Urteil des FG Düsseldorf vom 18.07.2002

FG Düsseldorf (Treu Und Glauben, Neue Tatsache, Dienstvertrag, Stadt, Einmalige Abfindung, Dienstverhältnis, Rechtsgrundlage, Steuererklärung, Einkünfte, Wohnung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 14 K 2661/99 E
18.07.2002
Finanzgericht Düsseldorf
14 Senat
Urteil
14 K 2661/99 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Durch Dienstvertrag vom 05.09.1985 übernahm der Kläger ab dem 01.10.1985 die Position
eines Vorstandsmitgliedes der "Uj-AG" (im Folgenden: "Uj-AG"). Gleichzeitig sollte der
Kläger daneben die Tätigkeit eines Vorsitzenden des Vorstandes des Geschäftsbereiches
"Ug" ausüben. Der Vertrag war zunächst bis zum 30.09.1990 befristet.
Dem Kläger wurden neben Barbezügen (zunächst 23.000 DM monatlich) für seine Tätigkeit
folgende Sachbezüge zugesichert:
1. Anspruch auf freie Wohnung (bei Wohnen im eigenen Haus Mietgeld von 3.000 DM
monatlich)
2. Aufwandersatz für Heizung, Beleuchtung und Wasser, Schönheitsreparaturen,
Reparaturen zur Instandhaltung der Wohnung, Gartenpflege und Diensttelefon
3. Stellung eines PKW (z. Zt. Mercedes 280 SE/SEL, BMW 728i) mit Fahrer; die Benutzung
des PKW für private Zwecke war gestattet.
Auf die Ansprüche aus dem Dienstvertrag vom 05.09.1985 sollten sämtliche Ansprüche
aus dem Dienstverhältnis als Vorsitzender des Vorstandes des Geschäftsbereiches "Ug"
angerechnet werden. Am 16.03.1990 wurde der Dienstvertrag des Klägers bis zum
30.09.1995 verlängert unter der Bedingung, dass der Kläger in den Vorstand der 1990
gegründeten Tochtergesellschaft "Bg" (im Folgenden: "Bg") überwechseln sollte.
Der Kläger wechselte im Februar 1991 zu "Bg", ohne jedoch den von "Bg" am 25.01.1991
vorgelegten Vertrag zu unterschreiben. Der Dienstvertrag mit "Uj-AG" wurde nicht
aufgehoben. "Bg" leistete gemäß dem Vertragsentwurf vom 25.01.1991 Zahlungen an den
Kläger, während "Uj-AG" weiterhin Sachbezüge gewährte.
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Unter dem 15./16.12.1991 und 13.01.1992 trafen der Kläger, "Uj-AG" und "Bg" eine
Ausscheidensvereinbarung, wonach das bestehende Vertragsverhältnis des Klägers mit
"Uj-AG" und/oder "Bg" auf Veranlassung der "Bg" einvernehmlich zum 31.12.1991
aufgehoben wurde. Der Kläger sollte eine einmalige Abfindung von "Bg" in Höhe von 2,1
Mio. DM - Fälligkeit Januar 1992 - erhalten. Der dem Kläger "vertraglich zustehende
Sachbezug für die Wohnung in "L-Stadt"... sowie seine übrigen Ansprüche auf Sachbezug
wie Gartenpflege, Dienstwagen mit privater Nutzungsbefugnis, Ersatz der Telefonkosten,
Versicherungen usw." sollten unverändert bis zum 30.09.1995 durch "Uj-AG" gewährt und
dort der Lohnsteuerpflicht unterworfen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wurde auf
die Aktennotiz der Personalverwaltung von "Uj-AG" vom 15.02.1991 verwiesen.
Schuldner der Leistungen aus der Ausscheidensvereinbarung sollten "Uj-AG" und "Bg"
gesamtschuldnerisch sein, die sich über eine Aufteilung des Aufwandes untereinander
verständigen sollten.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1992 erfasste der Kläger die
Abfindungszahlung von "Bg" in Höhe 2,1 Mio. DM abzüglich eines Steuerfreibetrages von
24.000 DM mit 2.076.000 DM als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung. Die
Sachbezüge der "Uj-AG" waren in der Anlage N, Zeile 2 ("weitere Lohnsteuerkarte(n)") mit
91.826 DM erfaßt.
Durch Einkommensteuerbescheid vom 18.09.1995 wurden die Kläger von dem damals
noch zuständigen Finanzamt "L-Stadt" zunächst erklärungsgemäß veranlagt.
Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der "Bg" in "N-Stadt" 1997 wurden dem
Finanzamt "M-Stadt" die dem Kläger bis zum 30.09.1995 gewährten Sachbezüge (mit
einem Jahreswert von ca. 106.000 DM) bekannt und mit Schreiben vom 06.10.1997 dem
damals zuständigen Finanzamt "L-Stadt" mitgeteilt.
Daraufhin änderte das Finanzamt "L-Stadt" durch Änderungsbescheid vom 14.11.1997
nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Einkommensteuerfestsetzung 1992 und versagte
hinsichtlich der Abfindung den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 EStG. Zur
Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Geldzahlung und die Sachbezüge als
einheitliche Leistung aus dem Abfindungsvertrag anzusehen seien und daher keine
Zusammenballung von Einkünfte vorgelegen habe. Eine ermäßigte Besteuerung komme
daher nicht in Betracht.
Im hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren machten die Kläger folgendes geltend: Der
Kläger habe bis Januar 1991 seine Dienstbezüge von "Uj-AG" erhalten. Daneben habe
ihm "Uj-AG" bis 1995 die im Dienstvertrag von 1985/1990 geregelten Sachbezüge gewährt.
Die Sachbezüge seien bereits in dem ursprünglichen Dienstvertrag geregelt gewesen,
sodass sie nicht als Entschädigungen wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses
angesehen werden könnten. Dies habe zur Folge, dass sie bei der Frage der
Zusammenballung von Einkünften nicht berücksichtigt werden könnten. Damit sei allein auf
die Geldzahlung von 2,1 Mio. DM, die im Jahre 1992 erfolgt sei, abzustellen. Die
Sachbezüge seien ausschließlich von "Uj-AG" erbracht worden, bei den
Rechtsbeziehungen zu "Uj-AG" handele es sich um ein zweites, seit dem 05.09.1985
bestehendes Arbeitsverhältnis.
Letztlich bleibe auch fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Änderung des
ursprünglichen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorgelegen hätten.
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Durch Einspruchsentscheidung des inzwischen zuständig gewordenen Beklagten vom
09.04.1999 wurde der Einspruch der Kläger als unbegründet zurückgewiesen: Aus dem
Dienstvertrag des Klägers ergebe sich, dass er neben seinen Barbezügen auch
Sachbezüge für die Zeit des aktiven Dienstes erhalten sollte. Sachbezüge für die Zeit nach
einem eventuellen Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis seien jedoch nicht vereinbart
gewesen. Insoweit handele es sich bei der Ausscheidensvereinbarung vom
15.12./16.12.1991 bzw. 13.01.1992 um eine neue Rechtsgrundlage. Damit lägen
insgesamt zwei Entschädigungsleistungen in Form einer Geldabfindung sowie in der
Weitergewährung von Sachbezügen vor. Angesichts des einmaligen Zuflusses des
Geldbetrages im Jahre 1992 und der laufenden Gewährung von Sachbezügen bis 1995 sei
die für die Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 34 Abs. 2 EStG notwendige
Zusammenballung von Einkünften zu verneinen. Auch die Überlegung des Klägers, dass
er in einem Dienstverhältnis zu zwei Arbeitgebern gestanden habe, führe zu keiner
anderen Beurteilung. Aus der Ausscheidensvereinbarung ergebe sich nämlich, dass das
ursprüngliche Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und "Uj-AG" nicht aufgelöst worden
sei. Dementsprechend sei die Ausscheidensvereinbarung auch von "Bg" und "Uj-AG" mit
dem Kläger getroffen worden. Im Übrigen hätten sich die "Bg" und "Uj-AG" in dieser
Vereinbarung als Gesamtschuldner verpflichtet, die sich über die Aufteilung der
Abfindungszahlungen untereinander verständigen sollten.
Die Voraussetzungen für die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheides nach § 173
Abs. 1 Nr. 1 AO hätten vorgelegen, denn das nachträgliche Bekanntwerden der
Sachbezüge durch die Lohnsteueraußenprüfung bei der Firma "Bg" sei als neue Tatsache
zu werten.
Am 27.04.1999 haben die Kläger Klage erhoben und folgendes ergänzend vorgetragen:
Der Vorstandsvertrag des Klägers mit "Uj-AG" sei nicht aufgehoben worden.
Der angefochtene Änderungsbescheid sei allein deshalb schon rechtswidrig, weil die
Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt seien. Das
damals zuständige Finanzamt "L-Stadt" habe nämlich seine Ermittlungspflichten verletzt.
Es habe versäumt, die der Abfindungsvereinbarung zu Grunde liegenden Verträge
anzufordern. Der Kläger selbst habe keine Verpflichtung gehabt, die maßgeblichen
Verträge von sich aus mit der Steuererklärung einzureichen.
Der Änderungsbescheid sei auch materiell rechtswidrig, denn der Kläger habe die
Sachbezüge von seinem vormaligen Arbeitgeber "Uj-AG" nicht auf Grund einer neuen
Rechtsgrundlage, sondern wegen des bis zum 30.09.1995 befristeten Vorstandsvertrages
aus dem Jahre 1985/1990 erhalten. Im Auflösungsvertrag von Dezember 1991 sei
ausdrücklich festgehalten worden, dass die Weitergewährung der Sachbezüge von der
sonstigen Vertragsaufhebung ausgenommen sein sollten. Die dem Kläger gewährten
Sachbezüge hätten damit ihren Rechtsgrund im Bestand des früheren Arbeitsverhältnisses
und nicht in dessen Beendigung gehabt. Eine einheitliche Leistung von Abfindungszahlung
und Weitergewährung der Sachzuwendung scheitere bereits daran, dass der Kläger zu
zwei unterschiedlichen Arbeitgebern in zwei getrennt zu betrachtenden
Dienstverhältnissen gestanden habe. Aber auch wenn die Sachbezüge allein von "Bg"
neben der Entschädigungsleistung in Höhe von 2,1 Mio. DM gewährt worden wären,
stünde dies einer ermäßigten Besteuerung nicht entgegen, denn alle Geld- und
Sachleistungen als Ausfluss aus einem früheren Dienstverhältnis seien als Einnahmen aus
einer ehemaligen Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG zu behandeln. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG
rekurriere aber allein auf § 24 Nr. 1 EStG. Soweit der Abfindungserlass vom 18.12.1998,
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BStBl I 1998, S. 1512 (Tz. 18) die zeitlich befristete Weiterbenutzung von Dienstwagen und
betrieblichen Einrichtungen regelmäßig als Teil der Entlassungsentschädigung ansehe,
gebe es hierfür weder eine Begründung noch eine gesetzliche Grundlage. Bei der
steuerlichen Beurteilung der Weitergewährung von Sachleistungen nach dem Ausscheiden
aus dem Arbeitsverhältnis sei allein darauf abzustellen, ob die Leistungen allein wegen
Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewährt würden. Fänden die zusätzlichen Leistungen
ihre alleinige Rechtsgrundlage im ursprünglichen Arbeitsvertrag, so sei eine ermäßigte
Besteuerung zu gewähren.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 14.11.1997 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 09.04.1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, dass der Kläger lediglich bei einem Arbeitgeber, nämlich der "Uj-
AG", wenn auch in unterschiedlichen Geschäftsbereichen tätig gewesen sei. Die
Einheitlichkeit des Arbeitgebers komme auch in der Ausscheidensvereinbarung dadurch
zum Ausdruck, dass "Uj-AG" und "Bg" als Gesamtschuldner sich verpflichtet hätten. Eine
Verletzung der Ermittlungspflicht der Finanzverwaltung sei nicht anzunehmen, vielmehr sei
es Sache des Klägers gewesen, die Sachbezüge mitzuteilen, da die Gewährung von
Sachbezügen nicht selbstverständlich sei. Eine Überprüfung der Angaben des Klägers in
seiner Einkommensteuererklärung sei nicht erforderlich gewesen, da zum damaligen
Zeitpunkt keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärung bestanden
hätten.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1. Zu Recht hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die dem Kläger 1992
gewährte Abfindung nicht mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG besteuert.
Der Kläger hat nämlich insoweit keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs.
2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG bezogen.
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG scheitert im
vorliegenden Fall daran, dass dem Kläger die anlässlich seines Ausscheidens bei "Uj-AG"
bzw. "Bg" gezahlte Abfindung nicht zusammengeballt zugeflossen ist.
Nur dann, wenn eine Zusammenballung von Einnahmen zu verzeichnen ist, die sich bei
normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, ist ein sachlicher Grund für die von § 34
Abs. 1 EStG bezweckte Milderung der tariflichen Spitzenbelastung zu erkennen.
Die Frage der Zusammenballung richtet sich im vorliegenden Fall ganz entscheidend
danach, welche Leistungen der Kläger wegen des Ausscheidens bei "Uj-AG" bzw. "Bg"
erhalten hat. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Kläger bei "Uj-AG" angestellt war
und seine Tätigkeit bei "Uj-AG" darin bestand, einen Vorstandsposten bei der
Tochtergesellschaft "Bg" zu bekleiden. Diese Tätigkeit hat der Kläger auch ab Februar
1992 ausgeübt. Damit lag ein einheitliches Arbeitsverhältnis vor; lediglich der Arbeitslohn
des Klägers wurde von zwei verschiedenen Stellen gezahlt: die Sachbezüge - wie bisher -
von "Uj-AG", das Gehalt von "Bg". Dieses einheitliche Vertragsverhältnis des Klägers
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wurde im Aufhebungsvertrag von 1991/1992 insgesamt aufgelöst (vgl. Nr. 1 Satz 1).
Neben der Abfindung in Höhe von 2,1 Mio. DM brutto hat der Kläger wegen des
Ausscheidens aus seinem Dienstverhältnis zusätzlich auch noch Sachbezüge von "Uj-AG"
bis 1995 erhalten.
Diese Sachbezüge finden ihre Rechtsgrundlage nicht in dem ursprünglichen Dienstvertrag
aus den Jahren 1985/1990, sondern resultieren allein aus der Ausscheidensvereinbarung
vom 15.12.1991/13.01.1992 und beruhen damit - wie auch die Abfindung in Höhe von 2,1
Mio. DM - auf einer neuen Rechtsgrundlage.
Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Sachbezüge bis 1995
nach dem Dienstvertrag von 1985/1990 nur zugestanden hätten, wenn er bis einschließlich
1995 noch im aktiven Dienst für "Uj-AG" gestanden hätte. Für den Fall des Ausscheidens
des Klägers beim "Uj-AG" sah der Dienstvertrag von 1985/1990 gerade keine
Weitergewährung von Sachbezügen bis 1995 vor. Die anlässlich des Ausscheidens des
Klägers bei "Uj-AG" gezahlten Entschädigungsleistungen in Form einer Geldabfindung
sowie der Weitergewährung von Sachbezügen bis 1995 sind somit als Einheit anzusehen.
Insoweit liegen - entgegen der rechtlichen Einschätzung der Kläger - auch keine
nachträglichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 24 Nr. 2 EStG vor, denn
diese Vorschrift setzt voraus, dass die Einkünfte gerade auf dem ursprünglichen
Arbeitsvertrag und nicht - wie hier - auf einer Ausscheidensvereinbarung beruhen.
2. Der Beklagte war auch berechtigt, die ursprüngliche bestandskräftige Steuerfestsetzung
für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Dem Beklagten ist nämlich erst
anlässlich der Lohnsteuer-Außenprüfung bei der "Bg" in "N-Stadt" 1997 bekannt geworden,
dass der Kläger neben der Geldabfindung in Höhe von 2,1 Mio. DM zusätzlich bis 1995
Sachbezüge in einem durchschnittlichen Jahreswert von ca. 106.000 DM zugeflossen sind.
Dieser Umstand stellt eine neue Tatsache dar, die dem Beklagten erst nach Erlass des
ursprünglichen Steuerbescheides bekannt geworden ist und damit die Voraussetzungen
zur Änderung der bestandskräftigen Steuerveranlagung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt.
Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dem Beklagten die
Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach den Grundsätzen von Treu und Glauben
verwehrt ist, weil der Beklagte bei der Erstveranlagung gegen seine Pflicht zur
Amtsermittlung verstoßen hat. Ein Verstoß von Treu und Glauben wäre nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH/NV 1993, S. 496; BFH/NV 1989, S. 96) nur
dann anzunehmen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache
bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre.
Eine solche Verletzung der Ermittlungspflicht nach § 88 AO ist nur dann anzunehmen,
wenn das Finanzamt ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer
Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres
aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH/NV 1993, S. 496). Bei der Bestimmung und
Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamtes kommt es wesentlich auf die Angaben
des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob mit diesen Angaben die steuerlich
relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung
unterbreitet worden sind. Das Finanzamt braucht Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu
begegnen, sondern kann Regelmäßigkeit von der Richtigkeit und Vollständigkeit einer
Steuererklärung ausgehen (BFH, a. a. O.).
Diese Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben liegen
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nicht vor, denn der Beklagte bzw. das damals zuständige Finanzamt "L-Stadt" hatten bei
der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 1992 keinen Anlass, an den Angaben des
Klägers über den Umfang der Entschädigungsleistung zu zweifeln, weil diese Angaben
durch Eintragung in die entsprechende Zeile der Anlage N eindeutig waren. Zwar hatte der
Kläger die Sachbezüge in Anlage N Zeile 2 ("weitere Lohnsteuerkarten") mit 91.826 DM
brutto eingetragen. Gleichwohl war es für die Finanzverwaltung auch in Zusammenhang
mit der eingereichten Lohnsteuerkarte nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um
Sachleistungen handelte, die auf Grund der Ausscheidensvereinbarung vom
15.12.1991/13.01.1992 gezahlt worden waren. Eine solche Sichtweise hätte sich bei der
Finanzverwaltung nur aufdrängen können, wenn der Beklagte die entsprechende
vertragliche Vereinbarung zu den Akten gereicht hätte. Dieser Vertrag lag jedoch bei der
Erstveranlagung nicht vor, sondern wurde erst im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen
den Änderungsbescheid zu den Akten gereicht.
Das Gericht folgt nicht dem Urteil des Finanzgerichtes Düsseldorf vom 18.12.1998 - 11 K
9757/97 E -, EFG 1999, S. 260, wonach bei Entschädigungsleistungen das Finanzamt stets
verpflichtet sein soll, die vom Steuerpflichtigen nicht eingereichten vertraglichen Unterlagen
anzufordern, und wonach im Falle eines Verstoßes gegen diese Pflichten die Änderung
des Steuerbescheides stets nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt sein
soll. Der 11. Senat des Finanzgerichtes Düsseldorf argumentierte für seine von der
herrschenden Meinung abweichende Ansicht allein mit der in seinem Fall eklatanten Höhe
der angegebenen Entschädigungsleistung, die den normalen Bruttobezug um mehr als das
doppelte überstieg und die Steuer im konkreten Fall um 130.000 DM ermäßigen konnte.
Für das erkennende Gericht ist nicht ersichtlich, inwieweit die Amtsermittlungspflicht des
Beklagten abhängig sein soll von der Höhe der Entschädigungsleistung, die der
Steuerpflichtige erhalten hat. Das Einsetzen der Amtsermittlungspflicht bei Unklarheiten
und Zweifelsfragen, die durch eine Steuererklärung aufgeworfen werden, besteht
unabhängig von der Höhe und den steuerlichen Auswirkungen einer geltend gemachten
Entschädigungsleistung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.