Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 02.04.2017

FG Berlin-Brandenburg: sinn und zweck der norm, auszahlung, unterhaltspflicht, glaubhaftmachung, wahrscheinlichkeit, behörde, urlaub, unterbringung, eltern, ermessen

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2006, 2007
Aktenzeichen:
10 K 10327/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1601 BGB, § 74 Abs 1 S 1
EStG 2002
Abzweigung des Kindergelds bei stationärer Unterbringung des
Kindes auf Kosten des Sozialhilfeträgers - Glaubhaftmachung
der Aufwendungen
Leitsatz
1. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Aufwendungen des
unterhaltspflichtigenKindergeldberechtigten, wenn über einen Abzweigungsantrag des den
Unterhalt des Kindes sicherstellenden Sozialleistungsträgers zu entscheiden ist.
2. Eine Auszahlung des Kindergeldes an den Kindergeldberechtigten hindert nicht die
nachträgliche Abzweigung für den Auszahlungszeitraum, wenn die Familienkasse trotz
Kenntnis vom Abzweigungsantrag die Auszahlung vorgenommen hat.
Tenor
Der Bescheid vom 17. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 27. Juni 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den
Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Abzweigung von Kindergeld für den Zeitraum Dezember
2006 bis April 2007.
Der Kläger trägt als zuständiger Sozialhilfeträger im Rahmen der seit dem 1. Januar
2005 gewährten Eingliederungshilfe u.a. die Kosten der stationären Unterbringung des
behinderten Kindes C, geboren am X.X. 1982, in Höhe von mindestens 1.500 €
monatlich.
Mit Schreiben vom 8. November 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die
Abzweigung des Kindergeldes für C aus dem Anspruch des Kindesvaters B. Dieser
Antrag ging noch im November 2006 bei der Beklagten ein.
Im Rahmen der daraufhin von der Beklagten durchgeführten Anhörung des Kindesvaters
machte dieser Aufwendungen für C in Höhe von 2.450 € im Jahr 2006 geltend, wobei die
Aufwendungen größtenteils geschätzt wurden. Im Einzelnen wird auf die als Blatt … in
der Verfahrensakte befindliche Aufstellung Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 17. April 2007 zweigte daraufhin die Beklagte mit Wirkung vom 1. Mai
2007 ab das hälftige Kindergeld in Höhe von 77 € an den Kläger ab.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2007 Einspruch ein.
Zur Begründung machte der Kläger geltend, Kindergeld habe spätestens ab Dezember
2006 abgezweigt werden müssen, ohne dabei die Höhe der Abzweigung anzugreifen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2007 hob die Beklagte die Abzweigung ab dem
1. August 2007 vollständig auf. Zur Begründung führte sie aus, der Kindesvater habe
seine finanziellen Aufwendungen für die persönliche Betreuung von C an Wochenenden
und im Urlaub im Jahr 2006 schriftlich und glaubhaft dargelegt. Daraus ergebe sich ein
Betrag, der weit über dem im Jahr 2006 gezahlten Kindergeldbetrag liege. In Ausübung
des Ermessens erfolge nach Klärung des Sachverhaltes deshalb die vollständige
Aufhebung der Abzweigung ab dem 1. August 2007.
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Mit seiner am 27. Juli 2007 fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein
Begehren nach hälftiger Abzweigung im Streitzeitraum weiter. Unter Bezugnahme auf
die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - vertritt der Kläger die Auffassung,
dass die Abzweigung ab dem der Antragstellung folgenden Monat vorzunehmen sei. Es
handele sich im Streitfall auch nicht um eine Ermessensentscheidung, da die Beklagte
sich durch ihre Entscheidung der Abzweigung ab Mai 2007 bereits gebunden habe.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 17. Juni 2010 den Kindesvater zum Verfahren
beigeladen. Dieser hat schriftsätzlich geltend gemacht, für C werde stets ein
persönliches Zimmer im Einfamilienhaus der Familie vorgehalten (werden) und zu
keinem anderen Zweck verwendet. Im Übrigen habe es vor dem jetzt streitigen
Zeitraum nie Veranlassung gegeben, Belege zum Nachweis von Aufwendungen zu
sammeln.
den Bescheid des Beklagten vom 17. April
2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2007 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, das hälftige Kindergeld für C in Höhe von
insgesamt 385 € für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 an den
Kläger auszuzahlen.
die Klage abzuweisen.
Im Hinblick auf die vom Kindesvater dargelegten Aufwendungen habe sie, die
Beklagte, unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens die Abzweigung ab 1.
August 2007 komplett aufheben müssen. Von daher komme für die Vergangenheit auch
keine weitere hälftige Abzweigung in Betracht. Da eine Abzweigung des Kindergeldes in
der Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007 rechtswidrig gewesen sei und deshalb für
die Zukunft habe korrigiert werden müssen, wäre eine weitere Abzweigung vor dem 1.
Mai 2007 ebenfalls rechtswidrig. Eine Bindung dem Grunde nach an die ursprüngliche
Abzweigungsentscheidung bestehe nicht. Im Übrigen sei es nach der Rechtsprechung
des BFH nur erforderlich, dass der unterhaltsverpflichtete Kindergeldberechtigte seine
tatsächlichen Aufwendungen glaubhaft mache. Die daran zu stellenden Anforderungen
dürften nicht zu streng sein. Es genüge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit,
gegebenenfalls auch eine substantielle plausible schlichte Erklärung. Diesen
Anforderungen genügten die Angaben des Beigeladenen. Die angesetzten 100 €
monatliche Kosten für ein bereitgehaltenes, 8 qm großes Zimmer in einer Stadt seien
realistisch. Die Fahrtstrecke von … zur Dorfgemeinschaft … belaufe sich auf 65 km,
wofür nach steuerlichen Sätzen 39 € Fahrkosten anzuerkennen seien. Weitere 30 € für
Restaurant-Besuche und Eintrittsgelder kämen schnell hinzu. Es sei zudem zu erwarten,
dass allein die letztgenannten Positionen in den nachfolgenden Jahren immer neu
anfallen würden, ebenso gemeinsame Urlaube.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der Beteiligten entscheiden, da diese in den
Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurden, § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung
- FGO - .
Der Klageantrag ist sachdienlich dahingehend auszulegen, dass der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, an ihn hälftiges Kindergeld für C in Höhe von insgesamt 385
€ auch für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 abzuzweigen. Eine auf bloße
Auszahlung des Differenzbetrages gerichtete Klage könnte mangels Rechtsgrundlage für
eine Auszahlung ohne entsprechende Festsetzung keinen Erfolg haben.
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung in seinen Rechten verletzt, da dieser Bescheid rechtswidrig ist, §
100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Unrecht nimmt die Beklagte bei der von ihr ermittelten
Tatsachenlage an, dass der Beigeladene erhebliche eigene Aufwendungen für C hatte.
Nach § 74 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit den Sätzen 1 und 3 EStG in der für den
Streitzeitraum geltenden Fassung kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach §
66 Abs. 1 EStG auch an die Person oder Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind
Unterhalt gewährt, wenn der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht
nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur
Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die
Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.
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Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten zunächst nicht streitig, dass aufgrund der
tatsächlichen Umstände der Kindesvater und Beigeladene gegenüber seinem Sohn nach
den §§ 1601 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – zur Gewährung von Unterhalt
verpflichtet ist, da sich C offensichtlich nicht selbst unterhalten kann. Dieser
Unterhaltspflicht ist der Beigeladene im Sinne von § 74 Abs. 1 S. 1 EStG nicht
nachgekommen. Der Unterhaltspflicht nicht nachkommen bedeutet, dass der
Kindergeldberechtigte objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des Kindes
nicht aufkommt. Eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG setzt nicht
voraus, dass der Kindergeldberechtigte seine Unterhaltspflicht schuldhaft nicht erfüllt
oder gar den Straftatbestand der Unterhaltspflichtverletzung, § 170 des
Strafgesetzbuches – StGB –, verwirklicht. Auf die Gründe für die Nichterfüllung der
Unterhaltspflicht kommt es deshalb im Rahmen des § 74 EStG nicht an (vgl. BFH-Urteil
vom 23. Februar 2006 III R 65/04, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2008, 753).
Dass der Beigeladene im dargestellten Sinne seiner Unterhaltspflicht nicht
nachgekommen ist, ergibt sich daraus, dass der Kläger in erheblichem Umfang, nämlich
mit mindestens 1.500 € monatlich, mit Sozialleistungen eintreten musste.
Soweit die Behörde, wie bei der Abzweigungsentscheidung gemäß § 74 EStG, ermächtigt
ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht gemäß §
102 Satz 1 FGO nur, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des
Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten sind oder von dem Ermessenen in einer dem Zweck der Ermächtigung
nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Behörde kann ihrer
Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der
Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen, § 102 Satz 2 FGO.
Eine fehlerfreie Ermessensentscheidung setzt indes insbesondere voraus, dass die
Behörde ihre Entscheidung auf der Grundlage des einwandfrei und erschöpfend
ermittelten Sachverhaltes trifft und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und
rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen
einräumt, maßgeblich sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1990 III R 150/85, BStBl II 1991,
864; FG Münster, Urteil vom 30. November 2009 8 K 2812/09 Kg, Entscheidungen der
Finanzgerichte – EFG – 2010, 737).
Dies ist vorliegend nicht geschehen.
Da das Kindergeld die finanzielle Belastung der Eltern durch den Unterhalt für das Kind
ausgleichen soll, hängt die Entscheidung über die Abzweigung davon ab, ob und in
welcher Höhe Aufwendungen für das Kind entstanden sind. Nach der Rechtsprechung
sind im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigten die den
Eltern im Zusammenhang mit der Betreuung und dem Umgang mit dem Kind
tatsächlich, nicht nur fiktiv, entstandenen und glaubhaft gemachten Aufwendungen (vgl.
etwa BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07; BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R
38/07; BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 39/07; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 III
R 6/07, BStBl II 2009, 926).
Welche Anforderungen in diesem Zusammenhang an eine Glaubhaftmachung von
Aufwendungen zu stellen sind, richtet sich nach Auffassung des Senats nach den
Anforderungen, die auch sonst, wenn das Gesetz von Glaubhaftmachung spricht, z.B. in
§ 56 Abs. 2 FGO, §§ 294 Zivilprozessordnung in Verbindung mit 155 FGO, gelten.
Glaubhaftmachung erfordert danach lediglich, dass für die dargelegten Tatsachen eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. Klein/Rätke, Kommentar zur
Abgabenordnung – AO –, 10. Auflage 2009, § 100 AO Rn 46; Gräber/Stapperfend,
Kommentar zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 56 FGO Rn 45 mit weiteren Nachweisen aus der
Rechtsprechung). Unter Umständen kann in geeigneten Fällen auch eine einfache
Erklärung bereits ausreichend sein (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –
BVerfG – vom 11. Februar 1976, 2 BvR 849/75, Neue Juristische Wochenschrift – NJW –
1976, 1537; Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, 2. Auflage 2009, § 110 AO Rn 88).
Soweit die Beklagte im Streitfall im Rahmen ihrer – nach dem Wortlaut -
Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass dem Beigeladenen in 2006
insgesamt 2.250 € an tatsächlichen Aufwendungen entstanden sind, monatlich also
durchschnittlich 187,50 €, erscheint diese Annahme bei Anlegung des aufgezeigten
Maßstabes als fehlerhaft.
Die dieser Annahme zu Grunde liegenden Angaben des Beigeladenen zu seinen
Aufwendungen vermögen deren Berücksichtigung nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet des
Fehlens jeglicher Nachweise sind diese Angaben lediglich pauschal und lassen nicht
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Fehlens jeglicher Nachweise sind diese Angaben lediglich pauschal und lassen nicht
einmal eine Prüfung ihrer Richtigkeit auf Plausibilität zu, ohne dass der Verzicht der
Beklagten auf nähere Angaben vom Beigeladenen aus Zumutbarkeitsgründen geboten
war.
Die Kosten des vorgehaltenen Zimmers gibt der Beigeladene mit monatlich 100 € an.
Wie dieser Betrag zustande kommt, wird nicht einmal ansatzweise erklärt. Da lediglich
tatsächliche Aufwendungen zu Gunsten des Beigeladenen Berücksichtigung finden
können, hätte der Beigeladene zumindest dazu Angaben machen müssen, wie sich
diese 100 € ungefähr zusammen setzen, z.B. anteilige Kreditkosten, anteilige Kosten für
Elektrizität, Heizung und Wasser etc. Dass eine derartige Aufschlüsselung für den
Beigeladenen unzumutbar sein könnte, ist nicht ersichtlich. Schließlich muss sich der
Beigeladene ja Gedanken über die Grundlagen des von ihm genannten Betrages
gemacht haben. Die Annahme von fiktiven Mietwerten oder Immobilienwerten nach dem
Vergleichswertverfahren verbietet sich dagegen nach Auffassung des Senats, da es auf
tatsächliche erbrachte Aufwendungen ankommt.
Entsprechendes gilt für die Angaben zu den Kosten für den angeführten zweiwöchigen
Sommerurlaub. Selbst wenn der Beigeladene keine Belege (mehr) hinsichtlich
diesbezüglich aufgewandter Kosten für C mehr haben sollte, sieht der Senat keine
Hinderungsgründe, weswegen es dem Beigeladenen nicht möglich sein sollte,
wenigstens den Reiseverlauf zu skizzieren und z.B. anzugeben, um welche Art Urlaub es
sich gehandelt hat, etwa Campingurlaub, Hotelurlaub, Übernachtungen in preiswerten
Herbergen u.ä.. Gleiches gilt hinsichtlich der Art der Verköstigung im Urlaub. Es leuchtet
ohne weiteres ein, dass je nach Gestaltung des Urlaubs höhere oder niedrigere
Aufwendungen für C entstanden sein müssen. Auch hier ist nicht ersichtlich, dass die
Forderung nach einem im aufgezeigten Umfang vom Beigeladenen zu schildernden
Urlaubsab- und –verlauf für diesen unzumutbar gewesen wäre.
Ebenso wenig vermag der Senat den Ansatz von 70 € je Wochenendbesuch
nachzuvollziehen. Genauso gut hätte der Beigeladene hier jeweils 100 € oder mehr
angeben können, da eine derart pauschale Angabe keinerlei Nachvollziehbarkeit
ermöglicht. Der Hinweis der Beklagten auf steuerlich zu berücksichtigende Wegekosten
verfängt nicht, da bereits für die Anzahl der Besuche keinerlei Nachweis vorhanden ist
und im Übrigen sich die errechneten 39 € deutlich unterhalb der angegebenen 70 €
bewegen
Insgesamt sind nach Auffassung des Senats tatsächliche Angaben wenigstens im (noch)
verfügbaren Umfang zu erheben, um eine möglichst breite und sichere Grundlage für die
Beurteilung der Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Richtigkeit der angegebenen
Aufwendungen zu haben. Dies gilt in besonderem Maße, wenn wenig oder sogar, wie im
Streitfall, überhaupt keine Belege (mehr) vorhanden sind. Zudem ist der maßgebliche
Streitzeitraum zu beachten, so dass, wenn, wie hier, aus in der Vergangenheit liegenden
Umstände Rückschlüsse für den Streitzeitraum gezogen werden sollen, dafür ebenfalls
hinreichend tragfähige Tatsachen vorhanden sein müssen.
Das Finanzgericht kann im Hinblick auf die zu treffende Ermessensentscheidung nicht an
Stelle der Beklagten entscheiden. Die Beklagte wird deshalb die bisher unterlassene
Sachaufklärung für den Streitzeitraum nachzuholen haben und dann auf der Grundlage
der ermittelten Tatsachen unter Ausübung des ihr obliegenden Ermessens erneut eine
Abzweigungsentscheidung treffen müssen.
Sollte die Beklagte nach erneuter Sachermittlung zu der Auffassung kommen, dass die
Voraussetzungen für eine Abzweigung im beantragten Umfang bereits ab Dezember
2006 vorliegen, hat die Beklagte zu beachten, dass die Auffassung des Klägers, die
Abzweigung habe regelmäßig ab Antragstellung, jedenfalls aber ab dem darauf
folgenden Monat zu erfolgen, nicht zu beanstanden ist. Jedenfalls im vorliegenden Fall
stünde auch nicht eine bereits an den Beigeladenen erfolgte Auszahlung des
Kindergeldes für den Streitzeitraum einer Abzweigung bereits ab dem vorgenannten
Zeitpunkt entgegen, nachdem die Beklagte sehenden Auges eine solche Auszahlung in
Kenntnis des Abzweigungsantrages vorgenommen hat (vgl. Urteile des FG Berlin-
Brandenburg vom 2. April 2009, 10 K 10320/07, EFG 2009, 1305; des FG Köln vom 21.
Januar 2009 14 K 2708/05, EFG 2010, 242; des Sächsischen FG vom 10. Dezember 2008
8 K 1772/07 (Kg), nicht veröffentlicht, zitiert nach juris; wohl auch FG Köln vom 13. März
2008 10 K 3232/06, EFG 2008, 1298).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat sieht es als
angemessen an, die Kosten der Beklagten vollständig aufzuerlegen, da diese allein
durch mangelnde Sachverhaltsaufklärung die Nichtspruchreife der Sache zu vertreten
hat (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 101 FGO Rn 8 mit weiteren Nachweisen).
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