ausdruck bringe, dass die Eheleute eine gemeinsame Zurechnung des
Einkommens gerade nicht wünschten.
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11
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid über die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes 2001 vom
25.09.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2002 ersatzlos
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Der Beklagte wendet ein, die Klage sei unbegründet. Zwar sei Einspruch rechtzeitig
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eingegangen, weil sich die Einspruchsfrist wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung
auf ein Jahr verlängert habe. Der angefochtene Bescheid sei jedoch rechtmäßig. Dass
der Ehemann der Klägerin letztlich das Kirchgeld tragen müsse, verletze ihn nicht in
seinen Rechten. Eine solche Betroffenheit sei Ausfluss der Unterhaltsverpflichtung, die
auch bei Gütertrennung gelte und nicht abdingbar sei. Im Übrigen bestreite er den
Klagevortrag zur Gütertrennung, zur Abbedingung der Unterhaltsverpflichtungen und zur
Höhe der Unterhaltsleistungen vorsorglich mit Nichtwissen. Die seitens der Klägerin
beanstandete pauschalierende Betrachtungsweise sei hier im Hinblick auf § 6 Abs. 2
der Kirchensteuerordnung (KiStO), die das zu versteuerndes Einkommen der Eheleute
als Bemessungsgrundlage bestimme, zulässig; zudem seien hier etwaige
Sonderbelastungen nicht nachgewiesen. Eine unzulässige Ungleichbehandlung
gegenüber getrennt veranlagten Eheleuten liege nicht vor, weil es insoweit an einem
vergleichbaren Sachverhalt fehle; außerdem stehe der Klägerin und ihrem Ehemann die
Wahl dieser Veranlagungsart frei.
Die Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig; die Festsetzung des besonderen
Kirchgeldes ist zutreffend erfolgt.
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Mit der Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG hat der Landesgesetzgeber die Kirchen
ermächtigt, im Rahmen ihres Rechts zur Erhebung von Kirchensteuern aufgrund
eigener, staatlich anzuerkennender Steuerordnungen (vgl. §§ 1, 16 Abs. 1 KiStG) von
Steuerpflichtigen, deren Ehegatte nicht kirchensteuerpflichtig ist, ein besonderes
Kirchgeld zu erheben. Von dieser Ermächtigung haben die Evangelische Kirche im
Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche mit
der von ihnen erlassenen Kirchensteuerordnung zum 01.01.2001 Gebrauch gemacht.
Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 KiStO ist Bemessungsgrundlage für das besondere Kirchgeld
das zu versteuernde Einkommen der Ehegatten, das sich bei entsprechender
Anwendung des § 51 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergibt. Das besondere
Kirchgeld wird gemäß § 11 Abs. 2 KiStO nach Maßgabe einer Steuertabelle erhoben.
Staffelung und Bemessungsgrundlage des Kirchgeldes sind für den Beklagten in dem
Kirchensteuerbeschluss vom 13.12.2000 bestimmt. Nach dem dort festgelegten
Staffeltarif beträgt bei einem zu versteuernden Einkommen zwischen 60.000 DM und
74.999 DM das besondere Kirchgeld 180 DM. Diesen Betrag hat das Finanzamt A, dem
gemäß § 9 Abs. 1 KiStG i.V.m. § 18 Abs. 1 KiStO die Erhebung des besonderen
Kirchgeldes übertragen ist, auf der Grundlage des zu versteuernden Einkommens der
Klägerin und ihres Ehemannes, das lt. Einkommensteuerbescheid vom 31.10.2002
72.376 DM (unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages) beträgt, festgesetzt.
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Die Bestimmungen über das besondere Kirchgeld verletzen nicht das sich aus dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende Rückwirkungsverbot.
20
Das BVerfG wie die übrige Rechtsprechung unterscheiden zwei Arten der Rückwirkung.
Bei der sog. echten Rückwirkung, auch als Rückwirkung von Rechtsfolgen bezeichnet,
greift eine Rechtsnorm in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände
ein und ändert eine bereits eingetretene Rechtsfolge nachträglich ab; eine derartige
Rückanknüpfung ist in der Regel verfassungsrechtlich unzulässig. Demgegenüber liegt
eine sog. unechte (tatbestandliche) Rückwirkung vor, wenn die Rechtnorm auf
gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die
Zukunft einwirkt; diese Art der Rückwirkung ist mit dem Rechtsstaatsprinzip regelmäßig
21
zu vereinbaren (Beschluss des BVerfG vom 03.11.1982 I R 3/79, BStBl II 1986, 628).
Nach diesen Grundsätzen kommt den Regelungen über das besondere Kirchgeld eine
lediglich unechte Rückwirkung zu. Sie haben mit der Veröffentlichung der
staatsaufsichtlich genehmigten Kirchensteuerbeschlüsse im Kirchlichen Amtsblatt
(KABl) am 22.10.2001 die Qualität von für den staatlichen Bereich verbindlichen Sätzen
öffentlichen Rechts erhalten (vgl. Suhrbier-Hahn, Kirchensteuerrecht, S. 10). Zu diesem
Zeitpunkt war das von der Klägerin geschuldete besondere Kirchgeld noch nicht
entstanden. Die Steuerschuld entstand gemäß § 8 Abs. 3 KStG und § 9 KiStO zeitgleich
mit der Einkommensteuer, d.h. nach § 36 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes, somit mit Ablauf des 31.12.2001.
22
Diese unechte Rückwirkung ist auch im vorliegenden Fall verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Zwar wird in der neueren Literatur (etwa Tipke/Kruse, AO und FGO, § 4
AO Tz. 16; Spindler, Deutsches Steuerecht (DStR) 2001, 727) teilweise ein
dispositionsbezogener Rückwirkungsbegriff vertreten. Nach dieser Ansicht ist dem
Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtsnorm nicht derjenige des Eintritts der
Rechtsfolge gegenüber zu stellen, sondern derjenige der tatsächlichen Verwirklichung
des Lebenssachverhaltes, so dass hier möglicherweise die bereits vor dem 22.10.2001
erzielten Einkünfte für die Erhebung des besonderen Kirchgeldes nicht herangezogen
werden könnten. Die Vertreter dieser Rechtsansicht meinen, auch das BVerfG deute mit
seiner Entscheidung vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, BGBl I 1998, 725, den Weg zu
einem solchen Rückwirkungsbegriff. Das BVerfG hat in den dortigen
Entscheidungsgründen ausgeführt, dass in Fällen, in denen ein Steuergesetz dem
Steuerpflichtigen eine Verschonungssubvention anbiete, die er nur während des
Veranlagungszeitraums annehmen könne (dort: Sonderabschreibung für innerhalb
eines bestimmten Zeitraums angeschaffte oder hergestellte Handelsschiffe), eine
Vertrauensgrundlage geschaffen werde, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung
über das subventionsbegünstigte Verhalten stütze. Er entscheide sich um des
steuerlichen Vorteils willen für ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten, das er ohne
den steuerlichen Anreiz so nicht gewählt hätte. Mit dieser Entscheidung sei die
Lenkungs- und Gestaltungswirkung des Subventionsangebotes abschließend erreicht;
diese Dispositionsbedingungen würden damit vom Tag der Entscheidung an zu einer
schutzwürdigen Vertrauensgrundlage.
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Diese Grundsätze eröffnen nach Auffassung des erkennenden Senates nicht generell
einen dispositionsbestimmten Rückwirkungsbegriff, zumal das Gericht in den Gründen
zugleich ausdrücklich an der Unterscheidung zwischen echter und unechter
Rückwirkung festgehalten hat. Diese Frage kann hier allerdings dahin stehen, weil die
Klägerin weder schutzwürdige Dispositionen getroffen noch insoweit auf ein
gesetzliches Subventionsangebot reagiert hat. Die Klägerin hat nicht wirtschaftlich
disponiert, sondern lediglich ihre Kirchenmitgliedschaft wie in der Vergangenheit auch
unverändert aufrecht erhalten. Der Nicht-Austritt vor Inkrafttreten der neuen
kirchenrechtlichen Bestimmungen stellt keine Disposition im genannten Sinne dar. Die
Annahme, dass ein in glaubensverschiedener Ehe lebendes Kirchenmitglied ohne
eigene Einkünfte oder mit lediglich geringen Einkünften in dem Bewusstsein und gerade
im Hinblick darauf in der Kirche verbleibt, dass es keine oder allenfalls eine geringe
Kirchensteuer in der Form der Zuschlagsteuer zu entrichten habe, erscheint angesichts
der Möglichkeit, kirchliche Leistungen entgegen zu nehmen, bereits lebensfremd und
lässt sich im vorliegenden Fall nach den Gesamtumständen auch nicht feststellen. Eine
Kirchenmitgliedschaft ist regelmäßig religiös begründet oder zumindest auf ein
24
Bestreben gestützt, bestimmte Vorteile (für die Kinder etwa Möglichkeit des Besuchs
kirchlicher Kindergärten oder Schulen, der Teilnahme an der Konfirmation; kirchliches
Begräbnis) in Anspruch zu nehmen. Zudem wäre ein derartiges Motiv für den Nicht-
Austritt aus der Kirche auch nicht schutzwürdig, weil es nicht durch eine Norm mit
Lenkungs- und Gestaltungswirkung ausgelöst worden wäre. Das allgemeine Vertrauen,
der Steuergesetzgeber werde steuerrechtliche Freiräume für die Zukunft aufrecht
erhalten, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt. Ein solcher Schutz zugunsten des
Fortbestehens der bisherigen Gesetzeslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten
Gesetzgeber in wichtigen Bereichen gegenüber den Interessen einzelner lähmen und
das Gemeinwohl gefährden (etwa Beschluss des BFH vom 05.03.2001 IX B 90/00,
BStBl II 2001, 405).
Die angefochtene Kirchgeldfestsetzung ist auch nicht insoweit rechtswidrig, als mangels
eigener Einkünfte der Klägerin das Einkommen ihres allein verdienenden Ehemannes,
der keiner Kirche angehört, zur Besteuerung herangezogen wird; eine derartige
Heranziehung des Ehegatten zum besonderen Kirchgeld der Klägerin liegt hier nicht
vor.
25
Das BVerfG hat mit Urteil vom 14.12.1965 1 BvR 606/60, BStBl I 1966, 196,
entschieden, dass die Kirche nur den ihr angehörigen Ehegatten besteuern darf. Das
Gericht hat weiter ausgeführt, dass es unbillig erscheinen könne, wenn der
kirchenangehörige Ehegatte mangels eigenen Einkommens im Sinne des
Einkommensteuerrechts kirchensteuerfrei bliebe, obwohl sich - angesichts eines hohen
Einkommens seines nicht der Kirche angehörenden Ehepartners - seine wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit durch die Ehe erhöht hat. Als zulässiges Besteuerungsmerkmal, das
nur in der Person des kirchenangehörigen Ehegatten gegeben sei, komme dessen
Lebensführungsaufwand in Betracht. Die Kirchensteuer müsse dann ihrer Höhe nach in
angemessenem Verhältnis zu dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des steuerpflichtigen
Ehegatten stehen und dürfe nicht schematisch jeder Veränderung des Einkommens des
anderen Ehegatten unbegrenzt folgen, weil der normale Lebensaufwand bestimmte
Grenzen nicht überschreite.
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Angesichts der Schwierigkeiten, den Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen
Ehegatten i.S. der Rechtsprechung des BVerfG zu ermitteln, ist es im Rahmen einer
Typisierung als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen, in Fällen der
Zusammenveranlagung die Erhebung des Kirchgeldes nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten auf der Grundlage des
Einkommens beider Ehegatten zu regeln. Voraussetzung ist, dass bei Aufstellung des
Tarifes ausreichend berücksichtigt wird, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
kirchenangehörigen Ehegatten bei geringerem Einkommen beider Ehegatten stark
eingeschränkt ist, ein Teil des gemeinsamen Einkommens nicht zur Erhöhung des
Lebensführungsaufwandes führt und von einer gewissen Einkommenshöhe an der
Lebensführungsaufwand nicht mehr steigt (Vorlagebeschlüsse des BFH vom
14.12.1983 II R 170/81, BStBl II 1984, 332, und II R 198/81, n.v.; Urteil des FG Bremen
vom 14.01.2004 2 K 223/03 (1), EFG 2004, 587). Das gemeinsame Einkommen wird
insoweit nur als Hilfsmaßstab für den als solchen nicht oder nur mit erheblichen
Schwierigkeiten messbaren Lebensführungsaufwand verwendet (Urteil des BVerwG
vom 18.02.1977 VII C 48.73, BB 1978, 439). Da zwischen der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit und dem Lebensführungsaufwand eines Ehegatten und dem
Einkommen beider Ehegatten Abhängigkeiten bestehen, stellt das gemeinsame
Einkommen für die Erhebung des Kirchgeldes eine system- und sachgerechte
27
Ausgangsgröße dar (Beschluss des BFH vom 22.01.2002 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674;
Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 05.08.2002 2 BvR 685/02 nicht zur
Entscheidung angenommen). Der bei der Zusammenveranlagung anzuwendende
Splittingtarif beruht auf der Vorstellung, dass zusammen lebende Ehegatten eine
Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden, in der jeder Ehegatte an dem
Einkommen des anderen zur Hälfte teil hat, auch wenn die Einkünfte als solche von
dem anderen Ehegatten im Sinne von § 2 Abs. 1 EStG erzielt werden. Da die
Leistungsfähigkeit jedes der zusammen lebenden Ehegatten durch das gemeinsam
erzielte Einkommen gesteigert wird, darf sich die Steuererhebung an dieser Größe
orientieren (vgl. Urteil des BFH vom 15.03.1995 I R 85/94, BStBl II 1995, 547; dort zur
konfessionsverschiedenen Ehe).
Diesen gefestigten Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung entspricht der
Kirchensteuerbeschluss der Verbandsvertretung des Beklagten. Er ordnet einer in
dreizehn Stufen gestaffelten Bemessungsgrundlage des zu versteuernden Einkommens
der Ehegatten von 60.000 DM bis zu mehr als 600.000 DM jeweils ein sich progressiv
erhöhendes Kirchgeld zwischen 180 DM und 7.200 DM zu. Die Ausgestaltung des
Staffeltarifes zeigt, dass die Erhebung des besonderen Kirchgeldes in der Sache nicht
das Ehegatteneinkommen und auch nicht dessen Hälfte, sondern den
Lebensführungsaufwand des der Kirche angehörenden Ehegatten zum Gegenstand hat.
Vergleicht man das in der Tabelle festgelegte Kirchgeld mit der sich nach dem
Halbteilungsgrundsatz ergebenden Kirchensteuer (Hälfte des Kirchensteuerbetrages,
der zu zahlen wäre, wenn beide Ehegatten der Kirche angehören würden), so ergibt
sich für sämtliche Stufen, dass das Kirchgeld deutlich hinter dem Zuschlag zur
Einkommensteuer zurück bleibt, der bei Zusammenveranlagung in glaubensgleichen
Ehen als Kirchensteuer hälftig auf jeden der beiden Ehegatten entfiele. Beispielsweise
ergäbe sich für den Veranlagungszeitraum 2001 bei einem zu versteuernden
Einkommen beider Ehegatten von 200.000 DM eine Einkommensteuer nach der
Splittingtabelle von 58.544 DM, so dass für den kirchenangehörigen Ehegatten die
Kirchensteuer (bei einem Satz von 9 %) nach dem Halbteilungsgrundsatz 2.634 DM
betrüge, während das Kirchgeld in der Tabelle mit 1.680 DM ausgewiesen ist. Bei dem
hier von der Klägerin und ihrem Ehemann im Rahmen der Zusammenveranlagung
angesetzten zu versteuernden Einkommen von - unter Berücksichtigung eines
Kinderfreibetrages, vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 KiStO i.V.m. § 51 a Abs. 2 Satz 1 EStG -
72.376 DM (Splittingtarif 11.012 DM) hätte sich eine halbteilige Kirchensteuer von 495
DM ergeben; demgegenüber beläuft sich das besondere Kirchgeld lt.
Kirchensteuerbeschluss nur auf 180 DM. Zudem wird das Kirchgeld überhaupt erst ab
der nicht unbeträchtlichen Einkommenshöhe von 60.000 DM erhoben und berücksichtigt
damit ausreichend, dass der Lebensführungsaufwand bei geringerem
Familieneinkommen eingeschränkt ist. Von einem Einkommen i.H.v. mehr als 600.000
DM an steigt das Kirchgeld nicht mehr und trägt so dem Umstand Rechnung, dass ab
einer gewissen Höhe das Einkommen typischerweise nicht mehr in vollem Umfang zur
Deckung des laufenden Unterhaltsbedarfs und damit zur Lebensführung verwendet
wird, sondern auch und gerade zur Vermögensbildung. Individuelle Unterschiede oder
Sondebelastungen, die sich etwa aus unterschiedlichen Familiensituationen ergeben,
werden durch die beträchtliche Spannweite der einzelnen Einkommensstufen
aufgefangen, darüber hinaus durch die geringe Höhe des Kirchgeldes gemildert und
schließlich durch die Möglichkeiten von Billigkeitsentscheidungen nach der
Abgabenordnung nochmals reduziert. Etwaige Unterschiede in der Belastung können
damit die Kirchgeldregelung nicht in Frage stellen; der Steuergesetzgeber darf im
Interesse der Praktikabilität in erheblichem Umfang typisieren und insoweit den
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Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hinter dem Grundsatz der generellen
Gleichmäßigkeit zurücktreten lassen (vgl. Urteil des BVerwG vom 18.02.1977 VII C
48.73, BB 1978, 439).
Eine unzulässige Besteuerung des Einkommens des nicht der Kirche angehörenden
Ehemannes der Klägerin liegt auch deshalb nicht vor, weil das besondere Kirchgeld mit
180 DM nur rund 0,2 % der Bemessungsgrundlage des gemeinsamen zu versteuernden
Einkommens ausmacht und damit deutlich unter der Höhe des rund 5 % betragenden
Taschengeldanspruchs liegt, den die einkommenslose Ehefrau gegen ihren Ehemann
allein zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse - also keineswegs ihres
gesamten Lebensführungsaufwandes - gemäß § 1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) hat (vgl. Urteil des BVerwG vom 18.02.1977 VII C 48.73, BB 1978, 439; Urteil des
FG Bremen vom 14.01.2004 2 K 223/03 (1), EFG 2004, 587; Palandt, BGB, 63. A., §
1360 a Rdn. 4). Zudem hat der allein verdienende Ehegatte seinem einkommenslosen,
der Kirche angehörenden Ehepartner die Mittel zur Erfüllung der Kirchgeldschuld bereits
im Rahmen des Ehegattenunterhalts zur Verfügung zu stellen; der zivilrechtliche
Kirchgeld-Unterhaltsanspruch ist durch die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) des
Kirchenmitgliedes geschützt, die der kirchenfremde Ehegatte infolge der Heirat zu
beachten hat (o.a. Urteil des FG Bremen) und kann nicht wirksam abbedungen werden.
Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn die Klägerin und ihr Ehemann im
Gütestand der Gütertrennung leben. Die Unterschiede zwischen der Gütertrennung und
dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wirken sich im Wesentlichen
erst bei einer Scheidung der Ehe aus; dass und ggf. welchen Einfluss der Güterstand
auf die Rechtmäßigkeit der Kirchgelderhebung von einkommenslosen Ehegatten hat,
hat weder die Klägerin dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich.
29
Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe von dem
kirchenangehörigen Ehegatten nach dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen
verstößt auch nicht gegen den Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG.
Dieses Grundrecht wird nicht dadurch verletzt, dass ein einkommensschwacher
Ehegatte in glaubensverschiedener Ehe aufgrund der Regelung des besonderen
Kirchgeldes höher besteuert wird als ein einkommensschwacher Lediger, der keiner
Kirchensteuer oder nur einer geringeren Kirchensteuer in Form der Zuschlagsteuer
unterliegt. Die Ehe darf durchaus Anknüpfungspunkt für wirtschaftlich in gewissem
Umfang belastende Rechtsfolgen sein, solange dies nicht zu einer ungerechtfertigten
Schlechterbehandlung von Eheleuten führt. Das ist indes bei der Erhebung des
besonderen Kirchgeldes nicht der Fall, weil das Kirchgeld gerade und nur die durch die
Ehe gesteigerte wirtschaftliche Leistungskraft des einkommenslosen oder
einkommensschwachen Ehegatten erfasst, der an dem (höheren) Einkommen seines
Ehegatten teil hat (Urteil des BVerwG vom 18.02.1977 VII C 48.73, BB 1978, 439).
Zudem kann ein einkommensloser oder -schwacher Ehegatte einer Besteuerung des
Lebensführungsaufwands entgehen, indem er das Wahlrecht zwischen
Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG)
zugunsten einer getrennten Veranlagung ausübt; angesichts der Anknüpfung an das
gemeinsam zu versteuernde Einkommen wird das besondere Kirchgeld nur bei einer
Zusammenveranlagung der Ehegatten erhoben. Bei ihrer freien Entscheidung, ob sie
die Zusammenveranlagung wählen, haben die Ehegatten die Möglichkeit abzuwägen,
ob für sie der Vorteil des Splittingtarifs, mit dem ggf. eine höhere Kirchensteuer in Form
des besonderen Kirchgeldes einhergeht, günstiger ist als der Vorteil einer getrennten
Veranlagung mit einer geringeren oder entfallenden Kirchensteuer.
Glaubensverschiedene Eheleute können jedoch nicht, auch nicht aus dem Grundrecht
30
des Art. 6 Abs. 1 GG, beide Vorteile beanspruchen; der Gesetzgeber ist ebenfalls unter
keinem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, den Ehegatten eine solche
Vorgehensweise zu ermöglichen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 20.04.1966 1 BvR
16/66, BB 1966, 571; Urteil des FG Bremen vom 14.01.2004 2 K 223/03 (1), EFG 2004,
587).
Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes von in glaubensverschiedener Ehe
lebenden Mitgliedern der Evangelischen Kirche verstößt ebenso wenig gegen den
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
31
Ein solcher Verstoß ist insbesondere nicht etwa im Hinblick darauf zu bejahen, dass
zwischenzeitlich zwar alle Evangelischen Landeskirchen, jedoch nicht alle
Katholischen Bistümer ein solches Kirchgeld erheben. Nach Artikel 140 GG i.V.m. Art.
136 Abs. 6 und 8 der Weimarer Verfassung (WRV) unterliegt die Erhebung von
Kirchensteuern der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder. Der nordrhein-
westfälische Gesetzgeber hat mit den Bestimmungen der §§ 1 und 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG
sowohl die Evangelische als auch die Katholische Kirche ermächtigt, aufgrund eigener
Steuerordnungen ein besonderes Kirchgeld zu erheben und sich lediglich die staatliche
Anerkennung der Kirchensteuerordnungen und -beschlüsse vorbehalten, vgl. § 16 Abs.
1 KiStG. Aufgrund dieser Ermächtigung, gegen deren Erteilung durch den
Landesgesetzgeber im Hinblick auf das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1
WRV garantierte kirchliche Selbstverwaltungsrecht keine verfassungsrechtlichen
Bedenken bestehen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 23.10.1986 2 BvL 7/84 und 8/84,
HFR 1987, 143), ist es der Entscheidung der jeweiligen Kirche überlassen, ob sie von
der Möglichkeit der Erhebung eines besonderen Kirchgeldes in der
glaubensverschiedenen Ehe Gebrauch macht oder nicht. Die Ausübung des
Gestaltungswahlrechts kann insoweit nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
führen.
32
Der Gleichheitsgrundsatz ist auch nicht im Hinblick darauf verletzt, dass das Kirchgeld
nur von Eheleuten erhoben wird, die die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer
i.S.v. § 26 b EStG wählen, nicht aber in Fällen der getrennten Veranlagung gemäß § 26
a EStG. Im Hinblick auf die wenigen atypischen Fälle, in denen Ehegatten die getrennte
Veranlagung fehlen, ist dies unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG jedenfalls nicht
willkürlich und daher unschädlich (Urteil des Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- vom
18.02.1977 VII C 48.73, Betriebsberater -BB- 1977, 1304). Der kirchliche Gesetzgeber
konnte zudem berücksichtigen, dass die getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer
in diesen Fällen wegen der daraus folgenden Nichtanwendung des günstigen
Splittingtarifs regelmäßig nur dann gewählt wird, wenn beide Ehegatten etwa gleich
hohe Einkünfte erzielen und der kirchenangehörige Ehegatte deshalb eine
angemessene Kirchensteuer vom Einkommen zu zahlen hat; einer ergänzenden
Kirchgeldregelung bedurfte es für diese Fälle nicht (Beschluss des BFH vom
14.12.1983 II R 170/81, BStBl II 1984, 332).
33
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht
wegen der Art und Weise der Erhebung des besonderen Kirchgeldes vor. Insbesondere
vermag der Senat insoweit kein strukturelles Vollzugshindernis zu erkennen.
34
Wird eine materielle Steuerpflicht durch die rechtliche Gestaltung des
Erhebungsverfahrens nur mangelhaft durchgesetzt und damit die Gleichheit im
Belastungserfolg prinzipiell verfehlt, liegt darin ein Verstoß gegen das
35
verfassungsrechtliche Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen
Gesetzesvollzug und führt zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Eine
im Gesetz strukturell angelegte Ungleichmäßigkeit der Rechtsanwendung, die einem
gleichheitsgerechten Vollzug entgegen steht, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Materielle Steuergesetze müssen in ein normatives Umfeld eingebettet sein, welches
die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell
gewährleistet (Beschluss des BVerfG vom 09.03.2004 2 BvL 17/02, BGBl I 2004, 591;
Beschluss des BFH vom 16. Juli 2002 IX R 62/99, BStBl II 2003, 74). Andererseits führt
eine Belastungsungleichheit, die durch Vollzugsmängel bei der Steuererhebung
hervorgerufen wird, wie sie immer wieder vorkommen können und sich auch tatsächlich
ereignen, noch nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung einzelner
Steuerpflichtiger. Erst wenn sich eine Erhebungsregelung gegenüber einem
Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig auswirkt, dass der
Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und dieses
Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen ist, führt die dadurch bewirkte
Gleichheitswidrigkeit zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Norm (Urteil des BVerfG
vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654).
Das besondere Kirchgeld wird zwar, wie die Klägerin beanstandet, nur dann gegenüber
dem in glaubensverschiedener Ehe lebenden Kirchenangehörigen festgesetzt, wenn er
zur Einkommensteuer (zusammen)veranlagt wird. Die materielle Kirchgeldpflicht wird
folglich nicht durchgesetzt, wenn keine Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteu-
ererklärung besteht und der Steuerpflichtige eine solche Steuererklärung auch nicht
freiwillig abgibt. Nicht vom Gesetzesvollzug erfasst werden damit insbesondere
Arbeitnehmer, die nicht die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung i.S. von § 46
EStG erfüllen und mangels den Arbeitnehmerpauschbetrag übersteigender
Werbungskosten keine Aussicht auf eine Erstattung eines Teils der im Wege des
Lohnsteuerabzugs einbehaltenen Steuer haben. Zu der Gruppe der mit dem
Gesetzesvollzug nicht belasteten Kirchenangehörigen gehören dagegen entgegen der
Ansicht der Klägerin nicht generell die Rentner: Wenn ihr steuerpflichtiges Einkommen
weniger als 60.000 DM beträgt und damit unterhalb des Eingangsbetrages der
Kirchgeldtabelle liegt, wird es - wie bei allen anderen Kirchenmitgliedern auch - zwecks
Sicherung des Lebensführungsaufwandes nicht erfasst; wenn es diesen Betrag
übersteigt, werden sie zur Einkommensteuer veranlagt und auch zum besonderen
Kirchgeld herangezogen.
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Dass die nicht der Pflichtveranlagung unterliegenden und keine Steuererklärung
abgebenden Arbeitnehmer vom Gesetzesvollzug nicht erfasst werden, beruht nicht auf
einer in den Kirchgeldregelungen strukturell angelegten Ungleichheit. Dieser Umstand
ist vielmehr eine Folgeerscheinung des Steuerabzugs im Lohnsteuerverfahren: Wenn
die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nicht vorliegen, gilt die auf den
Arbeitslohn entfallende Einkommensteuer durch die Lohnsteuer als abgegolten, § 46
Abs. 4 Satz 1 EStG. Das Lohnsteuerabzugsverfahren als ein Massenverfahren
bezweckt eine vereinfachte Einkommensbesteuerung bei einem großen Teil der
Steuerpflichtigen ohne erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand (vgl.
Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, N 37). Der damit bewirkte Rationalisierungseffekt (vgl.
Beschluss des BVerfG
die gesetzlich bestimmte Abgeltungswirkung der Lohnsteuer verstärkt. Die
Abgeltungswirkung ist Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung, gewisse
Unvollkommenheiten im Interesse der Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen
(Kirchhof/Söhn, EStG, § 46 E 2); sie ist Ausdruck des systematischen Grundprinzps des
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Lohnsteuerabzugs (Blümich, EStG, § 46 Rdn. 167). Die Erhebung des besonderen
Kirchgeldes unterbleibt damit in den Fällen, in denen es wegen der Abgeltungswirkung
der Lohnsteuer nicht zu einer Prüfung der im Einzelfall geschuldeten Einkommensteuer
kommt, sondern es bei dem die Besteuerung vereinfachenden Steuerabzug verbleibt.
Der Nichtvollzug des Kirchgeldes hat seine Ursache somit in der Struktur der
Lohnsteuerabgeltung, ohne dass die Kirchgeldbestimmungen selbst ein
Erhebungsdefizit begründen. Etwaige Fälle der Ungleichbehandlung einzelner
Kirchenmitglieder - hier dürfte es sich ohnehin um bloße Einzelfälle handeln - führen
damit nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernormen.
Abgesehen davon, dass es an einer im materiellen Steuergesetz strukturell angelegten
Ungleichheit in der Erhebung des besonderen Kirchgeldes fehlt, kann der Kirche auch
nicht entgegen gehalten werden, sie habe die Steuergesetze nicht in ein normatives
Umfeld eingebettet, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des
tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleiste. Denn wenn nur zwecks Feststellung, ob
ein Steuerpflichtiger in glaubensverschiedener Ehe lebt, und anschließender
Berechnung und Erhebung des besonderen Kirchgeldes Jahr für Jahr eine sich auf alle
diese Eheleute erstreckende Ermittlung durchgeführt würde, wäre damit ein erheblicher
Aufwand verbunden, der - gemessen an der Höhe des besonderen Kirchgeldes - als
unverhältnismäßig hoch einzustufen ist (vgl. im Ergebnis auch Urteil des FG Bremen
vom 14.0.2004 2 K 223/03 (1), EFG 2004, 587). Außerdem könnte die Kirche die hierfür
erforderlichen Maßnahmen angesichts ihrer schlechten Haushaltslage nicht mit eigenen
Mitteln und eigenem Personal durchführen, sondern wäre darauf angewiesen, dass die
Landesfinanzbehörden ein derartiges Ermittlungs- und Erhebungsverfahren einführen
würden. Einer solchen Aufgabe, die weit über die bisher in § 9 KiStG bestimmte Pflicht
zur Verwaltung der Kirchensteuern durch die Finanzämter hinausginge, würde sich aber
auch die Finanzverwaltung widersetzen, die schon für den Bereich der staatlichen
Steuern nach Wegen suchen muss, um die ihr nach bestehender Gesetzeslage
obliegenden Aufgaben personell und sachlich hinreichend erfüllen zu können.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Hinsichtlich der Frage des strukturellen Vollzugshindernisses war die Revision gemäß §
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle wesentliche Frage, ob die Erhebung des
besonderen Kirchgeldes im Hinblick darauf gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt,
dass es in Fällen, in denen die glaubensverschiedenen Eheleute dem Lohnsteuerabzug
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unterliegende Einkünfte erzielen und keine Veranlagung zur Einkommensteuer
durchgeführt wird, nicht erhoben wird, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.
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