Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: sinn und zweck der norm, aufschiebende wirkung, widerruf, einspruch, abgabe, fristverlängerung, unternehmer, vorauszahlung, akte, quelle

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2001, 2002
Aktenzeichen:
5 K 433/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 48 Abs 4 UStDV 1999, § 18
UStG 1999
Zeitpunkt der Anrechnung der Sondervorauszahlung bei
Widerruf der Dauerfristverlängerung nach Antrag auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH (im Folgenden:
Gemeinschuldnerin). Für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen hatte der
Beklagte den von der Gemeinschuldnerin gestellten Antrag auf Dauerfristverlängerung
bewilligt. Die in Höhe von 59.922,00 DM festgesetzte Sondervorauszahlung zahlte die
Gemeinschuldnerin im Februar und März 2001 vollständig. Nachdem die
Gemeinschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte,
widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 3.7.2001 die gewährte Dauerfristverlängerung.
Mit Beschluss vom 1.8.2001 eröffnete das Amtsgericht M das Insolvenzverfahren über
das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für
den Monat Juli 2001 vom 11.9.2001 rechnete der Beklagte die von der
Gemeinschuldnerin geleistete Sondervorauszahlung auf die Steuerschuld an. Hiergegen
wandte sich der Kläger mit mehreren Schreiben, denen der Beklagte nicht folgte. Mit der
Umbuchungsmitteilung vom 28.2.2002 buchte der Beklagte das Guthaben aus der von
dem Kläger zur Masse-Steuernummer eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für
den Monat Januar 2002 um auf die Umsatzsteuerschuld für den Monat September 2001
(ebenfalls Masse-Steuernummer). Daraufhin reichte der Kläger am 14.3.2002 eine
berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember 2001 ein, in der er
die Sondervorauszahlung anrechnete. In den Folgemonaten nahm der Beklagte weitere
Umbuchungen von Guthaben aus den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate
Dezember 2001 und Februar bis April 2002 auf die Umsatzsteuerschulden für
September 2001 sowie auf die Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer für die Monate
August bis Oktober 2001 vor (alles zur Masse-Steuernummer). Bei der Umbuchung des
Guthabens für Dezember 2001 berücksichtigte der Beklagte die von dem Kläger
angerechnete Sondervorauszahlung nicht. Einem Antrag auf Verrechnungsstundung,
den der Kläger damit begründete, dass für den Monat Dezember 2001 ein höheres
Guthaben wegen der Anrechnung der Sondervorauszahlung zu erwarten sei, folgte der
Beklagte nicht.
Am 12.1.2004 erließ der Beklagte den von dem Kläger beantragten
Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 12/01 bis 04/02 (Blatt 9 der Akte 5 K
40033/05). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Im August 2004
reichte er eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 zur Masse-
Steuernummer (Zeitraum 1.8. bis 31.12.2001) ein. In dieser Steuererklärung
berücksichtigte er die von der Gemeinschuldnerin geleistete Sondervorauszahlung. Der
Beklagte folgte der Erklärung, ohne aber die geleistete Sondervorauszahlung
anzurechnen. Gegen die Abrechnungsverfügung erhob der Kläger Einspruch, woraufhin
der Beklagte am 12.1.2005 einen Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 2001 erließ
(Blatt 9 der Akte 5 K 934/06). Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit den
Einspruchsentscheidungen vom 10.2.2005 und vom 11.5.2006 wies der Beklagte die
Einsprüche gegen die Abrechnungsbescheide als unbegründet zurück.
Mit den Klagen macht der Kläger geltend, dass die Abrechnungsbescheide deshalb
rechtswidrig seien, weil der Beklagte die von der Gemeinschuldnerin geleistete
Sondervorauszahlung für den Monat Dezember 2001 habe anrechnen müssen. Die
Anrechnung im Monat Juli 2001 sei rechtswidrig. Der Kläger beruft sich auf die
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 18.7.2002 (V R 56/01) und vom 6.11.2002 (V
R 21/02). In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte weiter vorgetragen,
dass die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung auch deshalb im Dezember habe
angerechnet werden müssen, weil der Widerruf der Dauerfristverlängerung unwirksam
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angerechnet werden müssen, weil der Widerruf der Dauerfristverlängerung unwirksam
sei. Die Rechtsbehelfsfrist sei nicht abgelaufen, weil zwischenzeitlich das
Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Selbst wenn man den Widerruf als erfolgt
ansehe, so sei damit die Festsetzung der Dauerfristverlängerung noch nicht
aufgehoben.
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom
10.2.2005 und vom 11.5.2006 die Abrechnungsbescheide vom 12.1.2004
und vom 12.1.2005 dahingehend zu ändern, dass zur Zeitpunkt des
Erlasses der Einspruchsentscheidungen hinsichtlich der Umsatzsteuer für
Dezember 2001 bis April 2002 ein Guthaben in Höhe von 4.662,29 €
(Abrechnungsbescheid vom 12.1.2004) und hinsichtlich der Umsatzsteuer
2001 kein Rückstand bestanden hat.
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die geleistete Sondervorauszahlung sei in dem Monat
anzurechnen, für den die Dauerfristverlängerung letztmalig gelte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Abrechnungsbescheide sind rechtmäßig
und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -
FGO -).
Gemäß § 18 Umsatzsteuergesetz - UStG - in Verbindung mit § 46 Satz 1
Umsatzsteuerdurchführungsverordnung - UStDV - hat das Finanzamt dem Unternehmer
auf Antrag die Fristen für die Abgabe der Voranmeldungen und für die Entrichtung der
Vorauszahlungen um einen Monat zu verlängern. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 UStDV ist die
Fristverlängerung bei einem Unternehmer, der die Voranmeldungen monatlich
abzugeben hat, unter der Auflage zu gewähren, dass dieser eine Sondervorauszahlung
auf die Steuer eines jeden Kalenderjahres entrichtet. Gemäß § 48 Abs. 4 UStDV in der
im Streitjahr geltenden Fassung ist festgesetzte Sondervorauszahlung bei der
Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des
Besteuerungszeitraums anzurechnen.
Diese Regelung des § 48 Abs. 4 UStDV hat nicht zur Folge, dass stets eine Anrechnung
der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung im Voranmeldungszeitraum Dezember eines
Jahres zu erfolgen hat. Nach dem Sinn und Zweck der Norm soll die
Sondervorauszahlung vielmehr im letzten Voranmeldungszeitraum des
Besteuerungszeitraums angerechnet werden, für den die Dauerfristverlängerung
gewährt wurde. Dies ist in der Regel der Monat Dezember, wenn die
Dauerfristverlängerung für das gesamte Jahr beantragt und bewilligt war. Endet die
Fristverlängerung aber früher, ist nach der Zweckbestimmung der des § 48 Abs. 4
UStDV in der im Streitjahr geltenden Fassung die Sondervorauszahlung auch früher zu
verrechnen. § 48 Abs. 4 UStDV ist eine Schutzbestimmung zugunsten des
Unternehmers. Entfällt der gewährte Vorteil in Form der Dauerfristverlängerung, so
entfällt auch das Ausgleichsmoment der Sondervorauszahlung für den Zinsverlust, der
anderen Steuerpflichtigen durch die fristgerechte Abgabe der Voranmeldungen entsteht.
Der durch die Zahlung der Sondervorauszahlung eingetretene Nachteil für den
Unternehmer ist durch sofortige Anrechnung zu beseitigen. Das gilt auch im Falle der
späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dem stehen auch die von dem Kläger
zitierten Urteile des Bundesfinanzhofs nicht entgegen. In den dort entschiedenen Fällen
hatte das Finanzamt die gewährte Dauerfristverlängerung gerade nicht widerrufen.
Bestätigt wird die hier vertretene Auslegung des § 48 Abs. 4 UStDV in der im Streitjahr
geltenden Fassung durch die seit dem 19.12.2006 geltende Neufassung der Norm. § 48
Abs. 4 UStDV ist durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006
(Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2006, 2878) dahingehend ergänzt worden, dass die
Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums
anzurechnen ist, für den die Fristverlängerung gilt. Der Gesetzgeber hat in der
Begründung zum Jahressteuergesetz 2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es
sich insoweit lediglich um eine Klarstellung handelt, also keine Änderung der bisherigen
Rechtslage eintritt (siehe dazu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des
Jahressteuergesetzes 2007, Bundesratsdrucksache - BR-Drucks. - 622/06, 134).
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass die Umsatzsteuer-Vorauszahlung
deshalb im Dezember anzurechnen sei, weil der Beklagte zwar die
Dauerfristverlängerung widerrufen, nicht aber auch die Festsetzung der
Sondervorauszahlung aufgehoben habe. Da § 48 Abs. 4 UStDV eine spezielle Regelung
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Sondervorauszahlung aufgehoben habe. Da § 48 Abs. 4 UStDV eine spezielle Regelung
zur Anrechnung von Sondervorauszahlungen trifft, die im vorstehenden Sinne
auszulegen ist, bedurfte es keiner Aufhebung der Festsetzung der
Sondervorauszahlung.
Der Kläger kann schließlich auch nicht damit gehört werden, dass der Widerruf der
Dauerfristverlängerung unwirksam sei, weil zum Zeitpunkt der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens die Rechtsbehelfsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Dabei
kann unentschieden bleiben, ob dies zur Folge hat, dass der Ablauf der
Rechtsbehelfsfrist gehemmt wurde. Denn dies hat keine Auswirkungen auf die
Wirksamkeit des Widerrufs, weil ein Einspruch gegen den Widerruf - der nicht erhoben
worden ist - keine aufschiebende Wirkung hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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