Urteil des FG Düsseldorf vom 15.07.2002

FG Düsseldorf (Klinik, Grundstück, Realisierung Stiller Reserven, Stille Reserven, Stillen, Einkünfte, Stadt, Gesellschafter, Anteil, Vorrang)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 6288/01 F
15.07.2002
Finanzgericht Düsseldorf
7 Senat
Urteil
7 K 6288/01 F
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
Streitig ist, ob die Veräußerung der Teilanteile an der "Klinik X-Stadt-YStadt Dr. A und Dr. B
GbR" (Klinik GbR) und an der "Arzneimittelvertriebsgesellschaft Dres. A und B"
(Arzneimittelvertriebsgesellschaft) an Herrn Dr. C zum 01.01.1998 gemäß §§ 18 Abs. 3, 16
und 34 EStG (in der damals geltenden Fassung) tarifbegünstigt ist.
Die Kläger sind Tierärzte und seit 1992 je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks in Y-
Stadt. 1993 gründeten sie die Klinik GbR, welche auf dem o. g. Grundstück betrieben
wurde. Das Festkapital der GbR betrug insgesamt 500.000 DM, wovon den Klägern jeweils
250.000 DM zuzurechnen war. Ebenfalls zur Hälfte waren sie auch an der
Arzneimittelvertriebsgesellschaft beteiligt. Bis zum 31.12.1997 bilanzierten sie das
Grundstück, in Y-Stadt, aufgrund der Gesellschafteridentität und Anteilsgleichheit in der
Bilanz der Klinik GbR.
Mit Wirkung ab 01.01.1998 nahmen die Kläger Herrn Dr. C als weiteren Gesellschafter der
Klinik GbR und der Arzneimittelvertriebsgesellschaft auf. Von diesem Zeitpunkt an war
jeder Gesellschafter zu je einem Drittel an den Gesellschaften beteiligt. Von dem
Festkapital der Klinik GbR i. H. v. 510.000 DM waren den Klägern und Herrn Dr. C jeweils
170.000 DM zuzurechnen. Die Aufnahme von Herrn Dr. C erfolgte zum einen durch Verkauf
von Teilanteilen, zum anderen durch eine Bareinlage bei der Klinik GbR. Als Kaufpreis für
die übertragenen Anteile zahlte Herr Dr. C an die Kläger jeweils 267.500 DM. Für ihn
wurde zum 01.01.1998 eine positive steuerliche Ergänzungsbilanz mit einem variablen
Kapitalkonto von 365.000 DM erstellt ((2 x 267.500 DM) - 170.000 DM = 365.000)).
Mit Wirkung ab 01.01.1998 vermieteten die Kläger das Grundstück, in Y-Stadt, an die Klinik
GbR. Den Buchwert des Grundstücks führten sie in Sonderbilanzen fort (Buchwert zum
31.12.1997 2.479.900 DM, Teilwert 3.000.000 DM).
In der Erklärung der Klinik GbR zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen wurde für die Kläger ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn
von jeweils 187.500 DM (= 267.500 DM - 80.000 DM) erklärt. Im Feststellungsbescheid
1998 vom 31.07.2001 und dem Änderungsbescheid vom 16.08.2001 berücksichtigte der
Beklagte jedoch den gesamten Gewinn als laufenden Gewinn. Hiergegen legten die Kläger
Einspruch ein, den der Beklagte am 24.10.2001 als unbegründet zurückwies. Ein
Mitunternehmeranteil könne nur dann nach §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt veräußert
werden, wenn die in den wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens
ruhenden stillen Reserven gleichzeitig aufgelöst wurden. Ein Mitunternehmeranteil i. S. von
§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG umfasse nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht
nur den Anteil des Mitunternehmers am Vermögen der Gesellschaft, sondern auch
etwaiges Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters.
Hiergegen haben die Kläger am 05.11.2001 Klage erhoben. Sie tragen vor:
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Die Veräußerung des Mitunternehmeranteils der Klinik GbR sowie der
Arzneimittelvertriebsgesellschaft stelle bei der Klinik GbR die Veräußerung eines
Teilbetriebs und bei der Arzneimittelvertriebsgesellschaft die Veräußerung des gesamten
Anteils dar. Hinsichtlich des nicht mitveräußerten Anteils am Grundstück liege ein
organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs als Teilbetrieb vor. Unterstelle man eine
gewerbliche Betriebsaufspaltung, lägen zwischen Schwesterpersonengesellschaften zwei
separate Teilbetriebe vor, die jeweils eigenständig den Kriterien der §§ 16 und 34 EStG
unterlägen. Die Veräußerung der Teilanteile sei genauso zu behandeln, wie die
Veräußerung eines Anteils am Besitzunternehmen bei einer bestehenden
Betriebsaufspaltung zwischen Schwesterpersonengesellschaften. Ferner sei zu
berücksichtigen, dass bei nicht anteiligem Mitverkauf von Sonderbetriebsvermögen, die
stillen Reserven im Bereich des Grundstücks weiterhin steuerverhaftet seien. Hier sei
lediglich kein exaktes Zusammenfallen der Aufdeckung der stillen Reserven gegeben.
Die Kläger beantragen,
die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1998 vom 16.08.2001 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2001 dahingehend abzuändern, dass die
Besteuerungsgrundlagen mit 375.000 DM auf tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne
festgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Eine Betriebsaufspaltung liege nicht vor. Die Tarifbegünstigung der §§ 16, 34 EStG
erfordere, dass auch die stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens aufgedeckt
würden.
Im Übrigen wiederholt der Beklagte sein Vorbringen aus der Einspruchsentscheidung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid ist rechtmäßig
und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Der durch die Veräußerung der Teilanteile der Klinik GbR und der
Arzneimittelvertriebsgesellschaft entstandene Gewinn ist nicht nach §§ 18 Abs. 3, 16, 34
Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt, weil die in dem zum (wesentlichen)
Sonderbetriebsvermögen der Kläger gehörenden Grundstück, in Y-Stadt, ruhenden stillen
Reserven nicht gleichzeitig im Umfang der veräußerten Anteile aufgedeckt wurden. Dies
ergibt sich aus der Anwendung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auf
den vorliegenden Streitfall (vgl. BFH-Urteil vom 24.08.2000, IV R 51/98, BFHE 192, 534;
BFH/NV 2000, 1554; BFH-Urteil vom 12.04.2000, XI R 35/99, BFHE 192, 419, BStBl II
2001, 26). Die für eine Tarifbegünstigung notwendige zusammengeballte Realisierung
stiller Reserven ist hier nicht gegeben.
Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte im Sinn des
Absatzes 1 u. a. (nur) Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 16 und 18 Abs. 3 EStG in
Betracht. Gemäß § 18 Abs. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit
auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der
selbständigen Arbeit dient. Dieser Anteil am Vermögen umfasst einkommensteuerrechtlich
die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft, einschließlich der dinglichen
Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen und etwaiges Sonderbetriebsvermögen
(Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 18 Rz. 350 m. w. N.). Bei der Veräußerung
eines Praxisanteils gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Veräußerung eines
gewerblichen Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) (vgl. Blümich/Hutter, EStG, §
18 Rz. 269 ff).
Ein Mitunternehmeranteil kann nur dann nach § 16, 34 EStG tarifbegünstigt veräußert
werden, wenn die in den wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens
ruhenden stillen Reserven gleichzeitig aufgelöst werden (BFH-Urteil vom 19.03.1991, VIII
R 76/87, BFHE 164, 260, BStBl II 1991, 635). Die Teilanteilsveräußerung bedeutet eine
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"vertikale Spaltung" des vollständigen Anteils; ihre Begünstigung setzt die Veräußerung
eines Teils des Anteils, zugleich aber auch die quotale Mitveräußerung des (wesentlichen)
Sonderbetriebsvermögens voraus. Wird ein Anteil veräußert, ohne dass ein
entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens mitveräußert wird, so ist nicht ein
vollständiger Teilanteil Gegenstand der Veräußerung (BFH-Urteil vom 12.04.2000, XI R
35/99, BStBl II 2001, 26; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 410).
Das Grundstück, in Y-Stadt, gehört zum wesentlichen Sonderbetriebsvermögen der Klinik
GbR. Es ist als Klinikgrundstück für die Klinik funktional wesentlich und es beinhaltet auch
erhebliche stille Reserven. Bei der Übertragung des anteiligen Gesamthandsvermögens
auf Dr. C, wurde das Grundstück nicht anteilig mitveräußert, sodass die stillen Reserven
nicht kongruent mitaufgedeckt wurden. Entgegen der Ansicht der Kläger spricht gerade der
Umstand, dass die stillen Reserven des Grundstücks weiterhin steuerverstrickt sind und
nicht in einem einheitlichen Vorgang mit der Teilanteilsübertragung anteilig aufgedeckt
werden, gegen die Anwendung der Tarifbegünstigung nach § 34 EStG. Im Übrigen wird auf
die rechtlichen Ausführungen im Beschluss vom 04.01.2002 (Az. 7 V 6289/01 A (F))
verwiesen.
Der Veräußerungsgewinn i. H. v. 375.000 DM ist auch nicht deswegen als tarifbegünstigter
Gewinn zu beurteilen, weil die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einem
Betriebsunternehmen bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung von
Schwesterpersonengesellschaften möglicherweise nach §§ 16, 34 EStG begünstigt sind.
Richtig ist, dass § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 2. HS EStG (Sonderbetriebseinnahmen,
Sondervergütungen) nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Leistungen einer
Schwesterpersonengesellschaft, die gewerblich tätig oder gewerblich geprägt ist, nicht
anzuwenden ist. Die Qualifikation des Vermögens als Gesellschaftsvermögen und die
Einkünfte aus der Verpachtung dieses Vermögens als Einkünfte der gewerblich tätigen
Personengesellschaft bei ganz oder teilweise gesellschafteridentischen
Personengesellschaften hat nämlich Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als
Sonderbetriebsvermögen und der Einkünfte aus der Verpachtung als
Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter bei der leistungsempfangenden Gesellschaft (
vgl. BFH-Urteil vom 22.11.1994, VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93). Ebenso
steht eine Schwesterpersonengesellschaft, die nur als Besitzgesellschaft im Rahmen einer
mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung gewerblich tätig ist, diesen Gesellschaften
insofern gleich als bei einer Nutzungsüberlassung Betriebseinnahmen und
Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft Vorrang vor Sondervergütungen und
Sonderbetriebsvermögen der Doppelgesellschafter bei der Betriebsgesellschaft haben
(BFH-Urteil vom 23.4.1996, VIII R 13/95, BFHE 181, 1; BStBl II 1998, 325). Dies hat nach
Ansicht in der Literatur u.a. den Vorteil, dass die isolierte Veräußerung der Anteile an der
Besitzpersonengesellschaft nach §§ 16, 34 EStG begünstigt ist (vgl. Schmidt/Schmidt,
EStG, § 15 Rz. 605). Das Gleiche dürfte wohl auch für die isolierte Veräußerung der Anteile
an der Betriebspersonengesellschaft gelten, so dass insofern das Vorbringen der Kläger
zutreffend ist. Im Streitfall finden die Grundsätze der mitunternehmerischen
Betriebsaufspaltung von Schwesterpersonengesellschaften jedoch keine Anwendung, da
dafür die Erzielung von gewerblichen Einkünften Voraussetzung ist. Die Klinik GbR erzielt
aber Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.
Die Ungleichbehandlung von Schwesterpersonengesellschaften im Rahmen einer
mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung im Gegensatz zu der Behandlung im Streitfall
verstößt auch nicht gegen das Gleichheitsgebot. Es wird nämlich nicht wesentlich Gleiches
ungleich behandelt. Die Gesellschafter bei einer mitunternehmerischen
Betriebsaufspaltung erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Diese unterliegen
der Gewerbesteuer. Die Rechtsprechung zur mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung
von Schwesterpersonengesellschaften hat nicht nur Folgen bezüglich der Gewinne aus
Anteilsveräußerungen, sondern eine Vielzahl von einkommensteuerlichen und
gewerbesteuerlichen Konsequenzen (vgl. BMF vom 28.4.1998, IV B 2 - S 2241 - 42/98,
BStBl I 1998, 583 Tz. 2: z. B ein nur Besitzgesellschafter hat auch gewerbliche Einkünfte,
Darlehen zwischen Schwesterpersonengesellschaften sind eventuell Dauerschulden (§ 8
Nr. 1 GewStG), ein negativer Gewerbeertrag der Besitzpersonengesellschaft darf nicht mit
dem positiven Gewerbeertrag der Betriebsgesellschaft verrechnet werden). Wegen dieser
erheblichen Nachteile wird diese Rechtsprechung von der Finanzverwaltung erst für nach
dem 31.12.1998 beginnende Wirtschaftsjahre angewandt. Im Streitfall erzielen die
Gesellschafter der Klinik GbR Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG). Eine
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Gewerbesteuerpflicht besteht nicht. Die Kläger können nicht für das Streitjahr 1998 die
Anwendung der Vorteile einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung für sich in
Anspruch nehmen und sämtliche anderen Konsequenzen hier unbeachtet lassen. Zudem
ist die Rechtsprechung zur mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung von
Schwesterpersonengesellschaften nur eine Ausnahmerechtsprechung. Daneben gilt
weiterhin der Grundsatz, dass Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen die
Rechtsfolgen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung verdrängen (vgl. BFH-Urteil
vom 24.3.1999, I R 114/97 BStBl II 2000, 399).
Entgegen der Ansicht der Kläger stellen auch weder der Teilanteil an der Klinik noch das
zurückbehaltene Grundstück einen Teilbetrieb dar. Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen
Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für
sich allein lebensfähig ist (Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 143 m.w.N.). Er ist begrifflich u.
a. von unselbständigen Betriebsteilen und einzelnen Wirtschaftsgütern des
Betriebsvermögens abzugrenzen.
Ein Anteil an einer GbR kann schon nach dem Wortsinn kein Teilbetrieb sein. Das
Grundstück ist ebenfalls kein Teilbetrieb, sondern nur ein einzelnes Wirtschaftsgut des
Betriebsvermögens. Das Betriebsvermögen der Klinik GbR umfasst hier nämlich neben
dem Grundstück vor allem auch den Praxiswert der Klinik. Das Grundstück, der Praxiswert
und das übrige Betriebsvermögen stellen zusammen einen Gesamtbetrieb dar. Insofern ist
das Klinikgrundstück kein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes. Es ist ohne
Klinik, die darin betrieben wird, für sich allein nicht lebensfähig. Zudem ist die Vermietung
eines bebauten Grundstücks i. d. R. weder Gewerbebetrieb noch gewerblicher Teilbetrieb.
Eine Ausnahme kann nur vorliegen, wenn der Vermieter wesentliche Sonderleistungen
erbringt (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 160 "Grundstück"). Solche Sonderleistungen
sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Veräußerung des Anteils an der Arzneimittelvertriebsgesellschaft ist für die Beurteilung
des Streitfalls unerheblich, da hier nur die Behandlung des im Rahmen der Beteiligung an
der Klinik GbR erklärten Gewinns i. H. v. 375.000 DM streitig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.