Urteil des FG Düsseldorf vom 01.07.2004

FG Düsseldorf (Eigentumswohnung, Wirtschaftliche Verfügungsmacht, Gebäude, Stadt, Abgabe, Beurkundung, Aufteilung, Vermietung, Finanzen, Verpachtung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 7407/00 E
01.07.2004
Finanzgericht Düsseldorf
16. Senat
Urteil
16 K 7407/00 E
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1998 vom 18.10.1999
und 1999 vom 10.4.2000, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 6.11.2000, wird die Einkommensteuer für beide Streitjahre dergestalt
herabgesetzt, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
in beiden Streitjahren eine degressive Abschreibung für die
Dachgeschoßwohnung von 8.368 DM (= 4.278,49 EUR) gewährt wird.
Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem
Beklagten übertragen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Streitjahre sind die Jahre 1998 und 1999.
Die Kläger waren seit 1991 Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohnungen in A-
Stadt, dessen Dachgeschoß sie im Jahre 1997 zu einer weiteren Wohnung ausbauten. Sie
bemühten sich seit 1996 um die rechtliche Verselbständigung der - zuletzt - 7 Wohnungen
(als Eigentumswohnungen); die Eintragung des Wohnungseigentums in das Grundbuch
erfolgte erst 1998. Die Beteiligten streiten darum, ob den Klägern für die
Dachgeschoßwohnung, deren Herstellungskosten sich auf 167.351,88 DM beliefen, die
erhöhte Gebäudeabschreibung (AfA) nach § 7 Abs. 5 und 5a Einkommensteuergesetz
(EStG) zu gewähren ist.
Die Bildung des Wohnungseigentums entwickelte sich wie folgt:
Am 11.11.1996 beauftragten die Kläger ihren Architekten, das Dachgeschoß, bei dem es
sich bis dahin um einen völlig unausgebauten Dachboden handelte, zu einer Wohnung
auszubauen und die Voraussetzungen für die Aufteilung des ganzen Gebäudes in
Eigentumswohnungen zu schaffen. Die beantragte Baugenehmigung für das Dachgeschoß
wurde von A-Stadt am 12.5.1997 erteilt. Nachdem das Bauordnungsamt am 24.11.1997 die
Fertigstellungsbesichtigung durchgeführt hatte, stellte es mit Verfügung vom 29.1.1998 fest,
daß das Bauvorhaben fertiggestellt sei. Zwischen den Klägern und dem Beklagten ist
unstrittig, daß die nach der Ausbauplanung durchgeführten Bauarbeiten Ende Oktober
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1997 abgeschlossen waren und die Dachgeschoßwohnung - unbeschadet gewisser
Nacharbeiten - spätestens Ende 1997 fertiggestellt war. Zum Zweck der Bildung von
Wohnungseigentum hatten die Kläger schon Anfang Dezember 1996 auch bei ihrem Notar
vorgesprochen, um die Aufteilung des Hauses in Eigentumswohnungen vorzubereiten, die
Beurkundung der Aufteilung zog sich wegen noch fehlender Unterlagen des Architekten
aber zeitlich hin. Die Aufteilungszeichnungen mit dem Antrag auf Erteilung der
Abgeschlossenheitsbescheinigung wurden dann am 17.2.1997 an A-Stadt gesandt, die die
Abgeschlossenheit der Wohnungen einschließlich der Dachgeschoßwohnung mit
Bescheinigung vom 6.11.1997 bestätigte. Nachdem der Architekt dem Notar die von
diesem gewünschten technischen Unterlagen übersandt und der Notar am 6.10.1997
geschrieben hatte, daß er die Teilungserklärung vorbereite und ihre Beurkundung nach
Erhalt der Abgeschlossenheitsbescheinigung vornehmen werde, erfolgte die Beurkundung
der Teilungserklärung am 3.6.1998 und die Eintragung des Teileigentums in das
Grundbuch A-Stadt am 24.6.1998. Die Kläger bemühten sich bereits zum 1.11.1997 um
einen Mieter für die Dachgeschoßwohnung, konnten diesen aber erst am 6.1.1998 finden
und die Dachgeschoßwohnung zum 1.3.1998 vermieten.
Aus diesem Sachverhalt folgerten und folgern die Kläger, daß ihnen für die
Eigentumswohnung im Dachgeschoß eine erhöhte Afa nach § 7 Abs. 5 und 5a EStG
zustehe. Sie stützen sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.1.1999 IX R
53/96 (Bundessteuerblatt -BStBl- 1999, 589), wonach eine Eigentumswohnung auch dann
bereits i. S. von § 7 Abs. 5 und 5a EStG mit der Bezugsfertigkeit "fertiggestellt" ist, wenn zu
diesem Zeitpunkt bürgerlich-rechtlich noch kein Wohnungseigentum begründet und die
Teilungserklärung noch nicht abgegeben worden ist. Demgegenüber beruft sich der
Beklagte, der für die Kosten des Dachausbaus nur die gewöhnliche AfA von 2 %
anerkennt, auf den ländereinheitlichen Erlaß vom 10.7.1996 (vgl. Schreiben des
Bundesministers der Finanzen -BdF- in BStBl I 1996, 689), wonach die erhöhte AfA für eine
durch Ausbau des Dachbodens geschaffene Eigentumswohnung dem Steuerpflichtigen
nur gewährt werden kann, wenn er die Teilungserklärung gegenüber dem Grundbuchamt
(§ 8 Wohnungseigentumsgesetz -WEG-) - anders als im Streitfall - bis zur Beendigung der
Baumaßnahme abgegeben hat.
Wie schon für das Vorjahr (Einkommensteuerbescheid 1997 vom 31.8.1998,
Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 1997 vom 21.7.1999) anerkannte der
Beklagte auch für die Streitjahre 1998 und 1999 nur eine auf die Dachgeschoßwohnung
entfallende Jahres-AfA von (2 % von 167.353 DM =) 3.347 DM, insgesamt für das Haus
also eine AfA von jährlich (bisher 7.447 DM + AfA Dachgeschoßwohnung 3.347 DM)
10.794 DM (Einkommensteuerbescheide 1998 vom 18.10.1999 und 1999 vom 10.4.2000,
Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 1998 und 1999 vom 6.11.2000).
Demgegenüber begehren die Kläger aus den vorgenannten Erwägungen die Anerkennung
einer AfA für die Dachgeschoßwohnung von (5 % von 167.353 DM =) 8.368 DM, mithin
eine Jahres-AfA für das Haus von (bisher 7.447 DM + AfA Dachgeschoßwohnung 8.368
DM) 15.815 DM.
Die zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Kläger, die fristgerecht Klage erhoben
haben, beantragen sinngemäß,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1998 vom 18.10.1999 und 1999 vom
10.4.2000, beide in Gestalt der Einspruchsentsacheidung vom 6.11.2000, die
Einkommensteuer dergestalt herabzusetzen, daß bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung in beiden Streitjahren eine degressive AfA für die Dachgeschoßwohnung von
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8.368 DM gewährt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klage ist begründet.
Dem Begehren der Kläger steht nicht entgegen, daß eine AfA nach § 7 Abs. 5 und 5a EStG
bei einer Eigentumswohnung nur in Anspruch genommen werden kann, wenn die
Wohnung in bautechnischer Hinsicht neu ist (vgl. zB BFH-Urteil vom 24.11.1992 IX R
62/88, BStBl II 1993, 188). Denn durch den Ausbau des sich im Rohzustand befindenden
Dachbodens in eine Wohnung wurde im Streitfall ein neues Wirtschaftsgut hergestellt
(BFH-Urteil vom 27.8.1997 X R 26/95, BStBl II 1998, 135).
Zwar kann die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 und 5a EStG nicht für eine neu geschaffene
Wohnung gewährt werden, die in einem rechtlich unaufgeteilten Miethaus in einem
einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit bereits vorhandenen
Wohnungen steht (zB BFH-Urteil vom 7.7.1998 IX R 16/96, BStBl II 1998, 625 -
Dachgeschoßausbau ohne Eigentumswohnung - m.w.H.). Im Streitfall war die Sach- und
Rechtslage aber anders. Die Dachgeschoßwohnung im Hause war vielmehr schon vor
Abgabe der Teilungserklärung und der Eintragung als Eigentumswohnung im Grundbuch
aus dem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang gelöst worden. Zum einen
war die später auch rechtlich verselbständigte Eigentumswohnung im Dachgeschoß
unabhängig von der noch fehlenden Teilungserklärung mit ihrer Fertigstellung schon in
1997 i.S. des § 7 Abs. 5 und 5a EStG "hergestellt". Zum anderen war die Absicht,
Wohnungseigentum zu bilden, seit 1996 nicht nur eine innere Bestrebung der Kläger,
sondern durch die vorbeschriebenen diversen Aktivitäten, insbesondere auch schon im
behördlichen Bereich durch den Antrag auf Abgeschlossenheitsbescheinigung und die
Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 6.11.1997, nach außen deutlich
dokumentiert. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung nahm in ihrem Text insoweit auch
ausdrücklich auf verschiedene für die Bildung von Wohnungseigentum maßgebende
Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) Bezug. Die Verselbständigung der
Dachgeschoßwohnung zu einer Eigentumswohnung war deutlich erkennbar im Gange. Die
Gewißheit der kurzfristigen rechtlichen Verselbständigung der Dachgeschoßwohnung war
im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Fertigstellung zudem nicht zweifelhaft. Das rechtfertigt es,
auch für die hier streitige Dachgeschoßwohnung im Anschluß an das BFH-Urteil vom
26.1.1999 IX R 53/96 (BStBl II 1999, 589) die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 und 5a EStG
zu gewähren. Der BFH hat in dem vorgenannten Urteil, dem sich das Gericht anschließt,
dazu unter anderem ausgeführt:
"Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden
Fassung können für Gebäude, die Wohnzwecken dienen und vom Steuerpflichtigen
hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, unter
weiteren hier nicht strittigen Voraussetzungen als AfA im Jahr der Fertigstellung und in den
folgenden drei Jahren Beträge von 7 v.H. der Herstellungskosten oder Anschaffungskosten
abgezogen werden. Diese Vorschrift ist u.a. auf Gebäudeteile, die selbständige
Wirtschaftsgüter sind, sowie auf Eigentumswohnungen entsprechend anzuwenden (§ 7
Abs. 5a EStG).
Im Fall der Anschaffung setzt die Regelung voraus, daß das Gebäude, der Gebäudeteil --
oder die Eigentumswohnung-- bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft
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worden ist.
a) Ein Gebäude ist in diesem Sinne dann fertiggestellt, wenn es bezugsfertig, das heißt
nach Abschluß der wesentlichen Arbeiten bewohnbar ist (Senatsurteil vom 7. April 1987 IX
R 140/84, BFHE 150, 16, BStBl II 1987, 567). Für die Fertigstellung eines ein selbständiges
Wirtschaftsgut bildenden Gebäudeteils und einer Eigentumswohnung gilt dasselbe. Eine
Eigentumswohnung ist auch dann i.S. von § 7 Abs. 5, 5a EStG bereits mit der
Bezugsfertigkeit fertiggestellt, wenn zu diesem Zeitpunkt bürgerlich-rechtlich noch kein
Wohnungseigentum begründet (vgl. § 2 des Wohnungseigentumsgesetzes --WEG--)
worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Teilungserklärung noch nicht abgegeben ist. Die
Regelung des § 7 Abs. 5 i.V.m. Abs. 5a EStG setzt --gemäß ihrem Zweck, die Erneuerung
des Gebäudebestands zu fördern (vgl. Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 175/87, BFHE
168, 109, BStBl II 1992, 808)-- lediglich die bautechnische Fertigstellung voraus. Die
Unerheblichkeit der bürgerlich-rechtlichen Lage ergibt sich insoweit auch daraus, daß § 7
Abs. 5a EStG ausdrücklich auch selbständige Wirtschaftsgüter bildende Gebäudeteile
erfaßt, die bürgerlich-rechtlich mit dem übrigen Gebäude dem Eigentümer als ein
Vermögensgegenstand zuzurechnen sind. Diese Gebäudeteile bilden steuerrechtlich
deshalb eigenständige Wirtschaftsgüter, weil sie in einem gesonderten Nutzungs- und
Funktionszusammenhang stehen (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs
--BFH-- vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132 unter C. II. 3.
d). Ein solcher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht für einen als
Eigentumswohnung errichteten Gebäudeteil bereits vor der Abgabe der Teilungserklärung
und der späteren Begründung des Wohnungseigentums. Ob insoweit dem Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Juli 1996 (BStBl I 1996, 689) eine abweichende
Rechtsauffassung zugrunde liegt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil dieses
Schreiben allein Baumaßnahmen an einem Dachgeschoß betrifft.
b) Im Fall der Anschaffung einer Eigentumswohnung ist weitere Voraussetzung für die
Inanspruchnahme der AfA nach § 7 Abs. 5, 5 a EStG, daß der Steuerpflichtige die
Wohnung bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft, das heißt die
wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber erlangt hat (BFH-Urteil vom 28. April 1977 IV R
163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553). Dies kann bereits vor Abgabe der
Teilungserklärung auf schuldrechtlicher Grundlage geschehen."
Das Urteil betrifft zwar die Tatbestandsalternative "Anschaffung" in § 7 Abs. 5 und 5a EStG,
gilt aber auch für die Tatbestandsalternative "Herstellung". In beiden Fällen gilt die
Eigentumswohnung mit der Bezugsfertigkeit als fertiggestellt, damit hergestellt, auch wenn
das Wohnungseigentum noch nicht begründet und auch die Teilungserklärung noch nicht
abgegeben worden ist. Entscheidend bleibt der Umstand, daß die Begründung des
Wohnungseigentums zu diesem Zeitpunkt aktiv verfolgt und kurzfristig zum Erfolg gebracht
wird. In beiden Fällen, der Herstellung wie der Anschaffung, sind die Wohnungsräume zu
diesem Zeitpunkt noch bürgerlich-rechtlicher Teil des Gesamtgebäudes, ohne daß Gründe
für eine die Rechtslage gleichsam unnötig "verkomplizierende" Differenzierung zwischen
der Anschaffung und der Herstellung in der o.a. Gesetzesvorschrift ersichtlich sind. Das gilt
gleichermaßen für eine auf dem Dachboden als Eigentumswohnung hergestellte
Dachgeschoßwohnung, die gegenüber anderen Eigentumswohnungen keinem
Sonderrecht unterliegt (a.A. das o.a. BdF-Schreiben vom 10.7.1996 und das Urteil des
Finanzgerichts München vom 2.2.1998 13 K 3936/94, Entscheidungen der Finanzgerichte -
EFG- 1998, 936, auf die sich der Beklagte stützt, die aber beide die spätere BFH-
Rechtsprechung noch nicht berücksichtigen).
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Der Klage ist damit stattzugeben. Die Berechnung der festzusetzenden Beträge erfordert
einen nicht unerheblichen Aufwand und wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz
2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision wird zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).