Urteil des FG Düsseldorf vom 25.02.2003

FG Düsseldorf: konkretisierung, stadt, rückstellung, berechnung der steuer, bilanzstichtag, deklaratorische wirkung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, beendigung, öffentlich, wahrscheinlichkeit

Finanzgericht Düsseldorf, 6 K 6967/99 K,BB
Datum:
25.02.2003
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 6967/99 K,BB
Tenor:
Unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom
29.09.1999 und der Bescheide zur Körperschaftsteuer 1994 vom
02.09.1998 und zum Einheitswert des Betriebsvermögens auf den
01.01.1995 vom 04.09.1998 werden
1. die Körperschaftsteuer 1994 unter Berücksichtigung einer weiteren
Zuführung zur Rückstellung für Rekultivierungs- und Verfüllungskosten
in Höhe von EUR (DM) festgesetzt; das Einkommen und die
Tarifbelastung werden entsprechend festgestellt und
2. der Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1995 unter
Berücksichtigung einer weiteren Rückstellung für Rekultivierungs- und
Verfüllungskosten in Höhe von EUR (DM) festgesetzt.
Die Berechnung der Steuer- und Feststellungsbeträge wird dem
Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
1
Streitig ist die Nichtanerkennung von Rückstellungen für Verfüllungs- und
Rekultivierungsaufwendungen im Zusammenhang mit einer späteren Stilllegung von
unterirdischen Erdgasspeichern.
2
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Einkauf, die Beförderung, die
Verarbeitung und der Vertrieb von Gas aller Art, insbesondere als Ferngasunternehmen,
sowie die Errichtung und der Betrieb der hierzu erforderlichen Anlagen, die sonstige
3
gaswirtschaftliche Tätigkeit aller Art und die Beteiligung an Unternehmen, die die
vorstehenden Zwecke zu fördern geeignet sind.
Zur Sicherstellung der Erdgasversorgung in Spitzenverbrauchszeiten bevorratet die
Klägerin in
A-Stadt
angelegte Hohlräume (so genannte Kavernenspeicher). Der Betrieb der
Kavernenspeicher in
A-Stadt
vom .....1976 durch das Bergamt
C-Stadt
Kavernenspeichers
B-Stadt
durch das Bergamt
D-Stadt
wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
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In ihren Jahresabschlüssen bildete die Klägerin auf Grundlage des Schreibens des
Bundesministers der Finanzen vom 20.05.1980 (IV B 2-S 2170-50/80, Betriebs-Berater
1980, 871) Rückstellungen für Verfüllungs- und Rekultivierungskosten. Es handelte sich
insoweit um den zeitanteilig angesammelten Teil der zukünftigen Kosten für die
Verfüllung der Kavernenspeicher und die Rekultivierung der Erdoberfläche nach
Beendigung der Kavernennutzung und zudem für die vertraglich bestehende
Verpflichtung gegenüber einem Grundstückseigentümer zum Abbruch einer
Aussolstation in
A-Stadt
DM entfiel ein Anteil von DM auf die Verpflichtung zum Abbruch einer Aussolstation,
während ein Betrag von DM für die Verfüllung der Kavernenspeicher und die
Rekultivierung der Erdoberfläche gebildet wurde.
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Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung für den Zeitraum
1993 bis 1996 durch das Finanzamt für Konzernbetriebsprüfung
E-Stadt
Betriebsprüfer vor, die Rückstellung für die Verfüllung der Kavernenspeicher und die
Rekultivierung der Erdoberfläche gewinnerhöhend aufzulösen und im Streitjahr 1994
die Zuführung zur Rückstellung in Höhe von DM nicht anzuerkennen (vgl. Tz. 31 des
Betriebsprüfungsberichts vom 06.08.1998). Die Betriebsprüfer waren der Auffassung,
dass die Voraussetzungen für eine Bildung von Rückstellungen auf Grund öffentlich
rechtlicher Verpflichtung zur Rekultivierung nicht gegeben seien. Insbesondere fehle es
an einer sachlichen und zeitlichen Konkretisierung der von der Klägerin geforderten
Maßnahmen. Zwar seien nach §§ 34, 35 der Bergverordnung des
Landesoberbergamtes Nordrhein-Westfalen für Tiefbohrungen, Tiefspeicher und für die
Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen (Tiefbohrerverordnung) -BVOT NW-
die nicht mehr benötigten Bohrungen in der Weise zu verfüllen, dass Einbrüche an der
Erdoberfläche vermieden werden und eine spätere Nutzung des Untergrundes nicht
beeinträchtigt werde. In welcher Form und mit welchem Material die Verfüllung
vorzunehmen sei, sei jedoch nicht näher beschrieben. Dieses sei abhängig von den im
später zu erstellenden Abschlussbetriebsplan dargestellten Maßnahmen. Ein inhaltlich
genau bezeichnetes Handeln sei daher der Klägerin bislang nicht vorgegeben.
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Auch für den Zeitpunkt der Verpflichtung ließen sich weder aus der BVOT NW noch aus
den Einzelverpflichtungen konkrete Anhaltspunkte ableiten. Insbesondere sei es nicht
möglich, wie beispielsweise bei einer Kieslagerstätte, den Zeitraum der Nutzung aus
der Mächtigkeit, bzw. den gegebenen Abbaumöglichkeiten ableiten zu können. Durch
die mittlerweile veränderten technischen Möglichkeiten würden Kavernen inzwischen
optimal erstellt, so dass mit einer nennenswerten Veränderung des Speicherinhaltes
über Jahre hinweg nicht zu rechnen sei. Die tatsächliche Nutzungsdauer eines
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Kavernenspeichers liege deshalb erheblich über dem in den amtlichen AfA-Tabellen
angegebenen Wert von 33 Jahren. Das von der Rechtsprechung geforderte Handeln
innerhalb eines bestimmten Zeitraums sei daher von der Klägerin nicht gefordert. Hinzu
komme, dass eine zeitliche Konkretisierung im Sinne der Rechtsprechung nicht
vorliege, wenn nach Ablauf einer bestehenden Betriebsgenehmigung die
Wahrscheinlichkeit der Verlängerung der Betriebsgenehmigung gegeben sei.
Aus diesen Gründen könne die Klägerin keine Rückstellung für die Rekultivierung der
Kavernenspeicher mit steuerlicher Wirkung bilden.
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Der Beklagte folgte den Vorschlägen der Betriebsprüfer und erließ u.a. - bei
Berücksichtigung einer angepassten Gewerbesteuerrückstellung - entsprechend
geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 1994 vom 02.09.1998 und zum
Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1995 vom 04.09.1998.
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Der Einspruch der Klägerin vom 30.09.1998 gegen die Änderungsbescheide wurde vom
Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 29.09.1999 (betreffend die Jahre 1993 bis
1997) als unbegründet zurückgewiesen.
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Mit ihrer für das Streitjahr 1994 am 25.10.1999 erhobenen Klage (für die Jahre 1993 und
1995 bis 1997 ist eine Klage unter dem Aktenzeichen 6 K 7072/99 anhängig) macht die
Klägerin geltend, der Beklagte habe zu Unrecht die gebildete Rückstellung nicht
anerkannt, da alle Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung vorlägen.
Insbesondere hätten sich die Verfüllungs- und Rekultivierungsverpflichtungen der
Klägerin sachlich und zeitlich hinreichend konkretisiert.
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Die sachliche Konkretisierung der Verfüllungs- und Rekultivierungsverpflichtungen
ergebe sich aus den §§ 50 ff. Bundesberggesetz -BBergG- sowie aus den §§ 34, 35
BVOT NW. In § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG sei festgelegt, dass das Unternehmen bei
Beendigung des Speicherbetriebs die in Anspruch genommene Erdoberfläche wieder
nutzbar zu machen habe. In welcher Art und Weise diese Sachleistungsverpflichtung zu
erfüllen sei, werde durch die in den §§ 34 und 35 BVOT NW festgelegten Maßnahmen
vorgegeben. Mit der Vorgabe dieser Maßnahmen (nicht mehr benötigte Bohrungen sind
so zu verfüllen, dass Einbrüche an der Erdoberfläche vermieden werden und eine
spätere Nutzung des Untergrundes zur Gewinnung von Bodenschätzen und Wasser
oder zur Tiefspeicherung nicht beeinträchtigt wird) sei die Verpflichtung zur
Wiedernutzbarmachung der Erdoberfläche sachlich hinreichend konkretisiert. Soweit
der Beklagte darauf verweise, dass das Unternehmen zur Aufstellung eines
Abschlussbetriebsplanes gem. § 53 Abs. 1 BBergG verpflichtet sei, ändere dieses nichts
an der sachlichen Konkretisierung der Verfüllungs- und Rekultivierungsverpflichtung
bereits im Zeitpunkt der laufenden Nutzung des Kavernenspeichers. Denn durch den
Abschlussbetriebsplan werde die Verpflichtung zur Verfüllung und Rekultivierung nicht
begründet, sondern lediglich deren Erfüllung in einzelnen Modalitäten entsprechend
den aktuellen technischen Bedürfnissen festgelegt. Allein durch die spätere Festlegung
einzelner Modalitäten könne die sachliche Konkretisierung der Verpflichtung allerdings
nicht in Frage gestellt werden. Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass die
Stilllegung von Kavernenspeichern bisher ausschließlich mit Hilfe von
"Sonderbetriebsplänen für die Überwachung und Flutung von Kavernen" abgewickelt
würde; ein Abschlussbetriebsplan liege in keinem Fall vor. Auch aus dem Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 23. März 1990 2 B 19.88 folge insoweit nichts
anderes.
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Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, eine Rückstellungsbildung hinsichtlich der
Kosten für die Beseitigung der oberirdischen Anlagen sei ausgeschlossen, weil eine
Beseitigung nur notwendig werde, wenn keine anderweitige Nutzung möglich sei, so
schränke diese Möglichkeit die Rückstellungsbildung nicht ein. Denn eine anderweitige
Nutzung sei aus technischen und wirtschaftlichen Gründen sowie aufgrund der
tatsächlichen Vorgaben der Natur- und Landschaftsschutzverordnungen nicht möglich.
Denn der Kavernenspeicher in
A-Stadt
Gebiet mit angrenzendem Landschaftsschutz- und Denkmalschutzgebiet. Die Kavernen
in
B-Stadt
dem Landschaftsschutz unterliegenden Gebiet. Eine gewerbliche Nutzung der
Grundstücke werde nach der Stillegung nicht mehr zulässig sein. Das gelte für die
Kavernen in
A-Stadt
Schutzgebiet für die Grundwassergewinnung lägen.
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Die Bildung einer Rückstellung für Rekultivierungs- und Verfüllungskosten werde auch
nicht durch das Fehlen einer hinreichenden zeitlichen Konkretisierung der Verpflichtung
ausgeschlossen.
14
Zunächst sei festzustellen, dass das Kriterium der zeitlichen Konkretisierung durch die
Rechtsprechung nicht als Tatbestandsmerkmal für die Rückstellungsbildung
ausgestaltet worden sei, sondern dass es als bloßes Indiz für die Wahrscheinlichkeit der
Inanspruchnahme gewertet werde.
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Die Rechtsprechung fordere die zeitliche Konkretisierung vor dem Hintergrund, dass bei
öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht grundsätzlich gewährleistet sei, dass der
"Schuldner" in Anspruch genommen werde, wenn der zuständigen Behörde der
"Schaden" nicht bekannt sei. Demgegenüber sei nach der jüngsten Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs -BFH- bei vertraglichen Verpflichtungen eine zeitliche
Konkretisierung deshalb nicht erforderlich, weil stets davon auszugehen sei, dass der
Gläubiger als Vertragspartner seine Rechte kenne und deshalb zur gegebenen Zeit von
seinen Rechten Gebrauch machen werde. Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - die
zuständige Fachbehörde der öffentlichen Hand den "umweltschädigenden" Eingriff
unzweifelhaft kenne, da sie ihn durch eine entsprechende Genehmigung erst
ermögliche, und dies auch nur unter der Auflage der Rekultivierung, bestehe für den
"Schuldner" keine Möglichkeit, sich seiner Verpflichtung zu entziehen. In diesem Fall
erübrigten sich weitere Indizien für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme (vgl.
BFH vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -
BFHE- 167, 334, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 600, 603).
16
Ungeachtet der rechtlichen Einordnung des Merkmals "zeitliche Konkretisierung" sei der
voraussichtliche Zeitpunkt der Inanspruchnahme im vorliegenden Fall auch hinreichend
konkretisiert.
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Zur Konkretisierung einer öffentlich rechtlichen Verpflichtung fordere der BFH deshalb in
zeitlicher Hinsicht, dass ein Handeln innerhalb eines bestimmten oder bestimmbaren
Zeitraumes geboten sei; hierbei erfordere das Handeln innerhalb eines bestimmten
Zeitraums keine kalendermäßige Bestimmtheit, vielmehr sei die Bestimmbarkeit des
Erfüllungszeitraumes ausreichend. Da die Verfüllungs- und Rekultivierungsverpflichtung
im Wesentlichen erst mit der Einstellung des Untertagespeicherbetriebs erfüllt werden
könne, sei es notwendig, den Zeitpunkt der Betriebseinstellung zu bestimmen. Dieser
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sei zwar nicht im Vorhinein exakt festgelegt, sondern sei im Wesentlichen von
technischen Faktoren und der dadurch beeinflussten Entwicklung der Wirtschaftlichkeit
des Kavernenbetriebs abhängig, jedoch bestünden an der Bestimmbarkeit des
Erfüllungszeitpunktes keine Zweifel.
So sei ein wesentlicher Bestimmungsfaktor der Nutzungsdauer einer Kaverne die so
genannte Konvergenzrate, d.h. die Rate der permanenten, vom Kaverneninnendruck
abhängigen bruchlosen Verformung (Verkleinerung) des Kavernenhohlraums. Da
Gasspeicherkavernen bisher erst eine begrenzte Lebensdauer hinter sich hätten und
viele geomechanische und technische Probleme noch nicht abschließend gelöst seien,
sei eine Aussage über die Länge der Lebensdauer von Gasspeicherkavernen
grundsätzlich mit Unsicherheiten verbunden. Allerdings sei festzustellen, dass in den
Jahren 1983 bis 1993 in den Kavernenspeichern
A-Stadt
durchschnittliche Schließrate (Konvergenz) der unterirdischen Speicheranlagen von
3,37 % jährlich gemessen worden seien, weshalb eine betriebsgewöhnliche
Nutzungsdauer von ca. 30 Jahren zu erwarten sei. Doch selbst bei geringeren
Schließraten sei auf Grund des in ca. 30 Jahren verminderten Hohlraums und somit
eingeschränkten Speichervolumens keine weitere wirtschaftliche Nutzung mehr
möglich.
19
Die zu erwartende Nutzungsdauer von ca. 30 Jahren sei auch durch frühere
Untersuchungen der technischen Universität
F-Stadt
mit einigen Oberbergämtern bestätigt worden, woraufhin die voraussichtliche
Nutzungsdauer von 33 Jahren in der amtlichen AfA-Tabelle "Energie- und
Wasserversorgung" festgeschrieben worden sei. Mit dieser Festsetzung der
Nutzungsdauer sei die Finanzverwaltung eine Selbstbindung eingegangen, die auf die
zeitliche Bestimmbarkeit des rückstellungsbezogenen Konkretisierungserfordernisses
ausstrahlten.
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Nicht zutreffend sei die Aussage des Beklagten, in Folge veränderter technischer
Möglichkeiten seien die Kavernen zwischenzeitlich optimal erstellt, so dass mit einer
nennenswerten Veränderung des Speicherinhalts nicht zu rechnen sei. Eine in diesem
Sinne optimale Kavernenherstellung gebe es nicht, sondern allenfalls könne durch eine
optimale Fahrweise des Speichers eine Reduzierung der Schließraten erzielt werden.
Sofern in den letzten Jahren auf Grund der nicht sehr kalten Winter günstigere
Schließraten erzielt werden konnten (in Folge geringer Lieferschwankungen auf der
Beschaffungs- und Absatzseite und der damit einhergehenden sehr geringen
Druckminderungen), seien diese nicht durch die Kavernenherstellung bedingt, sondern
durch eine gleichmäßige Auslastung bei hohem Druck. Sollte zum Spitzenausgleich in
einer längeren Kälteperiode oder bei Lieferengpässen eine höhere Gasentnahme und
damit eine entsprechend höhere Druckminderung erforderlich werden, könnten sich bei
bruchloser Verformung jährliche Schließraten von bis zu 10 % ergeben. Unabhängig
davon könne die Konvergenzrate bei Vorliegen von geologischen Störungen plötzlich
und unerwartet ansteigen bzw. bei exponentiellem Verlauf in kurzer Zeit zum Kollaps
der Kaverne führen.
21
Soweit die Finanzverwaltung die Ansicht vertrete, die Nutzungsdauer könne
grundsätzlich durch Nachsolen erheblich über die in der amtlichen AfA-Tabelle
angegebene Nutzungsdauer von 33 Jahren hinaus verlängert werden, sei dieses nicht
zutreffend. Ein Nachsolen sei nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen möglich. Soweit
bereits geomechanische Veränderungen als Folge des ersten Aussolvorgangs
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feststellbar seien, werde eine neue Genehmigung nicht erteilt. Zudem gefährde ein
Nachsolen die Standsicherheit der benachbarten Kavernen. Sofern in einem
Kavernenfeld eine Vielzahl von Speichern nebeneinander lägen (so z. B. in
B-Stadt
sich an die von der Gesellschaft betriebenen Speicher ein Feld von ca.
xx
Kavernen eines anderen Ferngasunternehmens anschließe), seien einer räumlichen
Ausdehnung der Kavernen enge Grenzen gesetzt. Hinzu komme, dass die Aussage der
Finanzverwaltung insoweit widersprüchlich sei, als ihrer Auffassung nach durch das
Nachsolen eine erhebliche Verlängerung der Nutzungsdauer über 33 Jahre hinaus
möglich sei, andererseits aber darauf verwiesen werde, dass zu den
Nutzungszeiträumen keine Verallgemeinerungen möglich seien, da langfristige
Erfahrungen erst in sehr begrenztem Umfang vorlägen.
Neben der Konvergenz sei auch die Korrosion an Leitungen von besonderer Bedeutung
für die Nutzungsdauer der Kavernen. Durch auftretende Korrosionsschäden müsse
damit gerechnet werden, dass eine entsprechende Reparatur unter wirtschaftlichen
Aspekten nicht vertretbar sei, so dass eine Stilllegung der Kaverne und die
Inbetriebnahme einer neuen Kaverne wirtschaftlich günstiger sei. Hinzu komme, dass
weitere technische und wirtschaftliche Faktoren die Nutzungsdauer der
Kavernenspeicher beeinflussten (vgl. insoweit Seiten 16 und 17 des Schriftsatzes vom
23.12.1999). Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass eine vorübergehende Beendigung
und spätere Wiederaufnahme des Speicherbetriebes entgegen der Darstellung des
Beklagten technisch und wirtschaftlich nicht möglich sei.
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Weiterhin macht die Klägerin geltend, die Nichtanerkennung der Rückstellungsbildung
verstoße gegen das Prinzip der periodengerechten Erfolgsermittlung und das
Leistungsfähigkeitsprinzip. Wenn eine Rückstellungsbildung nicht zugelassen würde,
sei innerhalb eines bzw. weniger Wirtschaftsjahre der vollständige Rückstellungsbetrag
für das jeweilige Projekt erfolgswirksam zu berücksichtigen. Dieses widerspreche der
Rechtsprechung des BFH, wonach künftige Ausgaben, die wirtschaftlich bereits
realisierten Erträgen zuzuordnen seien, in dem Jahr zu passivieren seien, in dem die
Zugehörigkeit zu früheren Erträgen konkretisiert werde (BFH vom 15. März 1999, I B
95/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 1999, 1205).
Eine Rückstellungsbildung werde demnach nur abgelehnt, wenn ungewisse
Verbindlichkeiten mit zukünftigen Gewinnchancen verbunden seien. Dieses sei im
vorliegenden Fall aber gerade nicht gegeben, da die Rekultivierung eindeutig mit dem
Betrieb und den Erträgen in der Vergangenheit verbunden sei. Nur bei Berücksichtigung
einer Rückstellung liege auch eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vor, da die
finanzielle Vorsorge für künftig vom Unternehmen abzudeckende Lasten
notwendigerweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die steuerliche
Bemessungsgrundlage in den Jahren vor der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung
minderten. Ein Abzug der Finanzmittel aus dem Unternehmen in Folge von
Steuerzahlungen bei gleichzeitigem Bestehenbleiben der Rekultivierungsverpflichtung
gefährde die spätere Erfüllbarkeit dieser Verpflichtung.
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Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass die Nichtanerkennung der
Rückstellungen für Verfüllungs- und Rekultivierungsaufwendungen im vorliegenden
Sachverhalt einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darstelle. Die
Genehmigungsbehörden hätten die Zulassung des Speicherbetriebs gem. § 56 Abs. 2
BBergG ausdrücklich von einer Sicherheitsleistung in Form der Rückstellungsbildung
abhängig gemacht, um die Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Erdoberfläche
sicherzustellen. Die steuerliche Versagung der Rückstellungsbildung stehe somit in
25
einem Wertungswiderspruch zum öffentlichen Bergrecht. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sei es nach dem Rechtsstaatsprinzip jedoch geboten, dass
den Normadressaten nur einheitliche, nicht gegenläufige Regelungen erreichen dürfen,
welche die Rechtsordnung widersprüchlich machten. Dies geschehe aber, da der
bergrechtliche Zulassungsbescheid und der Steuerbescheid gegenteilige Wertungen
vornähmen und der Rechtsanwender dadurch vor eine unklare Entscheidungssituation
gestellt werde.
Soweit der Beklagte der Auffassung sei, als Sicherheit könne nur eine solche in der in §
232 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- genannten Form von der zuständigen Behörde
verlangt werden, sei dieses nicht zutreffend. § 232 BGB sei nicht auf die Bestimmung
des § 56 Abs. 2 BBergG anwendbar, mit der Folge, dass das Bergamt jede geeignete
Sicherheit verlangen durfte.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 1994 vom
02.09.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.1999 zu ändern und
die festgesetzte Körperschaftsteuer um DM herabzusetzen
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und bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den
01.01.1995 eine weitere Rückstellung in Höhe von DM zu berücksichtigen,
29
für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
32
33
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34
Er ist der Auffassung, es fehle bereits an einer hinreichenden sachlichen
Konkretisierung der Rekultivierungs- und Verfüllungsverpflichtung. Nach § 34 BVOT
NW sei das Betriebsgelände nach Einstellung des Betriebes wieder nutzbar zu machen
und in die Landschaft einzufügen; oberirdische Anlagen seien zu beseitigen, soweit sie
nicht einer anderen Nutzung zugeführt werden könnten. Die Fassung der Verordnung
verdeutliche, dass nicht in jedem Fall die Beseitigung der oberirdischen Anlagen
verlangt werde. Das Bestehen einer solchen Optionsmöglichkeit sei für die
Konkretisierung einer Verbindlichkeitsrückstellung jedoch schädlich (vgl. Finanzgericht -
FG- Bremen vom 10. Mai 1994 2 88 089 K 4, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG-
1994 1084).
35
Nach § 35 BVOT NW seien nicht mehr benötigte Bohrungen so zu verfüllen, dass
Einbrüche an der Erdoberfläche vermieden würden und eine spätere Nutzung des
Untergrundes nicht beeinträchtigt werde. Hierdurch würden lediglich die Bedingungen
festgelegt, die nach Einstellung des Speicherbetriebes für die Sicherung der
Erdoberfläche erfüllt sein müssten. Nicht beschrieben sei, auf welche Art und Weise die
Sicherung vorgenommen werden müsse. Die hierzu notwendigen Maßnahmen seien
gem. § 53 Abs. 1 BBergG im Abschlussbetriebsplan darzustellen und müssten von den
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Bergämtern genehmigt werden. Erst zu diesem Zeitpunkt lägen die konkreten
Grundlagen fest. Nach Auffassung des Beklagten gehe die Bedeutung des
Abschlussbetriebsplans folglich über eine rein deklaratorische Wirkung hinaus. Soweit
die Klägerin darauf verweise, dass Abschlussbetriebspläne bis heute noch in keinem
Fall vorlägen und insoweit einen Sonderfall anführe, sei nicht nachvollziehbar, auf
Grund welcher Besonderheiten des Einzelfalls das zuständige Bergamt entgegen dem
Wortlaut des BBergG auf einen Abschlussbetriebsplan verzichtet habe. Unabhängig
davon ließen sich allerdings aus dem dargestellten Einzelfall keine Schlussfolgerungen
für die grundsätzliche Handhabung des Stilllegungsverfahrens ableiten.
Unabhängig von der Frage der sachlichen Konkretisierung der Rekultivierungs- und
Verfüllungsverpflichtung fehle es jedoch in jedem Fall an einer notwendigen zeitlichen
Konkretisierung. Hierbei stelle die zeitliche Konkretisierung im Gegensatz zur
Auffassung der Klägerin ein notwendiges Merkmal für die Zulässigkeit einer
Rückstellung für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen dar.
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Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, der voraussichtliche Zeitpunkt für die
Erfüllung der Verpflichtung sei bestimmbar, könne dem nicht gefolgt werden. Der
Ansicht, die in der amtlichen AfA-Tabelle angegebene Nutzungsdauer für einen
Gasspeicher als Grundlage für die Annahme einer bestimmbaren Zeit für die zukünftige
Erfüllung einer öffentlich rechtlichen Verpflichtung zu Grunde zu legen, sei nicht
zutreffend. Der BFH habe ausgeführt (BFH vom 22. Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167,
69, BStBl II 1992, 488), dass die Nutzungsdauer eines abnutzbaren Sachanlageguts
keine bestimmte Zeit im Sinne der Rechnungsabgrenzung sei. Außerdem werde weiter
erläutert, dass ein lediglich durch Schätzung bestimmbarer Zeitraum nicht ausreichend
bestimmt sei. Grund für diese Annahme sei der Umstand, dass die planmäßige bzw.
betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines abnutzbaren Sachanlageguts nur durch
Schätzung zu ermitteln sei. Hinzu komme, dass der Bundesverband der deutschen Gas-
und Wasserwirtschaft e.V. in einer Stellungnahme dargelegt habe, dass das Nachsolen
einer Kaverne grundsätzlich möglich sei. Nur wenn bestimmte Rahmenbedingungen
nicht erfüllt seien, komme eine Nachsolung nicht in Betracht. Der Eintritt derartiger
Sonderbedingungen kann für den allgemeinen Speicherbetrieb jedoch nicht
angenommen werden, weshalb der von der Klägerin geltend gemachte
Wertungswiderspruch nicht bestehe.
38
Auch aus der möglichen vorübergehenden Stilllegung eines Speicherbetriebs werde
deutlich, dass sich aus der in der amtlichen AfA-Tabelle vorgesehenen Nutzungsdauer
kein Rückschluss auf den Zeitpunkt einer notwendigen Rekultivierung und Verfüllung
erlaube.
39
Soweit die Klägerin zur voraussichtlichen Nutzungsdauer der Kavernenspeicher auf
mögliche Einflüsse durch Korrosion und andere Einflussfaktoren hinweise, handele es
sich ebenso wie bei den dargestellten allgemeinen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen um Umstände, die in gleicher Weise auch eine Verlängerung der
Nutzungsdauer zur Folge haben könnten und deshalb für die Bestimmbarkeit der
zeitlichen Konkretisierung keine entscheidende Bedeutung haben könnten.
Insbesondere Tatumstände, die das allgemeine unternehmerische Risiko ausmachten,
seien für die Bestimmung des Zeitpunktes des Eintritts der zukünftigen Verpflichtung
nicht geeignet.
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Außerdem liege kein Verstoß gegen die periodengerechte Erfolgsermittlung und das
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Leistungsfähigkeitsprinzip vor. Dieses sei nur dann der Fall, wenn die dargestellte
Verpflichtung an den Bilanzstichtagen des Prüfungszeitraumes bereits konkretisiert
gewesen wäre. Gerade dieses sei jedoch auf Grund der fehlenden zeitlichen
Konkretisierung nicht der Fall.
Auch der Einwand der Klägerin, die Verwaltung handele widersprüchlich, wenn sie eine
Rückstellungsbildung für zukünftige Verfüllungs- und Rekultivierungskosten nicht
zulasse, greife nicht durch. Die Forderung einer Sicherheitsleistung nach § 56 Abs. 2
BBergG komme nur in Betracht, soweit diese erforderlich sei, um die Erfüllung der vom
zuständigen Bergamt im Zusammenhang mit der Zulassung eines Betriebsplanes zu
beachtenden Voraussetzungen zu sichern, d. h. wenn ohne eine derartige
Sicherheitsleistung die Betriebsplanzulassung zu versagen wäre. In welcher Form
Sicherheit zu leisten sei, bestimme sich nach § 232 BGB. Danach könne das Bergamt
nur die Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren verlangen, subsidiär nach § 56 Abs. 2
Satz 2 BBergG den Nachweis eines Versicherungsvertrages. Da das
Bundesbergbaugesetz folglich keine Ermächtigung enthalte, Sicherheitsleistungen in
Form der Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen im handelsrechtlichen Sinn
verlangen zu können, hätte für die Klägerin die Möglichkeit bestanden, sich gegen die
entsprechende Nebenbestimmung zu wehren. Unterlasse diese es aus
unternehmerischen Gründen, könnten sich hieraus allerdings keine Bindungen für den
zu erstellenden Jahresabschluss ergeben. Es bleibe dem Unternehmer letztlich
unbenommen, im Jahresabschluss die notwendigen Rücklagen aus versteuerten
Gewinnen zu bilden. Ein Eingriff in die Konzeption des Bergrechts sei bei Ablehnung
der Rückstellungsbildung deshalb nicht gegeben.
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Die Klage ist begründet.
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Der Beklagte hat zu Unrecht die von der Klägerin gebildete Rückstellung für zukünftige
Verfüllungs- und Rekultivierungsaufwendungen steuerlich nicht anerkannt.
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Gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch sind unter anderem Rückstellungen für
ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Dieses Gebot stellt einen nach § 8 Abs. 1
Körperschaftsteuergesetz, § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz auch
steuerrechtlich zu beachtenden handelsrechtlichen Grundsatz ordnungsmäßiger
Buchführung dar.
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Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entweder - erstens - das
Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder - zweitens - die
hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem
Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann - und ihre wirtschaftliche
Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Als weitere Voraussetzung beider
Rückstellungstatbestände muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme
rechnen (vgl. BFH vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, Der Betrieb -DB- 2001,
1698; vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891 m.w.N.).
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Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben, können
Rückstellungen gebildet werden, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Geld-
oder eine Sachleistungsverpflichtung handelt (BFH vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91,
BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600 und vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172,
456, BStBl II 1993, 891). Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche
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Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist (vgl. BFH vom 25. März 1992 I R 69/91, BFHE
168, 527 BStBl II 1992, 1010). Die Verpflichtung muss deshalb auf ein bestimmtes
Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen (vgl. BFH vom 27. Juni 2001 I R
45/97, BFHE 196, 216, DB 2001, 1698; vom 19. Mai 1983 IV R 205/79, BFHE 139, 41,
BStBl II 1983, 670, 671). Diese Voraussetzungen werden im Regelfall bei Erlass einer
behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden
verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen. Grundsätzlich kann aber auch eine
Verpflichtung, die sich allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt, zur Bildung einer
Rückstellung führen. Dies setzt allerdings einen entsprechend konkreten
Gesetzesbefehl voraus. Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für
die Rückstellung auf Grund einer sich aus öffentlichem Recht ergebenden Verpflichtung
erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass
sich "der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen
kann" (BFH vom 08. November 2000 I R 6/96, BFHE 193, 399, BStBl II 2001, 570).
Im Streitfall sind die Voraussetzungen zur Bildung einer Rückstellung für zukünftige
Kosten der Rekultivierung und Verfüllung erfüllt.
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Die Verpflichtungen zur Verfüllung der von der Klägerin geschaffenen Bohrlöcher und
zur Rekultivierung des von der Klägerin genutzten Geländes waren zum Bilanzstichtag
31.12.1994 entstanden und sachlich hinreichend konkretisiert.
49
Nach § 35 Abs. 1 BVOT NW (i.V.m. §§ 55 Abs. 2 Nr. 8, 66 Nr. 7 BBergG) sind
Bohrungen, die nicht mehr benötigt werden, so zu verfüllen, dass Einbrüche an der
Erdoberfläche vermieden werden und eine spätere Nutzung des Untergrundes zur
Gewinnung von Bodenschätzen und Wasser oder zur Tiefspeicherung nicht
beeinträchtigt wird. Auf Grund dessen ist die Klägerin bereits mit der Errichtung des
Erdgaskavernenspeichers unmittelbar verpflichtet, diesen bei Beendigung der Nutzung
zu verfüllen. Dass die Erfüllung der Verpflichtung erst nach Beendigung der Nutzung zu
erfolgen hat, berührt nicht die Entstehung der Verpflichtung, sondern allenfalls deren
Fälligkeit.
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Gleiches gilt hinsichtlich der Verpflichtung der Klägerin zur Rekultivierung der
Erdoberfläche. Nach § 34 Abs. 2 BVOT NW (i.V.m. §§ 55 Abs. 2 Nr. 2, 66 Nr. 8 BBergG)
ist das Betriebsgelände nach Einstellung des Betriebes wieder nutzbar zu machen und
in die Landschaft einzufügen; oberirdische Anlagen sind zu beseitigen, soweit sie nicht
einer anderen Nutzung zugeführt werden. Damit ist bereits zum Zeitpunkt der Errichtung
oberirdischer Anlagen die Pflicht zur späteren Beseitigung festgeschrieben. Die
Klägerin kann sich ihr nicht mehr einseitig entziehen. Der Annahme, die
Rekultivierungsverpflichtung sei bereits entstanden, steht auch nicht entgegen, dass
eine Beseitigung der oberirdischen Anlagen nicht zu erfolgen hat, soweit sie tatsächlich
anderen Nutzungen zugeführt werden. Denn die Beseitigungsverpflichtung ist zunächst
unbedingt entstanden, während eine Befreiung von der Abbruchverpflichtung nur dann
in Betracht kommt, wenn im Zeitpunkt der Beendigung eine anderweitige Nutzung
rechtlich und tatsächlich möglich ist. Der Eintritt dieses zukünftigen Ereignisses ist
allerdings ungewiss. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall auch von dem vom
Beklagten angeführten Sachverhalt im Urteil des FG Bremen vom 10.05.1994 (2 88 089
K 4, EFG 1994, 1084), da es für die dort streitige Beseitigungsverpflichtung einer zum
Bilanzstichtag noch nicht erklärten Äußerung eines Dritten bedurfte.
51
Zudem hat die Klägerin substantiiert dargelegt, dass aus bauplanungsrechtlichen
52
Gründen eine anderweitige Nutzung der errichteten Gebäude nach dem derzeitigen
Kenntnisstand nicht zu erwarten ist. Danach kommt eine anderweitige Nutzung der
errichteten Gebäude in
A-Stadt
Landschaftsschutz- und Denkmalschutzgebiet sowie der Lage in einem ausgewiesenen
Schutzgebiet für die Grundwassergewinnung nicht in Betracht. Außerdem muss
aufgrund der unmittelbaren Nähe zum archäologischen Park
A-Stadt
zunehmenden Ausdehnung dieses Parks in Richtung der von der Klägerin betriebenen
Anlagen sowie der entsprechend vorgesehenen Sondernutzung des Geländes davon
ausgegangen werden, dass eine Beseitigung der errichteten Gebäude unumgänglich
ist. Denn es ist nicht zu erwarten, dass für eine anderweitige Nutzung erneut eine
Sondergenehmigung wie für den Betrieb der Kavernenspeicher (vgl. insoweit: Protokoll
des Bergamtes
C-Stadt
Schreiben des Landschaftsverbandes
X
B-Stadt
Landschaftsschutzgebiet und durften nur unter ausdrücklicher Befreiung von
Vorschriften des Landschaftsschutzes errichtet werden (vgl. Schreiben des Kreises
Y
vom .....1996). Eine anderweitige Verwendung der errichteten Gebäude ist daher nach
den Erkenntnissen zum Bilanzstichtag 31.12.1994 insgesamt nicht erkennbar.
Die Verpflichtungen waren zudem auch sachlich hinreichend konkretisiert. Es ist
insoweit unerheblich, dass die §§ 34, 35 BVOT NW nicht bestimmen, welche konkrete
Maßnahme von der Klägerin durchzuführen ist, sondern lediglich das zu erreichende
Ziel vorgeben. Denn es ist im allgemeinen Ordnungsrecht durchaus üblich, dem
Ordnungspflichtigen ein bestimmtes von ihm zu erreichendes Ziel vorzugeben, ohne
ihm auch die konkret zur Zielerreichung notwendigen Maßnahmen vorzuschreiben.
Dieses gilt insbesondere dann, wenn mehrere Möglichkeiten zur Zielerreichung
bestehen (vgl. insoweit auch BFH vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, DB
2001, 1698). Die Billigung der konkret vorzunehmenden Handlungen zur Zielerreichung
erfolgt erst mit Genehmigung des entsprechenden Abschlussbetriebsplans (§ 53
BBergG). Unberührt davon besteht aber bereits zuvor die Pflicht, die von der Klägerin
betriebenen Erdgaskavernenspeicher bei Beendigung der Nutzung zu verfüllen und das
genutzte Gelände zu rekultivieren. Es ist daher unerheblich, in welchem rechtlichen
Verhältnis der Rahmenbetriebsplan zu den nachfolgenden Sonder- bzw.
Abschlussbetriebsplänen steht. Entscheidend ist, dass bereits mit Errichtung der
Erdgaskaverne die Verfüllungsverpflichtung entsteht und durch die genaue Zielvorgabe
auch hinreichend konkret ausgestaltet ist. Der Umstand, dass verschiedene mögliche
Maßnahmen zur Erfüllung der bestehenden - konkret ausgestalteten - Verpflichtung
geeignet sind, berührt allenfalls die Höhe der zu bildenden Rückstellung (ebenso:
Herzig, DB 1990, 1341, 1346 m.w.N.; wohl auch: BFH vom 27. Juni 2001 I R 45/97,
BFHE 196, 216, DB 2001, 1698; enger: Christiansen, Jahrbuch der Fachanwälte für
Steuerrecht 1987/88, 98, 100,).
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Die Verpflichtung zur Verfüllung der von der Klägerin geschaffenen Bohrlöcher und zur
Rekultivierung des von der Klägerin genutzten Geländes war zum Bilanzstichtag
31.12.1994 auch zeitlich hinreichend konkretisiert.
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Eine hinreichende zeitliche Konkretisierung der Verpflichtung liegt nach der
Rechtsprechung des BFH vor, wenn der Entstehungszeitpunkt der Verpflichtung eine
gewisse Nähe zum betreffenden Wirtschaftsjahr aufweist und die Verpflichtung ein
Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorschreibt (vgl. BFH vom 12.
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Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600).
Die Entstehung beider Verbindlichkeiten weist die von der Rechtsprechung geforderte
Nähe zum Bilanzstichtag 31.12.1994 auf, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden
waren.
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Auch wird der Klägerin durch die Verpflichtung zur Rekultivierung und Verfüllung ein
Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgeschrieben. Das Handeln innerhalb
eines bestimmten Zeitraumes erfordert kein Handeln innerhalb eines - für sämtliche
denkbaren Verpflichtungen - einheitlich festgelegten Zeitraumes; vielmehr ist den
Besonderheiten der jeweils zu beurteilenden Verpflichtung Rechnung zu tragen, so
dass z.B. die Bildung von Rückstellungen für Rekultivierungs- und auch für
Entfernungsverpflichtungen nicht allein mit der Begründung versagt werden kann, die
Maßnahmen seien erst nach Ablauf mehrerer Jahre durchzuführen (so ausdrücklich:
BFH vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600 unter
Hinweis auf BFH vom 19. Februar 1975 I R 28/73, BFHE 115, 218, BStBl II 1975, 480,
wo bis zur Erfüllung einer - allerdings privatrechtlichen - Verpflichtung ein Zeitraum von
bis zu 70 Jahren als unschädlich anerkannt wurde). Auch wird nicht ein Handeln zu
einem bestimmten Zeitpunkt gefordert, wie der Beklagte wohl meint, sondern
ausreichend ist, dass der Verpflichtung innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums
nachzukommen ist (so auch: BFH vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334,
BStBl II 1992, 600 unter II 2. b). Schon daraus wird deutlich, dass der Zeitpunkt der
Erfüllungshandlung nicht feststehen muss, sondern es ausreichend ist, wenn der
Verpflichtung innerhalb eines vorgegebenen, aber nicht notwendigerweise
kalendermäßig bestimmten Zeitraums nachgekommen werden muss. Ein solches
weites Verständnis des Merkmals der zeitlichen Konkretisierung ist geboten, weil durch
das Erfordernis einer zeitlichen Konkretisierung der Verpflichtung eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme sichergestellt werden soll. Dieser Grad der
Wahrscheinlichkeit wäre aber nur dann nicht gegeben, wenn die Verpflichtung zu einem
unabsehbaren Zeitpunkt erfüllt werden muss, da nur dann nicht abzusehen ist, ob der -
bestehenden - Verpflichtung überhaupt tatsächlich nachzukommen ist.
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Im Streitfall ist die Rekultivierungs- und Verfüllungsverpflichtung innerhalb eines in
diesem Sinne bestimmten Zeitraums von der Klägerin zu erfüllen. Zwar ist der Zeitpunkt
nicht in dem Maße konkretisiert, dass der Verpflichtung zu einem kalendermäßig
bestimmten oder bestimmbaren Zeitpunkt nachgekommen sein muss, jedoch steht fest,
dass mit der Einstellung des Speicherbetriebes durch die Klägerin der
Kavernenhohlraum zu verfüllen und die Oberfläche zu rekultivieren ist. Dieses ist
ausreichend. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Betriebseinstellung auch
von einseitigen Entscheidungen der Klägerin abhängt, doch muss berücksichtigt
werden, dass die Klägerin gezwungen ist, bei Einstellung des Betriebs einer Kaverne,
diese zu verfüllen. Ein zeitlicher oder sachlicher Spielraum steht ihr insoweit nicht zu.
Hinzu kommt, dass es außerdem nicht möglich ist, die Verfüllung und Rekultivierung
aus anderen Gründen auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Durch die Lebensdauer
der jeweiligen Kaverne ist eine absolute Grenze vorgegeben. Ist eine weitere Nutzung
der Kaverne ausgeschlossen, steht es insbesondere auch nicht im Belieben der
Klägerin, diese stillzulegen oder ungenutzt fortbestehen zu lassen. Denn es ist zur
Vermeidung von Einbrüchen an der Erdoberfläche und sonstigen Gefahren notwendig,
die Kaverne zu verfüllen. Insoweit ist es auch unerheblich, ob die Nutzungsdauer der
jeweiligen Kaverne durch Nachsolen verlängert werden kann. Denn zum einen hat die
Klägerin für den konkreten Streitfall substantiiert dargelegt, dass ein Nachsolen auf
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Grund der Lage der Erdgaskavernenspeicher in einem Kavernenfeld allenfalls sehr
eingeschränkt möglich ist, zum anderen ist bisher wissenschaftlich - auf Grund der
bisherigen geringen Nutzungszeit von Kavernen - nicht einzuschätzen, in welchem
Umfang eine Nachsolung zur Verlängerung der Nutzungsdauer einer Kaverne führt.
Vielmehr ist nach bisherigem Stand davon auszugehen, dass - entsprechend der
Festlegung in der AfA-Tabelle - von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 33
Jahren ausgegangen werden muss. Wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass
möglicherweise durch Nachsolen oder durch zukünftige technische Entwicklungen eine
Verlängerung oder sogar eine unbegrenzte Lebensdauer von Erdgaskavernenspeichern
erreicht werden kann, bestehen nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der
Beteiligten nicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin am Bilanzstichtag aufgrund der von ihr
im konkreten Fall ermittelten Schließrate von 3,37% p.a. ebenfalls mit einer maximalen
Lebensdauer von ungefähr 30 Jahren rechnen musste. Auf der Grundlage objektiver, am
Bilanzstichtag vorliegender und für die Klägerin erkennbarer Tatsachen aus der Sicht
eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns, durfte die Klägerin folglich davon
ausgehen, dass den Kavernen lediglich eine begrenzte Lebensdauer zukommt und sie
folglich zu einem späteren, absehbaren Zeitpunkt aus der Verpflichtung zur
Rekultivierung und Verfüllung in Anspruch genommen wird.
An die Nichterfüllung der Verpflichtungen sind auch Sanktionen geknüpft, so dass sich
die Klägerin der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.
Ausreichend ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beispielsweise, dass
der Verpflichtete als Konsequenz aus der Nichterfüllung der ihn treffenden
Verpflichtungen seine betriebliche Tätigkeit (teilweise) einstellen muss (vgl. BFH vom
27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, DB 2001, 1698). Käme die Klägerin ihrer
Verpflichtung zur Verfüllung und Rekultivierung nicht nach, müsste sie damit rechnen,
die Zulassung für den weiteren Betrieb der übrigen vorhandenen
Erdgaskavernenspeicher nicht genehmigt zu bekommen, da ihre gesetzlichen Vertreter
in diesem Fall wegen Verstoßes gegen § 55 Abs. 1 Nr. 3 als unzuverlässig im Sinne der
§§ 11 Nr. 6, 55 Abs. 1 Nr. 2a BBergG gelten würden. Hinzu kommt, dass die Klägerin
nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BBergG verpflichtet ist, die Verfüllung und Rekultivierung
im Rahmen des zwingend vorgeschriebenen Abschlussbetriebsplans sicherzustellen,
und dass sie im Falle eines Verstoßes nach § 145 Abs. 1 Nr. 8 ordnungswidrig handelt.
Außerdem handelt die Klägerin nach § 161 Nr. 48 und 49 BVOT NW ordnungswidrig,
wenn sie als Unternehmerin gegen § 34 BVOT NW (Behandlung des Betriebsgeländes
nach Einstellung des Betriebes) und 35 BVOT NW (Verfüllung auflässiger Bohrungen
unter Berücksichtigung erforderlicher Abdichtungsmaßnahmen) verstößt.
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Dass die Klägerin zum Bilanzstichtag 31.12.1994 tatsächlich damit rechnen musste, die
Kavernen verfüllen und die Erdoberfläche rekultivieren zu müssen und ihre
Inanspruchnahme damit auch nach den allgemeinen Grundsätzen hinreichend
wahrscheinlich war, wird bereits aus dem Umstand deutlich, das die entsprechenden
Verpflichtungen bereits entstanden waren und keine Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass die zuständige Aufsichtsbehörde die Erfüllung nicht durchsetzen wird. Im
Gegenteil zeigen die Genehmigungen der Rahmenbetriebspläne für die
Kavernenspeicher in
A-Stadt
Genehmigungsverfahren die spätere Erfüllung der bestehenden Verpflichtungen
weitestgehend sicherstellen wollten. So wurden die Genehmigungen ausdrücklich nur
unter der Auflage erteilt, dass bei Einstellung des Betriebs das Gelände rekultiviert wird,
soweit keine anderweitige - im Streitfall wie dargelegt ausscheidende - Nutzung
nachgewiesen wird. Zudem ist die Klägerin verpflichtet, Rückstellungen für die
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zukünftigen Kosten des Abbruchs zu bilden. Hieraus wird - ungeachtet der Frage der
Zulässigkeit einer derartigen Nebenbestimmung - deutlich, dass die zuständigen
Genehmigungsbehörden die bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen der Klägerin
gegenüber zukünftig tatsächlich durchsetzen werden.
Da die Höhe der gebildeten Rückstellung zwischen den Beteiligten unstreitig ist, war
der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr.
1 FGO) zuzulassen.
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