Urteil des FG Düsseldorf vom 05.11.2002

FG Düsseldorf (Berufliche Tätigkeit, Fahrtkosten, Besuch, Einspruch, Stadt, Ausnahme, Lehrer, Theater, Musik, Beherbergung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 3607/01 E
05.11.2002
Finanzgericht Düsseldorf
16 Senat
Urteil
16 K 3607/01 E
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e:
Der Kläger erzielte 1995 (Streitjahr) Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Lehrer
an einem Gymnasium in Z-Stadt. Er machte in seiner Einkommensteuererklärung u.a.
folgende Aufwendungen als Werbungskosten geltend:
-Bewirtung von Helfern der Weihnachtsaktion Moskau (104,10 DM);
-Theaterbesuch "Frühlingserwachen" mit einem Schüler (2 x 5 DM = 10 DM);
-Kammerorchester Barock-Zyklus (36 DM);
-Theater im Rathaus "Non(n)sens II" (15 DM);
-Fahrtkosten für Besuch einer Ausstellung einer ehemaligen Schülerin (45,76 DM);
-Casa Nova "Russische Lyrik" (19 DM);
-Teilnahme Russische Olympiade in X-Stadt (130,68 DM);
-Übernahme von Fahrtkosten für Frau B - Theateraufführungen als Teil der Olympiade
(188,90 DM);
-Blumen-Glückwünsche anlässlich einer Theateraufführung (37 DM);
-Aufnahme einer russischen Gastlehrerin (1.574 DM).
Zu den übernommenen Fahrtkosten teilte der Kläger mit, dass er Frau B als Regisseurin für
die von seinen Schülern veranstalteten Theateraufführungen um Hilfe gebeten habe. Da
Frau B als Russlandflüchtling von der Sozialhilfe lebe, habe er die Fahrtkosten zu den
Proben und Auftritten übernommen.
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer (ESt) 1995 mit Bescheid
15
16
17
18
19
20
vom 25.1.1999 fest und ließ die beantragten Aufwendungen nicht zum Abzug als
Werbungskosten zu.
Hiergegen richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch. Der Kläger wies daraufhin,
dass die Teilnahme an der russischen Olympiade in keinem Zusammenhang mit der
privaten Lebensführung stünde. Zur Begründung fügte er u.a. ein Einladungsschreiben des
Regierungspräsidenten Düsseldorf bei. Sämtliche Kosten seien damit
berücksichtigungsfähig. Auch die Theater-, Konzert- und Ausstellungsbesuche seien --im
Rahmen der Tutandenbetreuung-- Teil seiner beruflichen Tätigkeit gewesen. Hinsichtlich
der Beherbergung und Beköstigung einer Austauschlehrerin wies der Kläger darauf hin,
dass er für einen Zeitraum von 3 Wochen einen ihm fremden Menschen aufgenommen
habe. Obwohl der Austausch per Verfügung des Landes durchgeführt worden sei, habe das
Land keinen Pfennig gegeben. Ein privater Charakter der Aufwendungen sei insgesamt zu
verneinen.
Das FA erließ am 29.5.2001 einen Änderungsbescheid, in dem es die Werbungskosten
teilweise anerkannte (dem Kläger entstandene Fahrkosten/Verpflegungsmehraufwand betr.
Russische Olympiade in X-Stadt i.H. von 130,68 DM) und ferner unter Berücksichtigung
des Klageverfahrens wegen ESt 1993 (16 K 3051/97 E ) auch die Kosten der analytischen
Psychotherapie (einschl. Fahrtkosten) als außergewöhnliche Belastungen ansetzte.
Im Übrigen wies das FA den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 30.5.2001 als
unbegründet zurück. Betreffend die als Werbungskosten geltend gemachten
Aufwendungen wies das FA auf § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die hierzu ergangene, ständige Rechtsprechung
zum sog. Aufteilungs- und Abzugsverbot (vgl. nur Beschlüsse des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.10.1970 GrS 2/70, BStBl II 1971, 17 und vom 27.11.1978
GrS 8/77, BStBl II 1979, 213) hin und führte sodann im Wesentlichen aus:
Bewirtungskosten/Blumenpräsent/Fahrtkostenübernahme: Bei den Ausgaben für
Bewirtungskosten und Präsente zum Aufbau einer Geschäftsbeziehung mit Angestellten
einer Firma, d.h. Bewirtung von Fachkollegen bzw. Kunden, handele es sich ihrer
Zweckbestimmung nach um typische Kosten der Lebensführung, die durch die
gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung des Arbeitnehmers veranlasst seien und
daneben auch den Beruf gedient haben mögen. Den Lebenshaltungskosten seien Kosten
vor allem dann zuzurechnen, wenn es sich ihrer Natur nach an sich um typische Kosten der
Lebensführung handelt, wie bei Kosten für Speisen, Getränke und Präsente. Die
Aufwendungen für Präsente und Bewirtung von Fachkollegen und Kunden seien somit
nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Eine Ausnahme sei nur gegeben, soweit ein
Arbeitnehmer variable Bezüge erhalte, die der Höhe nach erfolgsabhängig seien. Im
Streitfall werde nicht gänzlich bestritten, dass die getätigten Aufwendungen auch beruflich
veranlasst gewesen seien. Fest stehe jedoch auch, dass die Kosten ebenso der
gesellschaftlichen Stellung des Klägers dienten. Eine leichte und einwandfreie Trennung
der privaten und beruflichen Veranlassung könne nicht vorgenommen werden, so dass
sämtliche Kosten nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung darstellten ( § 12 Nr.1 Satz
2 EStG).
Ausstellungs-, Theater- und Konzertbesuche: Aufwendungen zum Besuch kultureller
Veranstaltungen gehörten regelmäßig zu den nichtabzugsfähigen Kosten der
Lebensführung.
Beherbergung und Beköstigung einer Austauschlehrerin: Das FA verkenne nicht, dass die
21
22
23
24
25
26
27
28
29
Aufnahme eines Austauschlehrers in der Wohnung des Klägers ihren Ursprung in der
beruflicher Sphäre als Lehrer habe. Nicht alle Aufwendungen, die aufgrund von Kontakten
in der beruflichen Sphäre entstehen, seien jedoch abzugsfähig. Die Aufnahme eines
ausländischen Gastes in der Familie für einen gewissen Zeitraum stelle für alle Beteiligten
wegen des damit verbundenen Gedanken- und Erfahrungsaustausches ein privates
Erlebnis besonderer Art dar. Begegnungen zur Völkerverständigung durch
Zusammentreffen im privaten Bereich würden zunehmend auf allen Ebenen angeknüpft
und gepflegt. Wegen des vorwiegend privaten Charakters der Aufwendungen sei deshalb
den geltend gemachten Aufwendungen die steuerliche Anerkennung zu versagen.
Der Kläger hat hiergegen fristgerecht mit einem an das FA gerichteten Schreiben vom
6.6.2001 (Betreff: Einspruch und Klageerhebung) Klage erhoben. Wegen des Vorbringens
des Klägers wird auf dieses Schreiben nebst Anlagen Bezug genommen. Er hat in
einzelnen Punkten den "Einspruch zurückgezogen".
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 29.5.2001 i.d.F. der Einspruchsentschei- dung
vom 30.5.2001 dahin abzuändern, dass als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit zusätzlich Aufwendungen für die Bewirtung von Helfern der
Weihnachtsaktion Moskau (104,10 DM), Fahrtkosten für Besuch einer Ausstellung einer
ehemaligen Schülerin (45,76 DM), Casa Nova "Russische Lyrik" (19 DM), Über- nahme
von Fahrtkosten für Frau B -Theateraufführungen als Teil der Olympiade (188,90 DM),
Blumen-Glückwünsche anlässlich einer Theateraufführung (37 DM) und Aufnahme einer
russischen Gastlehrerin (1.574 DM) berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat Schreiben/Bestätigungen des Gymnasiums Z-Stadt vom 30.1.1995 und
6.6.2001 vorgelegt, wonach der Kläger im Rahmen des Schüler- und Lehraustausches mit
Moskau vom 23.4. bis zum 20.5.1995 im dienstlichen Auftrag eine russische Gastlehrerin
bei sich beherbergt und beköstigt habe sowie für alle sonstigen Auslagen (Fahrt- und
Programmkosten) aufgekommen sei.
Die Klage ist unbegründet.
1. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den nicht abzugsfähige Ausgaben "auch die
Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche
Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder
der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen". Wie der Große Senat des BFH im Beschluss
in BStBl II 1971, 17 ausgesprochen hat, enthält § 12 Nr.1 Satz 2 EStG auch für Fälle von
sog. gemischten Aufwendungen eine gesetzliche Typisierung und ein gesetzliches Verbot
der Aufteilung solcher Kosten. Das hiernach bestehende sog. Aufteilungs- und
Abzugsverbot greift nur dann nicht ein, wenn und soweit sich der den Betrieb oder den
Beruf fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit
zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und wenn außerdem der
berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist; diese Ausnahmen sind
im Streitfall nicht einschlägig.
2. Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an, weil es sie im Ergebnis für
30
31
32
33
34
35
36
zutreffend hält. Es verkennt dabei nicht, dass sie (a) sowohl im Schrifttum als auch in der
finanzgerichtlichen Rechtsprechung auf Kritik gestoßen ist (vgl. hierzu Drenseck in
Schmidt, EStG, 21. Aufl., 2002, § 12 Rzn. 14 f., m.w.N.) und (b) dem in der mündlichen
Verhandlung nachdrücklich geäußerten Gerechtigkeitsempfinden des Klägers widerspricht.
3. Ausgehend von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sowie der hierzu ergangenen höchstrichterlichen
Rechtsprechung ist der vom FA vertretenen Auffassung in Bezug auf sämtliche streitige
Aufwendungen beizupflichten.
a) Zu den Aufwendungen für die Unterbringung und Beköstigung eines Austauschlehrers
wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das nicht veröffentlichte Urteil des
Niedersächsischen Finanzgericht (FG) vom 18.2.1988 VI 116/86 (Juris-Nr.
DVRE000084516) Bezug genommen. Diese Bezugnahme ist hier deshalb zulässig, weil
ein Abdruck dieses Urteils den Beteiligten bereits in der mündlichen Verhandlung
überreicht worden ist.
b) Dem FA ist auch darin beizupflichten, dass Aufwendungen zum Besuch kultureller
Veranstaltungen auch bei einem Lehrer regelmäßig zu den nichtabzugsfähigen Kosten der
Lebensführung gehören.
Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn diesbezüglichen Aufwendungen ein
"eindeutig beruflicher Charakter" zukommt. Eine solche Ausnahme hat der BFH z.B. für den
Fall erwogen, dass eine Musiklehrerin eine Reihe von Konzerten mit neuer Musik besucht,
die verbunden mit Einführungsvorträgen unter bestimmten Gesichtspunkten ausgewählte
Werke neuer Musik zur Darbietung bringt (vgl. Urteil vom 8.2.1971 VI R 76/78, BStBl II
1971, 368). Auf einem solchen Vorverständnis beruht auch das BFH-Urteil vom 14.5.1982
VI R 259/80 (nicht veröffentlicht, juris-Nr: STRE825051660), wonach Aufwendungen für
Theaterbesuche dann Werbungskosten sein können, wenn die berufliche Tätigkeit nur
anlässlich der Theatervorstellung selbst ausübbar sei. Bei Steuerpflichtigen, die nicht
selbst Mitarbeiter des Theaters sind, sei erforderlich, dass der Steuerpflichtige einen
dienstlichen Auftrag zum Besuch gerade der von ihm aufgesuchten Vorstellung erhalte
oder dass er die seinen dienstlichen Auftrag betreffenden Feststellungen nicht außerhalb
der abendlichen Aufführungen treffen könne.
Da Aufwendungen eines Lehrers für die Teilnahme an einer Klassenfahrt unzweifelhaft
Werbungskosten sind (vgl. Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 19 Rz. 60, m.w.N.), lägen auch
bei Aufwendungen eines Lehrers zum Besuch einer kulturellen Veranstaltung mit einer
Klasse Werbungskosten vor. So verhielt es sich hier aber nicht. Der Kläger hat nach
seinem Vortrag nur mit einzelnen Schülern kulturelle Veranstaltungen besucht. Der von ihm
hervorgehobene Umstand der sog. Tutandenbetreuung rechtfertigt es nicht, den
diesbezüglichen Aufwendungen einen "eindeutig beruflichen Charakter" beizumessen.
c) Schließlich steht auch die vom FA zu den Punkten "Bewirtungskosten", "Blumenpräsent"
und "Fahrtkostenübernahme" vertretene Ansicht im Einklang mit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung.
Soweit das FA ausgeführt hat, Aufwendungen für Präsente und Bewirtung seien
grundsätzlich nicht als Werbungskosten abzugsfähig und eine Ausnahme sei nur gegeben,
soweit ein Arbeitnehmer variable Bezüge erhalte, die der Höhe nach erfolgsabhängig
seien, trifft dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu. Das Gericht verweist
hierzu ergänzend sowie beispielhaft auf das zu Geschenkaufwendungen eines
angestellten Chefarztes eines Krankenhauses ergangene BFH-Urteil vom 8.11.1984 IV R
37
38
186/82 (BStBl II 1985, 286).
4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht zuzulassen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.